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Ludwig Feuerbach

Verffentlichungen zum 200. Geburtstag am 28. Juli 2004 in Presse, Rundfunk und Internet
gesammelt und gesetzt von Helmut Walther, Nrnberg

Inhalt
Franz-Josef Paulus
Ludwig Feuerbach Ein Religionskritiker wird 200 ................................ 5 ddp bei Yahoo Weg mit den Hirngespinsten! - Ludwig Feuerbach hlt den Menschen fr den Urheber aller Religion ................................................................14 Rolf Spinnler Stuttgarter Zeitung vom 26.07. Die Theologie als moderne Anthropologie ............................................. 15 Peter Reindl Sonntagsblatt, Ev. Wochenzeitschrift fr Bayern v. 26.07. Gott aus dem Himmel gejagt ................................................................. 18 DIE WELT v. 28.07. Das Wahre ist heilig .............................................................................. 20 Gerd Lange SDDEUTSCHE ZEITUNG vom 28.07. Kronzeuge freier Religiositt ................................................................. 21 Elisabeth Hfl-Hielscher SDDEUTSCHE ZEITUNG vom 28.07. Verbotene Gedanken ............................................................................ 23 Jens Balzer Berliner Zeitung Online vom 28.07. Wird alles gut, wenn wir uns nur lieben? ................................................ 25 Uwe Justus Wenzel Neue Zrcher Zeitung vom 28.07. Der Mensch sei des Menschen Gott ...................................................... 28 Harry Pross St. Galler Tagblatt vom 28.07 Denker der Zukunft ............................................................................... 30 Ludger Ltkehaus DIE ZEIT vom 29.07. Nur Mcke im Bernstein ........................................................................ 33 Nrnberger Nachrichten Diverse Meldungen und Artikel ............................................................. 35 Sonderstempel in Landshut ................................................................... 43 Ehrung des Grabes durch die Stadt Nrnberg ....................................... 44 Information Philosophie Nr. 4 Oktober 2004 .......................................... 45 Astrid Nettling Deutschlandfunk Kln vom 03.11.2004 Gott ist ein Wort, dessen Sinn nur der Mensch ist ............................... 48

Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

Weise ist der allein, der Alles schon findet im Leben; Aber dafr auch im Tod weiter nichts findet als ihn.

Ludwig Feuerbach Ein Religionskritiker wird 200


Von Franz-Josef Paulus
Jedes Jahr hat seine Jubilen und Gedenktage. 2004 ist ein Schalt- und damit auch Olympia-Jahr, diesmal in Griechenland, dem Ursprungsland der antiken Spiele. Auer den zahlreichen historischen Gedenktagen, von der zehnjhrigen berwindung der Apartheid in Sdafrika bis zum 50. Jahrestag des Fuball-Wunders von Bern, Lessings 275. und Dalis 100. Geburtstag gibt es auch zwei Jubilen prominenter deutscher Philosophen. Dem 200. Todestag des kritischen Aufklrers Immanuel Kant, der am 12. Februar 1804 in Knigsberg starb, wo er am 22. April 1724 auch geboren wurde, widmete Deutschlands grtes Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL bereits zu Jahresbeginn seine Titelgeschichte. Seiner Revolutionierung des Denkens wurde in zahlreichen Festvortrgen, Diskussionsabenden und Beitrgen in Presse, Funk und Fernsehen gedacht. Die zwlfbndige Werkausgabe, bei Suhrkamp von Wilhelm Weischedel herausgegeben, ist in vielen Buchhandlungen zu haben und zum Jubilumsjahr sind etwa von Manfred Geier, Uwe Schultz und Eberhard Dring neue Biographien erschienen, die den Klassiker aktuell wrdigen. Bisher noch nicht so recht wahrgenommen ist ein anderer 200. Gedenktag eines in Bayern geborenen Philosophen, dessen Nachdenken um die Religion kreiste: Ludwig Andreas Feuerbach, der am 28. Juli 1804 in Landshut geboren wurde und im Gegensatz zu Kant innerlich gebrochen und vllig verarmt am 13. September 1872 in Rechenberg bei Nrnberg starb. Er wurde also zuflligerweise gerade in dem Jahr geboren, in dem Kant verstarb. Seine gleichfalls bei Suhrkamp 1975 erschienenen Werke in sechs Bnden gibt es wie die des ostdeutschen Akademie-Verlages nur antiquarisch zu kaufen oder in Bibliotheken zu lesen und nicht eine Biographie kann in Buchhandlungen erworben werden, um sein religionskritisches Werk und Leben kennenzulernen. Bereits in seinen Gedanken ber Tod und Unsterblichkeit uert sich Feuerbach als Sechsundzwanzigjhriger zu der Zweck- und Vernunftbestimmung jedes Menschen, die als Trieb, Verlangen, Talent, Neigung erscheine. Die Bestimmung des Individuums ist sein heiliges, unverletzliches Wesen, der Trieb aller Triebe, die Seele seiner Seele, das Prinzip seines Lebens, der schtzende und abwehrende Genius, die innere Notwendigkeit, das vorsehende Schicksal seines Daseins.1 Den Grad des Ruhms macht er darin vom Charakter dieses Beitrages abhngig und fhrt aus: War die Bestimmung des Individuums eine beschrnkte, der Umfang der sie verwirklichenden Handlungen ein enger, so ist auch der Erinnerungskreis ein kleiner und verschwindender Kreis; war dagegen die Bestimmung eine allgemeine, von unendlichem Inhalte und die sie realisierenden Handlungen daher von allgemeinem Inhalt und Umfang, so ist auch die Erinnerung eine allgemeine, eine eigentlich historische.2 Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag 5

Hat Feuerbach damit also den beschrnkten Wert seines Wirkens selbst ausgefhrt? Keineswegs! Zum einen kann man bezweifeln, ob es wirklich so historisch gerecht zugeht, wie er darin behauptete. Zum anderen war sein Werk immerhin so bedenkenswert, dass es noch vor knapp dreiig Jahren vom Herausgeber Erich Thies mit der Begrndung unter die Nachwelt gebracht wurde, die Auseinandersetzung mit ihm habe sich in den letzten Jahren in einem Mae verstrkt, das es notwendig werden lie, die grundlegenden Texte Feuerbachs einem breiteren Publikum zugnglich zu machen.3 . Mit dem nach der Wende aufgelsten sozialistischen deutschen Staat verschwand indess seine Rolle als theoretische Quelle des Marxismus-Leninismus und unsere Gegenwart scheint von anderen Fragen und Sorgen beherrscht als von Religionskritik. So, als sei Gott auch
als Thema tot oder konzentriere sich auf den als politisch gefhrlich betrachteten islamischen Fundamentalismus, whrend der christliche irrelevant geworden sei.

Kant folgert in seiner Kritik der Vernunft, dass die Vorstellungen von Gott, der Seele und alle damit verbundenen Fragen, was immer als ihre Begrndung angegeben werde, auerhalb der Grenzen menschlicher Vernunft lgen und schlichtweg illusionre Schwrmerei seien, bloes Selbstgeschpf ihres Denkens4 . Dem doktrinalen Glauben5 vom Dasein Gottes, der ebenso unbewiesen wie unbeweisbar sei, setzt er als Moral der Zukunft seine vernunftgesttzte Republik nach Tugendgesetzen6 entgegen, die nach dem kategorischen Imperativ alle Brger gleichberechtigt zur Befrderung des hchsten, als eines gemeinschaftlichen Guts, bestimmt.7 Dieses rein diesseitsbezogene moralische Regulativ gebiete, alle Menschen bei dem Verfolgen ihrer Zwecke zu akzeptieren und ihr Streben nach Glckseligkeit zu untersttzen, solange es nicht auf Kosten anderer geschieht, die dadurch zu bloen Mitteln degradiert wrden. Ludwig Feuerbach arbeitete sich dagegen sein Leben lang konkret an den Formen religisen Glaubens ab. Die spirituelle Schwrmerei seiner Kinder- und frhen Jugendzeit motivierte ihn zum Studium der Theologie in Heidelberg, vor allem bei dem Hegelianer Karl Daub und dem rationalistischen Theologen H.E.G. Paulus, dem sein Vater, der Strafrechtler Paul Johann Anselm Feuerbach, seinen aus leidenschaftlicher Liebe der Theologie8 dieses Fach studierenden Sohn anempfohlen hatte. Gerade Paulus als Nichtigkeit eines blinden, engherzigen, begriffslosen Orthodoxismus eingestuften Darlegungen und die durch den herrlichen, geistreichen Daub9 vermittelten Auffassungen G.F.W. Hegels bringen Ludwig Feuerbach 1824 nach nur zwei Semestern dazu, sich der Philosophie zu widmen und Hegels Lehre in Berlin aus erster Hand kennenlernen zu wollen. Allerdings sind ihm dort nur zwei Jahre vergnnt, dann zwingen ihn 1826 wirtschaftliche und organisatorische Grnde, nach Bayern zurckzukehren. Nach dem Tod des bayerischen Knigs Maximilian, der das Ende der Studienstipendien fr Ritter von Feuerbachs Shne bedeutete, aber auch die Notwendigkeit, an einer Landesuniversitt das Studium zu beenden10 immatrikuliert er sich an der Uni Erlangen, um dort 1828 sein Studium mit einer Promotion ber die eine, allgemeine und unendliche Vernunft abzuschlieen. Aus dem aus intellektuellem Eifer sich Milieu und Gesprchspartner Whlenden ist bereits zu dieser Zeit ein wesentlich von wirtschaftlichen Abhngigkeiten Getriebener geworden. 6 Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

