Der Inquisitionsprocess Des Galileo Galilei
Der Inquisitionsprocess Des Galileo Galilei
Der Inquisitionsprocess Des Galileo Galilei
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available
DHU
INQUISITIONSPROCESS
DES
GALILEO GALILEI.
Von
Emil Wohlwill.
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c
->
'
Berlin,
177398
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Vor
der Ueberschrift:
des Galilei"
nen Schrift, zu zeigen, dass diese Wahrheit noch heute unbekannt ist
Biot benutzte ausser den frher bekannten Berichten
des Florentinischen Gesandten Niccolini insbesondere die
Mittheilungen aus den Acten der Inquisition, die durch
Marino Marini, den Prfecten der ppstlichen Archive,
in seiner Schrift Galilei und die Inquisition" (Rom
1850)
ren.
zum
ersten
Mal
in
Forschung und Treue in den Thatsachen" nicht abgesprochen wissen. Von diesen Eigenschaften kann heute nicht
mehr die Rede sein, seitdem die Documente des berhmten
Manuscripts, das Marini zur Verfgung stand, durch die
Verffentlichung von Henri de l'Epinois (Paris 1867)
Jedermann zugnglich geworden sind.
Eine vollstndige Zusammenstellung aller Krzungen
und Umschreibungen, durch die Marini, wie wir heute
sehen, den wirklichen Sachverhalt entstellt oder durchaus
verdunkelt hat, wrde seine Schrift vielleicht als ein merk-
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wrdiges Document" 'fr die Culturgeschichte der Gegenwart erscheinefr.'JVsen die geschichtliche Auffassung ihres
;
n*u***
waren
sie
erhebt;
feige
Widerspruch erhoben;
sie
Es
sei
dahingestellt,
man
heute den Verdacht fr unbegrndet erklrt, durchaus geist die Frage selbst, ber
von untergeordneter Bedeutung.
Das Verfahren gegen Galilei erscheint nicht humaner, wenn
rechtfertigt
ist
aber jedenfalls
ist,
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Googl
III
man
sich
Androhung
beschrnkt hat,
die
Barbarei
der Tortur
wenn
um
ein
die diese
Schrift
kaum
wesentlichen Beziehun-
gen zu ergnzen.
Die nachfolgende Untersuchung kommt dagegen zu
dem
Resultat,
wird, wenn ich nicht irre, durch meine Zusammenstellung der ungelsten Widersprche dargethan. Ob
es mir darber hinaus gelungen ist, fr eine wahrheitsge-
dringen,
Zusammenhang
Historiker
fr
um
gestatten wrde,
nehmen.
Herr Henri de l'Epinois hat mir mit liebenswrdiger Bereitwilligkeit auf meine Anfrage ergnzende Aufschlsse
Digitiz
IV
*
gestellt,
die
dessen
Enthllung
Hamburg,
im Februar 1870.
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Opere
Del ambro,
Libri,
Marin i, Galileo
v. Reumont,
A.
Biot,
e l'Inquisizione.
Roma
1850.
M. Cantor, Galileo
Physik.
Paris 1821.
Galilei.
de Galilee.
In
Im Journal
Bd.
I.
und
1864.
Henri de TEpinois,
M. Parchappe,
Paris 1867.
Pa-
ris 1866.
dessciences physiques.
de la science et la methode
Paris 1868.
Bononiae 1667.
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einer
Nur gerchtweise
bil-
man
in
Rom
ein
gegen seine Person verbreitet hatte, persnlich zu widerlegen, das drohende Verbot womglich durch die Kraft
wissenschaftlicher Grnde abzuwenden.
Im December 1615
ging er nach Rom. Der Schutz, den ihm der Grossherzog
von Toscana offenkundig gewhrte, d^e angelegentlichen
Empfehlungen des Florentiner Hofs bereiteten ihm bei den
Wrdentrgern der Kirche eine ehrenvolle Aufnahme. Es
gelang ihm in kurzer Zeit, alle Anschuldigungen wegen
Wohlwill,
Galilei.
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ketzerischer. Ansichten
und Aeusserungen
in ihrer Nichtig-
keit zu/er,iei8en.
Dagegen war
in
Rom
die
erschien,
Fallen bringen.
sei, inso-
Digitiz'ed
by
Googl
in
dem
dem
terliege
ein
nois p. 35.)
Das
mitgetheilt;
dieser
befahl sofort,
Galilei
Das Vatican-Manuscript
berichtet:*)
doctrinam
et
Donnerstag, am
*)
Epinois S. 35.
1*
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weigern
sollte
zu gehorchen,
sollte
Gegenwart von Notar und Zeugen ihm den Befehl ertheilen, gnzlich darauf zu verzichten, eine derartige Lehre
und Meinung zu lehren oder zu vertheidigen oder zu errin
tern;
wenn
man
vor
Am
Tage
dem
Cardinal Bellarmin.
darauf,
am
26.
nis
mei praesentia
D. Cardinali supradictus Pater commissarius praedicto Galileo adhuc
ibidem praesenti et constituto praecepit et. ordinavit pro nomine 8. D. N. Pape et totius congregationis 8. Officii, ut supradictam opinionem guod sol sit centrum mundi et immobilis et terra moveatur omnino relinquat, nec eam de caetero
illam deserat
et
testium
quovis
et
modo
et
successive ac incantinenit in
praesente
teneat,
etiam adhtic
doceat
aitt
eodem
defendat,
III.
*)
Epinois
8.
35
u. 36.
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Googl
halte,
lehre
oder
vertheidige,
den; und bei diesem Befehl hat derselbe Galilei sich beruhigt und zu gehorchen versprochen. Worber verhandelt
zu Rom, an oben gemeldetem Ort, in Gegenwart von Badino Nores aus Nicosia im Knigreich Cypern und Augustin
Mongard aus einem Ort des Abtes Rottz diocesis Politianeti (?), Hausgenossen des genannten Herrn Cardinais
Zeugen."
[als]
Bei oberflchlicher Vergleichung der beiden hier wiedergegebeuen Actenstcke kann man meinen, das zweite
enthalte die Ausfuhrung
berichtet wird; sieht
man
dem im
ersten
man
die
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TuschuDg.
Inhalt
ist
ist
beibehalten, der
Mahnung, dann das Verbot. Sie entspricht vermutlich einer blichen Stufenfolge in den Machtusserungen des Heiligen Gerichts. Der Unterschied ist deutlich
genug. Die Mahnung fordert, wie das Verbot, Unterwererst die
nicht
mehr gegen ungreifbares Meinen und Denken, es verund erschpfend Handlungen und
Aeusserungen, in denen sich die strafbare Gesinnung beSo ist auch seine Form durchaus bestimmt und
streng: der Pater Commissar der Inquisition verkndet den
kundet.
Willen des Papstes und der Congregation des Heiligen Officium; der Notar der Inquisition protokollirt, die Zeugen
besttigen den Vorgang. Die Formel, sonst werde gegen
ihn im Heiligen Officium verfahren werden", sagt ausdrcklich, dass es sich um die nchste Stufe zur Strafe
handelt.
vom
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folgt
wenn man
Illusionen ber
Man knnte
seine
glauben,
Worte verbrgte.
selbst
Gegenusserung erwartet, sagt kaum etwas Andeohne ihm zur Antwort Zeit zu lassen." Diese
Worte beseitigen
man knnte glauben, mit absichtsvollem Nachdruck
die Vermuthung, es mge das Auftreten
des Pater Commissarius durch eine Aeusserung Galileis motivirt sein.
Sie beseitigen aber mit dieser Annahme auch
den logischen Zusammenhang, in dem die Stufenfolge von
Mahnung und Verbot allein verstndlich ist.
Ist die Weigerung nicht die Vorbedingung des Verbots
so muss das Verbot auf alle Flle beschlossen sein;
auch ein solcher Beschluss wre wohl begreiflich; aber
schwer begreift man, was am 26. Februar nach dem Bericht geschieht. Die milde Mahnung geht voraus und dann
folgt ohne Pause", wie mit vernderter Stimme, das
Galilei' s
res
ab:
schrfste Verbot;
Verbot
die
in strengster
Mahnung
Form,
die
fast
freundschaftlich,
Mahnung im Munde
das
eines
Verbot
vom
Pater Commissarius
desselben
Gerichts
mit
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Drohung ausgesprochen.
scharfer
Aber das
unbegreifliche Verfahren
vom Tage
zuvor, dass
am
dem
26.
Februar
ist
ppstlichen Befehl
im Verlauf des
Dann msste
zeugt, in
Document.
ersten
beseitigt
berdies
eine
wesentliche
Schwierigkeit
Beschlsse unterrichtet,
wenn
dem
strengeren
in
befohlen hatte.
die
tracht.
Man
sie fr
zahlreiche Erschei-
als
Hypothese
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Diesem Beispiele zu folgen, nicht von absoWahrheit zu reden, mahnte der Cardinal Bellarmin
den Neapolitaner Foscarini noch wenige Monate, ehe das
amtliche Gutachten der QualLficatoren abgegeben war.
Auch in dem Briefwechsel Galilei' s aus den Jahren 1614
und 1615 findet man zahlreiche Belege dafr, dass nur Errterungen ber die Wahrheit der neuen Lehre als bedenklich betrachtet wurden. Und weiter ist man auch im Jahre
1616 in Rom nicht gegangen.
Auf Grund des Gutachtens vom 24. Februar verffentlichte die Congregation des Index am 5. Mrz, also 8 Tage
nachdem Galilei von dem Beschluss in Kenntniss gesetzt war, ihr berhmtes Decret.
Ich lasse den Wortlaut
vorgetragen.
luter
folgen:*)
cid titulus:
sopra Vopinione de
tanj
nuovo Pittago-
Rev. orbium,
et
censuit dictos
Didacum Astunica
Nie.
Copemicum de
donec corrigantur,
*)
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decreto
sus-
pendit*)
verdammt und
suspendirt."
lassen.
