Ein Russisches Pilgerleben
Ein Russisches Pilgerleben
Ein Russisches Pilgerleben
PILGERLEBEN
HERAUSGEGEBEN
VON
REINHOLD VON WALTER
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PETROPOLIS , VERLAG / BERLIN
VERLAG i DIE SCHMIEDE / BERLIN
VOR.wo RT.
IX
EIN RUSSISCHES
PILGERLEBEN
„Der Könige Heimlichkeit soll
man verschweigen, aber die Werke
Gottes soll man herrlich offenbaren.”
Tobias 12, V. B.
ERSTE ERZÄHLUNG.
Ich, nach der Gnade Gottes ein Christenmensch, meinen Werken nach ein großer
Sünder, meiner Berufung nach ein heimatloser
Pilger, niedersten Standes, pilgere von Ort
zu Ort. Folgendes ist meine Habe : auf dem
Rücken trage ich einen Beutel mit trockenem
Brot und auf der Brust die Heilige Bibel; das
ist alles. In der vierundzwanzigsten Woche
nach dem Fest der Dreifaltigkeit kam ich in
eine Kirche zur Messe, um dort zu beten; gelesen wurde aus der Epistel an die
Thessalonicher im fünften Kapitel der siebzehnte Vers;
der lautet: Betet ohne Unterlaß. Dieses
Wort prägte sich mir besonders ein, und ich
begann darüber nachzudenken, wie man wohl
ohne Unterlaß beten könne, wenn doch ein
jeder Mensch auch andere Dinge verrichten
muß, um sein Leben zu erhalten ? Ich schlug
1 Ein
russisches Pilgerleben
1
in der Bibel nach und sah dort mit eignen
Augen dasselbe, was ich gehört hatte, und
zwar, daß man ohne Unterlaß beten, bei allem
Gebet und Flehen allezeit im Geiste beten
und darin wachen muß in Ausdauer und allerorts mit zum Gebet erhobenen Händen. Ich
dachte viel darüber nach, wußte aber nicht,
wie das zu deuten sei.
,Was tu ich nun?' dachte ich bei mir. ,Wo
finde ich einen, der es mir deutet ? Ich will
in Kirchen gehen, die im Rufe stehen, gute
Prediger zu haben; gewiß werde ich dort eine
Unterweisung finden.` Und so tat ich. Ich
hörte da sehr viele gute Predigten über das
Gebet. Doch waren es Belehrungen über
das Gebet im allgemeinen : was das Gebet ist,
wie man beten soll, welche Frucht das Gebet
bringt; darüber aber, wie man im Gebet fortschreiten könne, redete niemand. Wohl
war
da einmal eine Predigt über das Gebet im
Geist und über das unablässige Gebet; doch
wurde nicht gesagt, wie man zu diesem Gebet
gelangen könne. So brachte mich denn das
Hören der Predigten nicht zu dem Gewünschten. Als ich mich daher an ihnen satt
gehört
und keine Vorstellung bekommen hatte, wie
man ohne Unterlaß beten soll, hörte ich auf,
die öffentlichen Predigten zu besuchen, be-
schloß aber, mit Gottes Hilfe nach einem erfahrenen und wissenden Mann zu suchen,
der
mir das Beten ohne Unterlaß erklären könnte,
da ich mich ja eben zu diesem Wissen so unverwandt hingezogen fühlte.
So pilgerte ich lange von Ort zu Ort; las
immer die Bibel und forschte, ob es nicht irgendwo einen geistigen Lehrer oder
einen frommen, erfahrenen Führer gäbe ? Nach einiger Zeit sagte man mir, daß in
einem Dorf seit
langer Zeit schon ein Herr lebe und dort ein
frommes Leben führe, um seine Seele zu retten : er habe in seinem Hause eine
Kirche, ginge
niemals aus und betete immer zu Gott und
lese ohne Unterlaß inBüchern, die das Seelenheil fördern. Da ich dies hörte, ging
ich nicht,
nein, ich lief in das mir genannte Dorf; ich kam
hin und fand dort auch den Gutsbesitzer.
„Was ist es, was dich zu mir führt ?" fragte
er mich.
„Ich habe gehört, daß Sie ein frommer und
kluger Mann sind; darum bitte ich Sie auch,
um Gottes Willen, mir zu erklären, was es
heißt, wenn der Apostel sagt : Betet ohne
Unterlaß, und auf welche Weise man auch
ohne Unterlaß beten kann ? Ich wünsche sehr,
dies zu erfahren, kann ich es doch ganz und
gar nicht verstehen."
1•
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Der Herr schwieg, blickte mich aufmerksam prüfend an und sagte : „Das unaьlässige,
innere Gebet ist das ununterbrochene Streben des menschlichen Geistes zu Gott. Um
in dieser süßen Übung fortzuschreiten, ist es
erforderlich, möglichst oft Gott zu bitten,
Er möge einen lehren, ohne Unterlaß zu beten. Bete mehr und mit größerer Inbrunst;
das Gebet selber wird dir ofenbaren, auf welche Weise es ohne Unterlaß gebetet
werden
kann; alles kommt zu seiner Zeit."
Nachdem er dies gesagt, ließ er mir Essen
bringen, gab mir eine Wegzehrung und entließ
mich. So hatte er es mir denn nicht gedeutet.
Da ging ich denn wieder meines Weges; ich
dachte und dachte, las und las, grübelte und
überlegte, was mir der Herr gesagt hatte und
konnte es doch nicht verstehen; ich wollte
es aber sehr verstehen, so sehr, daß ich in den
Nächten keinen Schlaf fand. An zweihundert
Werst mochte ich so gepilgert sein und kam
dann in eine große Gouvernementsstadt. Ich
sah dort ein Kloster. Ich machte in einer Herberge Halt und erfuhr, daß der Abt
dieses
Klosters sehr gütig, fromm, gastfreundlich
sei und Pilger bei sich aufnähme. Ich ging
zu ihm; er nahm mich freundlich auf, hieß
mich Platz nehmen und wollte mich speisen.
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„Heiliger Vater," sagte ich, „Eure Bewirtung ist mir nicht vonnöten. Ich wünschte
aber, daß Ihr mir eine geistliche Unterweisung
erteilt, wie ich meine Seele retten soll."
„Wie du deine Seele retten sollst ? Handle
nach den Geboten und bete zu Gott, dann
wirst du auch gerettet werden."
„Ich höre, daß man ohne Unterlaß beten
soll, weiß aber nicht, wie man ohne Unterlaß
betet und kann es gar nicht mal fassen, was
es bedeutet, ohne Unterlaß zu beten. Ich
bitte Euch, mein Vater, erklärt mir das."
„Ich weiß nicht, lieber Freund, wie ich es
dir noch erklären sollte. Doch halt, ich habe
hier ein Buch, da ist es erklärt." Und er
brachte mir des heiligen Dimitrij ‚Geistliche
Unterweisung des inneren Menschen'. „Lies
mal hier auf dieser Seite."
Ich las folgendes : „Die Apostelworte :
,betet ohne Unterlaß` sind zu verstehen
als ein Gebet, das im Geist verrichtet wird;
denn der Geist kann immer in Gott eindringen und kann ohne Unterlaß zu ihm
beten."
