Die+Bienen+sind+bedroht 1.18531486
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Die+Bienen+sind+bedroht 1.18531486
52 Samslng/Sonritag, lO./l I.Juli 1976 Nr. 159 WOCHENENDE 9kuc 3ilrd)cr 3citiinj)
Die Bienen sind bedroht macht, gerät das Bienenvolk in arge Bedrängnis.
Zu Beginn des Frühjahrs unternehmen die Bienen den Reini-
gungsflug, während die Königin mit der Ablage von täglich etwa
Von Ruedi Weiss (Text) und Hans Krebs (Aufnahmen) 1000 Eiern beginnt. Die Arbeiterbiene trägt ihren Namen zu
Recht, erfüllt sie doch im Laufe ihres Lebens eine Fülle von
verschiedensten Aufgaben. Als junge Arbeiterbiene bereitet sie im
Das Volk rd e Bienen hat schon vor Jahrtausenden die Auf- Dabei handelt es sich um Plätze (Trachtqucllen) im Ausmass von
merksamkeit des Menschen auf sich gezogen. Der Honig war in ungefähr einer Are. Erst wenn an dieser Steile nichts mehr zu
früherer Zeit nicht nur rd e wichtigste Süssstoff, er galt auch als finden ist, wird von der Biene ein anderer Ort gesucht.
wertvolles Heilmittel gegen verschiedene Krankheiten. Das Wachs
war zur Herstellung von Kerzen für Kirchen und andere kultische Die volkswirtschaftliche Bedeutung
Stätten unentbehrlich.
Der Obst- und Becrcnobstanbau sowie der Anbau von Raps
In rd e Schweiz sind die klimatischen, pflanzenbaulichen und
und manchen Samenkulturen wäre ohne die Honigbiene praktisch
forstwirtschaftlichen Voraussetzungen für die Honiggewinnung unmöglich. Die Erträge würden sehr gering und die Preise für
weit weniger günstig als in subtropischen und tropischen Ländern.
die Produkte unerschwinglich. Aus statistischen Erhebungen und
Aus diesem Grund wird die Bienenzucht hierzulande vorwiegend Schatzungen des Bauernsekretariats in Brugg geht hervor, dass
als Nebenerwerb betrieben.
von 1961 bis 1970 durchschnittlich 2 226 700 kg Honig pro Jahr
geerntet wurden, was einem jährlichen Durchschnittswert von
Die landwirtschaftliche Bedeutung der Honigbiene 16,9 Millionen Franken entspricht. In rd e gleichen Zeit bezifferte
r e Schweiz ist seit Anfang der fünfziger Jahre ein anhal-
In d sich rd e jährliche Rohertrag aus dem Obstbau (Acpfel, Birnen,
lender Rückgang der Bienenvölker zu beobachten. Trotzdem Kirschen, Pflaumen, Zwetschgen, Aprikosen und Pfirsiche) auf
zeichnet sich unser Land nach wie vor durch eine grosse Bienen- 219,6 Millionen Franken. Rechnet man zum durchschnittlichen
Honigwert von 16,9 Millionen Franken noch den Wert für die
völkerdichtc aus. Bemerkenswert aber ist die Tatsache, dass die
Zahl der Bienenbesitzer in den letzten dreissig Jahren um rund Wachsernte, den Ertrag aus dem Anbau von Obst- und Beeren-
Die Arbeiterbiene entsteht aus einem befruchteten Ei der Königin.
einen Drittel auf etwa 25 000 zurückgegangen ist. In früheren obst sowie denjenigen aus dem Anbau von Raps hinzu, so ist die
Notwendigkeit einer im ganzen Land gesicherten Bienenhaltung Daraus reift in der Brutwabe in 20 Tagen eine Puppe heran. Ntich der
Zeiten war die Bienenzucht fast ausschliesslich ein bescheidener Puppenhäutung verbringt die Biene noch einen Tag In der verschlos-
Nebenbetriebszweig der Landwirte; auf sehr vielen Bauernhöfen leicht ersichtlich. Dennoch: die schweizerischen Honigernten senen Zelle und durchnagt dann den Zclldeckcl.
standen Bienenhäuser. Heute ist dies anders: die Bauern stellen decken den Bedarf unserer Haushaltungen und der Industrie bei
auf Intensivkulturen um und geben die vom Honigertrag her weitem nicht. In den Jahren 1961 bis 1970 wurden im Durch-
unwirtschaftliche Imkerei auf. schnitt jährlich 3 345 500 kg Honig eingeführt. Die eigene Pro-
Die land- und volkswirtschaftliche Bedeutung der Honig- duktion verhält sich somit zum Import ungefähr wie 2:3. Infolge
der niedrigeren Preise für den Auslandhonig übertrifft der Inland-
biene wurde allzu lange verkannt, denn die Bestäubung der honig wertmässig jedoch die fremden Produkte.