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11
Redewendungen
Ueberzeugung laut wird. In
den einleitenden Worten heisst es: Die Vter der Heiligen
Congregation des Index seien allerdings der Meinung gewesen, dass die Schrift des Astronomen Nicolaus Copernicus
de mundi revolionibus gnzlich verboten werden msse, weil
er Lehren, die der Heiligen Schrift in ihrer wahren und kaIhre alleinige Absicht
wo
einzuschalten,
ist:
hypothetische
die ernste
abzuhandeln, sondern
ternimmt.
sie
die bis
zum
heutigen
Werke
Tage gedruckt
des Kopernicus,
sind,
wie zuvor zu
dass der
nachfolgenden Anweisung gemss die Stellen corrigirt wer-
erlauben seien
231232,
496497.
s.
unten.
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12
den, in denen er nicht hypothetisch, sondern in bestimmter
Behauptung ber die Stellung und Bewegung der Erde
spricht; die Abdrcke aber, die in Zukunft veranstaltet
werden, sollen nur, wenn die bezeichneten Stellen in vorgeschriebener Weise verbessert sind, und eine solche Correctur der Vorrede des Kopernicus vorangeschickt wird,
erlaubt sein."
oder geringere Bestimmtheit des Ausdrucks. Charakteristisch ftir die ganze Arbeit ist der Seufzer, mit dem die
Verbesserung zum 8. Kapitel beginnt: Dies ganze Kapitel
knnte ausgetilgt werden, weil es ex professo von der
entsprechen
der Ansicht,
ge-
Ein vollstndiges Verbot, meinte er, sei vorzuziehen; denn den Kopernicus mit hypothetischer Einschrnkung erlauben, heisse: Jedermann die Gelegenheit
lassen, sich mit den Beweisen fr die Wahrheit einer Lohre
bekannt zu machen, die er nicht ohne Snde als Wahrheit
anerkennen drfe."*)
Als Ausfuhrung des ersten Decrets besttigt dieses Verzeichniss der Correcturen aufs Bestimmteste unsere Deueine Unterdrckung der Kopernicanischen Lehre
tung
ussert hatte.
*)
Im
II. 45.
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13
erkennen.
Dem
Wort durchgehends
schien.
Dass es sich bei dem teuere" fast immer um die innere
Ueberzeugung, nicht um ein usserliches Bekennen handelt, ist mit
Bestimmtheit nachzuweisen; und eben darum glaube ich nicht, dass
Reumont's Uebersetzung: befolgen" an den entscheidenden Stellen das
Richtige
trifft.
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14
stehn;
verurtheilen,
dem baldigen
entgegensieht.
Aber
mit
*) Epinois p. 92.
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15
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II.
Ein
gang vom
Wir
Februar 1616.
26.
lungen und Aeusserungen von den beiden Nchstbetheiligten, dem Cardinal Bellarmin und Galilei.
Galileis
schehen darzustellen.
Gercht, Galilei
was
sie gehofft
Von Rom
von der
als
und nicht
dennoch ge-
das
nes zweiten Processes im Original producirt; das Schriftstck findet sich daher auch in dem Rmischen Manuscript,
an
Es
lautet
wie
folgt:*)
*) Nach Op. VIII, 384. Die Erklrung ist bei Marini reproducirt,
brigens schon seit lngerer Zeit bekannt und in den meisten Biogra-
phieeu benutzt.
Digitized by
17
iL
mano
nitenzie
salutari,
verita,
ma
diciamo
gregazione
deW
attribuita al
Copemico che
la
Oriente
ad
cio non si possa difendere ne tenere. Ed in fede di cib abbiamo scritta e sottoscritta la presente di nostra propria
mano"
Rom,
Wir Robert Cardinal
26.
Mai
1616.
da wir vernommen,
dass der Herr Galileo Galilei verleumdet und ihm zur Last
gelegt worden sei, in unsere Hand abgeschworen zu haben,
so wie dass aus diesem Anlass ihm heilsame Bssungen auferlegt worden seien, und da wir um ein Zeugniss fr die
Wahrheit angegangen sind, erklren, dass der gedachte
Herr Galileo weder in unsere Hand, noch vor Andern in
Rom, noch, soviel wir wissen, anderswo irgend eine seiner
Ansichten und Lehren abgeschworen hat, sowie auch dass
ihm keine heilsamen Bssungen auferlegt, sondern nur die
von Unserm Herrn abgegebene und von der Heiligen Congregation des Index publicirte Erklrung zur Kenntniss
gebracht worden ist, des Inhalts, dass die dem Kopernicus
beigemessene Lehre, dass die Erde sich um die Sonne bewege und die Sonne im Centrum des Weltgebudes stehe,
ohne sich von Aufgang zu Niedergang zu bewegen, der
Heiligen Schrift zuwider ist und somit weder fr wahr gehalten noch vertheidigt werden darf. Zu Urkund dessen
Wohlwill,
Galilei.
Bellarmin,
Digitized by
18
eigenhndig
geschrieben
und
unterschrieben.
Man kann
Der Cardinal
Gerchte; er fgt auch hinzu, was in Wirklichkeit geschehen ist: es ist der Beschluss der Oongregation
weiter.
und
nicht vertheidigt
werden knne
er giebt
Wortlaut noch
dem Sinn
unterrichteten
richts
Der Widerspruch zwischen der Erklrung des Cardiund dem Bericht vom 26. Februar ist demnach augenEr ist erst durch die Schrift von Epinois
scheinlich.
nais
fr
*)
v.
Epinois selbst
lsst
Reumont.
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19
Geschichte des Processes das Widersprechende nebeneinander stehn, ohne die Schwierigkeit zu erMartin, der bald darauf in umfassender Weise
rtern.
die neu publicirten Actenstticke benutzte, hat die wesent-
freilich in seiner
liche
hilft
nicht
Aber er
bersehen.
Weise:
er erklrt die
ungenau, um
nicht
mehr
zu sagen" ; aber er sagt doch mehr. Der Brief des Cardinais Bellarmin", so schliesst seine Errterung, substituirt
der thatschlich ergangenen und wesentlich ernsteren Notifi-
vom
26.
Aber
was den
ist
die Folgerung: er
musste
2*
Digitized by
mag dem
immerhin
Richter die
bereitwillig
ausstellt
wurde.
Man
um
zu sehen,
Notwendigkeit aus der Verpflichtung zum Geheimniss ganz und gar nicht folgt
Auch ohne Rcksicht auf das geheime Verfahren wre
dass solche
die
Vorgnge des
berhaupt nur
um
Gewhrung
finden.
Dann
Gesuch
Form
Martin unbedenklich
Cardinal verneint
im Munde
ihres
Digitized by
21
Wer im Schreiben
aus
Galileis
Briefwechsel
entgegen.
Wer
diese
unnahbare Gestalt gesehen, wird nicht ohne Widerstreben auf die Beschuldigung einer wissentlichen Entstellung der Wahrheit eingehen, einer Lge nicht etwa im
Dienste und fr die Zwecke des hohen Amts, sondern besten Falls zum Nutzen des Mannes, der soeben im Namen
der Kirche gezchtigt und mit schrferer Zchtigung bedroht ist. Aber wir bescheiden uns, die unberechenbare
ernste,
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22
ten.
schehen.
In gleichem Masse beachtenswerth erscheint die Uebereinstimmung der beiden Berichte auch noch ber einen
Theil der Vorgnge vom 26. Februar. Das Schreiben des
Cardinais besttigt den ersten Theil des Inquisitions-Protokolls vom 26. Februar, der seine eigenen Aeusserungen betrifft, und widerspricht dem zweiten Theil, der
den officiellen Vortrag des Commissars enthlt; er leugnet
implicite, dass der Commissar nach ihm zum Worte gekommen sei. Die Grenze der Uebereinstimmung ist also an derselben Stelle des Protokolls,
wo
der verstndliche
hang aufhrt.
ist
constatirt,
des
Ueberdies
seine eigene
Mitwirkung
ist,
Zusammen-
vom
um
26. Fe-
bruar handelt
Man wird nicht behaupten knnen, dass diese Betrachtungen die Annahme der Unwahrheit fr den sonstigen
Inhalt der Erklrung, insbesondere fr das wichtige sondern nur" (ma solo) vor allem Uebrigen wahrscheinlich maAls mindestens gleichberechtigte Vermuthung legen
uns den Gedanken nahe, dass der zweite Theil
des Inquisitions-Protokolls in anderer Weise,
chen.
sie
dem
ersten ent-
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III.
Es bleiben unB zu vergleichender Prfung die Aussagen Galileis. Er bat sich ber die Vorgnge im Februar 1616 zu wiederholten Malen geussert. Auch wenn
er jede bestimmte Mittheilung vermieden htte, mssten
wir seinem Auftreten nach dem entscheidenden Verbot ein
Zeugniss wenigstens ber den Eindruck jener Vorgnge
entnehmen knnen.
Es ist bereits oben brieflicher Aeusserungen Galileis
ber den Erlass der Congregation des Index gedacht
Sie gehren einer fortlaufenden Reihe von Briefen an,
in denen Galilei dem Fiorentinischen Staates ecretr Curzio
Picchena ber seinen Aufenthalt in Rom im Winter 1615
bis 1616 Bericht erstattet.*)
Vollstndig sind diese Berichte
nicht.
Der Schreiber weiss, dass das Siegel fr Briefe an
den Minister des Grossherzogs kein Geheimniss verbrgt;
sie enthalten kein Wort, das in den Hnden der Inquisition
.als compromittirendes Zeugniss Verwendung finden knnte
die Vorsicht geht so weit, dass Galilei nur in allgemeinen
Ausdrcken von einer ffentlichen Angelegenheit" redet,
die er neben der persnlichen betreibt; erst nachdem das
Decret der Congregation des Index erlassen ist, erklrt er,
dass in jenen Andeutungen die Stellung der Kopernicanischen
*) Op. VI,
211238.
Digitized by
24
Lehre gemeint gewesen sei. So wird man auch eine besondere Mittheilung ber den Vorgang im Hause des Cardinais vergebens suchen.
Galilei schreibt allwchentlich mit jeder Post; den
wie
Posttag, der in die letzte Woche des Februar fallt
es scheint, den 26. oder 27. Februar
lsst er vorbergehen. Ich habe Euch, verehrtester Herr, mit der letzten
Mrz
heisst
es in
dem
Brief
vom
man
zu fassen, die ich Euch nur als ffentliche Angelegenangedeutet hatte, an der ich nur insoweit betheiligt
bin, (non di mia interesse, se non) als meine Feinde unangemessener Weise mich dabei betheiligt haben wollten.
