Heilmittelversorgung PKV GKV Vergleich 01
Heilmittelversorgung PKV GKV Vergleich 01
Heilmittelversorgung PKV GKV Vergleich 01
Dezember 2014
Inhalt
1.
Einleitung ........................................................................................................................... 5
2.
berblick ..................................................................................................................... 6
2.2
2.2.1
PKV ...................................................................................................................... 7
2.2.2
GKV ..................................................................................................................... 8
2.3
3.
2.3.1
PKV ...................................................................................................................... 8
2.3.2
GKV ..................................................................................................................... 9
Datengrundlagen ........................................................................................................ 15
3.2
Berechnung ................................................................................................................ 16
4.
Fazit .................................................................................................................................. 22
5.
Literatur ............................................................................................................................ 23
1.
Einleitung
Die Private Krankenversicherung (PKV) unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Dies zeigt sich nicht nur in der Finanzierungform,
sondern auch bei den Leistungen. Insbesondere in der Heilmittelversorgung machen sich die
unterschiedlichen Rahmenbedingungen deutlich bemerkbar.
Heilmittel sind im Sozialrecht als rztlich verordnete Dienstleistungen definiert, die einem
Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern und nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht werden drfen ( 30 SGB VII). Allen Heilmitteln ist gemeinsam, dass sie auf
den Krper zum Zweck der Heilung, Besserung oder Linderung berwiegend uerlich einwirken. 1 Zu den Heilmitteln gehren insbesondere Manahmen der Physiotherapie, Logopdie, Ergotherapie und Podologie. Die Physiotherapie dient vor allem der Behandlung chronischer Schmerzen und Bewegungseinschrnkungen. Logopdie erhalten z.B. viele Patienten
nach einem Schlaganfall, um ihre Sprechfunktionen wiederzuerlangen. Handfunktionen und
Handlungsmuster fr den Gebrauch im Alltag werden in der Ergotherapie trainiert. Die
Podologie umfasst in erster Linie medizinisch indizierte Fubehandlungen bei Diabetikern. 2
In der PKV entfallen 8,6 % der ambulanten Leistungsausgaben auf Heilmittel. Andere Bereiche, wie z.B. die rztliche Behandlung, haben zwar einen deutlich hheren Anteil an den
Leistungsausgaben, aber die Heilmittelausgaben der PKV steigen stetig an und zeigen in den
letzten 10 Jahren insgesamt ein dynamischeres Wachstum als die Gesamtausgaben. 3 Detaillierte Analysen zur Heilmittelversorgung der Privatversicherten liegen bis dato ebenso wenig
vor, wie eine vergleichende Darstellung der Unterschiede zwischen PKV und GKV in diesem
Leistungsbereich. Dies erscheint jedoch lohnenswert, da hier die Systemunterschiede zwischen PKV und GKV besonders deutlich werden.
Die vorliegende Studie gibt zunchst einen umfassenden berblick der Rahmenbedingungen
der Heilmittelversorgung in PKV und GKV im Vergleich. Anschlieend erfolgt eine Berechnung des Mehrumsatzes der Privatversicherten in diesem Leistungssegment, um die Summe
aufzuzeigen, die PKV-Versicherte - im Vergleich zu GKV-Versicherten - mehr fr die Heilmittelversorgung aufwenden.
2.
Bevor die Heilmittelausgaben in PKV und GKV quantifiziert und verglichen werden, ist ein
Blick auf die jeweiligen Rahmenbedingungen unabdingbar. Denn gerade in der Heilmittelversorgung kommen die Systemunterschiede zwischen PKV und GKV besonders deutlich zum
Tragen.
2.1
berblick
In der Heilmittelversorgung nimmt die GKV vor allem auf die rztliche Verordnungspraxis
starken Einfluss. Die Wirtschaftlichkeitsprfung bzw. die Heilmittelrichtgren wirken als
wesentliche Stellgre der Mengensteuerung. Hierdurch - verbunden mit der Mglichkeit
eines Regresses - wird das Verordnungsverhalten der Vertragsrzte mageblich bestimmt und
die Heilmittelversorgung der GKV-Patienten begrenzt. Die privatrztliche Behandlung und
Verordnungspraxis unterliegen dagegen nicht der Wirtschaftlichkeitsprfung.