Bis 1832 wirkt er zwar noch als Privatdozent in der bayerischen Provinz. Mit der mit bermtigen spttischen Versen versehenen ersten ausfhrlichen Schrift ber Fragen der Religion, seinen 1830 anonym erschienenen Gedanken ber Tod und Unsterblichkeit, die beschlagnahmt und verboten werden und als deren Autor er schnell gilt, hat er sich die akademische Karriere nicht nur in Erlangen verbaut. Der Vater, der wegen seiner Stellungnahmen selbst von der Obrigkeit kritisiert und strafversetzt wurde, sagt ihm vorwurfsvoll voraus: Diese Schrift wird dir nie verziehen, nie bekommst du eine Anstellung.11 Zwar interpretiert Ludwig Feuerbach diesen erzwungenen Ausstieg aus der Dozentenlaufbahn als Befreiung, aber bis zu seinem Tode am 13. September 1872 bleibt er ein erst in Bruckberg im Landkreis Ansbach und ab 1860 in Rechenberg bei Nrnberg zurckgezogen lebender Privatgelehrter, dessen Darlegungen zwar beachtet werden, der aber die Rolle eines monologisierenden Denkers und Schreibers12 spielt, der ngstlich jeden Kontakt mit den politischen Tageskmpfen meidet, obwohl er dazu ber Ruge, Kapp, Herwegh und Marx Gelegenheit htte finden knnen.13 In seinen Nachgelassenen Aphorismen findet sich auch der programmatische Satz: Die Auflsung der Theologie in die Anthropologie auf dem Gebiete des Denkens ist auf dem Gebiete der Praxis, des Lebens, die Auflsung der Monarchie in die Republik.14 Auch angesichts der 1848er Revolution bleibt er selbst jedoch intellektuell und politisch passiv und relativ isoliert. Politisches Engagement ist ihm fremd. Daran ndert auch der mehr symbolische Eintritt in die Sozialdemokratische Arbeiterpartei zwei Jahre vor seinem Tode nichts zu einer Zeit, die ohnehin mehr durch seine chronische Krankheit als durch vorwrtsstrebende Aktivitt geprgt ist. Auch wenn Feuerbach sozusagen formell die Fakultt wechselte, blieb der Gottesglaube doch lebenslang sein zentrales Thema und er gilt neben Nietzsche als der bekannteste atheistische Religionsphilosoph. Gerade durch seine persnliche Einbettung in theologisches Denken und praktische Frmmigkeit fhlt er sich zum Propheten des Atheismus berufen, der das Christentum als Barbarei des Mittelalters15 berwindet. Im Gestus des biblischen Wahrlich, wahrlich, ich sage Euch verkndet er sendungsbewusst: Freundchen! Ich sage dir: Wenn irgendeiner berufen und berechtigt war, ber die Religion ein Urteil zu fllen, so war ich es; denn ich habe die Religion nicht nur aus Bchern studiert, ich habe sie aus dem Leben, und zwar nicht nur aus dem Leben anderer ..., sondern auch aus meinem eigenen Leben kennengelernt.16 Bereits in seiner Dissertation, die in erweiterter Form als Habilitationsschrift ber die eine, allgemeine und unendliche Vernunft publiziert wird, ist seine These enthalten, dass der natrliche Tod ... die bloe und leere Negation17 des Lebens bedeute. Nur die Vernunft als das wirkliche Wesen der Menschen18 , nicht das Bewusstsein, die Persnlichkeit des Einzelnen, sei allgemein und unendlich19 . Im Gegensatz zu den an das einzelne Ich gebundenen sinnlichen Empfindungen sei das Denken intersubjektiv kommunizierbar und schaffe eine Gemeinschaft mit den Mitmenschen wie den nachfolgenden Generationen, die Feuerbach in das Descartes erweiternde Motto fasst: Ich denke, also bin ich alle Menschen.20 Drastischer und kmpferischer fasst er diese Auffassung in den die Unsterblichkeit der Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag 7

Seele leugnenden Gedanken ber Tod und Unsterblichkeit aus den Papieren eines Denkers, nebst einem Anhang theologisch-satyrischer Xenien, herausgegeben von einem seiner Freunde, so der volle Titel der 1830 in Nrnberg erscheinenden Schrift. Whrend die angehngten Spottverse, die der Autor in eitler berheblichkeit noch 1847 als titanische Genialitt21 feiert, wohl eher jugendlichem bermut entspringen, nennt er in der theoretischen Darlegung, wie in seiner Dissertation/Habilitation implizit angedeutet, den Glaube an die Unsterblichkeit, insofern er der Glaube und die Vorstellung ist, dass die Seele im Tode frmlich, wirklich auer den Leib hinausgehe, eine theoretische Narrheit, eine theoretische Seelenkrankheit.22 Als berwindung dieser Illusion sieht er den Glauben einer neuen Zeit, der sich auf das Diesseits konzentriert. Wahrer Glaube ist danach nur der Unsterblichkeitsglaube, wenn er ein Glaube ist an die Unsterblichkeit des Geistes und die unvergngliche Jugend der Menschheit, an die unerschpfliche Liebe und Schpfungskraft des Geistes ewig aus dem Schoe seiner Flle sich in neuen Individuen zu entfalten ...23 1841 erscheint als Zusammenfassung seiner Religionsauffassung Feuerbachs bekanntestes Werk ber Das Wesen des Christentums. Ist die ewige Existenz des Individuums bestenfalls trstende Illusion, so ist die nur dem Menschen zukommende Religion kein Unsinn, sondern die Vergtterung des menschlichen Wesens bei Aufhebung der Beschrnktheit des Einzelnen. Das verehrte Ewige, Allmchtige, Allwissende ist ein Traum des menschlichen Geistes, die von den Schranken der Wirklichkeit entblte Glckseligkeit. Die Christen wollen so gut glckselig sein als die Heiden. Der Unterschied ist nur, da die Heiden den Himmel auf die Erde, die Christen die Erde in den Himmel versetzen24 und erst dort das Wohlergehen und die Gerechtigkeit fordern, die es im Diesseits zu gestalten gilt. Darin zeigt sich der sozial revolutionre Gehalt der vorgenommenen Reduktion der Theologie auf die Anthropologie.25 Wenn es kein Jenseits gibt, wo uns ein hheres Wesen erlst und entschdigt, kommt alles auf das Diesseits an. Die sich vor der Welt flchtende Innerlichkeit und Unrecht hinnehmende politische Passivitt hngt direkt mit der Illusion eines ausgleichenden Jenseits zusammen. Die Grunddogmen des Christentums sind erfllte Herzenswnsche das Wesen des Christentums ist das Wesen des Gemts. Es ist gemtlicher, zu leiden, als zu handeln, gemtlicher, durch einen anderen erlst und befreit zu werden, als sich selbst zu befreien, gemtlicher, von einer Person, als von der Kraft der Selbstttigkeit sein Heil abhngig zu machen, gemtlicher, zu lieben, als zu streben, gemtlicher, sich von Gott geliebt zu wissen, als sich selbst zu lieben mit der einfachen, natrlichen Selbstliebe, die allen Wesen eingeboren, gemtlicher, sich in den liebestrahlenden Augen eines andern persnlichen Wesen zu bespiegeln, als in den Hohlspiegel des eigenen Selbst oder in die kalte Tiefe des stillen Ozeans der Natur zu schauen, gemtlicher berhaupt, sich von seinem eignen Gemte als von einem andern, aber doch im Grunde demselbigen Wesen bestimmen zu lassen, als sich selbst durch die Vernunft zu bestimmen.26 Auf dieser rationalen Selbstbefreiung des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmndigkeit, nach Kants berhmter Definition der Aufklrung von 1784, ruht auch Feuerbachs Hoffnung einer ersehnten neuen Zeit. Man kann diese Charakterisierungen jedoch auch leicht auf Feuerbachs Leben selbst 8 Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