Es war die Berathung der Heiligen Kirche ber das Buch
und die Meinung des Kopernicus von der Bewegung der
Erde, gegen die im vorigen Jahr in S.Maria Novella und
dann hier in Rom von demselben Mnch Angriffe gerichtet
wurden, als sei sie dem Glauben zuwider und ketzerisch;
diese Ansicht hat er mit seinen Anhngern in Worten und
Schriften zur Geltung zu bringen gesucht; aber wie der
Ausgang bewiesen, hat seine Meinung bei der Heiligen
Kirche keine Zustimmung gefunden. Die Kirche hat nichts
weiter angenommen, als dass diese Meinung mit den Heiligen Schriften nicht bereinstimmt, und es werden deshalb
nur diejenigen Bcher verboten, die ex professo die Beheit
heit
sie
spricht."*)
Galilei
referirt
dann eingehender
in
dem oben
wie
zum Beleg
ange-
und erwhnt,
cus und des Commentars ber Hiob von Didacus vonStunica auf die eine- Correctur sich beschrnken wrde. Er
*) Op. 6, 231.
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weiss
bereits,
dass
die
25
Correctur
dem
Cardinal Gaetani
Hebsten Freund, dem Venetianer Sagred o, auch hier gewissermassen befriedigt durch den Ausgang, der so ganz
und gar den Hoffnungen seiner Feinde zuwiderlief (Pesito
in tutto contrario ai pensieri de 'suoi ignorantissimi e maliziosissimi nemici).
So resumirt Sagredo am 23. April 1616
den Inhalt des Briefs, der uns nicht erhalten ist. Sagredo
fgt hinzu, dass er wie alle brigen Freunde in Venedig,
und
sich
mitgetheilt,
mit
Galilei
des
freuen.**)
Aber wie hat man diese Aeusserungen der Genugthuuug nach dem Ereigniss vom 26. Februar zu deuten?
Galilei sieht Gewinn in der Mglichkeit, die schriftwidrige
Meinung hypothetisch zu benutzen, er, dem keinerlei
Weise der Errterung gestattet blieb. Er legt Werth darauf, die Milde des Decrets an den geringfgigen Aende-
rungen darzulegen, die dasselbe fr das Werk des Kopernicus erforderlich machte; aber war nicht ihm seit wenigen
Tagen unzweideutig enthllt, was hinter diesem Schein der
Milde der Anhnger des Kopernicus von dem Heiligen Officium zu erwarten hatte? Er sieht nach dem Wortlaut
aber
des Decrets die Absicht seiner Feinde vereitelt
er selbst fr immer
zum Schweigen
ver-
urtheilt?
in
ist,
231232.
Digitized by
26
gen
dem Wortlaut
des
msste,
Vatican-Manuscripts
ergan-
ist.
Man
wird ohne Zweifel auch hier die Annahme bemehr oder weniger Glck den Zwecken nachsinnen knnen, um derentwillen der Bericht an den wohlwollenden Beschtzer gleichlautend mit dem Brief an den vertrautesten Freund nicht
etwa Geschehenes verschweigt, sondern einen guten
Ausgang fingirt, wo das Schlimmste geschehen war;
aber solche mglichen Interpretationen lassen die Thatsache
unberhrt, auf die es hier vor Allem ankommt: die Briefe
Galileis sind unmittelbar nach dem 26. Februar geschrieben, und doch finden wir in ihnen von einem tief erschtternden Eindruck, wie ihn jeder Leser nach der demthigenden Scene jenes Tages erwarten muss, nicht die leiseste
Spur; sie sind drei Monate vor der Erklrung des Cardinais geschrieben, und doch lassen sie, im besten Einklang
mit dieser Erklrung, auch nicht andeutungsweise erkennen,
dass es sich in den Verhandlungen, die ihn persnlich betrafen, um Anderes als den Inhalt des Decrets vom 5. Mrz
gehandelt habe, d. h. um Anderes als eine Aufforderung,
sich fortan auf die Hypothese" zu beschrnken, wenn er
berhaupt von Kopernicus reden wolle.
War dies in Wirklichkeit Galileis Auffassung der geheimen Verhandlung, so musste die Erklrung mit der Unterschrift desselben Cardinais, der jene Aufforderung an ihn
gerichtet hatte, ihn vollends sicher machen. Sein Verhalten
in den folgenden Jahren ist unter dieser Voraussetzung leicht
gedeutet
Die Vorgnge in Rom wirkten lhmend auf seine Thtigkeit In den Jahren 1616 bis 1623 ist kein Werk von
ihm verffentlicht; alle fertigen Entwrfe, alle Gedanken zu
neuen Schriften aus der vorhergehenden, fr Galilei so beraus fruchtbaren Zeit hatten entweder unmittelbar die Verteidigung und weitere Ausfhrung der Kopernicanischen
rechneter Tuschung vertreten, wird mit
Digitized by
27
Lehre zum Gegenstand oder standen doch, wie die Bewegungslehre, im engsten Zusammenhang mit der Kopernicanischen Denkwebe. Fr diese grossen Unternehmungen
war ihm die Erlaubnis, hypothetisch" zu reden, von geringem Werth; ihren wesentlichen Inhalt bildeten gerade
die physikalischen Beweise fr die Wahrheit der neuen
Lehre, die eingehendste Widerlegung der Gegengrnde,
mit denen die Aristotelische Schule umfangreiche Bnde
fllte.
Solche Werke waren damals unmglich. Ueberdies
war das Buch des Kper nicus suspendirt, bis es der
Heiligen Congregation angemessen erschien, die verheissenen
Verbesserungen" zu verffentlichen. Dies geschah erst im
Jahre 1620. In der Zwischenzeit war es unsicher zum
mindesten, nach eigenen Vorstellungen ber die Grenzen
der Denkfreiheit, die das Decret von 1616 auferlegte, die
geeignete Form fr Kopernicanische Gedankenfolgen zu
suchen.
von dem
dem Werk
der Correctur,
die Briefe
fortdauerte.
die uns aus jener Zeit erhalten sind, befindet sich ein merk-
Op.
8, 390.
Digitized by
28
Wahrheit
zu einer
Zeit,
wo man
in
Rom
die Beziehungen
bedingte allerdings
des Gegenstandes;
eine
aber
In
dem
Schrift,
nicht
gelangt;
die ich
sich
Digitized by
gespinst getrumt.
Was
29
ich
man
dass
sieht,
dem
Erscheinen
seines
ich
e ferma)."*)
Nachdrcklicher
in
Worten wenigstens
konnte
GrundHypothese erscheinen zu lassen
Wahr-
278281.
etwa heute behaupten wollte, dass die Maske Niemanden
tuschen konnte, wird seine Bemerkung auf smmtliche gleichartigen Correcturen" auch die der Congregation von 1620 anwenden
*)
**)
Op.
6,
Wer
mssen.
Digitized by
modo
30
in
Will
man auch
hier
zu bezhmen vermag, so wird man die wunderliche Annahme vertreten mssen, dass Galileis mnnlicher Trotz die
Schranken der schrferen persnlichen Weisung leidenschaftlich durchbricht, um an der Grenze, die das allgemeine
Decret gezogen, sich in kindlichen Gehorsam zu verwandeln.
In minder gezwungener Deutung erkennen wir auch
hier, dass Galilei handelt und redet, als sei ihm am 26. Februar 1616 nichts Anderes als der Inhalt des verffentlichten Decrets zur Warnung mitgetheilt, als sehe er in der
schriftlichen Erklrung des Cardinais Bellarmin die getreue
Wiedergabe jener mndlichen Mittheilungen.
Bei allen spteren Veranlassungen wiederholt sich dieselbe
Wahrnehmung;
es
muss
bis 1633
Aeusserungen Galileis, die in irgend einer
Weise auf die Kopernicanische Lehre Bezug haben, dem
Decret vom 5. Mrz gegenber willigen Gehorsam bekunden, dass Alles, was wir sonst von seinem Auftreten wissen,
Dagegen verrth sich in keidieser Gesinnung entspricht
alle schriftlichen
nem
Anerkennung
vom
26.
Februar auferlegt
Digitized by
IV.
Dass
in
den Anordnungen
Urban VIEL
bestiegen.
Rede
war fr ihn eine Lebensfrage. Er stand im 60. Jahr,
und noch wren seine grssten Werke
lngst reife
Schpfungen des Geistes
ungeschrieben. Er eilte nach
Rom, dem neuen Papst, der als Cardinal ihm ein Wohl-
Digitized by
Wrme,
mit hinreissender
Da
heit vorgetragen.
32
mehr um
eine
wo immer
eine
bedeutungsvolle Errte-
rung zum Abschluss gebracht ist, krzere oder lngere EinSchaltungen, die den Eindruck der Beweisfhrung abschwchen sollen; die Entscheidung ber wahr oder unwahr
das ist der wesentliche Inhalt dieser merkwrdigen Zustze
sei von einer hheren Einsicht zu erwarten, als Logik
und Mathematik gewhren. Die Vorrede fhrt gar aus,
wie das Buch nichts weiter bezwecke, als den fremden Nationen darzulegen, dass die weisen Massregeln gegen die
gefahrliche Lehre nicht etwa getroffen seien, weil es in Italien und besonders in Rom an Einsicht in die wissenschaftlichen Grnde der Kopernicaner gefehlt habe.*)
Durch diese Zustze, die theils schon im ersten Entwurf, theils auf Verlangen der Censur nachtrglich ein-
*) Ich
Physik
9,
194)
Werk
(Zeitschritt fr
Mathematik und
diese
Vorrede
wenn
nicht gar
nicht
zustimmen,
wenn auch
constatirt
ist,
dass
der Maestro del S. Palazzo sie nach ppstlicher Anweisung corrigirt hat.
Manuscript geblieben
ist.
Digitized by
gefgt wurden,
33
Werk
das Impri-
matur.
Weise
fr
wahr
wrtlich wie in
dem
s.
w.
vom
26.
scheinen habe.**)
Alle
Bemhungen
Galileis
*) Epinois, 8. 93.
Wohlwill,
Galilei.
Digitized by
tiner Hofs,
eine
waren vergeblich.