„Erklärt mir das, auf welche Weise der
Geist immer in Gott eindringen kann, nicht
abgelenkt wird und unab ässig betet."
„Dies ist überaus schwierig, es sei denn,
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daß es einem Gott selber gibt," sagte der Abt.
Und so erklärte er es mir nicht.
Nachdem ich bei ihm übernachtet und ihm
am Morgen für die freundliche Aufnahme gedankt, machte ich mich wiederum auf den
Weg und wußte selber nicht wohin. Mein
Nichtverstehen bekümmerte mich. Und um
das Herz zu erfreuen, las ich die Heilige Bibel.
So ging ich fünf Tage lang auf einer Landstraße; endlich holte mich gegen Abend ein
altes Männchen ein, allem Anschein nach
geistlichen Standes.
Auf meine Frage sagte mir der Alte, er sei
Eremit und lebte in einer Einsiedelei, die zehn
Werst abläge, abseits von der Landstraße,
und er forderte mich auf, mit ihm in seine
Einsiedelei zu kommen. „Bei uns," sagte er,
„werden Pilger aufgenommen, werden beruhigt und zusamt anderen Frommen in einem
Gasthof gespeist."
Ich wollte aus irgendeinem Grunde nicht
dorthin und antwortete also auf seine Einladung: „Meine Ruhe hängt nicht von der
Herberge ab, sondern von einer geistlichen
Belehrung; auch auf Nahrung bin ich nicht
bedacht, denn ich habe in meinem Beutel
noch viel Hartbrot."
„Und was ist es denn für eine Belehrung,
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die du suchst ? Was ist es, was du nicht verstehen kannst ? Komm nur, komm, lieber
Bruder, zu uns; wir haben erfahrene Starzenl), die können dich wohl geistig speisen
und dir den rechten Weg zeigen im Lichte des
Wortes Gottes und der Unterweisungen der
heiligen Väter."
„Ja, seht, Vater, es mag ein Jahr her
sein, daß ich in der Messe bei der Epistelverlesung das Gebot hörte: Betet ohne
Unterlaß. Da ich dies nicht verstehen konnte, begann ich in der Bibel zu lesen. Und
auch dort
fand ich an vielen Stellen das Gebot Gottes,
man soll ohne Unterlaß beten, immer, zu jeder
Zeit, an jedem Ort, nicht nur bei jeglicher Beschäftigung, nicht nur im Wachen,
sondern sogar im Schlaf. ,Ich schlafe, aber mein
Herze wacht` 2). Dies setzte mich sehr in Erstaunen, und ich konnte nicht
verstehen, wie
man dieses erfüllen kann und welche Wege dahin führen; ein lebhaftes Wünschen und
Neugierde wurden in mir wach; Tag und Nacht
kam mir dies nicht aus dem Sinn. Darum
bin ich in verschiedene Kirchen gegangen und
habe Predigten über das Gebet gehört; aber
1)Mönche, die sich durch große innere Erfahrung und
tiefe Frömmigkeit auszeichnen.
2) Hohelied 5, 2.
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so viele Predigten ich auch gehört habe, fand
ich doch in keiner eine Belehrung, wie man
ohne Unterlaß beten müsse; immer war nur
die Rede von der Vorbereitung zum Gebet,
oder von den Früchten des Gebets und dergleichen, es war da aber keine
Unterweisung,
wie man ohne Unterlaß beten soll, und was
ein solches Gebet zu bedeuten habe. Ich habe
oft in der Bibel gelesen und an ihr das Gehörte nachgeprüft; ich habe aber dabei
nicht
die gewünschte Erkenntnis gefunden. So bin
ich denn bis hiero in Unwissenheit und Unruhe
verblieben."
Der Starez bekreuzigte sich und begann
also : „Danke Gott, geliebter Bruder, daß Er
dir dieses unüberwindliche Verlangen nach
der Erkenntnis des unablässigen inneren Gebetes offenbarte. Erkenne hierin die
Berufung Gottes und sei stille, nachdem du dich
davon überzeugt hast, daß bis zu dieser Stunde eine Prüfung dir auferlegt ward, ob
dein
Wille auch der Stimme Gottes gehorcht, und
da dir gegeben ward zu verstehen, daß man
nicht durch die Weisheit dieser Welt und nicht
durch äußeren Wissensdurst das himmlische
Licht, das unablässige innere Gebet erlangen
kann, sondern im Gegenteil : durch die Armut
des Geistes und durch tätige Erfahrung wird
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des Gebets muß vor allen andern Werken stehen, denn ohne das Gebet kann kein
anderes
gutes Werk verrichtet werden. Unmöglich ist
es, ohne Gebet den Weg zu Gott zu finden,
die Wahrheit zu erkennen, das Fleisch mit
seinen Leidenschaften und Lüsten zu kreuzigen, sein Herz mit dem Lichte Christi zu
durchleuchten und die selige Verbindung mit
Gott zu finden. Dies alles kann nicht geschehen, ohne voraufgehendes häufiges
Gebet. Ich
sage häufiges Gebet, denn die Vollkommenheit und Richtigkeit des Gebets geht über
unsere Möglichkeiten hinaus, wie der Apostel
Paulus sagt : ‚Denn wir wissen nicht, um was
wir beten sollen, wie es sich ziemt`1). Folglich ist nur die Häufigkeit, die
Unabhtssigkeit
als Mittel unserem Vermögen zugefallen, um
zur Reinheit des Gebetes zu gelangen, welche
die Mutter eines jeden geistigen Gutes ist.
Wirb um die Mutter, und sie wird dir Kinder
gebären, sagt der heilige Isak Sirin; lerne das
erste Gebet dir zu eigen zu machen, und leicht
wirst du dann alle Tugenden erlangen. Hierüber aber bestehen nur unklare
Vorstellungen,
und wer mit der Übung und mit den tiefen
inneren Lehren der Väter nicht vertraut ist,
wird wenig darüber sagen können."
1) Rºm. 8, 26.
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So redend, waren wir unvermerkt fast bis
zur Einsiedelei gekommen. Um diesen weisen
Starez nicht aus den Augen zu verlieren, sondern möglichst schnell eine Erfüllung
meines
Wunsches zu finden, beeilte ich mich ihm zu
sagen : „Erweist mir die Güte, ehrwürdiger
Vater, erklärt mir, was bedeutet das — unablissiges innerliches Gebet, und wie kann
man es erlernen; ich sehe, daß Ihr es genau
und aus Erfahrung kennt."
Der Starez nahm diese meine Bitte voller
Liebe entgegen und forderte mich auf, zu ihm
zu kommen: „Komm jetzt zu mir, ich will
dir ein Buch der heiligen Väter geben, und
auf Grund dieses Buches wirst du mit Gottes
Hilfe klar und genau verstehen und beten lernen."