beziehen, der zwar die Resultate seiner berlegungen der Welt bekannt macht, aber in der repressiv-restaurativen Zeit des Metternichschen Systems, das viele Zeitgenossen zur Emigration bewegt, in der bayrischen Provinz verharrt. Ein Zustand, der auch mehr von dem zu leiden, als zu handeln als sich selbst zu befreien geprgt ist und ihn noch in Kommentierung seiner letzten Schrift 1866 jammern lsst, dass er in Anbetracht der jmmerlichen Urteils-, Mut- und Charakterlosigkeit der deutschen Literatur und Politik27 dort fr sich keine Perspektive sehe. Dass er an den deutschen Sklavenboden gefesselt bleibe, hatte er jedoch bereits 1844 in einem Brief an seinen Studienfreund Christian Kapp beklagt28 , so als sei er dort festgewachsen wie eine uralte Eiche. 1851 publiziert Feuerbach seine Analyse ber Das Wesen der Religion, eine geradezu psychoanalytische Deutung, wie der Mensch die wahrgenommene Abhngigkeit von der Natur durch Projektion zu verarbeiten sucht. Die unbegriffene Natur belebt der Mensch als wnschendes, dieser ausgeliefertes Wesen, mit einem Gott oder Gttern als wunscherfllende Wesen, die durch die bernatrlichen Mittel des Gebetes, des Glaubens, der Sakramente29 und Opfergaben dazu bewogen werden knnen, dem Menschen zu helfen. Diese religisen Praktiken, ob sie sich nun in der Verehrung von Naturgttern mit einer bestimmten Arbeitsteilung (Regen-, Sonnengott, Gott der Fruchtbarkeit u.a.) oder in der Huldigung eines Schpfers der Erde und des Himmels ausdrcken, haben keine andere Aufgabe und Tendenz, als das unpopulre und unheimliche Wesen der Natur in ein bekanntes, heimliches Wesen zu verwandeln, die fr sich selbst unbeugsame, eisenharte Natur in der Glut des Herzens zum Behufe menschlicher Zwecke zu erweichen ... 30 Gott schuf also nicht den Menschen, sondern der Mensch Gott als das abgezogene Wesen der Natur oder die Natur in abstracto, in Gedanken.31 Diesen stellt er neben die unbegriffenen sinnlich-empirischen Einzelerscheinungen als ertrumten, mit menschlichen Regungen ausgestatteten Herrscher ber die Natur, der ihm als das Wesen des Wunsches32 beisteht. Seine Mahnung, diese Unbegreiflichkeit berechtigt Dich nicht zu den aberglubischen Konsequenzen, welche die Theologie aus den Lcken des menschlichen Wissens zieht ...33 zeigt die Geistesverwandtschaft nicht mit seinem Lehrer Hegel, sondern mit Immanuel Kant. Statt diese anzuerkennen, zumal auch Kant trotz seiner Berhmtheit wegen seiner religisen Stellungnahmen vom preuischen Knig Friedrich Wilhelm II. 1794 gemaregelt worden war, seine Philosophie zu Entstellung und Herabwrdigung mancher Haupt- und Grundlehren der heiligen Schrift und des Christentums mibraucht zu haben, wie er in seiner Der Streit der Fakultten nach dem Tod des Regenten dokumentiert34 , grenzt sich Feuerbach sogar von dessen Moralauffassung ab. In seiner Darlegung ber Spiritualismus und Materialismus, besonders in Beziehung auf die Willensfreiheit konstruiert er mit einem verkrzten Kant-Zitat eine Abgrenzung bei dem Prinzip der Glckseligkeit, das entweder Missverstndnissen oder der Motivation entspringt, die Fragwrdigkeit frheren Denkens zu erweisen, um den Wert der eigenen zu erhhen. Auch fr Kant ist der Streit zwischen Pflicht und Glckseligkeit kein Streit zwischen verschiedenen Prinzipien, wie Feuerbach vermutet, wenn er dort anfhrt: Kant dagegen sagt in seiner Metaphysik der Sitten: Das Prinzip der eigenen Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag 9

Glckseligkeit ist verwerflich, ... weil es der Sittlichkeit Triebfedern unterlegt, die sie eher untergraben und ihre ganze Erhabenheit vernichten, indem sie die Bewegursachen zur Tugend mit denen zum Laster in eine Klasse stellen und nur den Kalkl besser ziehen lassen, den spezifischen Unterschied beider aber ganz und gar auslschen. 35 In Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten verweist diese Stelle jedoch nicht darauf, dass das auch von ihm als naturgegeben betrachtete Streben nach eigener Glckseligkeit verwerflich wre, sondern dass es keine rationale Grundlage der Tugend sei, die auch die Glckseligkeit des/der anderen im Auge haben msse, um gerecht und damit dauerhaft Glckseligkeit aller begrnden zu knnen. Das aber bezeichnet Feuerbach auch als sein Prinzip: Ego und alter ego, Egoismus und Kommunismus, denn beide sind so unzertrennlich als Kopf und Herz. Ohne Egoismus hast Du keinen Kopf und ohne Kommunismus kein Herz.36 Diese Verwendung des Begriffes Kommunismus verfhrt wiederum Marx und Engels im Feuerbach-Kapitel ihrer Die deutsche Ideologie, diesem vorzuhalten, wie sehr Feuerbach sich tuscht, wenn er ... sich vermge der Qualifikation Gemeinmensch fr einen Kommunisten erklrt als einer Klassifikation, die sie fr sich reklamieren als Anhnger einer bestimmten revolutionren Partei.37 Da wnscht man sich bei aller wissenschaftstypischen Differenzierung manchmal doch eine etwas strkere Betonung der Gemeinsamkeiten beim Aufbau einer neuen Welt statt der Entzweiung ber Kleinigkeiten. Die Theogonie nach den Quellen des klassischen, hebrischen und christlichen Altertums, die 1857 erscheint, ist die dritte religionskritische Monographie, die Feuerbach wahrscheinlich sowohl deshalb nachschiet, weil er als freier Autor sein Auskommen sichern mu, wie auch weil er selbst skeptisch ist, ob Europa, wenigstens in einem voraussichtlichen Zeitraum, einer wahren Umgestaltung und Verjngung fhig sei38 , wie er 1850 in einem Zeitschriftenartikel resigniert anmerkt. Die Thesen des Beitrages zur Theogonie, zur Klrung der Gtter-Entstehung, entsprechen denen der projektiven Wunscherfllung als Das Wesen der Religion. Entlarvender ist das idealistische Selbstverstndnis Feuerbachs als Freigeist, der ebenso naiv wie berheblich damit den Anspruch erhebt, Satz um Satz die historische Richtigkeit und Wahrheit meiner Gedanken zu beweisen.39 Darin zeigt sich die Auffassung eines idealistischen Denkers, der annimmt, ein an den Standards der Naturwissenschaften orientierter Beweis knne wie bei der intellektuellen Disputation zum quasi-automatischen Einstrzen sozialer Systeme fhren. Da war Luther in seiner Rebellion gegen klerikalen Prunk und weltliche Korrumpiertheit schon weiter als Feuerbach, den Karl Marx zurecht darin kritisiert, da Alles gesellschaftliche Leben ... wesentlich praktisch sei und seine Religionsphilosophie nicht sehe, da das religise Gemt selbst ein gesellschaftliches Produkt ist40 . Nach marxistischer Analyse des kulturellen berbaus wird die wirkliche, praktische Auflsung dieser Phrasen, die Beseitigung dieser Vorstellungen aus dem Bewutsein der Menschen ... durch vernderte Umstnde, nicht durch theoretische Deduktionen bewerkstelligt.41 Gerade wenn der kirchlich organisierte Gottesglaube auf psychischen Mechanismen 10 Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