13. Februar 1633
Am
12. April
in
Rom
wurde
ein.
zum
er
ersten
Mal
verhrt.
Ich
Diese Entscheidung,
dinal habe
ihm
sei
man knne
erffnet:
in anderer
Weise,
d. h. als
Aber
Antwort: im Monat Februar 1616 habe ihm der Cardinal Bellarmin die Mittheilungen eben dieses Inhalts ber
die Kopernicanische Lehre gemacht. Zur Besttigung legte
er eine Copie der schriftlichen Erklrung des Cardinais
vom 26. Mai 1616 vor, in der es heisst: dass man die
Meinung des Kopernicus nicht fr wahr halten und nicht
erste
*)
12. April
(1.
ist
c.
zum
ersten
Mal
vollstndig
96101).
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35
Der
und wer?"
Galilei
erinnert
sich,
zugegen waren aber er kannte sie nicht und hatte sie niemals sonst gesehen.
Ob von diesen Patres oder von Jemand sonst ihm in
Bezug auf denselben Gegenstand ein Befehl ertheilt sei, und
welchen Inhalts?"
;
in folgender
flossen sind."
Ob
er sich dessen,
erinnere
mich
nicht,
dass
mir
etwas
3*
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36
Der Inquirent
hlt offenbar das Protokoll vom 26. Feda Galilei von dem wichtigsten Theil des
Vorgangs schweigt, wird der Versuch gemacht, ihm durch
Andeutungen, eine nach der andern, ein vollstndiges Gestndniss zu entlocken; man erwartet, nun endlich den Com-
bruar in Hnden
missar der Inquisition und die Androhung des Inquisitionsprocesses erwhnt zu sehen; aber Galilei wiederholt
fnften
Mal im Wesentlichen
zum
dieselbe Antwort:
Jemand
sonst
insinuirt
*)
sicht,
Es
ist
zu beachten, dass Galilei in einer Art taktischer Rckdem Munde des Inquirenten eine vermeintlich wohl-
sobald er aus
dieselbe
im Folgenden immer
als
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dem
37
und
sich
nicht vertheidigen"
sind."
dem
Protokoll
vom
26.
Februar gegenber
zugestand."
die
amtliche Insinuation
Inquisition
zugleich
in
Zweifel
zu
stellen,
dass
berall
ein
Verbot
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erlassen
handelte
in
allem
Folgenden
das
Verbot
als
erwiesene
Thatsache.
zuwiderlaufe.
Spter: ob er bei dem Gesuch um das Imprimatur dem Inquisitor den Befebl mitgetheilt habe, der ihm
frher
im Auftrage der Heiligen Congregation erAuch hier rechtfertigt Galilei die Unterlassung
theilt sei?
in
Was
er
im
ersten
erfahren,
nahm
rauf zurck.
*)
Im
zweiten erzhlt
er,
kommt
er da-
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Googl
39
in keiner
der
Heiligen
darauf,
am
Congregation
zu
Mai 1633,
10.
vergessen
reicht
er
mit
scheine.
dem
Bald
Original-
digung
ein.
Sie
richtet, dass er
ist
dem Censor
Um
Handeln verschmht
zu
er-
weisen", will er erzhlen, was sich im Jahre 1616 zugetragen. Uebelwollende hatten das Gercht verbreitet, ich sei
Cardinal Bellarmin vorgeladen, um gewisse Meinungen und Theorien abzuschwren, und sei dann auch wirklich verurtheilt, abzuschwren und eine Busse ber mich
zu nehmen. So war ich genthigt, mich an S. Eminenz
mit dem Gesuch um ein Zeugniss zu wenden, in dem der
Cardinal erklren mge, weswegen ich vor ihn geladen
sei; dies Zeugniss habe ich, von seiner eigenen Hand geschrieben, von ihm empfangen; es ist dasselbe, das ich mit
dieser Schrift berreiche.
Aus ihm ist klar zu ersehen,
dass mir nur mitgetheilt worden, die dem Kopernicus zugeschriebene Lehre von der Erdbewegung knne weder
fr wahr gehalten, noch vertheidigt werden; und davon,
dass mir ausser diesem allgemeinen Erlass, der
Allen gilt, noch irgend etwas fr mich allein auferlegt wre, findet sich in dem Zeugniss keine Spur.
Da ich nun mir zur Erinnerung dies authentische Zeugniss von
der Hand desselben Mannes bewahre, der mir die Vorschrift insinuirt hat (del medesimo intimatore), so
habe ich an die Ausdrcke, die bei der mndlichen Mittheilung des Befehls gebraucht wurden, nicht weiter gedacht; und deshalb sind die beiden Bestimmungen, in keiner
vom
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lehren", die der mir ertheilte und registrirte Bewie ich hre, ausser dem fr wahr halten" und vertheidigen" enthlt, fr mich ganz neu hinzugekommen
und wie nie gehrt me son ginnte novissime et come inaude), und ich denke, man wird mir den Glauben nicht versagen,
wenn ich betheure, dass mir im Verlauf von 14 oder 16 Jahren
jede Erinnerung an diese Worte vollstndig entschwunden
ist
Wenn aber jene beiden Bestimmungen weggelassen
und nur die beiden beibehalten werden, die im Zeugniss
Weise zu
fehl,
mg-
Anordnung
S. Palazzo
haben.
Auf
die Frage:
von
wem ihm
genommen zu
Man
quisition eine Vorstellung ber den Zusammenhang der Vorgnge combinirt, die seinen Erinnerungen nicht entspricht,
Digitized by
aber noch
dem
weniger mit
viel
sammentrifft!
41
Im Auftrage
er, hat ihm der Cardinal Bellarmin den Befehl ertheilt, auf
jede Anerkennung und Vertheidigung der Kper nicanischen
Lehre zu verzichten; dass er versumt hat, diesen Befehl
des Cardinais dem Censor mitzutheilen, ist, wie er meint,
der Vorwurf, der ihn trifft, der einzige, dem seine Vertheidigung begegnet. Zwar wusste er bis zum ersten Verhr
von keinem Befehl, und ein Befehl im Auftrage des Heiligen Officium" sollte nun pltzlich die Aufforderung des Cardinais gewesen sein; der milden Form gegenber konnte
ihn das befremden, aber immer war es doch mglich, einen
Befehl auch zwischen den Zeilen der spteren schriftlichen
Erklrung zu entdecken; und darum beschrnkt sich fr
Galilei alles Grbeln auf die Abweichungen im Wortlaut
des registrirten Verbots; nur gegen die Worte in keiner
Weise zu lehren" ist sein Zweifel und
wenn auch in
sein Widerspruch gerichtet,
bescheidener Verhllung
aber auch gegen diese Worte nur als Worte des Cardinais
Bellarmin. So wehrt er ab, was Niemand behauptet hatte
Wer den
durfte.
Augen
hat, sieht
dem
und fallen. Die Vertheidigung, die GaliMai seinem Richter bergiebt, lsst jede Ahnung
eines solchen Zusammenhangs vermissen; Galilei erhebt also,
ohne sich dieser Bedeutung seiner Aussagen bewusst zu
Inquisition, stehen
lei
am
10.
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werden, den bestimmtesten Widerspruch gegen das Protokoll vom 26. Februar 1616.
was
nen;
wo ihm ein
dem eigenen Gedchtniss
nchst
von
scheint in
er nicht gesehen
verbietet
es sich nicht
Aussagen nach der Erinnerung, die mit so wenig Selbstvertrauen auftreten, als ein bedeutungsvolles Zeugniss zu verwerthen?
Einige Worte ber Galilei als Inquisiten" werden hier
unerlsslich sein. Von dem ersten Verhr an sehen wir ihn
asu vollkommener Unterwerfung entschlossen.
Seine Freunde
und Beschtzer hatten ihm gerathen, seine innere Ueberzeugung ganz aus dem Spiel zu lassen. Er ging darauf
ein, nach den Berichten Niccolini's, des Florentinischen Gesandten, mit dem grssten Widerstreben. Als der Gesandte
gleichfalls in ihn drang, sich zu fgen, weil nur so eine
da errasche Erledigung des Processes zu hoffen sei
griff den Greis eine tiefe Betrbniss, und am folgenden Tage
fand ihnNiccolini so zusammengesunken, dass er ernsthaft
fr sein Leben frchtete."*)
Als Galilei drei Tage spter zum ersten Mal im Palast
der Inquisition erschien, war jeder Gedanke an Widerstand
in ihm erstorben.
Schon in diesem ersten Verhr tritt uns
die vollstndige Verleugnung der Gesinnungen entgegen,
die in der berhmten Abschwrungsformel so oft die Biographen der Neuzeit erschreckt hat, auf die uns heute selbst
der treueste Sohn der Kirche mit geringschtzigem Mitleid
selbst,
verweisen darf.
Derselben Absicht, zu beruhigen und zu vershnen, ent-
*)
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43
Ausnahme
*)
Cantor
(a. a.
O. 8. 187).
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44
sein
geschrieben
ist,
in
letzten
len;
ized by
geben,
dass
45
Wenn
Galilei den-
Ist
nicht
vielmehr
die
betrachtet.
Die Ansicht, dass Galilei lgt, ist in der That
von dem Vertheidiger der Inquisition, Marino Marin i,
dem Ersten, dem die Acten des Processes zu freier Benutzung vorlagen, in wahrhaft hmischer Weise durchgefhrt.
hre
hlt,
und dann
Eine derartige Auffassung ist dem vollstndigen WortFragen und Antworten gegenber unmglich; aber
immer wird man doch gegen die Aussagen Galileis die
Zwecke der Verteidigung geltend machen knnen.
Er zeugt, wo Leben und Tod in Frage stehen, fr sich
laut der
selbst
wir
eigenen
Nachtheil
Zeugniss
ablegen
werde.