Wir betraten die Klause, und der Starez
sagte folgendes : „Das unaЫässige innerliche
Jesusgebet ist das ununterbrochene, unaufhörliche Anrufen des Göttlichen Namens
Jesu
Christi mit den Lippen, mit dem Geist und
mit dem Herzen, wobei man sich Seine ständige Anwesenheit vorstellt und Ihn um Sein
Erbarmen bittet bei jeglicher Tun, allerorts,
zu jeder Zeit, sogar im Schlaf. Es findet seinen Ausdruck in folgenden Worten :
Herr,
Jesus Christus, erbarme Dich meiner! Wenn
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die Bibel, vielmehr enthält es alle lichten Erklärungen dessen, was es an
Geheimnisvollem
in der Bibel gibt, was aber wegen seiner Erhabenheit unserem kurzsichtigen
Verstande
schwer zugänglich ist. Hierfür will ich dir ein
Beispiel geben : die Sonne ist die größte, glänzendste und vornehmste Leuchte; doch
vermagst du sie nicht mit einfachem, unbewaffnetem Auge zu schauen und zu
betrachten. Es
bedarf dazu eines gewissen künstlichen Glases, welches wohl millionenmal kleiner
und
dunkler ist; durch dieses aber könntest du dir
diesen herrlichen Fürsten unter den Gestirnen betrachten, dich daran ergötzen und
seine
flammenden Strahlen in dich aufnehmen. Also
ist auch die Heilige Schrift eine glänzende
Sonne, die ,Tugendliebe` aber ist jenes erforderliche Glas, das einem den Zugang zu
jener
erhabensten Leuchte ermöglicht. Höre nun, ich
will dir jetzt vorlesen, auf welche Weise man
das unmässige innere Gebet erlernen kann."
Der Starez schlug die „Tugendliebe" auf,
suchte darin die Unterweisung des heiligen
Simeen, des neuen Theologen, und begann
so : „Setz dich still und einsam hin, neige den
Kopf, schließe die Augen; atme recht leicht,
blicke mit deiner Einbildung in dein Herz,
führe den Geist, das heißt, das Denken, aus
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Menschen in der Kehle sitzt. Bediene dich
dieser Fähigkeit, vertreibe alle fremden Gedanken (du kannst es, wenn du nur
willst),
und laß dich selber unaufhörlich dieses sprechen : ‚Herr Jesus Christus, erbarme
Dich meiner' — und zwinge dich dazu, dieses immer
auszusprechen. Wenn du eine Weile hierin
beharrtest, so wird sich dir hierdurch ohne
jeden Zweifel der Zugang zum Herzen erschließen. So hat es die Erfahrung gelehrt."
„Du hörst, wie uns die heiligen Väter für
diesen Fall unterweisen," sagte der Starez,
„und darum mußt du nun auch voller Vertrauen das Gebot auf dich nehmen und soviel
du nur kannst, mündlich das Jesusgebet
verrichten. Da hast du einen Rosenkranz;
verrichte danach zunächst dreitausend Gebete an jedem Tage. Ob du stehst oder
sitzt,
ob du gehst und liegst, wiederhole unablässig
,Herr. Jesus Christus, erbarme Dich meiner',
nicht laut, ohne Übereilung; und tue dieses
eben dreitausendmal am Tage, füge nichts
hinzu, streiche aber auch nichts aus eigenem
Ermessen. Gott wird dir hierdurch helfen,
das unablässige Wirken des Herzens zu erlangen."
Voller Freude nahm ich sein Gebot auf und
ging wieder zurück an meinen. Ort. Ich ver18
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der zu beten, und sogleich, im selben Augenblick, wurde mir leicht und freudig ums
Herz.
Wenn ich jemanden traf, so hatte ich schon
keine Lust mehr, mit ihm zu sprechen, und
hatte nur das Verlangen, immer in der Einsamkeit zu sein und das Gebet zu sprechen;
so sehr hatte ich mich daran in der einen
Woche gewöhnt.
Da der Starez mich wohl zehn Tage lang
nicht bei sich gesehen hatte, kam er selber,
mich aufzusuchen; ich offenbarte ihm meinen
Zustand. Nachdem er mich angehört hatte,
sagte er:
„Nun hast du dich an das Gebet gewöhnt;
sieh zu, daß du diese Gewohnheit wach erhältst und mehrest; verlier' deine Zeit
nicht
müßig und entschließe dich mit Gottes Hilfe,
von nun ab zwölftausend Gebete am Tage zu
verrichten: erhalte dich in der Einsamkeit;
stehe möglichst früh auf und geh möglichst
spät schlafen; und komm' zu mir, um dir Rat
zu holen immer nach zwei Wochen."
Ich tat so, wie mir der Starez befohlen
hatte, und am ersten Tage wurde ich in später Abendstunde kaum damit fertig, meine
Zwölftausendregel auszuführen. Tags darauf
ging es aber schon ganz leicht, und ich hatte
Freude daran. Erst fühlte ich bei dem un20
halb der Gnade, in nicht gereinigter Sinnlichkeit und in der sündigen Seele, wie du
das ja
selber erfahren hast. Wie vortrefflich, wie
beseligend und voller Süße ist es aber, wenn
der Herr Gnade gibt, die Gabe des selbsttätigen inneren Gebets zu entdecken und die
Seele von Leidenschaften zu reinigen ? Dieser
Zustand ist unbeschreiblich, und die Offenbarung dieses Gebetsgeheimnisses ist ein
Vorgeschmack der himmlischen Süßigkeit auf Erden. Dessen werden gewürdigt, die in
der Einfalt ihres liebevollen Herzens den Herrn suchen ! Nun gestatte ich dir :
verrichte das Gebet, so oft du willst, so viel als möglich, bemühe dich, alle
wachen Stunden dem Gebet
zu weihen und rufe den Namen Jesu Christi
an, ohne Zahl, dich demütig dem Willen Gottes hingebend und von ihm Hilfe
erwartend;
ich glaube, daß Er dich nicht verlassen und
deinen Wege leiten wird."
Nachdem ich diese Unterweisung entgegengenommen hatte, verbrachte ich den ganzen
Sommer unmässig im mündlichen Lesusgebet und war sehr ruhig. Des öfteren träumte
ich davon, daß ich das Gebet verrichtete; geschah es aber am Tage, daß ich irgend
jemanden traf, so erschienen mir alle ohne Ausnahme
so lieb und nah, als wären sie meine Verwand23
ten, wenn ich mich auch gar nicht mit ihnen
abgab. Alle fremden Gedanken hörten ganz
von selbst auf, und ich dachte an nichts anderes, als an das Gebet, welchem auch
mein
Verstand sich zuzuwenden begann, während
ich im Herzen ganz von selbst zeitweise eine
Wärme und ein angenehmes Gefühl verspürte. Geschah es, daß ich zur Kirche ging, so
schien mir der lange Klostergottesdienst kurz
zu sein und war nicht mehr ermüdend wie
früher. Meine einsame Schutzhütte erschien
mir als ein herrlicher Raum, und ich wußte
nicht, wie ich Gott danken sollte, daß Er mir,
dem verruchten Sünder, einen Retter und
Lehrmeister wie den Starez gesandt hatte.
Aber nicht lange konnte ich aus den Unterweisungen meines geliebten und gottweisen
Starez Nutzen ziehen; gegen Ende des Sommers starb er. Unter Tränen nahm ich
Abschied von ihm, und nachdem ich ihm für
seine väterlichen Lehren gedankt, bat ich mir
zum gesegneten Gedenken anihn seinenRosenkranz aus, den er für seine Gebete
gebraucht
hatte. So war ich denn allein geblieben. Endlich war auch der Sommer zu Ende, und
nach
der Ernte stand der Gemüseacker leer. Ich
hatte keine Wohnung mehr. Der Bauer entließ
mich, gab mir für meine Wächterdienste zwei
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ZWEITE ERZÄHLUNG.