In der GKV haben rzte bei der Verordnung von Heilmitteln zudem Leistungsausschlsse
und -einschrnkungen zu beachten. Neben der im SGB V festgeschriebenen Negativliste mssen die Heilmittel-Richtlinien des G-BA bercksichtigt werden, die abschlieend und einheitlich fr alle Versicherten regeln, welche Leistungen hinsichtlich Art und Verordnungsanzahl
bernommen werden. Hier werden den rzten auch die Indikationen vorgegeben, bei denen
sie ein entsprechendes Heilmittel verordnen drfen. In der GKV erfolgt damit eine Heilmittelversorgung nach Regelfall, wobei ein bezglich Erkrankung und Krankheitsverlauf typischer Patient als Mastab fr alle Patienten gilt. In der PKV sind rzte nicht in ihrer Therapiefreiheit beschrnkt und knnen PKV-Versicherten die optimale Heilmittelversorgung verordnen, die dem Patienten je nach individuellem Krankheitsverlauf am besten entspricht. Die
Erstattung von Heilmitteln richtet sich nach dem jeweils gewhlten Tarif.
In Bezug auf die Vergtung von Heilmitteln gibt es in der PKV - im Gegensatz zur GKV keine vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Kostentrgern und den Leistungserbringern
und auch keine amtliche Gebhrenordnung. Bei Privatpatienten verhandeln Therapeuten die
Preise ihrer Leistungen frei mit dem Patienten, wohingegen der Therapeut bei GKV-Patienten
die Vergtung erhlt, die zwischen Krankenkassen- und Berufsverbnden verhandelt wurde.
GKV
PKV
Richtgren
ja
nein
Wirtschaftlichkeitsprfung/Regress
ja
nein
tarifabhngig
Leistungsausschlsse
Leistungseinschrnkungen
Vergtung
Selbstbeteiligungen
tarifabhngig
Frei mit dem Patienten
verhandelbar
tarifabhngig
Leistungsausschlsse und -einschrnkungen, Richtgren sowie die Mglichkeit eines Regresses fhren in der GKV zur Rationierung der Heilmittelversorgung und drcken damit die
Ausgaben. In den vergangenen 40 Jahren kam es immer wieder zu gesetzlichen Eingriffen,
die in der GKV zu offener Rationierung (Zuzahlungen, Leistungskrzungen) und verdeckter
Rationierung (Budgetierung) im Heilmittelbereich fhrten.
Folgend werden Leistungsvergtung, -abrechnung, -anspruch und -erbringung im Heilmittelbereich in PKV und GKV detailliert gegenbergestellt. Die unterschiedlichen Rahmenbedingungen der beiden Versicherungssysteme wirken sich mageblich auf die Heilmittelversorgung der jeweiligen Versichertengruppen aus.
2.2
2.2.1 PKV
Der privat krankenversicherte Patient steht in einem direkten Vertragsverhltnis mit seinem
Arzt bzw. Behandler und schuldet diesem im Regelfall unmittelbar die vertraglich vereinbarte
Vergtung ( 630a Abs. 1 BGB). Durch das Kostenerstattungsprinzip erhlt der Privatversicherte seine Heilmittelrechnung direkt vom Arzt/Behandler und kann diese dann bei seinem
Versicherungsunternehmen zur Erstattung einreichen. Die Hhe der Erstattung richtet sich
nach dem gewhlten Tarif.
In der PKV gibt es keine vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Kostentrgern und den
Leistungserbringern. Fr Heilmittel existiert auch keine amtliche Gebhrenordnung, wie z. B.
fr rztliche oder zahnrztliche Leistungen. Bei nicht gesetzlich krankenversicherten Patienten knnen Therapeuten die Preise ihrer Leistungen innerhalb der rechtlichen Grenzen von
Sittenwidrigkeit und Wucher ( 138 BGB) frei mit dem Patienten verhandeln.
7
2.2.2 GKV
Bei GKV-Versicherten entfllt die Vergtungspflicht des 630a Abs. 1 BGB, wenn die Behandlung in die GKV-Leistungspflicht fllt und der Patient keine Kostenerstattung nach 13
SGB V gewhlt hat. Das Recht der GKV berlagert hier das Privatrecht, mit der Folge, dass
sich der gegenseitige Behandlungsvertrag zwischen Therapeut und Patient in ein partiell einseitiges Vertragsverhltnis umwandelt. Der Arzt/Behandler schuldet weiterhin die Leistung
der versprochenen Behandlung, aber fr den GKV-Patienten entsteht keine Vergtungspflicht
fr solche Behandlungen, die von der GKV im Rahmen des Sachleistungsprinzips bernommen werden.