aufbaut, also praktische Bedrfnisse erfllt, und fr sich die auerlogische Sphre des Glauben ist nicht Wissen beansprucht, ist sie kaum durch eine Neuinterpretation der Entstehung der Gtter zu knacken. Diese rein diskursive Weltferne kritisiert die 11. und letzte der Marxschen Thesen ber Feuerbach: Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verndern.42 Durch die Darlegungen von Karl Marx und Friedrich Engels ist Feuerbach in linken Kreisen leider fast nur durch deren Rezeption bekannt, weniger durch seinen originren Beitrag. Gerade weil mittlerweile das Feudalsystem, aber nicht das tradierte konfessionelle System berwunden wurde, lohnt sich auch 200 Jahre nach seiner Geburt die Lektre seiner Werke. Schlielich gibt es stimmige und unsinnige Interpretationen der Welt. Und Feuerbach gehrt zu den kritischen theoretischen Grundlagen bei ihrer emanzipatorischen Vernderung. Denn sowenig sich die Analyse auf die passive Beobachterrolle einer science pour la science beschrnken sollte, sowenig gibt es eine gelingende Praxis, sei sie nun revolutionr oder reformatorisch, ohne angemessene Theorie der wirklichen und der angestrebten Welt. Und deshalb fehlen in den philosophischen Abteilungen der Buchhandlungen zwischen Epikur und Fichte derzeit seine bedenkenswerten Beitrge zum Wesen der Religion wie Zur Kritik der reinen Unvernunft, wie er Das Wesen des Christentums in Anknpfung an Kant eigentlich nennen wollte. Womit wir wieder bei den beiden philosophischen Jubilaren dieses Jahres angelangt wren dem gefeierten und dem vernachlssigten, wenn auch nicht vergessenen. Zwar erscheint zu seinem 200. Geburtstag eine Sondermarke der Deutschen Post. Die Neuauflage der vergriffenen Feuerbachschen Hauptwerke wre fr breite Kreise aber sicherlich reizvoller und auch spannender als die geltungsschtigen Autobiographien mancher Pseudo-Gren unserer Zeit. Anmerkungen:
Ludwig Feuerbach: Werke in sechs Bnden, herausgegeben von Erich Thies. Band 1: Frhe Schriften (1828-1830), Frankfurt am Main 1975. S. 224. 2 Ludwig Feuerbach: Werke, Band 1, a.a.O., S. 227 3 Einleitung von Erich Thies, in: Ludwig Feuerbach: Werke, Band 1, a.a.O., S. 7 4 Immanuel Kant: Werkausgabe, herausgegeben von Wilhelm Weischedel. Band IV: Kritik der reinen Vernunft 2, Frankfurt am Main 1977, S. 523 5 I. Kant: Werkausgabe, Band IV, a.a.O., S. 691 6 I. Kant: Werkausgabe, Band VIII: Die Metaphysik der Sitten - Die Religion innerhalb der Grenzen der bloen Vernunft, a.a.O., S. 756 7 I. Kant: Die Religion ..., a.a.O., S. 756 8 Ludwig Feuerbach in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt von Hans-Martin Sass, Reinbek bei Hamburg 1978, S. 23 9 Ludwig Feuerbach, in Selbstzeugnissen ..., a.a.O., S. 25 f. 10 Ludwig Feuerbach in Selbstzeugnissen ..., a.a.O., S. 31 11 Ludwig Feuerbach: Das Wesen der Religion. Ausgewhlte Texte zur Religionsphilosophie, Heidelberg 3 1983, S. 13
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Ludwig Feuerbach, in Selbstzeugnissen ..., a.a.O., S. 133 So Alfred Schmidt in seiner Einleitung ber Das Politikum Feuerbach in: Ludwig Feuerbach Anthropologischer Materialismus. Ausgewhlte Schriften I, Frankfurt am Main 1967, S. 12 14 Ludwig Feuerbach Anthropologischer Materialismus I, a.a.O., S. 235 15 L. Feuerbach: Fragmente zur Charakteristik meines philosophischen Curriculum vitae, Werke, Band 4, a.a.O., S. 220 16 L. Feuerbach: Fragmente ..., Werke, a.a.O., S. 218 17 L. Feuerbach: Werke in sechs Bnden. Band 1. Frhe Schriften (1828-1830), Suhrkamp Verlag, Frankfurt 1975, S. 26 18 L. Feuerbach: Werke, Band 1, S. 45 19 L. Feuerbach: Werke, Band 1, S. 18 20 L. Feuerbach: Werke, Band 1, S. 50 (Hervorhebung vom Autor) 21 L. Feuerbach: Artikel Feuerbach, in: Wiegands Conversations-Lexikon.. Fr alle Stnde. 5. Band. Leipzig 1847, in: Werke, Band 4, S. 425 22 L. Feuerbach: Werke, Band 1, S. 196 23 L. Feuerbach: a.a.O., S. 230 f. 24 L. Feuerbach: Das Wesen des Christentums, Stuttgart 1974., S. 513 25 vgl. L. Feuerbach: Das Wesen des Christentums, Vorwort zur zweiten Auflage, a.a.O., S. 33 26 L. Feuerbach: Das Wesen des Christentums, a.a.O., S. 223 27 L. Feuerbach: ber Spiritualismus und Materialismus, besonders in Beziehung auf die Willensfreiheit, Werke, Band 4, a.a.O., Anm. S. 491 28 L. Feuerbach: Vorwort (zu den Smtlichen Werken), Werke, Band 4, a.a.O., Anm. S. 468 29 Esser, Albert (Hg.): Ludwig Feuerbach: Das Wesen der Religion. Ausgewhlte Texte zur Religionsphilosophie. Heidelberg 3 1983, S. 243 30 Esser, A. (Hg.): Ludwig Feuerbach: Das Wesen der Religion, a.a.O., S. 243 31 Esser, A. (Hg.): Ludwig Feuerbach: Das Wesen der Religion, a.a.O., S. 237 32 Esser, A. (Hg.): Ludwig Feuerbach: Das Wesen der Religion, a.a.O., S. 242 33 Esser, A. (Hg.): Ludwig Feuerbach: Das Wesen der Religion, a.a.O., S. 235 34 I. Kant: Der Streit der Fakultten, Werkausgabe, Band XI, a.a.O., S. 268 35 L. Feuerbach: ber Spiritualismus und Materialismus ..., Werke, Band 4, a.a.O., S. 369 36 L. Feuerbach: Fragmente zur Charakteristik meines philosophischen Curriculum vitae, Werke, Band 4, a.a.O., S. 227 37 Karl Marx/Friedrich Engels: Die deutsche Ideologie. Kritik der neuesten deutschen Philosophie in ihren Reprsentanten Feuerbach, B. Bauer und Stirner, und des deutschen Sozialismus in seinen verschiedenen Positionen, in: Marx-Engels-Werke, Band 3. Berlin/DDR 1981, S. 41 38 L. Feuerbach: Die Naturwissenschaft und die Revolution (ber J. Moleschott, Lehre der Nahrungsmittel), Werke, Band 4, a.a.O., S. 246 39 L. Feuerbach: Theogonie nach den Quellen des klassischen, hebrischen und christlichen Altertums, Werke, Band 4, a.a.O., S. 484 40 Karl Marx: Thesen ber Feuerbach, a.a.O., S. 7 41 K. Marx/F. Engels: Deutsche Ideologie, a.a.O., S. 40 42 K Marx: Thesen ber Feuerbach (Nach dem von Engels 1888 verffentlichten Text), a.a.O., S. 535
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Franz-Josef Paulus, geboren 1953 im Saarland, Soziologe (Studium der Soziologie, Politologie und Psychologe an der Uni Kln und der Freien Universitt Berlin), anschlieend Redakteursttigkeit bei verschiedenen Zeitschriften, seit 2002 freier Journalist, befasste sich whrend des Studiums nur mit der Marxschen resp. Engelschen Kritik an Feuerbach und nahm dessen 200. Geburtstag zum Anlass, sich intensiver mit Leben und Werk des Philosophen aus erster Hand zu befassen; daraus ist dieser Artikel hervorgegangen.