Lange pilgerte ich so von Ort zu Ort, und
das Jesusgebet begleitete mich; es ermutigte
mich, es tröstete mich auf allen Wegen, bei
allen Begegnungen und bei allen Begebenheiten. Endlich fühlte ich, daß es wohl
besser
sei, irgendwo an einem bestimmten Ort Halt
zu machen, um mich möglichst bequem der
Einsamkeit hinzugeben, wie auch, um die ‚Tugendliebe' zu studieren, in der ich
allerdings
schon ein weniges gelesen hatte, so, wenn ich
mich zur Nacht niederlegte, oder wenn ich
am Tage Rast hielt; dennoch empfand ich
das lebhafte Verlangen, mich ständig in das
Buch zu vertiefen und gläubig die wahre Unterweisung zur Rettung der Seele durch
das
Herzensgebet aus ihm zu schöpfen. Weil ich
mich aber diesem meinem Wunsche entsprechend nirgends zu schwerer körperlicher
Arbeit verdingen konnte, da ich mich von Kind
auf meines linken Armes nicht bedienen konnte, daher also auch der Möglichkeit
beraubt
war, ständige Arbeit und Unterkunft zu fin28
erkannte ich an den Folgen des Herzensgebets das nicht Verstandene; zudem erschien
mir mitunter mein verstorbener Starez im
Traum, der mir vieles deutete und zu allermeist meine unverständige Seele der Demut
geneigt machte. Mehr als zwei Sommermonate
verbrachte ich in solcher Seligkeit. Ich pilgerte zumeist durch Wälder, und kam ich
auf
Feldwegen in irgendein Dorf, so bat ich mir
Hartbrot aus in meinen Beutel, eine Handvoll Salz, füllte meine Feldflasche mit
Wasser und wanderte dann die nächsten hundert
Werst weiter.
Ob nun wegen der Sünden meiner verruchten Seele, oder weil es das geistige Leben so
erforderte, oder zwecks besserer Unterweisung
und Erfahrung, — jedenfalls stellten sich
gegen Ende des Sommers Versuchungen ein.
Und zwar : als ich auf der Landstraße meines
Weges zog, holten mich in der Dämmerung
zwei Menschen ein, die vielleicht Soldaten
sein mochten; sie forderten Geld von mir. Als
ich ihnen sagte, daß ich keinen Groschen hätte, glaubten sie mir nicht und schrien
frech :
„Du lügst! Pilger betteln sich haufenweise
Geld zusammen !" Der eine sagte : „Was sollen wir lange mit ihm reden !" Und schlug
mich mit einem Knüppel so auf den Kopf,
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daß ich bewußtlos hinstürzte. Ich weiß nicht,
wie lange ich so dagelegen habe ; als ich dann
wieder zur Besinnung kam, gewahrte ich, daß
ich ganz zerschunden in der Nähe der Landstraße im Walde lag, und mein Beutel
fehlte;
nur die durchschnittenen Schnüre, an denen
ich ihn trug, waren noch da. Meinen Paß hatten sie Gott sei Dank dagelassen; ich
hatte
ihn in meiner alten Mütze liegen, um ihn möglichst schnell vorweisen zu können,
falls man
mich danach fragte. Als ich mich erhob, weinte ich bitterlich, nicht so sehr, weil
mir der
Kopf schmerzte, sondern weil mir meine Bücher, die Bibel und die ,Tugendliebe`, die
in
dem geraubten Beutel lagen, abhanden gekommen waren. Tag und Nacht trauerte ich
und weinte. Wo war nun meine Bibel geblieben, die ich von klein auf gelesen hatte
und
die ich immer bei mir trug ? wo meine ,Tugendliebe`, aus der ich Belehrung und
Trost
schöpfte? Ich Unglückseliger hatte den einzigen Schatz meines Lebens, ohne daß ich
mich an ihm hätte sättigen können, verloren.
Hätten sie mich doch lieber ganz totgeschlagen, als nun so ohne diese geistige
Nahrung
leben zu müssen. Nun würde ich sie mir nie
wieder erwerben können !
Ein paar Tage konnte ich die Beine kaum
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und gleichsam Licht und Beruhigung über
meine Seele kommen. „Gottes Wille geschehe," sagte ich, bekreuzigte mich, stand
auf und ging weiter. Wieder begann das Gebet
in meinem Herzen, wie früher, zu wirken, und
so wanderte ich wohl drei Tage lang ruhig
dahin.
Danach holte ich unterwegs eine Sträflingskolonne ein, die von einer Eskorte
begleitet wurde. Als ich den Zug entlang schritt,
sah ich die beiden Männer, die mich beraubt
hatten, und da sie im äußersten Gliede gingen,
fiel ich vor ihnen nieder und bat sie flehentlich, mir zu sagen, wo meine Bücher
seien.
Anfangs beachteten sie mich nicht, dann sagte
einer der beiden : „Wenn du uns irgendwas
gibst, so wollen wir dir sagen, wo deine Bücher sind. Gib uns einen Rubel." Ich
schwor,
ich würde ihnen das Geld geben, ganz bestimmt geben, selbst wenn ich es mir um
Christi willen erbetteln müßte. „Wenn ihr
wollt, nehmt meinen Paß hier als Pfand." Da
sagten sie mir, daß meine Bücher zusamt den
anderen gestohlenen Sachen, die man ihnen
abgenommen hatte, im Train mitgeführt würden. „Aber wie bekomme ich sie ?" — „Bitte
den Hauptmann darum, der uns begleitet."
Ich stürzte zum Hauptmann und erklärte ihm
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gab sie mir ab und sagte : „Wohin willst du
jetzt in der Nacht wandern ? du kannst bei
mir im Flur übernachten." So blieb ich denn.
Da ich die Bücher erhalten hatte, war ich
so froh, daß ich nicht wußte, wie ich Gott
danken sollte; ich drückte die Bücher an
meine Brust und hielt sie so lange fest, bis
mir die Finger klamm wurden. Tränen strömten mir aus den Augen vor lauter Freude,
und
mein Herz schlug in süßem Entzücken! Da
der Hauptmann mich so sah, fragte er: „Du
liest die Bibel wohl gern ?" Vor Freude vermochte ich ihm nicht hierauf zu
antworten;
ich weinte nur. Er fuhr fort : „Ich selber,
Freund, lese regelmäßig an jedem Tage das
Evangelium." Bei diesen Worten knüpfte
er seinen Waffenrock auf und zog ein kleines, in Kijew gedrucktes Evangelienbuch in
schmiedesilbernem Einband hervor.
„Setz' dich mal her, ich will dir erzählen,
wie ich dazu gekommen bin ... Richtet mal
das Abendessen!"
Wir setzten uns an den Tisch, und der
Hauptmann erzählte : „Als junger Mensch begann ich meinen Dienst in der Armee, lag
also
nicht in Garnison; meinen Dienst versah ich
gut, und meine Vorgesetzten liebten mich,
weil ich ein tüchtiger Fähnrich war. Ich war
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aber jung an Jahren und meine Freunde desgleichen; zum Unglück gewöhnte ich mir das
Trinken an : zum Schluß war es aber so, daß
ich mich ganz dem Trunke ergab; das war
wie eine Krankheit; trank ich nicht, so war
ich ein tüchtiger Offizier; kaum ging es aber
mit dem Trinken los, so mußte ich für sechs
Wochen in Arrest. Lange duldete man das.