In der GKV werden ber die Preise und die Abrechnung von Heilmitteln von den Landesverbnden der Krankenkassen und den Ersatzkassen Vertrge bzw. Vergtungsvereinbarungen
mit den Berufsverbnden der Leistungserbringer geschlossen. Sie richten sich nach den Rahmenempfehlungen zur Heilmittelversorgung und sind Voraussetzung fr die Versorgung der
GKV-Versicherten mit Heilmitteln und fr die Abrechnung der erbrachten Leistungen mit den
Mitgliedskassen. Die Primrkassen und der Verband der Ersatzkassen (vdek) - als Interessenvertretung aller Ersatzkassen - fhren jeweils eigene Vertragsverhandlungen mit den Berufsverbnden, die sich in teilweise unterschiedlichen Preisen fr die einzelnen Heilmittelleistungen niederschlagen. 4 Die ausgehandelten Vergtungen gelten dann jeweils fr alle Versicherten der entsprechenden Kassenart. In Bezug auf die Abrechnung sind die Leistungserbringer
von Heilmitteln laut 302 Abs. 1 SGB V verpflichtet, den Krankenkassen ihre Abrechnungen
im Wege elektronischer Datenbertragung oder maschinell verwertbar auf Datentrgern zu
bermitteln. 5
2.3
2.3.1 PKV
In der PKV ergibt sich der Anspruch auf die Erstattung von Heilmittelleistungen aus dem
individuell gewhlten Tarif und den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB). Oftmals
enthalten Tarife einen abschlieenden Heilmittelkatalog mit entsprechenden Ausfhrungen zu
den erstattungsfhigen Hchstbetrgen. Hat sich der Versicherte fr einen tariflich vereinbarten Selbstbehalt entschieden, kann der Erstattungsanspruch entsprechend gemindert sein. Das
heit, der PKV-Versicherte kann hinsichtlich Art und Umfang der Heilmittelversorgung einen
Tarif auswhlen, der seinen individuellen Bedrfnissen am besten entspricht.
Die Unterscheidung in Primrkassen (AOK, IKK, BKK, LKK, Knappschaft) und Ersatzkassen (Barmer GEK,
Techniker Krankenkasse (TK), DAK-Gesundheit, HEK Hanseatische Krankenkasse, hkk und Kaufmnnische Krankenkasse KKH) ist heute zwar nicht mehr leistungsrechtlich, aber in Bezug auf die Vertrags- und
Vergtungsvereinbarungen im Heilmittelbereich von Bedeutung.
Nhere Informationen zum elektronischen Datenaustausch finden sich auf den Internetseiten des GKVSpitzenverbandes unter http://www.gkv-datenaustausch.de
Musterbedingungen 2009 des PKV-Verbandes fr die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung - MB/KK 2009, Stand: Juli 2013.
7
Dabei handelt es sich um Inhalationen, Krankengymnastik und bungsbehandlungen, Massagen, Hydrotherapie und Packungen, Wrmebehandlung, Elektrotherapie und Lichttherapie.
8
Vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz, 84 SGB V, Rn. 18.
reich ( 32 Abs. 2 SGB V) eine Manahme, die das Inanspruchnahme-Verhalten der Versicherten beeinflussen soll. Die genannten Aspekte werden im Folgenden nher beschrieben.
Versorgungsausschluss und -beschrnkung
Versicherte haben nach 32 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln, soweit sie
nicht nach 34 SGB V ausgeschlossen sind. Allerdings kann der Arzt nicht frei ber die
Heilmittelversorgung des Patienten entscheiden, da Anspruch und Verordnung von Heilmitteln in der GKV stark reglementiert werden. Die wesentliche Grundlage ist hier die Heilmittel-Richtlinie des G-BA. 9 Die Richtlinie ist Bestandteil der Bundesmantelvertrge ( 92 Abs.
8 SGB V). Sie ist fr die Versicherten, die Krankenkassen sowie fr die an der ambulanten
vertragsrztlichen Versorgung teilnehmenden rzte und fr Leistungserbringer verbindlich
( 91 Abs. 6 SGB V).
Die Heilmittel-Richtlinie definiert Heilmittel als medizinische Dienstleistungen, die von speziell ausgebildeten Therapeuten persnlich erbracht werden. GKV-Versicherte haben demnach Anspruch auf Manahmen der
Physikalischen Therapie, 10
Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses ber die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsrztlichen
Versorgung (Heilmittel-Richtlinie/HeilM-RL) nach 92 Abs. 1 Nr. 6 SGB V.