Wir
Wahrheit verleugnet, wo
sie
zum
wissen
Werk
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46
heitswidrig
angenommene
Nur
ein Meister
leugnen
leisten,
Verstellung
wo
sein
treuherzig
Leugnen wenigstens,
von
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47
den peinlich Angeklagten verfhrt, kann es hier nicht gethan sein. Spricht Galilei gegen besseres Wissen, so kann
nur ein vorbedachter Plan und ein planmssig durchgefhrtes Abwgen der Worte begreiflich machen, wie er,
scheinbar schwankend, doch mit sicherem Verstndniss
stets
um
herausempfindet,
wo
wo er verneinen muss,
In diesem Vertheidigungsplan
er bejahen,
dann das Schreiben des Cardinais den festen MittelGalilei kennt sehr wohl den wesentlichen Unterschied zwischen dem Vorgang im Februar 1616 und dem
Inhalt der Erklrung aber das wohlbeglaubigte Zeugniss
macht ihn sicher; er wagt, auf die Gefahr, als Heuchler
bildet
punkt
Er
spielen.
versteht jede
Augenblick,
Processes
wo man
erinnert,
fingiren, dass
ihn an die
ein
Androhung des
dem
Inquisitions-
Missverstndniss so tuschend zu
Jeder berzeugt
ist:
wenn
er gefehlt, so ge-
schlau
berechnete Masken zu
Digitized by
dem Verbot
48
Verhalten
in
Marini den
Ungehorsam in den vorhergehenzu den lgenhaften Ausreden im Angeimsicht der Richter geschildert; aber seine Behauptungen zeigen
mer nur den besten Fall einer aufrichtigen Meinungsusserung vorausdass er Galileis Charakter nicht versteht und von den Schrifgesetzt
freilich
den Jahren
leichtsinnigsten
ten, die er
zum Beweise
Rein erfunden
ist z.
einzige
gelesen
Marini
hat.
Wahr-
lsst
Ga-
das
Decret der Congregation des Index, wie das persnlich ertheilte Verbot
missachten. Es ist dagegen oben gezeigt und dieser Nachweis leicht
zu vervollstndigen, dass weder in seinen Schriften noch in seinen
Briefen die ussere Rcksicht gegen die Erklrung der Kirche", wie
er selbst sie nennt, irgendwie verletzt wird. Dass er im Innern nie
aufgehrt hat, Kopernicaner zu sein, versteht sich von selbst.
lilei
in
gleicher
Rcksichtslosigkeit
sowol
Digitized by
49
Wie
dacht hat.
Was
aber auf diese Weise der Gedanke an wissentUnwahrheit und Verstellung an Wahrscheinlichkeit
einbsst, kommt der anderweitigen Vermuthung keineswegs
zu Gute, nach der die schriftliche Erklrung des Cardinais
Bellarmin Galilei irre gefhrt und ber den wahren Sinn
des Verbots von 1616 getuscht haben soll. Eine derartige Tuschung ist an sich undenkbar; soll sie doch mglich sein, so knnte sie immer nur die irrthmliche Auffassung der Warnung nach dem 26. Mai 1616 begreiflich
machen; aber unerklrt bleibt dabei der gleiche Irrthum
drei Monate vorher. Die Uebereinstimmung der frheren
und der spteren Auffassung macht vielmehr jene willkrliche Annahme, die dem Cardinal den grssten Theil der
Schuld zuweist, unwahrscheinlich und werthlos zugleich.
liche
Wohlwill,
Galilei.
Digitized by
50
fassung, wie
bereits
ist,
in sich
Digitized by
V.
alle
frher verffentlichten
Delambre*)
nen, dass
Worte
ihm
Gedchtniss
man
im
in keiner
Berichts
hrt
diese Thatsache
Weise lehren"
entfallen.
Da
enthalten habe,
vom Februar
Abweichung nur
erkennen; er wird
kaum
Geheimniss volle, alles Spannende im ersten Verhr ist durch diese Art der Wiedergabe spurlos beseitigt. Delambre giebt keine wrtlichen
Auszge, sondern nur ein Resume-, in welchem der Wortauf Galileis Seite
ist.
Alles
Marini
hat
**)
Galilei" bei
Delambre unbegreiflich
ist.
4*
Digitized by
Verhren
52
heute erkennen
lsst,
Auszge
wie sich
sind,
dem Zu-
sammenhang
gerissen, sondern durch erzhlende Zwischeneinem neuen Ganzen verbunden, in dem wir den
Inhalt der Verhre kaum wiedererkennen. Marini giebt
die Antworten^ ohne die Fragen vorauszuschicken er giebt
auch die Antworten nur stckweise, wie sie in seine Ver-
stze zu
theidigungsrede passen.
Er verdunkelt
ihren eigentlichen
Sinn durch Auslassungen bis zur vlligen UnverstndlichWir haben gesehen, wie der Wortlaut des Protokolls
keit.
vom
26.
und insbesondere der Verteidigung ausmacht; ohne Weiteres kann man ermessen, wie wenig Verstndliches brig
wo
bleibt,
halten
alle
dem Leser
vorent-
Paul
dem Cardi-
Bei
der Befehl
des
Heigen Officium
ertheilt."**)
Marini
1.
c. 8.
**) Marini
1.
c.
*)
9394.
S. 141.
Digitized by
So
restimirt Marini
Februar.
Man knnte
53
die Actenstcke
vom
25.
und
26.
dem Verhr
nur in ganz unwesentlichen Theilen wrtlich wiedergegeben, das Uebrige sehr kurz resmirt; der wahre Gehalt
des Actenstcks kommt nicht zur Geltung.
Auf diese
Weise bleibt auch die zweite Schwierigkeit dem Leser vllig unbekannt.
Niemand kann aus Marinis Auszgen die
Thatsache entnehmen, dass zwischen dem registrirten Bericht von 1616 und der Erklrung des Cardinais ein wesentlicher Unterschied besteht, den Galilei selbst nicht
ist
begreift.
So bleibt auch bei Marini von den ernsten Widersprchen kaum eine Andeutung. Auch nach diesen Auszgen scheint die Aussage Galileis von den alten Protokollen der Inquisition nur in einer Geringfgigkeit abzu-
weichen ***)
*)
Anhang
Man
und Epinois im
I u. II.
**) Siehe
oben
S.
39
ff.
Marini
S.
132
ff.
***) Ich versichte darauf, das Verfahren Marinis bei dieser Gelegen-
Es wird schwer zu erweisen sein, dass die vollstndige Consequenz in seinen Krzungen
das Werk des Zufalls, das sie nicht vielmehr darauf berechnet war,
heit einer eingehenden Kritik zu unterwerfen.
Digitized by
Alle
spteren
Sie alle erzhlen nach Mawie Galilei zu seiner Vertheidigung sich hauptschlich
darauf beruft, dass in der schriftlichen Erklrung die Worte
sich
rini,
in keiner
aber,
ob
Weise lehren"
in
nicht
dem mndlich
gewesen
vorkommen.
ertheilten Befehl
Die Frage
diese
Worte
seien, schien
Der
worten und der Vertheidigung Galileis ein ernster Widerspruch nicht nur gegen die hinzugekommenen Worte in
keiner Weise", sondern auch gegen den Bericht vom 26. Februar 1616, die Grundlage des ganzen Processes, enthalten
war. Der Richter der Inquisition hat ihn nicht berhren
knnen, wenn in Wirklichkeit das Blatt in seiner Hand das
Actenstck war, das in dem Rmischen Manuscript mit dem
gleichen
Datum
bezeichnet
ist.
Wir haben
dies in
dem
nur
55
es
wird nicht
dem
toren
und
und
26.
verfahren, so
wurde
min
von der genannten falschen Lehre gnzund im Fall einer Weigerung (recusanti tibi)
sollte dir vom Commissar des Heiligen Officium der Befehl
ertheilt werden, die genannte Lehre zu verlassen, sie weder
Andern lehrend mitzutheilen noch zu vertheidigen oder
dir auferlegen,
lich abzustehen,
*) Siehe
oben
S. 33.
Epinois S. 93.
Digitized by
56
wenn du
du
ins Gefangniss geworfen werden; und zur Ausfuhr ung dieses Beschlusses erschienst du am folgenden Tage im Palaste
vor Sr. Eminenz, dem schon genannten Cardinal Bellarmin,
und nachdem du von demselben Cardinal mit Milde ermahnt
worden warst, wurde dir von dem derzeitigen Commissar
des Heiligen Officium in Gegenwart von Notar und Zeugen
tes
(Anh. III
ist.
Digitized by
LaOOQle
Anordnung vom
57
et incontinetiti),
lileis
im Jahre 1633
als
Kraft bleiben.
Diese Bedenken haben also auch Galileis Richtern nahe
genug gelegen dass sie in der Mitte des Heiligen Gerichtshofs
zur Sprache gekommen wren, lsst sich bis jetzt nur ver;
muthen; denn unter den Actenstcken des Rmischen Manuscripts findet sich kein Bericht ber die Berathungen der
Richter.
Nur aus Andeutungen ist zu entnehmen, dass
die Erklrung des Cardinais Bellarmin nicht unbeachtet
blieb.
Es
ist schon oben hervorgehoben, dass die unbegreifUnkenntniss Galileis ber die protokollirten Thatsachen nach dem ersten Verhr zu keiner weiteren Untersuchung Veranlassung giebt. Das Heilige Officium ver-
liche
zichtet
also
darauf, einen
der Aufrichtigkeit in
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58
man
Ungezwungen
voraussetzt, dass die Erklrung des Cardinais als ein glaubwrdiges Zeugniss Bercksichtigung forderte und fand.
Darauf scheinen auch die Angaben ber die theologischen
(soiitenu et di-
Grnde
fr die zweite
hat.
Zeugenaussage (Inchofers).
4)
5)
Man
lsst
also die
Theologen
in gesonderten Schrift-
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ersten
Verhr
59
wahr
und
halten
ver-
digung
Deutung nahe, dass man Galilei in seiner Vertheiund fr alle Flle, auch der milderen Vor-
folgte
wollte.
berichtete.
Das
Urtheil lsst
oberflchliche
niss gesetzt
die S. Heiligkeit
gegeben
und
in der enthalten
*) Dies
S. 64.
Es
Datum entnehme
ist
ich
sehr zu bedauern,
die
bei Epinois
unvollstndige
Digitized by
60
Bestimmungen des
Befehls,
Erwhnung geschehe,
recapitulirt wird.
**) Riccioli II,
498499,
s.
krlichster
ben,
die
ist.