Endlich aber wurde ich wegen grober Worte,
die ich trunkenen Muts meinem Chef gesagt
hatte, degradiert und für drei Jahre in Garnison und unter die Soldaten gesteckt;
man
drohte mir mit noch strengeren Strafen, wenn
ich mich nicht bessern und das Trinken aufgeben würde. In diesem unseligen Zustand
geschah es nun, daß ich, so sehr ich mich auch
bemühte, enthaltsam zu sein und mich von
meinem Laster zu heilen, es dennoch auf
keine Weise aufgeben konnte; darum sollte
ich in das Strafbataillon versetzt werden. Als
ich dieses hörte, wußte ich nicht, was ich mit
mir selber anfangen sollte.
„Einmal saß ich in Nachdenken versunken
in der Kaserne. Plötzlich kam ein Mönch herein. Er hatte ein Sammelbuch bei sich
und
bat um Gaben für den Bau einer Kirche. Jeder gab, soviel er gerade konnte. Er trat
auf
mich zu und fragte : ‚Warum bist du so trau37
rig ?` Ich kam mit ihm ins Gespräch und
klagte ihm mein Leid; der Mönch empfand
Teilnahme für meine Lage und sagte: ‚Ganz
genau so ist es meinem Bruder ergangen. Geholfen hat ihm aber folgendes : sein
Beichtvater gab ihm ein Evangelium und befahl ihm
mit Bestimmtheit, er solle jedesmal, wenn
ihn das Verlangen ankäme, zu trinken, unverzüglich ein Kapitel im Evangelium lesen;
sollte er dann immer noch trinken wollen, so
müsse er das nächste Kapitel lesen. Mein
Bruder verfuhr so, und in kürzester Zeit war
die Trunksucht verschwunden. Seit fünfzehn
Jahren kommt kein Tropfen berauschender
Getränke über seine Lippen. Tue auch du
also. Du wirst sehen, daß es nützt. Ich besitze ein Evangelium; wenn du willst,
bringe
ich es dir.'
„Nachdem ich dies angehört, sagte ich ihm :
,Was soll mir dein Evangelium helfen, wenn
mich doch meine eigenen Bemühungen und
keine Arzneimittel vom Trinken abbringen
konnten!` Ich sagte so, weil ich nie das Evangelium gelesen hatte. ,Sag' nicht,'
entgegnete
mir der Mönch, ,sei versichert, es wird dir
nützen.` Tags darauf brachte mir der Mönch
wirklich das versprochene Evangelium, —
dieses hier. Ich schlug es auf, warf einen Blick
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überkam; mich verlangte so unbändig nach
Schnaps, daß ich rasch den Kasten aufschloß,
um mir Geld herauszunehmen und dann in
die Schenke zu laufen. Als erstes fiel mein
Blick auf das Evangelium, und ich mußte lebhaft daran denken, was mir der Mönch
gesagt
hatte; ich schlug es auf und begann das erste
Kapitel im Matthäus zu lesen. Nachdem ich
es zu Ende gelesen hatte, war es genau so, —
ich hatte nichts verstanden; auch erinnerte
ich mich daran, was der Mönch gesagt hatte :
,das macht nichts, wenn du es auch nicht verstehst, lies nur eifrig'. Halt, dachte
ich, ich
will das zweite Kapitel lesen. Ich las es, und
schon war es mir begreiflicher. Dann also
auch das dritte; kaum hatte ich es begonnen,
als das Glockenzeichen in der Kaserne ertönte : alle mußten sich für die Nacht zu
ihren
Pritschen begeben; somit war es nicht mehr
möglich, die Kaserne zu verlassen und auf die
Straße hinauszugehen; so blieb ich denn da.
„Als ich am Morgen aufstand und mich anschickte hinauszugehen, um mir Schnaps zu
kaufen, dachte ich bei mir : ich will mal ein
Kapitel im Evangelium lesen; was kann da
sein ? Ich las es und ging nicht. Wieder überkam mich die Lust zu trinken; ich las
dann
noch ein Kapitel und schon war mir leichter
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geworden; dieses ermutigte mich, und bei jeder Versuchung zum Trunk las ich nun
immer
je ein Kapitel im Evangelium. Je länger ich
so verfuhr, desto leichter wurde mir, und als
ich schließlich alle vier Evangelisten zu Ende
hatte, war meine Trunksucht vollkommen geschwunden, und ich empfand nur einen
Widerwillen gegen das Trinken. Und nun sind es gerade zwanzig Jahre her, daß
überhaupt keine
berauschenden Getränke über meine Lippen
kommen.
„Alle staunten über den Wandel in mir.
Nach Ablauf von drei Jahren wurde ich wieder zum Offizier ernannt, rückte dann auf
und
bin schließlich Kommandeur geworden. Ich
habe eine brave Frau geheiratet; wir haben
uns ein kleines Vermögen verdient; und so
leben wir jetzt gottlob zusammen und bemühen uns nach Kräften, Armen zu helfen,
Pilger bei uns aufzunehmen. Ich habe einen
Sohn, der ist auch schon Offizier, ein braver
Junge!
„Nun höre : ich habe, seit ich von der Trunksucht geheilt bin, den Schwur getan,
jeden
Tag, mein ganzes Leben lang, das Evangelium
zu lesen, und zwar täglich einen ganzen Evangelisten, gleichviel, was auch
dazwischenkäme.
So verfahre ich auch jetzt. Wenn ich im
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Dienst sehr viel zu tun habe und sehr müde
bin, so lege ich mich abends hin und lasse
meine Frau oder meinen Sohn mir einen ganzen Evangelisten vorlesen. Und an dieser
meiner Regel halte ich unverbrüchlich fest.
Zum Dank und zum Lobpreise Gottes habe ich
dieses Evangeliuminreines Silber fassen lassen
und trage es immer bei mir auf der Brust."
Voller Wonne hatte ich diese Erzählung
des Hauptmanns angehört und sagte: „Ein
ähnliches Beispiel habe ich auch gesehen; in
unserem Dorf war in der Fabrik ein in seinem
Handwerk sehr kunstfertiger Meister; ein guter, tüchtiger Meister;
unglücklicherweise
hatte er es auch mit demTrinken,und es überkam ihn oft. Ein gottesfürchtiger Mensch
gab ihm den Rat, er möge, wenn ihn nach
Schnaps verlangte, dreiunddreißigJesusgebete
sprechen der heiligen Dreifaltigkeit zu Ehren
und weil das Erdenleben Jesu Christi dreiunddreißig Jahre gedauert hat. Der Meister
hörte auf ihn, tat so, wie jener sagte, und ließ
dann bald das Trinken ganz sein. Und was
noch ? Nach drei Jahren ging er ins Kloster."
„Und was steht höher ?" fragte der Hauptmann, „das Jesusgebet oder das
Evangelium ?"
„Es ist ein und dasselbe," antwortete ich,
„ob nun das Evangelium oder das Jesusgebet,
42
2)Matth. 5, 44.