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Internet: http://de.news.yahoo.com/040724/336/44qwh.html
Sonntag 25. Juli 2004, 10:05 Uhr

Weg mit den Hirngespinsten! - Ludwig Feuerbach hlt den Menschen fr den Urheber aller Religion - 200. Geburtstag am 28. Juli
Berlin (ddp). Aus dem Musterschler wird ein geistiger Revolutionr: Von den Lehrern nicht zuletzt fr sein vorzgliches sittliches Verhalten gelobt, wendet sich schon der junge Theologiestudent Ludwig Feuerbach von der Glaubenslehre ab. Der theologische Mischmasch von Vernunft und Glaube war ihm zuwider. Der 1804 in Landshut geborene Sohn eines vermgenden Juristen studiert Philosophie in Heidelberg und Berlin . Mit der Schrift Das Wesen des Christentums (1841) entlarvt er aus dem akademischen Abseits des Privatgelehrten heraus jede Religion als menschliches Hirngespinst. Am Mittwoch jhrt sich sein Geburtstag zum 200. Mal. Immer wieder gert Feuerbach ins gesellschaftliche Abseits. Im Vorfeld der Revolution von 1848 erkennt die kritische Avantgarde in seinem Denken die Grundlage einer neuen Gesellschaft. Die Universitt verweigert ihm ihre Rume. Er wird von Heidelberger Studenten zu Vorlesungen eingeladen, die er unter Ovationen im Rathaussaal vor Akademikern und Arbeitern hlt. Doch als die Masse ihn zur Leitfigur kren will, wird ihm unbehaglich: Ich hatte die grsslichste Sehnsucht nach meinem alten, stillen, einfachen und doch so geliebten Leben. Als die Freunde ihn in die revolutionre Bewegung einspannen wollen, lehnt Feuerbach ab. Sein stilles Leben verdankt er der Tochter eines Porzellanfabrikanten, Berta Lw, die sich in den Gelehrten verliebt und ihn heiratet. Das geschieht wohl nicht von ungefhr: Als unwiderstehlich, gewinnend beschreibt ein Zeitgenosse Feuerbachs Erscheinung: Sein schlanker Krperbau blieb bis ins spte Alter gleichmig proportioniert und vornehm in der Haltung. An seinen ernst milden geistvollen Zgen fielen die hellblauen Augen durch ihren zugleich scharfen und sinnig wohlwollenden Blick auf. Feuerbach zieht zu Berta Lws Familie aufs Schloss. Er haust in gewollter Zurckgezogenheit in den Turmzimmern, die er selbst in Ordnung hlt, wie derselbe Zeitgenosse anerkennend bemerkt. In diesem Elfenbeinturm schreibt er jenes Buch ber die Religion, das die Revolutionre aufmerken lsst. Er verzichtet darin radikal auf alles bersinnliche: Das Wesen eines Gottes ist, dass er ein eingebildetes, phantastisches Wesen ist, das aber gleichwohl ein reales Wesen sein soll. Feuerbach distanziert sich auch von Hegel, mit dem er als Student einmal in der berhmten Berliner Weinstube Lutter und Wegner kaum zu sprechen sich getraut hatte. Dessen absoluten Weltgeist hlt er fr ein Gespenst, Religion berhaupt fr haltlose Spekulation. Fr den einsamen Privatgelehrten gibt es nur noch den Menschen. Alles, was an Wahrheiten darber hinaus reichen soll, fegt er vom Tisch. An die Stelle der Bibel ist die Vernunft getreten, an die Stelle der Kirche die Politik, an die Stelle des Himmels die Erde, des Gebetes die Arbeit, der Hlle die materielle Not, an die Stelle des Christen der Mensch. Selbstbewusst behauptet er, letzte Wahrheiten gefunden zu haben und empfindet sich als den letzten, an die uerste Grenze des Philosophentums hinausgeschobenen Philosophen. Doch Kritik an der Religion liegt in der Luft. Zur selben Zeit schiet auch der Ludwigsburger Theologe David Friedrich Strau gegen den Wahrheitsanspruch der Bibel. In Frankreich hatte knapp 100 Jahre vorher Voltaire gegen die Kirche und ihren Glauben an die Unsterblichkeit gewettert. Trotzdem ist Feuerbachs Leistung nicht zu verkennen. Er hlt Karl Marx und Friedrich Engels den Steigbgel fr ihre materielle Dialektik: Die Gedankengebude der Menschen sind an ihrem wirklichen Leben zu messen. Doch Marx und Engels schaffen eine Vision, den Sozialismus. Feuerbach beschrnkt sich auf Kritik. Vergessen und verarmt vegetiert er am Ende seines Lebens dahin und stirbt 1872 in geistiger Dumpfheit.

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Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

Stuttgarter Zeitung vom 26.07.2004

Internet: http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/771051

Die Theologie als moderne Anthropologie


Wieder gelesen: Ludwig Feuerbachs Wesen des Christentums Von Rolf Spinnler Manche Autoren leiden unter dem Schicksal, dass sie von der Geschichte nur als bergangsfiguren zwischen zwei Heroen der Geistesgeschichte eingestuft werden und nicht als Gestalten mit eigenem Recht. Der Philosoph Ludwig Feuerbach, der vor zweihundert Jahren, am 28. Juli 1804, in Landshut geboren wurde, ist solch ein Schriftsteller. In der Regel wird er in Philosophiegeschichten als missing link zwischen Hegel und Marx oder Hegel und Nietzsche eingeordnet. Immerhin erscheint inzwischen, herausgegeben von der Akademie der Wissenschaften von Berlin-Brandenburg, eine historischkritische Gesamtausgabe seiner Werke. Ludwig Feuerbach entstammte einer Familie des protestantischen deutschen Bildungsbrgertums, die ber mehrere Generationen hinweg bedeutende Gelehrte und Knstler hervorgebracht hat. Sein Vater Anselm Ritter von Feuerbach war einer der Begrnder der modernen Strafrechtstheorie und hatte dem Knigreich Bayern zum damals liberalsten Sexualstrafrecht in Deutschland verholfen. Ludwigs Neffe Anselm wurde ein bekannter Maler. Nach einem Theologiestudium in Heidelberg wechselte der junge Feuerbach 1824 an die Berliner Universitt und sattelte unter dem Einfluss von Hegel auf die Philosophie um. In Erlangen kamen dann noch naturwissenschaftliche Studien hinzu. Bald war er Privatdozent fr Philosophie, doch eine akademische Karriere hat er nicht gemacht. Der Grund war eine 1830 publizierte und alsbald verbotene religionskritische Schrift, in der Feuerbach die christliche Lehre von der Unsterblichkeit angriff. Wie Schopenhauer, Kierkegaard oder Marx lebte er fortan als Privatgelehrter, was ihm durch die Heirat mit einer reichen Frau erleichtert wurde. Feuerbach gehrt zu jenen Autoren, die durch ein einziges Werk berhmt wurden: das 1841 publizierte Buch Das Wesen des Christentums. Religionskritik war von Anfang an ein wichtiger Bestandteil der europischen Aufklrung, die sich zum Ziel gesetzt hatte, Glauben durch Vernunft zu ersetzen. Die ltere Aufklrung fhrte die Religion in der These von den drei Betrgern Moses, Christus und Mohammed entweder auf Betrug durch eine Priesterkaste zurck, oder sie sah in ihr den Irrtum einer selbst verschuldeten Unmndigkeit (Kant), die nicht in der Lage war, sich ihres Verstands ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Feuerbach stellt dagegen eine neue These auf, die zeigt, dass er sich die hegelsche Dialektik angeeignet hat: Die Religion sagt die Wahrheit aber in einer verkehrten Gestalt. Die Wahrheit der Religion ist nicht Gott, sondern der Mensch: Theologie ist eigentLudwig Feuerbach zum 200. Geburtstag 15