Qalilei
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61
als
wahrheitswidrig
bezeichnen
durften;
dies
behauptet nmlich zu seiner Vertheidigung, er habe sich in den getadelten Stellen seiner Schrift durch den schriftstellerischen Ehrgeis
verleiten lassen, auch die Ansicht, die er verwerfe, so gut als mglich
zu vertreten. Aber nichts liegt ihm ferner, als die Absicht (die der
Text des Urtheils vermuthen lsst), mit diesem Versuch einer Rechtfertigung
dem
abzusprechen.
Digitized by
62
Zeugniss verwerfen, hiess nichts Geringeres, als einen weman zu richten hatte, dem
Cardinal zuweisen.
So galt
es,
dem
ohne
Ob keinem von
ist
uns unbekannt.
der Papst selbst das Bestehen einer Minoritt unter den Richtern zu
leugnen scheint. Er ussert dem Gesandten gegenber, nachdem das
Urtheil bereits gesprochen war, dass die ganze Congregation bereinstimmend und ohne Ausnahme fnemine discrepante) die Bestrafung als
angemessen erkannt habe" (Op. 9, 444). Vielleicht ist hier der Widerspruch dadurch zu beseitigen, dass man nach den Worten des Papstes
auch die dissentirenden Richter der Strafe zustimmig denkt, whrend
sie den Motiven ihre Unterschrift versagen.
Digitized by
die
63
verhllt wurden.
halten.
Das Urtheil, die Abschwrungsformel, eine Reihe
von amtlichen Briefen der angesehensten Cardinle verbrgen uns, dass man auf Grund des Protokolls vom 26. Fe-
bruar 1616 das Verbot der Inquisition als Thatsache anerkannt hat; die einleitende Begrndung des Urtheils zeigt,
dass man trotzdem die Erklrung des Cardinais Bellarmin
nicht als ungenau und unzuverlssig zu charakterisiren
wagt, vielmehr in gnzlich unhaltbarer Argumentation die
Verantwortlichkeit und Strafbarkeit des Angeklagten diesem Zeugniss gegenber unvermindert nennt. Daraus ergiebt sich als gewiss, dass die Mehrheit der Richter
eine Frage unentschieden Hess, ohne deren Erledigung ein gesicherter Thatbestand fr die Anklage
nicht vorhanden war, als wahrscheinlich zum mindesten,
dass eine ausreichende Prfung der beiden Documente, um die es sich hier handelt, niemals statt-
gefunden
hat.
Keinenfalis lsst sich der Geschichte des
Processes von 1633 und insbesondere der damaligen Benutzung des Actenstcks aus den Archiven der Inquisition
ein Beweis fr seine Zuverlssigkeit entnehmen.
Digitized by
VI.
Es
bleibt
zu
untersuchen,
ob
die
ussere Be-
Sicherheit ge-
whrt.
gehrt einer
an, die zur Zeit in den Archiven des Vatican bewahrt wird.
nach Epinois
bis 561.
radirt),
Heili-
gen Officium.
Die zweite Bezifferung ergnzt rckwrts zhlend die
Digitized by
t
erste des zweiten Theils
65
Fol. 341
384 an.
Bezeichnung der Seiten beginnt mit Fol. 1
(entsprechend Fol. 342 der zweiten Bezifferung) und geht
bis Seite 103, ist also nicht zu Ende gefhrt.*)
Es ist daraus zu entnehmen, dass die beiden Reihen von Actenstcken frher jede einem andern Ganzen
angehrten und spter zusammengeheftet sind. Ob diese
Vereinigung erst nach dem Jahre 1734 stattgefunden,
von dem das letzte Schriftstck der Sammlung datirt ist,
oder ob vielleicht die Documente der spteren Zeit, namentlich die wenigen aus der Zeit nach dem Tode Galileis,
Eine
dem
dritte
sind
ist von
Die Entscheidung dieser Frage
ist ersichtlich von mehr als nur antiquarischem Interesse.
Wer hundert Jahre spter diese Acten zu ordnen und zum
Ganzen zu verbinden hatte, musste am gleichen Ort, in
den gleichen Functionen seine Aufgabe mit andern Augen
Dieselben Schriftstcke konnten im Jahre 1634 dem
sehen.
Archivar der Inquisition als die Acten eines Processes wegen Uebertretung unantastbarer kirchlicher Decrete gelten
fertigen
*)
Sie
endet an
einer
durch Zufall.
Wohlwill, Galilei.
**)
Bericht,
der
Digitized by
66
zum
Lcke in der
vorhandenen Sammlung nicht besteht, vielmehr die
ganze Seitenfolge von Fol. 337 561 in dem Manuscript des
Vaticans vorhanden ist. Aber was man in diesem Manuscript vereinigt hat, waren nicht etwa zwei abgesonderte
Hefte, sondern Actenstcke aus zwei oder mehr Bnden,
die an ihrer ersten Stelle vermuthlich unverbunden, wenn
auch in ihrer jetzigen Reihenfolge nebeneinander lagen.
Ob nun die ursprnglich vorhandenen Documente insgeEpinois**) nicht mehr zweifelhaft, dass eine
jetzt
*) Epinois 8. 80.
soviel
Herrn de l'Kpinois. Da min die Inhaltsangabe fr eine grssere Anzahl von Blttern im Anhang dieser
ich sehe, nicht in der Schrift des
Vermuthung nahe, dass wenigstens einmehr vorhanden sind. Ich habe diese Vergegen Herr de T Epinois geussert und darauf die im
muthuug
brieflich
Digitized by
67
sammt oder nur mit Auswahl in die neue Sammlung aufgenommen wurden, ist uns unbekannt Man darf aber nur
an die Lcken in Marinis Mittheilungen denken,*) um sich
zu vergegenwrtigen, wie leicht eine Auslassung am rechten Ort die Bedeutung einer tiefgreifenden Aenderung gewann. Nun findet sich allerdings die ltere Bezifferung
der Seiten sowol bei den Actenstcken von 1615 und 1616
wie bei denen von 1632 in ununterbrochener Folge erhalten; aber dadurch ist nur der Anhaltspunkt fr einen bestimmten Verdacht beseitigt; ein weiterer Schluss von der
Vollstndigkeit dieser Ziffernfolge auf die der
lsst
Sammlung
grosse Zahl
uns beschftigt
Der
hat.
Februar" ist
im September 1632 unzweifelhaft in seiner jetzigen Gestalt vorhanden gewesen
das ergiebt sich aus den Mittheilungen des Maestro del S. Palazzo Riccardi an den
Gesandten Niccolini, wie aus dem Bericht der SpecialCommission ber die Anklage.***) Es wird dabei ausdrcklich gesagt: das Actenstck habe sich damals in den ArBericht mit der Ueberschrift 26.
chiven
gefunden
(essersi trovato);
es scheint,
dass
man
Digitized by
von
68
Man
und
am
11.
Digitized by
scheint die Keine der
69
Documente von 1616 durch journaldenen der Secretr der Inquider Cardinle u. s. w. mit dem
Datum
verzeichnet.
25.
Februar und
Form
dem Datum
Art der
Derselbe Secretr scheint beim Verhr des
Pater Caccini*) das Protokoll zu fhren. Sein Name ist
nirgends genannt; um so wahrscheinlicher hat man sich
unter der Person, die das hufige ich", in meiner Gedes 26. entsprechen in ihrer
einer solchen
Aufzeichnung.
genwart" (in mei praesentia) u. s. w. meint, immer denselben Schriftfhrer zu denken.**) Es wird also zu vergleichen sein, ob die Handschrift unter dem Datum des 25.
und 26. Februar die der vorhergehenden wie der nachfolgenden Bltter ist. Auch hier wrde freilich eine Abweichung sicherer den nachtrglichen Zusatz beweisen, als die
erkannte Gleichartigkeit der Schriftzge gleiche und gleichEntstehung verbrgen kann. Immerhin wre ein
sehr beachtenswerther Einwurf gegen alle Folgerungen aus
zeitige
*)
Epinois S. 85.
bezeichnet.
Digitized by
Theile mit einander
lung des
sind.
70
Cardinais Mellinus
Zwar
vom
25.
Berichterstatter
Mitthei-
Februar vereinigt
ob der unbekannte
recht nachdrcklich
am
holung
.trgt
Theil ein
kolliren.
nicht
officielles
Aber
die scheinbar
officielle
Aufnahme
ist
dann
doch so wenig selbstndig gehalten, dass sie ohne das Vorhergehende vllig unverstndlich bleibt. Als ob die Worte
unmittelbar darauf" (successive et incontinenti) nicht gengten, ist auch usserlich jedes Merkmal der Trennung bis
auf das schwchste Interpunktionszeichen vermieden.*) Bellarmin wird ohne Namen nur als derselbe Cardinal" und
Digitized by
Datum
Namen
71
und
die
genannt, aber nicht etwa in einem Original-Actenstck, dem Befehl des Papstes, sondern in dem Bericht
ber diesen Befehl. Erst im Zusammenhang mit diesem
Bericht entsteht ein lesbares Ganzes, nur in dieser Verbin-
in
krzester
Form
zurckgegriffen.
Hat
diese
nicht aufgehoben.
Ist
Zeit
des Vorganges
scheinen,
aufgezeichnet,
so
muss
es
seltsam
Digitized by
Es
72
von
bleibt
die
Form,
als
ber sehr
unvollsndig
dem
unterrichtet.
Inquisitionsgericht
Um
Wir
sind dar-
so wichtiger
it
strengerer
Form
beabsichtigt.
verwirklicht,
Dafr Notar und Zeugen. Dass beide nebeneinander genannt werden, beweist
dass
wie selbstverstndlich
der Notar nicht nur ein anderer Zeuge sein, sondern ber
den Vorgang amtlich ein Protokoll aufnehmen soll. Den
auf
Grund des
die
Zeugen
und
kann dann,
besttigen,
so beglaubigten Schriftstcks
wie angedroht war, der Inquisitionsprocess eingeleitet werden. Eine Urkunde, wie wir sie in solchem Fall erwarten, liegt
selbstndiges Protokoll
ist
nicht
ist,
eines
Digitized by
LiOOQlc
73
kann; der Secretr der Inquisition wird in den Bderen Fhrung ihm ausschliesslich anvertraut ist,
der Regel nach eine Erluterung seinem ego nicht hinzufgen. Aber schwerlich ist der umgekehrte Schluss berechtigt, dass jedes ego, das man im Archiv der Inquisition
entdeckt, die Theilnahme ihres Schriftfhrers verbrgt oder
gar, wenn ein Notar gefordert ist, die Identitt dieses
treten
chern,
dem
Schriftfhrers mit
geforderten Notar.
dem
in dieser
Form, so zweideutig
Genge leistete, dass
nach den Regeln der Inquisition die Wahrheit des Inauch widersprechenden Zeugnissen gegenber bekrftigen konnte, lsst sich nicht annehmen. Wenn das allgewaltige Gericht sich an bestimmte Formen band, so mussten sie den Betrug zum mindesten erschweren.