10
Laut 18ff. HeilM-RL gehren zu den Manahmen der Physikalischen Therapie die folgenden Heilmittel:
Massagetherapie, Bewegungstherapie (z.B. Krankengymnastik), Traktionsbehandlung, Elektrotherapie, Kohlensure- und Kohlensuregasbder, Inhalationstherapie und Thermotherapie (Wrme-/Kltetherapie).
11
Die erste Heilmittel-Richtlinie stammt aus dem Jahr 1992 und wurde seitdem mehrfach gendert. Krzungen
gingen v.a. mit der Neufassung im Jahr 2004 einher. Beispielsweise wurden die maximalen Verordnungsmengen bei Rckenkrankheiten wie Skoliose von 14 auf nur noch 6 Behandlungseinheiten pro Rezept gekrzt. Die
Zwangspause bis zum nchsten Regelfall wurde von 6 auf 12 Wochen verlngert.
10
Wochen ein Rckfall ein, kann eine Verordnung auerhalb des Regelfalls erfolgen, die jedoch rztlich begrndet und von der Krankenkasse genehmigt werden muss. 12
Die in der GKV nicht verordnungsfhigen bzw. ausgeschlossenen Heilmittel sind in der Anlage der Heilmittel-Richtlinien aufgefhrt. Damit existiert im Heilmittelbereich eine Negativliste, die z.B. Hippotherapie oder Musik- und Tanztherapie ausschliet.
Nach 11 Abs. 6 SGB V knnen die Krankenkassen in ihren Satzungen zustzliche vom GBA nicht ausgeschlossene Heilmittel sowie Leistungen von nicht zugelassenen Leistungserbringern vorsehen (z.B. osteopathische Behandlung durch Heilpraktiker).
Neben den Heilmittel-Richtlinien mssen auch die Gemeinsamen Rahmenempfehlungen gem 125 Abs. 1 SGB V beachtet werden. Diese regeln die Details fr eine einheitliche Versorgung innerhalb des in den Richtlinien beschriebenen Leistungsrahmens. 13 In den Rahmenempfehlungen sind neben allgemeinen Grundstzen zudem festgelegt
Inhalt der einzelnen Heilmittel einschlielich Umfang und Hufigkeit ihrer Anwendungen im Regelfall sowie deren Regelbehandlungszeit,
Manahmen zur Fortbildung und Qualittssicherung,
Zusammenarbeit des Heilmittelerbringers mit dem verordnenden Vertragsarzt,
Manahmen der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung und deren Prfung sowie
Vorgaben fr Vergtungsstrukturen.
12
11
Die 1993 mit dem Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) erstmals eingefhrte sektorale Budgetierung in der GKV,
die auch fr Heilmittel galt, wurde durch das Arzneimittelbudget-Ablsungsgesetz (ABAG) im Jahr 2001 beendet. Ab 2002 wurden die starren Budgets durch Zielvereinbarungen zwischen den jeweiligen Kassenrztliche Vereinigungen und Krankenkassen abgelst.
15
BSG-Urteil vom 27.06.2001, B 6 KA 66/00 R.
16
Vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz, 84 SGB V, Rn. 160 u. 161.
17
Vgl. Bahner (2006), S. 1.
12
Die Heilmittelrichtgre stellt den Betrag dar, fr den ein Arzt einem GKV-Versicherten je
Quartal Heilmittel verordnen darf. Somit entspricht die Richtgre einem Budget des Vertragsarztes, das ihm fr die Versorgung seiner Patienten mit Heilmitteln zur Verfgung steht.
Die Heilmittelrichtgre ist ein Durchschnittswert ber alle Patienten der Praxis. Das heit,
teure Verordnungen fr einen Patienten knnen durch preiswertere Verordnungen (oder gar
keine Verordnungen) fr andere Patienten im laufenden Quartal ausgeglichen werden. Fr
jede Facharztgruppe gibt es eine eigene Richtgre. Zudem werden fr Versicherte der Allgemeinen Krankenversicherung (AKV) und fr Versicherte der Krankenversicherung der
Rentner (KVdR) unterschiedliche Betrge festgelegt. Exemplarisch sind folgend die Heilmittelrichtgren des KV-Bezirks Nordrhein fr das Jahr 2013 aufgefhrt.