lich Anthropologie. Das gilt vor allem fr das Christentum, das fr Feuerbach, auch hier folgt er Hegel, die fortschrittlichste, die absolute Religion ist. Den biblischen Satz, dass Gott den Menschen nach seinem Bilde geschaffen habe, kehrt der Religionskritiker einfach um: Der Mensch hat Gott nach seinem eigenen Bild geschaffen. Der Mensch dies ist das Geheimnis der Religion vergegenstndlicht sein Wesen und macht dann wieder sich zum Gegenstand dieses vergegenstndlichten, in ein Subjekt, eine Person verwandelten Wesens. Diese Entzweiung zwischen dem Menschen als Naturwesen aus Fleisch und Blut und seinem auf eine imaginre bernatrliche Person namens Gott projizierten geistigen Wesen will Feuerbach wieder aufheben, indem er zeigt, dass alle Eigenschaften, die Gott zugeschrieben werden, in Wahrheit menschliche Eigenschaften sind, dass Gotteserkenntnis in Wahrheit die Selbsterkenntnis des Menschen ist. Die christliche Religion kommt dieser Einsicht unbewusst schon ziemlich nahe. Man muss nur ihre zentralen Glaubensaussagen Gott wird Mensch, Das Wort wird Fleisch und Gott ist die Liebe umkehren und vom Kopf auf die Fe stellen, aus bernatrlichen Illusionen in natrliche Wahrheiten verwandeln: Der Mensch ist gttlich, die Liebe ist gttlich, das Leben ist berhaupt in seinen wesentlichen Verhltnissen durchaus gttlicher Natur. Entscheidend dabei ist, dass Feuerbach die Liebe in ihrer ganzen sinnlich-erotischen Dimension, also als Geschlechtstrieb begreift und dem Christentum vorwirft, sie durch Vergeistigung entsexualisiert zu haben. Ein krperloser, geschlechtsloser Gott ist ein Unding: Der Leib ist der Grund, das Subjekt der Persnlichkeit. Nur durch den Leib unterscheidet sich die wirkliche Persnlichkeit von der eingebildeten eines Gespenstes ... Ein sittlicher Gott ohne Natur ist ohne Basis; aber die Basis der Sittlichkeit ist der Geschlechtsunterschied. Feuerbachs Kritik des Christentums folgt also der hegelschen Denkfigur der Aufhebung. Sie zerstrt dessen falsche bernatrliche Gestalt der Theologie, aber rettet seine Wahrheit als Anthropologie. Sie verwandelt seinen spekulativen Idealismus in einen spekulativen Materialismus, will den Geist wieder mit der menschlichen Natur vershnen. Die Wirkung von Feuerbachs Buch auf die Zeitgenossen war enorm und reichte weit ber akademische Zirkel hinaus. Wir waren alle momentan Feuerbachianer, schrieb Friedrich Engels noch Jahrzehnte spter. Das traf nicht nur auf Philosophen zu, sondern galt auch fr Knstler wie etwa den jungen Richard Wagner, der sich erst spter, im Zricher Exil, zu Schopenhauers Pessimismus bekehrte. Ursprnglich aber war der Schluss des Rings ganz feuerbachianisch konzipiert: Die Gtter sterben, und Siegfried und Brnnhilde, das neue hohe Paar, luten das Zeitalter der Emanzipation des Fleisches ein, in dem nur noch Lust und Liebe herrschen. Karl Lwith hat in seiner klassischen Studie Von Hegel zu Nietzsche Feuerbach einen prominenten Platz neben Kierkegaard (Jahrgang 1813) und Marx (Jahrgang 1818) eingerumt. Es lohnt sich daher, die drei Zeitgenossen miteinander zu vergleichen. Ihr gemeinsamer Ausgangspunkt ist Hegel, dessen spekulative Metaphysik alles mit allem vershnen wollte: Idee und Wirklichkeit, Glaube und Vernunft, Individuum und Gesellschaft. 16 Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

Die drei Junghegelianer spren, dass bei dieser Vershnungsorgie einiges auf der Strekke bleibt. Fr Feuerbach ist es der Mensch als sinnliches Natur- und Geschlechtswesen; fr Kierkegaard die individuelle Existenz, die als Ausnahme nicht im Allgemein-Menschlichen aufgeht; fr Marx der Mensch als soziales Wesen, das in reale gesellschaftliche Konflikte verwickelt ist. Ludwig Feuerbach will Metaphysik durch Anthropologie ersetzen, Sren Kierkegaard durch Existenzphilosophie, Karl Marx durch kritische Gesellschaftstheorie. In seiner Aufhebung der Religion mchte Feuerbach allein ihre Moral bewahren, und zwar das christliche Liebesgebot. Kierkegaard schlgt genau den umgekehrten Weg ein und spielt den christlichen Glauben gegen die Ethik aus. Er verdchtigt jede Ethik, konventionell und konformistisch zu sein und damit der Einmaligkeit, der Ausnahme der individuellen Existenz nicht gerecht zu werden. Kierkegaard hat dem Christentum seiner Zeit vorgeworfen, es sei nur noch eine brgerliche Konvention und nicht mehr Nachfolge Christi, und stattdessen den Sprung in den Glauben propagiert, in dem er eine Widerstandsgeste gegen jeden sozialen Konformismus erblickt. Auch Marx hlt Feuerbach vor, sein anthropologischer Materialismus sei zu allgemein gehalten. Feuerbach lst das religise Wesen in das menschliche Wesen auf. Aber das menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum innewohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das Ensemble der gesellschaftlichen Verhltnisse, heit es in den 1845 verfassten Elf Thesen ber Feuerbach. Unser Problem, meint Karl Marx, ist gar nicht die Religion, sondern der Kapitalismus. Religionskritik erreicht gar nichts, wenn sie nicht bergeht in eine Kritik der politischen konomie. Diese Einsicht ist aktuell, denn auch heute geht der Streit darum, ob der religise Fundamentalismus das Erzbel unserer Welt sei oder nicht viel eher der globale Turbokapitalismus. Marx begreift die Religion als Symptom im streng psychoanalytischen Sinn, als Kompromissbildung zwischen Anpassung an und Widerstand gegen die schlechten sozialen Verhltnisse: Das religise Elend ist in einem Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist ein Seufzer der bedrngten Kreatur, das Gemt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustnde ist. Statt wie Feuerbach die Religion nur in Anthropologie aufzuheben, mchte Marx ihr gesellschaftskritisches Potenzial verwirklichen: Die Philosophen haben die Welt immer nur verschieden interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verndern. Ludwig Feuerbach: Das Wesen des Christentums, Reclam Verlag, Stuttgart 1969. 536 Seiten; 11,10 Euro

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Sonntagsblatt Evangelische Wochenzeitschrift fr Bayern Internet_ http://www.sonntagsblatt-bayern.de/news/aktuell/2004_30_19_01.htm


Heute: 27.07.2004 Aktuelle Ausgabe: 30 - vom: 25.07.2004 Diese Meldung: Ausgabe: 30 - vom: 25.07.2004

Vor 200 Jahren wurde Ludwig Feuerbach geboren Sein bekanntester Satz traf das christliche Glaubensgebude wie eine Abrissbirne: Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde. Karl Barth, der Theologe, hat den aus Bayern stammenden Philosophen Ludwig Feuerbach spter als Nichtkenner des Todes und Verkenner des Bsen bezeichnet.