) Matth. 5, 40.
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voller Lobpreisungen Gottes. Und da verstand ich, was in der „Tugendliebe" mit dem
Worte gemeint ist : ,Den Geist der Geschöpfe
verstehen'. Und ich sah den Weg, den man
zu beschreiten hat, um mit Gottes Geschöpfen Zwiesprache zu führen.
So pilgerte ich lange Zeit. Endlich kam
ich in eine so einsame Gegend, daß ich wohl
drei Tage lang unterwegs durch kein einziges
Dorf kam. All mein Hartbrot hatte ich verzehrt, und ich war bekümmert, daß ich nun
Hungers sterben müßte. Kaum begann ich
aber mit dem Herzen zu beten, als die Kümmernis schwand; ich vertraute mich ganz
dem
Willen Gottes an und wurde fröhlich und
ruhig. Nachdem ich so eine Weile den Weg
gepilgert war, der an einem riesigen Walde
hinführte, erblickte ich vor mir einen Hofhund, der aus selbigem Walde gelaufen
kam;
ich lockte ihn heran; er kam auch gleich
gelaufen und schmiegte sich an mich; da
freute ich mich und dachte : „Das ist Gottes Gnade ! Sicherlich weidet in diesem
Walde
eine Herde, und natürlich gehört dieser zahme
Hund einem Hirten oder vielleicht einem
Jäger, der auf Jagd gegangen ist; aber ob so
oder anders, jedenfalls werde ich mir doch
etwas Brot erbitten können, denn ich habe
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schon den zweiten Tag nichts gegessen, oder
ich werde mich erkundigen können, wo das
nächste Dorf ist." Nachdem mich der Hund
umsprungen hatte und wohl sehen mochte,
daß ich ihm nichts zu fressen geben konnte,
lief er auf demselben schmalen Pfade, der auf
die Landstraße mündete, in den Wald zurück.
Ich folgte ihm. Ich mochte vielleicht fünfhundert Schritt gegangen sein, als ich
zwischen den Bäumen sah, wie der Hund in
einem Erdloch verschwand, aus dem er hervorlugte und bellte.
Hinter einem dicken Baumstamm trat ein
Bauer in mittleren Jahren hervor; er sah sehr
elend aus und war maß. Er fragte mich, wie
ich hierher käme. Ich fragte dagegen, warum
er sich hier aufhalte. Wir kamen in ein
freundliches Gespräch. Der Bauer lud mich
in seine Erdhütte ein; er teilte mir mit, er
wäre Waldhüter und müsse diesen Wald bewachen, da er bald abgeholzt werden solle.
Er bot mir Brot und Salz an, und es entspann
sich zwischen uns eine Unterhaltung.
„Ich beneide dich," sagte ich, „daß du so
bequem in der Einsamkeit, fern von den Mensehen leben kannst, nicht so wie ich,
denn ich
pilgre von einem Ort zum andern und muß
mit allerhand Volks zusammenkommen."
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und das unablässige Herzensgebet zu erlernen
und mir anzueignen. So blieb ich denn voll
Freude einstweilen in der Erdhütte, die man
mir gewiesen hatte. Wir kamen noch mehr
ins Gespräch mit ihm, der mich schlicht wie
einen Bruder aufgenommen hatte; er erzählte
mir sein Leben und seine Gedanken.
„Im Dorf," sagte er, „war ich nicht gerade
der Letzte. Ich hatte ein Handwerk; ich
färbte Baumwollstoffe und Leinwand; ich
hatte mein Auskommen, wenn es auch nicht
ohne Sünde abging: beim Handeln habe ich
viel betrogen, habe unnützlich Gottes Namen
angerufen; ich habe auch unflätig geschimpft,
habe mich betrunken, war ein Raufbold. Wir
hatten in unserem Kirchdorf einen alten
Psalmsänger; der besaß ein altes, uraltes Buch
über das Jüngste Gericht. Er pflegte die
Rechtgläubigen zu besuchen und aus dem
Buch vorzulesen; dafür gab man ihm Geld;
er kam auch des öfteren zu mir. Gab man
ihm zehn Kopeken und setzte ihm noch
einen Schnaps vor, so las er einem vom Abend
bis zum ersten Hahnenschrei vor. So kam
es denn, daß ich ihm bei meiner Arbeit zuhörte, und er las, was für Qualen uns in
der
Hölle bevorstehen, wie sich die Lebenden
wandeln werden, und die Toten werden auf50
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ich Raufereien; Weiber und Mädchen habe
ich mein Lebtag gemieden. Anfangs hat mir
dieses Leben mehr behagt, aber jetzt — gegen
Ende — verfolgen mich unentwegt böse Gedanken. Weiß Gott, ob es einem gelingt,
seine
Sünden abzubüßen, und das Leben, das ich
führe, ist doch so hart. Und stimmt es auch,
was im Buch zu lesen steht ? Wie könnte ein
Mensch auferstehen, sollte man meinen! So
mancher ist schon vor hundert Jahren gestorben oder länger noch, und es ist nicht
mal
Staub von ihm übrig geblieben. Und wer
weiß denn, ob es eine Hölle geben wird oder
nicht ? Aus jener Welt ist doch niemand zu
uns gekommen; es scheint, wenn der Mensch
stirbt und verwest, so ist er auch spurlos verschwunden. Das Buch werden wohl die
Popen
geschrieben haben und die Vorgesetzten, um
uns Narren Angst zu machen, damit wir gehorsam und bescheiden leben. So plackt man
sich denn auf Erden und findet keinen Trost,
und auch in jener Welt wird es nichts geben.
Was folgt denn daraus ? Vielleicht wäre es
doch besser, recht vergnügt und bequem auf
Erden zu leben ? — Dies sind die Gedanken,"
fuhr er fort, „die gegen mich anrennen, und
ich fürchte, daß ich schließlich doch noch zu
meinem alten Handwerk zurückkehre."
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retten, um das Himmelreich zu erwerben,
nennen die heiligen Väter ein Mietlingswerk.