Tabelle 2: Heilmittelrichtgren des KV-Bezirks Nordrhein fr das Jahr 2013 in Euro
Arztgruppe
Allgemeinversicherte (AKV)
Rentner (KVdR)
Allgemeinmediziner
5,79
17,59
Chirurgen
12,86
18,22
HNO-rzte
4,84
2,70
Internisten (hausrztlich)
5,79
17,59
Internisten (fachrztlich)
2,25
3,84
Kinderrzte
24,38
32,04
Orthopden
24,36
26,47
Wenn eine Verordnung Krankengymnastik mit 6 Einheiten knapp 90 Euro kostet, 18 muss beispielsweise ein Allgemeinmediziner im KV-Bezirk Nordrhein mindestens 16 Patienten behandeln, um einem Patienten Krankengymnastik verordnen zu knnen (5,79 Euro x 16 Patienten = 92,64 Euro).
Wird das Richtgrenvolumen um mindestens 15 % berschritten, kann gem 106 Abs. 5a
SGB V ein Prfverfahren eingeleitet werden. Ab einer berschreitung von mindestens 25 %
kann ein Regress, d.h. eine Strafzahlung, festgesetzt werden, wenn die berschreitung nicht
durch Praxisbesonderheiten oder kompensatorische Einsparungen zu rechtfertigen ist. 19 Laut
Rechtsprechung des BSG gilt in der Richtgrenprfung der Anscheinsbeweis, dass bei berschreitungen von 15 % bzw. 25 % regelmig von einer unwirtschaftlichen Verordnungsweise auszugehen ist. 20 In diesem Fall haftet der Arzt mit seinem Privatvermgen.
18
13
Jahr/Reform
Heilmittel-Zuzahlungen
1977 (KV-Kostendmpfungsgesetz)
2,- DM
1982 (Kostendmpfungs-Ergnzungsgesetz)
4,- DM
1989 (Gesundheitsreformgesetz)
10 % der Kosten
1997 (GKV-Neuordnungsgesetz)
15 % der Kosten
2004 (GKV-Modernisierungsgesetz)
21
22
14
3.
Im folgenden Kapitel wird der Mehrumsatz der PKV im Heilmittelbereich quantifiziert. Dabei
handelt es sich um die Summe, die Privatversicherte mehr fr ihre Heilmittelversorgung zahlen im Vergleich zu der Situation, wenn sie gesetzlich krankenversichert wren. 23
3.1
Datengrundlagen
Fr die Berechnung der Heilmittelausgaben der Privatversicherten dient die Kopfschadenstatik des PKV-Verbandes als Grundlage. Kopfschden sind die im Beobachtungszeitraum auf
einen Versicherten entfallenden durchschnittlichen Versicherungsleistungen, die fr jeden
Tarif in Abhngigkeit vom Geschlecht und Alter des Versicherten zu ermitteln sind. Der Beobachtungszeitraum erstreckt sich auf zusammenhngende zwlf Monate ( 6 Verordnung ber
die versicherungsmathematischen Methoden zur Prmienkalkulation und zur Berechnung der
Alterungsrckstellung in der Privaten Krankenversicherung (KalV)). Fr die Studie werden
die Rechnungsbetrge herangezogen, in denen die Beihilfeanteile und die Selbstbehalte enthalten sind.
Um die Frage zu beantworten, wie viel die gesetzlichen Krankenkassen insgesamt fr die
Heilmittelversorgung ihrer Versicheren ausgegeben haben, wird die amtliche Statistik KJ1 des
Bundesgesundheitsministeriums (BMG) des Jahres 2013 herangezogen. Hierbei handelt es
sich um die endgltigen Rechnungsergebnisse der GKV mit den wichtigsten Einnahmen und
Ausgaben. 24 Fr die Studie wird die Summe der Heilmittelausgaben inklusive der Zuzahlungen der Versicherten verwendet.
Somit sind PKV- und GKV-Werte miteinander vergleichbar, da ihnen jeweils der BruttoRechnungsbetrag zugrunde liegt und sowohl die Zuzahlungen der GKV-Versicherten als auch
die Selbstbehalte der PKV-Versicherten enthalten sind.
Folgende Datenlimitationen sind zu beachten:
In den PKV-Daten sind nur diejenigen Versicherten bercksichtigt, die ihre Heilmittelrechnung tatschlich bei ihrem Versicherungsunternehmen zur Erstattung eingereicht haben. Ob
eine Heilmittelrechnung eingereicht wird, ist abhngig von den individuell tariflich vereinbarten Regelungen zu Selbstbehalten oder Beitragsrckerstattungen. Bei Beihilfeberechtigen
wird das Einreichungsverhalten auch von den jeweiligen Regelungen der Beihilfe bestimmt.