Gott aus dem Himmel gejagt

Nicht das Heilige ist wahr, sondern das Wahre heilig: Ludwig Feuerbach. Kandidaten des Jenseits wolle er zu Studenten des Diesseits machen, religise Kammerdiener der himmlischen Monarchie zu freien Brgern der Erde. So wortgewaltig beschrieb der Philosoph Ludwig Feuerbach den Zweck seiner Schriften. Vor 200 Jahren, am 28. Juli 1804, wurde mit Ludwig Feuerbach der Kirchenvater des modernen Atheismus geboren. Er stammte aus einer hoch angesehenen Familie. Sein Vater, Anselm Ritter von Feuerbach, war fhrender Jurist im Knigreich Bayern und Beschtzer des mysterisen Findlings Kaspar Hauser. Im frnkischen Ansbach absolvierte der in Landshut geborene Prominentensohn das Gymnasium und fiel durch sein Bibelwissen auf. In Heidelberg, Berlin und Erlangen studierte er zunchst Theologie, dann Philosophie. 1830 folgte der erste Paukenschlag. In Erlangen machte die religionskritische Schrift Gedanken ber Tod und Unsterblichkeit die Runde. Der anonyme Verfasser wurde bald enttarnt. Die aus heutiger Sicht ziemlich harmlose Satire wurde beschlagnahmt. Ihr Autor, der Privatdozent Feuerbach, hatte keine Chance mehr auf die erhoffte Professur. Notgedrungen wurde er Privatgelehrter. Der Leugner der Unsterblichkeit der Seele verlie die akademische Welt und wurde Drfler. Im rtchen Bruckberg bei Ansbach gab es eine Porzellanfabrik, die im ehemaligen Sommerschloss der Ansbacher Markgrafen untergebracht war. Feuerbachs Frau hielt daran Anteile. Doch das Dasein als Fabrikantinnen-Gatte klingt bequemer, als es war. Die Porzellanfabrik schlitterte stets hart am Ruin entlang. Ironisch kommentierte er seinen Abstieg. Das Schicksal habe ihn in tiefster Verlassenheit, aber eben deswegen auch glcklicher Einsamkeit in ein Dorf verbannt, das nicht einmal - wie entsetzlich, wie unheilschwanger - eine Kirche hat. Er htte nicht geglaubt, welch seltsame Kapriolen die Ortsgeschichte nachher schlug: Seit 1891 ist das 18 Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

Bruckberger Schloss ein Zentrum evangelischer Behindertenarbeit in Bayern - und selbstverstndlich gibt es eine Kirche. 1841 erschien das Buch, mit dem der vergessene Schlossbewohner pltzlich in aller Munde war: Das Wesen des Christentums. Es war eine radikale Absage an den Gottesglauben. Das hchste Wesen sei nichts als eine Erfindung des menschlichen Wesens, eine Illusion, die den Menschen daran hindere, sich die reale Welt anzueignen. Die junge Arbeiterbewegung erkannte schnell, welche Waffe gegen die alten Mchte ihr in die Hnde gelegt worden war. Die Begeisterung war allgemein. Wir waren alle momentan Feuerbacherianer, schrieb Friedrich Engels im Rckblick. Die deutsche Jugend glaubte, statt Himmel endlich Land zu sehen, heit es in Ernst Blochs Das Prinzip Hoffnung. Noch zu seinen Lebzeiten kam Feuerbach aus der Mode. Nur 15 Jahre nach Erscheinen seines Hauptwerks klagte er verbittert: Es ist kein Wunder, dass ich bereits zu den Toten gerechnet werde. Ich bin ja schon lngst von den deutschen Theologen und Philosophen widerlegt, d.h. auf Deutsch: geistig totgeschlagen. Selbst Karl Marx kritisierte den einst Bewunderten in seinen Elf Thesen ber Feuerbach, deren letzte und berhmteste lautet: Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verndern. Ab 1860, nach dem Tod seiner Frau und der Enteignung durch die Erben, fristete Feuerbach ein rmliches Dasein im Ort Rechenberg vor den Toren Nrnbergs. 1872 starb er, nachdem er zuvor noch der sozialdemokratischen Partei beigetreten war. Tausende Arbeiter folgten dem Aufruf, die Beisetzung auf dem Nrnberger Johannisfriedhof zu einer Massendemonstration gegen das Pfaffentum zu machen. Den vershnlichsten Bilanzstrich unter Feuerbachs Leben zog der Literat Hermann Kesten: Sein Leben lang hat Ludwig Feuerbach mit Gott gekmpft, und beide haben dabei gewonnen. Peter Reindl

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DIE WELT am 28.07.2004 im Internet unter KULTUR: http://www.welt.de/data/2004/07/28/310923.html Das Wahre ist heilig Aus dem Gedchtnis
Vor 200 Jahren wurde der Philosoph und Atheist Ludwig Feuerbach geboren. Gott war mein erster Gedanke, die Vernunft mein zweiter, der Mensch mein dritter und letzter Gedanke. So beschrieb Ludwig Feuerbach seinen intellektuellen Werdegang, der ihn vom bibelfesten Kirchenschler zum Kronzeugen des modernen Atheismus fhrte. Oder, wie er in seinem berhmtesten Satz formulierte: Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde. Am 28. Juli 1804 wurde Ludwig Feuerbach in Landshut geboren. Sein Vater, Anselm Ritter von Feuerbach, war fhrender Jurist im Knigreich Bayern und Beschtzer des mysterisen Findlings Kaspar Hauser. Im frnkischen Ansbach absolvierte Ludwig das Gymnasium und fiel durch sein Bibelwissen auf. In Heidelberg, Berlin und Erlangen studierte er zunchst Theologie, dann Philosophie. Als 1830 eine Schrift unter dem Titel Gedanken ber Tod und Unsterblichkeit die akademischen Zirkel Erlangens in Aufregung versetzte, wurde Feuerbach schnell als Autor enttarnt. Obwohl es sich nur um eine eher harmlose Satire gehandelt hatte, waren die Folgen reichlich unangenehm. Dem Privatdozenten Feuerbach war der Sprung auf eine erhoffte Professur fr immer verbaut. Zwangslufig musste er sich ins Private, nach Bruckberg bei Ansbach zurckziehen, von dessen Porzellanfabrik im ehemaligen Sommerschloss der Ansbacher Markgrafen Feuerbachs Frau Anteile hielt. Das klingt nach Reichtum, war jedoch eher das Gegenteil. Auch damals hing die Existenz einer solchen Luxusfabrik hufig am seidenen Faden. Das Schicksal habe ihn in tiefster Verlassenheit, aber eben deswegen auch glcklicher Einsamkeit in ein Dorf verbannt, das nicht einmal - wie entsetzlich, wie unheilschwanger - eine Kirche hat, notierte Feuerbach nicht ohne Selbstironie. Hier entstand sein wohl wichtigstes Buch, Das Wesen des Christentums (1841), eine radikale Absage an den Gottesglauben. Das hchste Wesen sei nichts als eine Erfindung des menschlichen Wesens, eine Illusion, die den Menschen daran hindere, sich die reale Welt anzueignen. Nicht das Heilige ist wahr, sondern das Wahre heilig, schrieb Feuerbach. Die junge Arbeiterbewegung erkannte schnell, welche Waffe gegen die alten Mchte ihr in die Hnde gelegt worden war. Die Begeisterung war allgemein. Wir waren alle momentan Feuerbacherianer, schrieb Friedrich Engels. Die deutsche Jugend glaubte, statt Himmel endlich Land zu sehen, heit es in Ernst Blochs Das Prinzip Hoffnung. Feuerbach hatte Gott aus dem Himmel gejagt, wusste jedoch nichts anderes hineinzusetzen als den aufgeklrten Menschen. Dessen Geist sei vom Leib bestimmt: Der Mensch ist, was er isst. Und wer genau hinschaute, sah, dass er ihm obendrein einen Heiligenschein verpasst hatte. Die Diesseits-Glubigkeit mit dem Menschen als Ma aller Dinge konnte noch nichts wissen von den Krematorien von Auschwitz, den Lagern Stalins und den Schdelsttten von Kambodscha und Ruanda. Feuerbach sei ein Nichtkenner des Todes und Verkenner des Bsen gewesen, urteilte der protestantische Theologe Karl Barth. Und Karl Marx konstatierte in seiner letzten der Elf Thesen ber Feuerbach: Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verndern. Als er 1872 in Rechenberg bei Nrnberg starb, gaben dennoch Tausende Arbeiter dem Philosophen das letzte Geleit, als Massendemonstration gegen das Pfaffentum. Die Wirkung war begrenzt. 19 Jahre spter wurde Feuerbachs Bruckberger Schloss ein Zentrum evangelischer Behindertenarbeit in Bayern. Und selbstverstndlich gibt es eine Kirche. bas Artikel erschienen am Mi, 28. Juli 2004