Sie sagen, Angst vor Qualen sei der Weg der
Knechte, und der Wunsch, das Himmelreich
als Lohn zu empfangen — der Weg der Mietlinge. Gott will aber, daß wir als Seine
Söhne
zu Ihm kommen, das heißt, daß wir aus Liebe
und Eifer um Ihn ein ehrliches Leben führen
und uns der erlösenden Vereinigung mit Ihm
in der Seele und im Herzen erfreuen. Du
magst dich noch so sehr kasteien, du magst
die schwersten körperlichen Mühen und Werke auf dich nehmen, wofern du aber nicht
immer Gott sinnst und das unabhissige Jesusgebet im Herzen hast, wirst du nie Ruhe
finden vor feindlichen Gedanken und wirst immer zur Sünde geneigt sein, selbst beim
geringsten Anlaß. Mach' dich mal dran, Bruder, das Jesusgebet unabhissig zu
sprechen;
du kannst es ja doch ; und es geht auch an
hier in dieser Einsamkeit; sehr bald wirst
du dich von seinem Nutzen überzeugen. Alsdann werden dir die gottlosen Gedanken
nicht
mehr zusetzen, der Glaube wird sich dir erschließen und die Liebe zu Jesus
Christus;
alsdann wirst du es erfahren, wie die Toten
auferstehen, und das Jüngste Gericht wird
sich dir so darstellen, wie es in Wahrheit sein
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brachte. Überkam mich Schwere oder Trägheit oder Zweifel, so las ich alsbald in der
„Tugendliebe" die Stellen, die im herzlichen
Tun unterweisen, und damit erwachte wieder
Lust und Eifer zum Gebet. Etwa nach drei
Wochen begann ich einen Schmerz im Herzen
zu spüren, alsdann eine überaus angenehme
Wärme, Freude und Ruhe in selbigem. Dies
machte mir Lust und regte mich dazu an,
mich mit vermehrtem Eifer im Gebet zu
üben, derart, daß alle meine Gedanken damit
beschäftigt waren, und ich große Freude empfand. Von dieser Zeit an spürte ich
bisweilen
mannigfaltige Empfindungen in Herz und
Geist. Mitunter war es so, dаß ich ein beseligendes Beben im Herzen fühlte, es war
so
voller Leichtigkeit, Freiheit und Trost, daß
ich ganz wie verwandelt war und vor Wonne
zu vergehen glaubte. Mitunter fühlte ich
flammende Liebe zu Jesus Christus und zu
der ganzen Schöpfung Gottes. Mitunter entströmten meinen Augen ganz von selbst süße
Tränen des Dankes an Gott, der mir verruchtem Sünder solche Gnade widerfahren ließ.
Mitunter lichtete sich mein sonst so törichtes
Verstehen, so daß ich mit Leichtigkeit Dinge
erfaßte und überlegte, an die ich früher nie
hätte denken können. Mitunter überвtrömte
б1
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5 Ein russisches Pilgerleben
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Ich fragte den Bauern, der ihre Pferde versorgte, wer sie seien. Der sagte mir, der
alte
Mann wäre Volksschullehrer, der andere aber
Schreiber am Landgericht, also beide wohlgeborene Leute; sie seien unterwegs und
wollten zu einem Jahrmarkt, der zwanzig Werst
weiter stattfände. Nachdem ich eine Weile
dagesessen hatte, bat ich die Wirtin um Nadel
und Faden, rückte näher ans Licht heran und
machte mich daran, meinen zerrissenen Rosenkranz zu flicken. Der Schreiber blickte
auf und sagte: „Du mußt wohl gehörig gebetet haben, wenn du deinen Rosenkranz
zerrissen hast."
„Nicht ich habe ihn zerrissen, sondern ein
Wolf."
„Wie ? Beten denn die Wölfe ?" sagte der
Schreiber lachend.
Ich erzählte ihnen ausführlich, wie sich die
Sache verhalten hatte, und wie sehr ich an
diesem Rosenkranz hänge. Wieder lachte der
Schreiber und sagte : „Ihr heiligen Hohlköpfe
seht überall Wunder ! Was wäre daran Wunderbares ? Du hast einfach nach ihm
geschlagen, der Wolf hat sich erschreckt und ist davongerannt; Hunde und Wölfe
fürchten sich
ja vor Schlägen; auch kann es sehr leicht vorkommen, daß man im Walde hängen
bleibt.
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In der Welt kann sich ja so mancherlei ereignen, — sollte man deswegen alles für
Wunder
halten ?"
Nachdem der Lehrer dies gehört hatte, begann er ein Gespräch mit ihm.
„Glaubt das nicht, Herr! Der gelehrte Teil
ist Euch nicht geläufig ... Ich vielmehr sehe
in dem Bericht dieses Bauern das geheimnisvolle Walten der sinnlichen und der
geistlichen Natur ..."
„Wieso denn ?" fragte der Schreiber.
„Seht einmal : obwohl Ihr keine höhere Bildung habt, habt Ihr doch natürlich die
heilige Geschichte des Alten und Neuen Testaments, wie sie in Fragen und Antworten
für
Schulen gedruckt ist, in Kürze gelernt. Ihr
erinnert Euch vielleicht, daß dem erstgeschaffenen Menschen Adam, als er noch in
sündlosem und heiligem Stande war, alle Tiere und
wilden Tiere gehorchten; voller Angst nahten
sie ihm, und er gab ihnen Namen. Der Starez,
dem dieser Rosenkranz gehörte, war heilig :
was bedeutet nun Heiligkeit ? Nichts anderes, als Rückkehr in den unschuldigen
Stand
des ersten Menschen durch fromme Übungen.
Wird die Seele geheiligt, so wird auch der
Leib geheiligt. Der Rosenkranz hat sich stets
in der Hand dieses Geheiligten befunden;
5•
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folglich ist ihm durch der Hände Berührung
und durch deren Ausdünstung heilige Kraft
eingeimpft, die Kraft des schuldlosen Standes
des ersten Menschen. Dies aber ist ein Mysterium der geistlichen Natur ! ... Diese
Kraft verspüren ererbtermaßen alle Tiere bis
auf den heutigen Tag; sie spüren sie aber
durch ihren Geruchsinn; denn die Witterung
ist bei allen wilden und sonstigen Tieren das
vornehmste Werkzeug des Fühlens. Dies ist
das Mysterium der sinnlichen Natur ! ..."
„Ihr Gelehrten wittert überall Kräfte und
allerhand Weisheiten; bei unsereinem geht
das viel einfacher zu : man gießt sich einen
Schnaps hinter die Binde, und da hat man
eben Kraft," sagte der. Schreiber und ging an
den Schrank.
„Ja, das ist Eure Sache," sagte der Lehrer,
„hingegen bitte ich, uns das gelehrte Wissen
zu überlassen."
Es gefiel mir wohl, wie der Lehrer gesprochen hatte; ich trat auf ihn zu und sagte:
„Darf ich es wagen, Väterchen, Euch noch
einiges von meinem Starez zu erzählen ?" und
ich setzte ihm auseinander, wie er mir im
Traum erschienen war, wie er mich unterweisen und in der „Tugendliebe" die Seite
angestrichen hatte.
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Dies alles hörte sich der Lehrer aufmerksam an. Der Schreiber aber lag inzwischen
auf der Pritsche und knurrte : „Man sagt
schon recht, daß die Menschen solange in der
Bibel lesen, bis sie sich um ihren Verstand gelesen haben. So ist es genau! Welchem
Teufel wird es einfallen, dir in der Nacht eine
Seite in deinem Buch anzustreichen. Du hast
das Buch einfach im Schlaf fallen lassen und
es mit Asche beschmutzt ... das ist dein ganzes Wunder. Ach, dieses Halunkenpack!
wir
kennen ja euresgleichen ..."
Nachdem der Schreiber also gebrummt
hatte, kehrte er sich zur Wand und schlief
ein. Da ich dieses hörte, wandte ich mich zum
Lehrer und sagte : „Wenn ihr wünscht, will
ich Euch das selbige Buch zeigen, in dem die
Seite richtig angestrichen, nicht aber mit
Asche beschmutzt ist." Ich holte aus meinem
Beutel die „Tugendliebe" hervor, zeigte sie
ihm und sagte : „Ich staune über diese Weisheit, wie die körperlose Seelе ein Stück
Kohle
hatte nehmen und schreiben können ? ...."