23
Das Wissenschaftliche Institut der PKV (WIP) ermittelt den Mehrumsatz der PKV in regelmigen Abstnden. In den bisherigen Studien wurden neben einem Gesamtvergleich zwar auch sektorspezifische Analysen
vorgenommen, allerdings existiert fr Heilmittel bisher keine gesonderte Analyse (vgl. Niehaus/Weber (2005);
Niehaus (verschiedene Jahrgnge)).
24
Vgl. BMG (2014).
15
In den GKV-Zahlen sind die aus eigener Tasche gezahlten Heilmittel ebenfalls nicht enthalten.
Heilmittelleistungen, die im Rahmen der medizinischen Rehabilitation erbracht werden, werden in GKV und PKV bei der Abrechnung teilweise unterschiedlich behandelt. Es ist mglich, dass dieselbe Heilmittelrechnung in der GKV dem Bereich der medizinischen Rehabilitation zugeordnet wird und in der PKV dem Heilmittelbereich. Ein Beispiel ist die erweiterte
ambulante Physiotherapie (EAP), die in der GKV kein Heilmittel nach 32 SGB V darstellt,
sondern eine Manahme der medizinischen Rehabilitation im Sinne des 40 Abs. 1 SGB V.
In der PKV wird sie teilweise dem Heilmittelbereich zugeordnet. Diese Unterschiede bei der
Leistungszuordnung knnen zu einer leichten berschtzung der Heilmittelausgaben und
-verordnungen in der PKV im Vergleich zur GKV fhren.
3.2
Berechnung
Die von den PKV-Versicherten geleisteten Heilmittelausgaben werden aus den Daten der
Kopfschadenstatistik des PKV-Verbandes berechnet. 25 Die folgende Abbildung zeigt die
PKV-Kopfschadenprofile fr Heilmittel im ambulanten Bereich im Jahr 2013 getrennt nach
mnnlichen und weiblichen Versicherten. Den Kopfschden liegt der Rechnungsbetrag zugrunde, d.h. Beihilfeanteile und Selbstbehalte sind enthalten.
25
Im Unterschied zu den im PKV-Zahlenbericht verffentlichten Werten sind hier die Selbstbehalte der Privatversicherten und die von der Beihilfe bernommenen Kosten enthalten.
16
Frauen
Mnner
600
Euro
500
400
300
200
100
0
Alter
Quelle: Kopfschadenstatistik der PKV 2013; eigene Berechnungen.
Deutlich erkennbar ist die Abhngigkeit der Heilmittelausgaben vom Alter und Geschlecht
der Versicherten. Sowohl bei Mnnern als auch bei Frauen steigen die Heilmittelausgaben mit
zunehmendem Alter. Bei Mnnern ist ab dem 40. Lebensjahr ein deutlicher Anstieg beobachtbar, bei Frauen bereits etwas frher. Auffllig ist, dass sich der Ausgabenverlauf im
Kindesalter stark vom Verlauf ab dem jungen Erwachsenenalter unterscheidet: Bis zum 13.
Lebensjahr sind die Ausgaben fr mnnliche Versicherte immer hher als bei weiblichen Versicherten. Ab dem 14. Lebensjahr bis zum Lebensende ist es dann andersherum. Im 6. Lebensjahr zeigt sich bei Jungen als auch bei Mdchen eine Ausgabenspitze. Dies kann damit
erklrt werden, dass Kindern in diesem Alter relativ oft Logopdie verordnet wird, um kindliche Sprachentwicklungsstrungen zu behandeln. Auch Ergotherapie wird hufig Kindern verschrieben. Dies erfolgt beispielsweise, wenn eine sensomotorisch-perzeptive Strung (wie
ADHS) vorliegt. 26
26
Der aktuelle Heilmittelbericht des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) enthlt u.a. die Anzahl der
Verordnungen im Kindesalter. Demnach wird der Verordnungsgipfel im Bereich Logopdie bei den sechsjhrigen Kindern erreicht. Bei der Ergotherapie liegt er zwischen fnf und neun Jahren (vgl. Waltersbacher
(2014), S. 27ff.).
17
Durch Anwendung der Kopfschden je Alter auf den Versichertenbestand der PKV knnen
die gesamten Heilmittelausgaben der Privatversicherten berechnet werden (inklusive erfasster
Selbstbehalte und den von der Beihilfe bernommenen Kosten). Die Summe beluft sich auf
insgesamt rund 1.554 Mio. Euro im Jahr 2013.