Blüten durch die Bienen ist heute weit wichtiger als die Honig-
erzeugung. Weil die Honigbienen im Gegensatz zu anderen
Insekten in Kolonien überwintern, sind sie im Frühling als ein- Das Leben der Bienen
zige in grosser Individuenzahl vorhanden. Nach in der Schweiz
angestellten Untersuchungen fällt der Honigbiene dadurch die Die einzelne Honigbiene konnte trotz der hohen Entwick-
lungsstufe ihres Körpers und ihrer Organe für sich alleine nicht
Bestäubung der Blüten bis zu 90 Prozent zu. Zudem sind ihr
existieren. Ihr gesamtes Leben, ihr Nestbau, ihre Entwicklung,
zwei Verhaltensweisen eigen, die ihre Bestäubungsarbeit beson- ihre Ueberwinterung sowie ihr Fortbestehen sind auf die Gemein-
ders wirksam machen: die Blütenstetigkeit und die Ortsstetigkeit.
schaft des Volkes ausgerichtet. Jedem Bienenvolk steht eine
Dank der Blütensteligkcit fliegt die gleiche Biene fast immer Königin vor, welcher als Untertanen die männlichen Drohnen
nur auf eine bestimmte Blütenart. Die Stetigkeit geht so weit, und die Arbeiterbienen zur Seite stehen. Die Grösse eines Volkes
dass beispielsweise in einem Garten mit gelben und blauen ist von der Jahreszeit abhängig. Zählt es im Winter nur etwa
Krokussen die einen Bienen fast ausschliesslich die gelben, die 10 000 Bienen, so steigt die Anzahl der Individuen im Juli bis auf
anderen nur die blauen Blüten befliegen. den Höchststand von 60 000. Dabei stellen die Arbeiterinnen den Im Frühling und Sommer geschlüpfte Arbeiterbienen leben zwischen
Die Ortsstetigkeit bewirkt, dass jede Biene zum Sammeln von weitaus grössten Teil, während die Drohnen nur etwa 3 Prozent drei und vier Wochen, während die Bienen der Wintergeneration erst
Nektar oder Pollen immer wieder an denselben Ort zurückfliegt. der Gesamtpopulation eines Bienenvolkes ausmachen. Die nach 9 Monaten sterben. Im Verlaufe ihres Lebens haben die Arbeiter-
bienen die verschiedensten Aufgaben zu erfüllen.
Die dickleibigen Drohnen entwickeln sich aus unbefruchteten Eiern und haben in ihrem 40tägigen Leben lediglich die Aufgabe, die Königin zu Auch die Königin entwickelt sich aus einem befruchteten Ei. Während
begatten. Auf dem Hochzeitsflug fliegen die Drohnen die Königin von hinten her an und stossen den Begattungsschlauch tief In ihre Geschlechts- der lötägigen Entwicklung wird sie bis zu 17 Stunden täglich mit
öffnung. Der Akt dauert nur wenige Sekunden und wird von einem lauten Knall begleitet. Nach der Begattung stirbt die Drohne meist noch im Gelee royale gefüttert. Die Königin hat eine Lebensdauer von drei bis
Flug, da ihr beim Akt der Begattungsapparat ganz oder teilweise abgerissen wird. fünf Jahren; sie legt rund ISO 000 Eier jährlich.
Bienenstock die Zellen fUr die Eiablage vor und füttert die
älteren Maden mit Honig und Pollen, die jüngeren mit Frucht-
saft. Nach etwa zehn Tagen wird die Arbeiterbiene zur eigent-
lichen Baubiene, die für den Bau der wachsartigen Waben ver-
antwortlich ist. Später bereitet sie aus dem den Flugbienen
abgenommenen Nektar den Honig und speichert diesen und
den
Pollen in den Waben. Nach dem Reinigungs- und Wachdienst
wartet auf sie die Sammelarbcit, wobei sie als Trachtbiene in
den ihr noch verbleibenden wenigen Tagen bis zu ihrem Tod
täglich über fünfzig Blüten besucht.
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