Der Lehrer sah sich die bezeichnete Stelle
an und sagte : „Auch dies ist ein Mysterium
der Geister. Ich will es dir erklären; sieh mal,
wenn die Geister einem lebendigen Menschen
in körperlicher Gestalt erscheinen, so sammeln
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sie und bilden sich einen greifbaren Körper
aus Luft und Lichtmaterie, und wenn sie ihr
Erscheinen beendet haben, geben sie das Geborgte eben den Elementen wieder zurück,
aus denen der Bestand ihrer Leiber geschöpft
war. Und da nun die Luft eine elastische, zusammenpreßbare und dehnbare Kraft hat,
so kann die also bekleidete Seele alles nehmen,
kann handeln und kann auch schreiben. Was
hast du denn da für ein Buch ? Zeig' es mal
her."
Er schlug es auf und fand die Worte Simeons, des neuen Theologen: „Aha, das ist
wohl
ein theologisches Buch. Ich habe es noch nie
gesehen ..."
„Dieses Buch, Väterchen, enthält fast nur
Unterweisungen über das innere Herzensgebet im Namen Jesu Christi; es wird hier mit
aller Genauigkeit von fünfundzwanzig heiligen Vätern erläutert."
„Ah, das innere Gebet, ich weiß," sagte der
Lehrer.
Ich verneigte mich bis an die Erde vor ihm
und bat ihn, mir einiges über das innere Gebet zu sagen.
„Das ist es, was im Neuen Testament gesagt ist, daß der Mensch und die ganze
Kreatur nicht aus eigenem Willen der Unruhe ge70
73
erklärte ich ihr, das Vaterunser und das Ave
Maria. Endlich sagte ich ihr :
„Verrichte doch recht häufig und so oft du
kannst, das Jesusgebet; mehr als alle anderen Gebete dringt es zu Gott, und du
wirst
dadurch deiner Seele Rettung finden."
Das Mädchen nahm meinen Ratschlag aufmerksam entgegen und begann danach in
aller Einfalt zu handeln. Und was geschah ?
Nach kurzer Zeit schon erklärte sie mir, sie
habe sich so sehr an das Jesusgebet gewöhnt,
daß sie den Drang verspüre, es unablässig, wenn
sich nur Gelegenheit dazu böte, zu verrichten; wenn sie es aber betete, habe sie
ein beseligendes Gefühl, und auch nach Schluß des
Gebets erfüllte sie eine große Freude und der
Wunsch, im Gebet fortzufahren. Hierüber
freute ich mich und gab ihr den Rat, das Gebet im Namen Jesu Christi auch fernerhin
vermehrt fortzusetzen.
Der Sommer neigte sich seinem Ende entgegen; viele von den Leuten, die in die
Kapelle kamen, erschienen nun bei mir, nicht
nur, damit ich ihnen vorläse und Ratschläge
gebe, sondern auch mit den verschiedensten
Sorgen, die sie plagten; manche wünschten
sogar, ich solle ihnen verloren oder abhanden
gekommene Sachen wiederschaffen; sie mich74
во
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tigt wurde, war auch dies wohl zu ertragen;
das Gebet, das mein Herz ergötzte, ließ es
nicht zu, daß ich auf was anderes achtete.
Nachdem ich vier Werst gewandert war,
traf ich die Mutter des Mädchens, die in einen
Flecken gefahren war, um dort Einkäufe zu
machen. Als sie mich sah, sagte sie :
„Unser Freier hat verzichtet; er hat sich
über die Akulka geärgert, weil sie ihm davongelaufen ist." Dann gab sie mir Brot,
und ich
zog meiner Wege.
Das Wetter war klar und trocken, und ich
wollte nicht in einem Dorf übernachten; als
ich gegen Abend im Walde zwei eingefriedete
Heuschober sah, legte ich mich dort zur Ruhe
nieder. Ich war eingeschlafen, und mir träumte, daß ich auf der Landstraße ginge
und in
der „Tugendliebe" die Kapitel des großen Antonij lese. Plötzlich holte mich mein
Starez
ein und sagte : „Du liesest nicht an der rechten Stelle, lies hier," und er wies
mir das fünfunddreißigste Kapitel des Johannes Karpaphiskos, in welchem folgendes
zu lesen steht :
„Mitunter fällt der Lernende in Unehre und
duldet Versuchungen für Jene, die ihn geistlich in Anspruch nehmen." Und noch wies
er mir das einundvierzigste Kapitel, in welchem geschrieben steht: „Diejenigen, die
das
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heilige Kallist Antilikuda : ,Nicht das geistige
Werben um den Herrn (das heißt, das innere
Gebet), noch das beschauliche Wissen allein
und die Arten, die Seele dem Leid preiszugeben, sollen wir ausschließlich im Sinne
haben, vielmehr sollen wir es auch niederschreiben und darlegen um des allgemeinen
Nutzens
und um der Liebe willen.' Auch das Wort
Gottes redet hiervon, wenn es in den Sprüchen Salomons heißt: ,Ein verletzter
Bruder
hält härter, denn eine feste Stadt`1). Nur muß
man in diesem Fall jedem Ehrgeiz nach Kräften widerstehen und sich vorsehen, daß
der
Same der göttlichen Lehre nicht in die Winde
verstreut wird."
Da ich erwachte, fühlte ich eine große
Freude mein Herz erfüllen, und meine Seele
war fest geworden. Da wanderte ich wieder
weiter.
Lange Zeit hernach war noch ein anderer
Fall; ich will auch ihn erzählen: Einmal, und
zwar am vierundzwanzigsten März, fühlte ich
das unüberwindliche Verlangen, morgen, das
heißt am Tage, der der Reinsten Gottesmutter in Erinnerung an die Göttliche
Verkündigung geweiht ist, am heiligen Abendmahl
Christi teilzunehmen. Ich erkundigte mich,
') Sprüche 18, 19.
в4
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plötzlich ein heftiges Reißen in den Beinen;
da erinnerte ich mich daran, daß sie naß waren. Ich achtete nicht darauf und
horchte
nur mit desto größerem Eifer auf das Gebet
im Herzen und fühlte den Schmerz nicht
mehr. Gegen Morgen wollte ich aufstehen,
merkte aber, daß ich außerstande war, meine
Beine zu rühren; sie waren vollkommen abgetaubt und hingen wie Stricke an meinem
Leib. Mit Mühe gelang es dem Kirchenwächter, mich von der Pritsche
herunterzuziehen.
So saß ich zwei Tage da, ohne mich zu rühren.
Am dritten Tage wollte mich der Wächter aus
der Schutzhütte vertreiben. Er sagte : „Wenn
du hier stirbst, so habe ich Plackereien." Mit
Mühe und Not kroch ich, mich auf die Hände
stützend, hinäus und legte mich am Kircheneingang nieder.
So lag ich auch hier zwei Tage. Die Leute,
die vorübergingen, achteten weder auf mich,
noch auf meine Bitten. Endlich kam ein
Bauer auf mich zu, setzte sich neben mich,
und wir kamen ins Gespräch. Er sagte unter
anderem : „Was gibst du mir, wenn ich dich
heile ? Mir selber ist genau das Gleiche widerfahren; ich kenne aber ein
Heilmittel."
„Ich habe nichts,was ich dir gebenkönnte,"
antwortete ich.
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