Unter den brigen Actenstcken des Rmischen Maes
halts
nuscripts
kennen
nahme,
befindet
sich
soweit
nur ein Beispiel einer notariellen Aufdie gleichfalls auf ppstlichen Befehl erfolgt.
Es
handelt sich dabei um einen Gegenstand von ungleich geringerer Bedeutung, um die erste, an Galilei gerichtete
Aufforderung, in Rom zu erscheinen. Der Papst befahl
dem Inquisitor von Florenz, diese Weisung in Gegenwart
von Notar und Zeugen zu ertheilen. Der Wortlaut ist hier
von besonderem Interesse .*)
S. Heiligkeit hat befohlen, dem
23. September 1632.
Inquisitor von Florenz zu schreiben, er mge dem Galilei
im Namen der Heiligen Congregation zu wissen geben,
dass er im Lauf des Monats October in Rom vor dem General-Commissar des Heiligen Officium zu erscheinen habe,
und ihm das Versprechen abnehmen, diesem Befehl zu gehorchen, den er ihm in Gegenwart von Notar und Zeugen,
jedoch ohne dass Galilei von ihnen wisse, ertheilen mge,
damit dieselben, falls er sich weigere und nicht zu gehorchen
*)
lsst
Marini
8. 120.
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74
wenn
es erforderlich sein
sollte."
Die
letzten
Worte
Sie be-
von
Am
be-
richtete derselbe
In-
ligkeit bewiesen."*)
Galilei hat
Aber der
vollkommene Bereitwil-
und Zeugen
tonotar
und Consultator
war zu-
vom Orden
konnte!
Epinois S. 57.
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75
Form
Gewhr leisten.
Zeugen genannt Knnen vielleicht diese
Kamen ersetzen, was die Form vermissen lsst?*) Hier bedarf es nicht der Frage nach den Rmischen Formen; die
Natur der Sache lehrt, dass die Zeugen ausser und neben
dem Notar die Wahrheit bekrftigen sollen, also ihre ZustimInhalts keine
Aber
es sind
mung nicht dadurch bekundet wird, dass der Notar ihre Namen nennt. In diesem Actenstck freilich ist ihre Gegenwart
auch nur durch den Ungenannten verbrgt; aber mehr als
diese
wre durch
dies Blatt
es gelingen sollte,
dem unbekannten
als die
gangen war.
Die Acten von 1633 wissen nichts von einem solchen
Verhr; von Badino Nores aus Nicosia in Cypern und von
Augustin Mongard aus der Abtei Rottz ist nirgends die
*)
Ich brauche
kaum
die
Namen,
entsprche.
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76
So
lsst sich
verwandt wurde,
um
Mhe
die
schweigen.
Wenn die Richter der Inquisition unter solchen Umstnden das Verbot von 1616 als erwiesene Thatsache anerkannt und verwerthet haben
die historische Kritik muss
die Thatsache und die Anerkennung der Richter zugleich
verwerfen, sofern das Actenstck mit der Ueberschrift
26. Februar" ihre einzige Quelle war.
Ich stelle zusammen, was zu diesem Ergebniss fuhrt.
Das Zeugniss
1.
Es sagt aus,
nur das Decret der Congregaist, nach dem die Kopernicanische
nahmemassregel.
2.
Briefe
bots
ist
dass die Absicht seiner Feinde vereitelt, dass es ihnen misslungen ist, ein Verbot der Kopernicanischen Lehre zu er-
wirken; er setzt mit einer gewissen Genugthuung auseinander und kehrt immer von Neuem daraf zurck, dass auch
nach dem Decret der Congregation des Index die hypothe-
bleibt
Gardinais
geschrieben.
In keiner spteren Aeusserung Galileis ist eine weitere Rcksichtnahme, als die auf das Decret vom 6. Mrz
3.
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77
ist
Whrend
nicht existirte.
4.
Den
es das Pro-
von Niemand, der ihm eine Mittheilung gemacht htte ausser dem
tokoll der Inquisition verzeichnet hat;
Cardinal Bellarmin
er weiss
Erklrung des Gardinais einen vollstndigen und erschpfenden Bericht ber den Vorgang vom 26. Februar 1616 gesehen.
5. Beschrnkte sich nach diesen bereinstimmenden
Aussagen Galileis und des Cardinais Bellarmin der Vorgang
am 26. Februar auf die Aufforderung, sich den Beschlssen
der kirchlichen Behrde zu unterwerfen, auf eine Verteidigung der Kopernicanischen Lehre zu verzichten, so
entspricht dies durchaus der Anordnung des Papstes vom
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25. Februar.
Denn der
78
sollte,
tritt
nicht ein; er
ist
psychologisch
Den Aussagen
so wie der
Weise auch der erste Theil des Berichts vom 26. Februar,
der ungezwungen als selbstndiges Ganzes betrachtet werden kann. Er enthlt in abgekrzter Wiedergabe dasselbe,
was die Erklrung vom 26. Mai bezeugt. Dadurch ist bewiesen, dass der Cardinal im schriftlichen Zeugniss durchaus wahrheit8gemss berichtet, was am 26. Februar durch
ihn selbst geschehen ist; die Worte sondern nur" (ma
seinem Schreiben schliessen daher implicite die Behauptung ein, dass Niemand ausser ihm Galilei eine Weisung ertheilt hat.
7. Dagegen behauptet das Protokoll" vom 26. Februar,
dass nach dem Cardinal der Commissar der Inquisition,
Segnizzia de Lau da, gesprochen, der milden Warnung das
Der Bericht verzeichnet
strengste Verbot hinzugefgt hat.
damit nicht nur eine vllig vereinzelte, unerklrte Abweichung von den Principien, nach denen man im Jahre 1616
der Kopernicanischen Lehre gegenber verfuhr, eine pltzliche Ausschliessung wohlwollender Rcksichten, wie sie
Galilei zu jener Zeit von allen Seiten bewiesen wurden
er bekundet auch unter dem Schein einer Ausfhrung des
solo) in
ppstlichen Befehls
vom
25.
eine Ueberschreitung
der Anordnung
ner Weise frher oder spter motivirt wird; er giebt endlich in der Verbindung seiner beiden Theile ein Ganzes
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79
diesem Actenstck an keiner anderen Stelle weder in bestimmten Ausdrcken erwhnt, noch in irgend welchen naturgemss zu erwartenden Folgen als wirkende Thatsache
wiederzufinden.
steht
dem
allen gegenber,
Welt Beweiskraft
hat,
ist,
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VII.
Flschung
fach
beantwortet.
wenn wir
sie
Persnliche
annehmen
wollten
Leidenschaften
waren
einin
dem
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nicht Galilei,
81
hielt,
lieh
mer bei nherer Beleuchtung sich als strafwrdiges Vergehen enthllen mochte
das Imprimatur deckt, was man
zu spt erkannte.
Da fand sich" im August oder September 1632 das
Protokoll vom 26. Februar 1616, und dies allein gengte, um Galilei vollstndig zu Grunde zu richten" - (questo solo e bastante per rovinarlo affatto) so
usserte sich der Maestro del S. Palazzo, als er dem Gesandten Niccolini die erste Mittheilung ber die Auffindung
machte. Nun war das Imprimatur erschlichen und nichtig,
denn Galilei hatte den Befehl verschwiegen, nach dem ihm
Schrift und Rede ber Kopernicus fiir immer untersagt
blieb. Nun war es kaum noch nthig, ein Buch zu prfen,
das unter allen Umstnden schon dadurch strafwrdig er-
Massstab von
Ueberfluss
erwnschter Dehnbarkeit;
zum Sachverstndigen
minder gefhrlich
hielt,
mau
hatte
zum
Wohlwill,
Galilei.
Sechzehntes
Jahrhundert, ZwischenbeC
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82
dem
Wir haben
Es
ist
man
dem
man
um
folgen,
zu sehen.
*)
Op.
9, 8.
434.
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83
der
preisgab.
Darum liess man ihn auch in der berchtigten Abschwrungsformel vor allein Uebrigen dies Verbot nach
seinem ganzen Wortlaut wiederholen und ausdrcklich hinzufgen: es sei ihm dies Verbot in aller Form Rechtens
auferlegt (juridice injunctum).
Von dem
Urtheil
war
Aufs Schrfste
tritt
allen
wo man
hier,
auf Einzelnheiten nicht einging, erscheint berall die Verurtheilung als die nothwendige Strafe, die einer Ueberschreitung des persnlich auferlegten Befehls auf
folgte.
dem Fusse
Gesammtausgabe.*)
Die spteren geschichtlichen Darstellungen, die endlosen polemischen Auseinandersetzungen ber Galileis Process
tiner
*) Op. 9,
S.
472
474.
ist
selbst-
Es
ist
Da
er
ausfhrlich
und
wieder-
was er gehrt hat, so ist wenigstens auffallend, dass der Einwendungen Galileis, die der Wortlaut des Urtheils verzeichnet, durchaus
nicht gedacht wird. (Op. 9, 390 391) Dass brigens auch der vollstndige Wortlaut gerade an diesen Stellen fr den Ununterrichteten
Schwierigkeiten bot, erkennt man aus dem unklaren Referat des Gesandten vom 3. Juli 1633. (Op. 9, 446) Beim mndchen Vortrag
konnte berdies durch die entsprechende Betonung das Verstndniss
erschwert oder erleichtert werden. Wie Guiducci erzhlt, wurde eine
Copie des verlesenen Schriftstcks von der Inquisition verweigert.
giebt,
6*
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84
Es
ist
Anmerkung:
die
vermeintlich
Wer
rino Marini.
sollte
dem Manne
misstrauen,
Ma-
der so
gereichen knnte?