Die GKV-Versicherten wendeten laut amtlicher Statistik des BMG im selben Jahr 5,56 Mrd.
Euro fr Heilmittel auf (inklusive gesetzlicher Zuzahlungen). 27
Ein Vergleich der Pro-Kopf-Heilmittelausgaben je Altersgruppe in PKV und GKV zeigt, dass
die Ausgaben pro Versicherten in der PKV in allen Altersgruppen deutlich ber den GKVWerten liegen. Mit zunehmendem Alter wird die Differenz zwischen PKV und GKV immer
grer (Abbildung 2). Die Pro-Kopf-Ausgaben der PKV-Versicherten je Altersgruppe wurden
aus der Kopfschadenstatistik berechnet. Die entsprechenden GKV-Werte knnen dem GKVHIS Bundesbericht 2013 entnommen werden. 28
Abbildung 2: Heilmittelausgaben pro PKV- und GKV-Versicherten in Euro im Jahr 2013
700
600
GKV-Versicherte
PKV-Versicherte
Euro
500
400
300
200
100
0
Altersgruppen
Quelle: Kopfschadenstatistik der PKV 2013; GKV-Spitzenverband (2014); eigene Berechnungen.
27
28
18
29
19
Mehrumsatz:
936 Mio.
618 Mio.
Zur Einordnung der Hhe des Mehrumsatzes wird folgend berechnet, wie sich die gesamte
Summe auf die Heilmittelerbringer verteilt.
Zur Anzahl der Heilmittelpraxen in Deutschland gibt es keine offiziellen Angaben. Die jeweiligen Berufsverbnde knnen nur ber die Zahl ihrer Mitglieder Auskunft geben. Allerdings
sind nicht alle Therapeuten in Berufsverbnden organisiert. In der Gesundheitspersonalrechnung des Statistischen Bundesamtes ist nur die Zahl der Physiotherapeuten, Masseure und
medizinischen Bademeister ausgewiesen. Dort sind auch diejenigen Therapeuten erfasst, die
in Krankenhusern, Vorsorge- und Reha-Einrichtungen oder Pflegeheimen angestellt sind.
Fr die vorliegende Analyse ist jedoch nur der ambulante Bereich von Bedeutung. Zu Logopden, Ergotherapeuten und Podologen gibt es in der Gesundheitspersonalrechnung gar keine
differenzierten Daten. 32 In Einzelpublikationen der gesetzlichen Krankenkassen wird schlielich auf die Zahl der mit der jeweiligen Kasse abrechnenden Leistungserbringer abgestellt, die
auf der Zhlung der Institutionskennzeichens (IK) basiert. 33 Das IK ist ein eindeutiges Merkmal zur Abrechnung mit den Trgern der Sozialversicherung. Alle Vertragspartner, die fr die
Sozialversicherungstrger Leistungen erbringen, erhalten ein IK fr die maschinelle Erledigung des Abrechnungsverfahrens und den Zahlungsverkehr. 34
32
20
Um zu ermitteln, wie viele Heilmittelerbringer in Deutschland ttig sind, ist das IK die beste
verfgbare Gre. 35 Die Anzahl der Heilmittel-IK wird vom Wissenschaftlichen Institut der
AOK (WIdO) als auch von der BARMER GEK verffentlicht. 36 Da sich die beiden Werte
unterscheiden, wurde fr die vorliegende Studie die hhere Anzahl zugrunde gelegt, um den
Mehrumsatz nicht zu berschtzen. Tabelle 4 zeigt die Anzahl der Heilmittelerbringer nach
Bereichen im Jahr 2013.
Tabelle 4: Anzahl der Heilmittelerbringer nach Bereichen im Jahr 2013
Heilmittelerbringer
Anzahl
Physiotherapeuten
45.190
Logopden
10.317
Ergotherapeuten
9.597
Podologen
5.256
Gesamt
70.360
Bei Verteilung des Mehrumsatzes in Hhe von 936 Mio. Euro auf 70.360 Heilmittelerbringer
entfallen rein rechnerisch auf jede Praxis rund 13.300 Euro Mehrumsatz pro Jahr. 37
35
In der PKV spielt das IK grundstzlich keine Rolle, da Leistungserbringer es fr die Abrechnung einer rein
privat erbrachten Leistung nicht bentigen. Somit kann die Anzahl der Heilmittelerbringer, die Privatpatienten
behandeln, etwas hher sein als ein ber das IK ermittelter Wert.