Wenn
die parteiische
Frbung
seiner
men, dass
durchaus
ein
so klarer Bericht
entstellte.
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85
in wortgetreuer
Wiedergabe
vorliegt,
ist
zugeich mit
dem
bedurft hat,
um
dies
Hnden
gewissenloser Richter
bringen.
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Anmerkungen.
1.
Zu
Seite
2.
Rom
heitswidrig zu verdchtigen,
in
jedes
2.
Zu
Seite 3.
Die Biographen Galileis bezeichnen ohne Ausnahme als unmittelbare Veranlassung der Katastrophe im Februar 1616 eine lebhafte
Scene, von der ein merkwrdiger, mehrfach abgedruckter Brief des Gesandten Guicciardini vom 4. Mrz desselben Jahres berichtet. Sie erzhlen ihm nach, wie der Cardinal Orsini im ppstlichen Consistorium
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Gc
87
den Versuch gemacht, den Papst fr die Sache seines Schtzlings su
gewinnen. Auf die dringenden Worte Orsinis habe der Papst erwiedert:
der Cardinal werde gut thun, wenn er seinem Freunde rathe, seine
Ansichten aufzugeben." Als auch dann noch Orsini sich nicht beruhabe der Papst kurz abgebrochen: die Sache sei bereits den
Cardinlen der Heiligen Inquisition bergeben." Er habe dann sofort
den Cardinal Bellarmin zu sich berufen lassen, und das Ergebniss der
higte,
Unterredung
sei die
da
ff.)
sie
Zu
Seite 14.
Nach dem Bericht vom 26. Februar gebietet der Pater Commissarius im Namen des Papstes und der ganzen Congregation des
Heiligen Officium, whrend vom 26. nur ein Befehl des Papstes vorliegt.
Daraus scheint als weitere Bestimmung des im Text hypothetisch angenommenen Vorgangs hervorzugehen, dass jener zweite Beschluss in
Es ist
einer Versammlung der Cardinle der Inquisition gefasst sei.
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88
Zu
Seite 15.
ist
v.
Humboldt im Kosmos
(2,
74
a.)
Martin (Galileo,
min
in dreifacher
Zu
Seite 29.
Weise ungenau";
1)
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89
unzweifel-
lssigkeit
des Schriftstcks
unerrtert zu lassen,
bemerken
ad 1) ist Allen, die einen Begriff davon gewinnen wollen, welche
Ungenau igkeiten" hnlicher Art in hnlichen Documenten vorkommen
und ohne Zorn gelesen werden mssen, ein sorgfltiges Studium des
oben (S. 2) angefhrten Urtheils der Qualificatoren zu empfehlen.
Man wird dann unter Anderm sehr wahrscheinlich finden, dass die
Verfasser den Kopernicus nur aus der Denunciation des Pater Caccini
kennen, und deshalb ebensowenig wie dieser wrdige Mann im Stande
sind, den Inhalt seiner Lehre wiederzugeben, Dass auch der Cardinal
Bellarmin das Werk des Kopernicus nicht gekannt hat, liesse sich ohne
Mhe beweisen. Aber was in unserm Fall ausschliesslich in Betracht
die Zuverlssigkeit seiner Aussage ber Ereignisse, bei denen
kommt
kann durch solche zeitgerasse
er als handelnde Person zugegen war
Unkenntniss nicht beeintrchtigt werden.
ad 2) Auch hier wird schlechthin als ungenau" bei Seite geschoben, was mit einer anderweitigen, frher bekannten Darstellung nicht
bereinstimmt. Martin verwirft in diesem Fall sogar eine Angabe, die
keiner anderen widerspricht, sondern nur an anderer Stelle unerwhnt
bleibt; denn dass das Decret vom Papst persnlich unterzeichnet, oder
dass sein Name darin erwhnt sein msste, wenn es von ihm ausgegangen wre, kann schwerlich auf Grund vergleichender historischer
Forschungen behauptet werden. Aus den Acten des Galilei'schen Processes geht vielmehr hervor, dass bei den wichtigsten Vorgngen die
Congregation des Heiligen Officium nur ppstliche Befehle vollzieht,
ohne den Papst zu nennen. Als unmglich oder nur unwahrscheinlich
kann demnach die Angabe des Cardinais nicht angesehen werden aber
wenn sie das nicht ist
ist etwa unser Wissen von den Vorgngen
im Jahre 1616 so durchaus gesichert oder gar vollstndig, dass wir die
vllig bestimmte Aussage eines Betheiligten als unrichtig bezeichnen
drfen? In welchem Maasse hier der Cardinal Bellarmin als Betheiligter angesehen werden muss, ergiebt, von dem Hauptgegenstand dieser
Errterung abgesehen, der Briefwechsel Galileis an vielen Stellen.
Was die Meinung des Kopernicus betrifft," schreibt im Januar 1615
der Frst Cesi an Galilei, so hat Bellarmin selbst, der in den Congregationen ber diese Dinge zu den Hauptpersonen ge-
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90
hrt, mir gesagt: er halte sie fr ketzerisch" und gleich darauf t ich
habe immer befrchtet, dass er, wenn in der Congregation de Index
auf seinen Antrieb ber den Kopernicu* Berathungen stattfnden, ein
Verbot su Stande bringen werde" (lo farebbe proibire ). Was nun
;
Mann ohne besondere Veranlassung ber die Entstehung des Decrets von 1616 mittheilt, wird ohne Zweifel statt gering-
derselbe mchtige
Man
Zu
Seite 46.
entnommen,
nachdem
Rom
im Mrz 1616 den eben verffentden er selbst Beschluss der Kirche" nennt, rckgngig zu machen versucht
glaublich erscheinen lassen, dass er
lichten Beschluss,
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ANHANG.
Actenstcke.
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92
I.
Die Anordnung des Papstes vom 25. Februar nnd die Ausfhrung am
26. Februar 1616. (Nach dem Manuscript der Vatican-Bibliothek, Henri
de l'Epinois S. 35.)
opinionem;
et
si
recusaverit parere,
Pater commissarius
preceptum, ut omnino
abstineat hujusmodi doctrinam et opinionem docere aut defendere seu de ea tractare ; si vero non acquieverit, carceretur.
Die Veneria 26 eiusdem. In palatio solitae habitatio-
coram notario
nis
D.
III.
et testibus faciat
illi
pradicti Illustrissimi,
dicto Galileo, ipsoque
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93
IL
Die Anordnung des Papstes vom 25. Februar und die Ausfhrung am
Februar 1616. (Nach dem Auszug aus demselben Manuscript bei
Marino Marini, Galileo e Tlnquisizione. Roma 1850.)
26.
pg. 93
commise
al
sia
centro del
la terra si
non dovesse
venire
mondo ed immobile
in niun
modo
parere promisit.
*)
mundi
[Unter
dem
Text]
cetero quovis
modo
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94
III.
Die Anordnung des Papstes vom 25. Februar und die Ausfhrung am
26. Februar 1616. (Nach dem Wortlaut des Urtheils vom Juni 1633.
Riccioli,
Sed cum
Almagestum novum
placeret
interim
II. 498.)
ram D. N.
si
non acquiesceres, conjicerere in
ad exequutionem eiusdem Decreti, die sequenti in Palatio coram supradicto Eminentiss. D. Cardinali
Bellarmino, postquain ab eodem D. Cardinali benigne admonitu8 fueras; tibi a D. Commissario S. Officii eo tempore
tare:
cui
carcerem:
praecepto
et
fungente, praeceptum
fuit,
defendere,
scriptis,
aut
docere quovis
cumque
promisisses
fuisti.
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IV.
Auszug aus demselben Wortlaut bei Marino Harini,
Desiderandosi
di Galileo,
braio 1616,
fu
per
8.
134
che
il
135.
25
feb-
testimoni alla
presenza
del
Cardinale
suddetto.
Galileo,
licenziato.
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96
V.
Bruchstck aus dem Urtheil der Inquisition
(Riccioli II, 498-499.)
(s.
oben S.
59).
procuratam ut
te
qua testificatione dicitur te non abiurasse, neque punitum fuisse, 8ed tantummodo denuntiatam tibi fuisse declarationem factam a Domino Nostro, et promulgatam a S.
Congregatione Indicis, in qua continetur doctrinam de
motu terrae et stabilitate Solis contrariam esse Sacris Scripturis, ideoque defendi non posse nec teneri.
Quare cum
ibi mentio non fiat duarum particularum praecepti, videlicet docere et quovis modo, credendum est, in decursu
quatuordecim aut sexdecim annorum eas tibi e memoria
excidisse, et ob hanc ipsam causam te tacuisse praeceptum,
quando petiisti facultatem librum typis mandandi, et hoc a
te dici non ad excusandum errorem, sed ut adscriberetur
in
potius, quam malitiae. Sed haec ipsa testiproducta ad tui defensionem tuam causam magis
aggravavit, siquidem in ea dicitur praedictam opinionem
esse contrariam Sacrae Scripturae, et tarnen ausus es de
vanae ambitioni
ficatio
ilJa
tractare,
eam
defendere, et persuadere
tanquam proba-
cum non
iin-
positum.
Druck von H.
S.
Hermann
in Berlin.
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Stanford, California
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Wurtz
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Chemie
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der modernen Chemie
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deutsche Ausgabe
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Sitzung
Wissenschaften zu Berlin, gehalten in der Leibnitz
am 7. Juli l*f>9. 8. geh. Preis 10 Sgr.
mann
Freiesleberi.
_
Schriften erschienen:
In unserm Verlage sind folgende kleinere
Humboldt.
J*
_
_
b Sgr.
ceh.
die Harmonie
Frster (Dr. W.), Johann Kcppler und
Sgr
geh
8
der Sphren. Vortrag. Velinpapier,
auf Thomas Gi ahn m.
fi ofmann (A. W.), Denkrede
und Facsimde. 1870.
Mit dem photogr. Bildnis Grahams
Sgr.
10
8.
gr.
Velinpapier,
er
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(Harrwitz
Berlin.
Druck von H.
S. II
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In Berlin.
&
Gossmann).