36
Vgl. Waltersbacher (2014), S. 17; Sauer/Rothgang/Glaeske (2014), S. 50.
37
Laut WIdO haben im Jahr 2013 62.912 in Praxen ttige Heilmittelerbringer mit der AOK abgerechnet
(Waltersbacher (2014), S. 18).
21
4.
Fazit
In der Heilmittelversorgung kommen die Systemunterschiede zwischen PKV und GKV besonders deutlich zum Tragen. Die Studie zeigt, dass die Heilmittelversorgung in der GKV
wesentlich strker eingeschrnkt und reglementiert wird als in der PKV. Vor allem Leistungsausschlsse, -einschrnkungen, Richtgren und die Mglichkeit eines Regresses fhren in
der GKV zur Rationierung der Heilmittelversorgung und drcken damit die Ausgaben. Mehr
als in anderen Leistungsbereichen wirkt die GKV hier massiv auf das Verordnungsverhalten
des Arztes ein. Im Vergleich zu GKV-Versicherten erhalten Privatpatienten eine umfangreichere und individuellere Versorgung, die sich in entsprechend hheren Heilmittelausgaben
niederschlgt.
Im Jahr 2013 haben die Privatversicherten insgesamt 1.554 Mio. Euro fr Heilmittel ausgegeben. Wren die PKV-Versicherten gesetzlich krankenversichert gewesen, htte die GKV nur
rund 618 Mio. Euro fr sie aufgewendet. Die Differenz zwischen den tatschlichen Ausgaben
und den hypothetischen Heilmittelausgaben der PKV-Versicherten in der GKV kann als
Mehrumsatz der PKV im Heilmittelbereich bezeichnet werden. Er belief sich auf 936 Mio.
Euro. Rein rechnerisch profitiert damit jede Heilmittelpraxis im Umfang von durchschnittlich
13.300 Euro jhrlich von der PKV.
22
5.
Literatur
23
24
Gesetzliche Arzneimittelrabatte und ihre Auswirkungen auf die Arzneimittelausgaben, WIPDiskussionspapier 4/2011, Dr. Frank Wild
Impfung gegen humane Papillomvieren (HPV) Eine Analyse der Verordnungsdaten Privatversicherter, WIP-Diskussionspapier 3/2011, Dr. Frank Wild
Arzneimittelversorgung der Privatversicherten 2009 Zahlen, Analysen, PKV-GKVVergleich, Dr. Frank Wild, ISBN 978-3-9813569-2-2
Ein Vergleich der zahnrztlichen Vergtung nach GOZ und BEMA, WIP-Diskussionspapier
2/2011, Dr. Frank Niehaus, Dr. Torsten Keler, Verena Finkenstdt
Die Bedeutung der GOZ fr das Einkommen der Zahnrzte, WIP-Diskussionspapier 1/2011,
Dr. Frank Schulze Ehring (Gastautor)
Das Spannungsverhltnis zwischen quivalenz- und Einkommensumverteilung in der GKV
Eine Analyse der historischen Entstehungszusammenhnge, Verena Finkenstdt, ISBN 9783-9813569-0-8
Arzneimittelversorgung der Privatversicherten 2008 Zahlen, Analysen, PKV-GKVVergleich, Dr. Frank Wild, ISBN 978-3-9810070-9-1
Ausgaben fr Laborleistungen im ambulanten Sektor Vergleich zwischen GKV und PKV
2007/2008, WIP-Diskussionspapier 4/2010, Dr. Torsten Keler
Beitrags- und Leistungsdifferenzierung in der GKV? WIP-Diskussionspapier 3/2010,
Dr. Frank Schulze Ehring, Dr. Anne-Dorothee Kster
Die Pflegefinanzierung und die Pflegeausgaben im internationalen Vergleich, WIPDiskussionspapier 2/2010, Dr. Frank Wild
Zuknftige Entwicklung in der sozialen Pflegeversicherung, WIP-Diskussionspapier 1/2010,
Dr. Frank Niehaus
Neben den aufgefhrten Studien stehen auch die frheren Verffentlichungen des WIP als
Volltextversionen auf der institutseigenen Webseite unter www.wip-pkv.de zum Download zur
Verfgung. Die Studien mit ISBN knnen darber hinaus auch unentgeltlich in gedruckter
Form ber das WIP bezogen werden.
26