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Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

Sddeutsche Zeitung vom 28.07.2004, S. 14

Kronzeuge freier Religiositt


Der Reformator der klassischen Philosophie: Ludwig Feuerbach An einem Septembertag des Jahres 1872 versammelte sich auf dem Johannisfriedhof in Nrnberg eine groe Menschenmenge, um Ludwig Feuerbach die letzte Ehre zu erweisen. Brgervereine und freireligise Gemeinden waren vertreten. Sozialdemokraten, auch eine Abordnung des Magistrats der Stadt, Verehrer und Freunde, vor allem aber: viele Arbeiter aus Nrnberg, Frth und Umgebung. Nie wieder ist ein deutscher Philosoph mit solch breiter Anteilnahme aus dem Leben verabschiedet worden. Feuerbach, der heute vor 200 Jahren geboren wurde, stand an der Schwelle des republikanischen Zeitalters, er hat den Wandel von der Monarchie zur Demokratie geistig mit vorbereitet. Die Wrdigungen halten sich in Grenzen. In Erlangen, seiner frhen Wirkungssttte als Privatdozent, Nrnberg, Trier und Berlin finden Kolloquien statt. Die Post hat eine Sonderbriefmarke zum Wert von 144 Cent ediert Es erscheinen eine Biographie von Josef Weniger, Falko Sehmieders Dissertation ber Feuerbach und den Umbruch der gesellschaftlichen Wahrnehmungsweisen sowie ein Sammelband zum Thema Religionskritik und Geistesfreiheit. Das ist es schon, soweit wir den Markt berblicken. Religion und Geistesfreiheit entstand auf Anregung des Dachverbandes Freier Weltanschauungsgemeinschaften. Feuerbachs Versuch, den Humanismus ohne Bezug auf Gott zu begrnden und die Auswirkungen dieses Versuchs auf die freireligisen Gemeinden stehen deshalb im Mittelpunkt. Die Akzente setzen Werner Schuffenhauer, Herausgeber der Werke Feuerbachs, und Eckhart Pilick. Ersterer verfolgt. Feuerbachs Verhltnis zur in den vierziger Jahren entstehenden freireligisen Bewegung, Pilick untersucht, wie sich die damaligen Dissidenten auf den bis heute unbertroffenen Religionskritiker beriefen. Die Wortfhrer der gegen die ppstliche Indoktrination und den Reliquienkult opponierenden Deutsch-Katholiken hatten sich bereits vor der 48er Revolution gelegentlich auf Feuerbach bezogen, ebenso die des Erweckungsglaubens berdrssigen protestantischen Lichtfreunde Da die anfangs nur kirchenreformerischen Strmungen immer entschiedener liberaldemokratische Forderungen stellten, fielen sie bei Knigtum und Frstenstuhl von Gottes Gnaden sehr bald in Ungnade; nach Auflsung des Frankfurter Parlaments wurden sie verboten. 1859 wieder zugelassen und zum Bund freireligiser Gemeinden vereint, entfaltete sich die sptere Freidenker- und Humanistische Vereinsbewegung ber ganz Deutschland, und Feuerbach wurde zu eine ihrer wichtigsten Bezugspersonen. Eckhart Pilick zeichnet diese Entwicklung kenntnisreich nach. Der gemeinsame Nenner mit Feuerbach ist. die Proklamation des selbstbewussten, denkenden, nicht von auen, auch nicht von Gott bestimmten Menschen Die Gottesverehrung sei nichts anderes als die teils abstrahierte, teils Bild gewordene, auer sich gesetzte Selbstverehrung des Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag 21

Menschen, hatte Feuerbach gesagt Und Eine neue Zeit bedarf einer neuen Philosophie, die den Menschen mit all seiner Sinnlichkeit als gttlich versteht, sie ist in Wahrheit Religion. Die Quellen, auf die sich namhafte Freireligise wie Carl Scholl, ein Freund Feuerbachs, oder der Marburger Professor Bayrhoffer, berufen, werden vielfach zitiert Und siehe da: Es ergibt sich eine beinahe berzeugende Ableitung der im Gegensatz zur tradierten christlichen Religion neuen Religiositt Feuerbachs. Wenn man nicht wsste, dass Feuerbach Bayrhoffer lngst hinter sich gelassen hatte und deshalb in einer Rezension nicht gegen ihn, sondern gegen Hegels Vernunftreligion polemisiert hatte! Wenn man nicht Feuerbachs wiederholtes Bekenntnis zum Atheismus und seinen Spruch Keine Religion ist meine Religion in Erinnerung htte Das erwhnt Pilick nicht. Er sagt, Feuerbachs Philosophie sei von den Freidenkern instrumentalisiert worden, aber er fhrt nicht aus, wie und warum.

Worauf Engels hereinfiel


Die Verkennung des Philosophen durch die Freidenker, auf deren Interpretation auch Friedrich Engels hereingefallen war, beruht auf einem unterschiedlichen Gebrauch der Begriffe m Feuerbachs Schriften. Indem er die Abirrungen der Religion zurechtweise, muss ich mich natrlich auch ihrer Ausdrcke bedienen, ja, selber zu spekulieren oder es ist eins zu theologisieren scheinen, whrend ich gerade die Spekulation auflse, d.h. die Theologie auf Anthropologie reduziere, hatte Feuerbach im Vorwort zum Wesen des Christentums geschrieben. Er verwendet den Begriff Religion nicht nur im klassischen, sondern auch m einem metaphorischen Sinn. Wird dieser Kontext nicht unterschieden und alles buchstabengetreu gelesen, kommt es zu Fehldeutungen. Feuerbach sagt eben nicht, Religion sei angeboren, er sagt: Wenn wir sie allein auf Grund ihrer menschlichen Bestimmungen definieren, dann allerdings hat. jeder Mensch Religion, und er setzt das Wort des fteren in Anfhrungszeichen. Dass solche feinen, aber fr das Verstndnis Feuerbachs wesentlichen Unterscheidungen nicht immer beachtet werden, ist eine Schwche auch anderer Beitrge des ansonsten aufschlussreichen Buches. GERT LANGE VOLKER MUELLER (Hrsg.): Ludwig Feuerbach. Religionskritik und Geistesfreiheit, Angelika Lenz Verlag. Neustadt am Rbenweg 2004. 357 S.., 24,80 Euro.

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Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

Sddeutsche Zeitung vom 28.07.2004 auf Seite 4 der Mnchen-Ausgabe

Verbotene Gedanken
Ausstellung der Uni-Bibliothek zum 200. Geburtstag des Philosophen Ludwig Feuerbach Am 28. Juli 1804, vor genau 200 Jahren, wurde in Landshut ein Mann geboren, der die Mit- und Nachwelt hnlich spaltete wie sein etwas jngerer (mit ihm gut bekannter) Zeitgenosse Karl Marx: der Philosoph und Religionskritiker Ludwig Feuerbach. Nachdem krzlich die Deutsche Post zu Ehren des Jubilars eine Briefmarke herausgebracht hat, erinnert nun die Universittsbibliothek bis zum 15. Oktober mit einer Ausstellung im Hauptgebude an ihn. Das allein schon ist eine berraschung: Nirgendwo sonst wurden Feuerbachs Ideen so heftig abgelehnt wie gerade in Mnchen, wo man ihm die 1830 verffentlichten Gedanken ber Tod und Unsterblichkeit nie verzieh. Darin verneinte der 26-jhrige, eben habilitierte Erlanger Philosophie-Dozent hnlich wie Kant und Hegel die theologische oder philosophische Begrndbarkeit des Jenseits- und Auferstehungsglaubens, ging aber weiter. Er nannte sie Wunschdenken und eine Folge des physiologisch bedingten Unsicherheitsgefhls der Menschen. Dieser ganz neue anthropologische Ansatz erregte einen Sturm der Entrstung. In Bayern wurde die Schrift sofort verboten, die Bewerbung des Verfassers um eine Professur an der LMU wiederholt kommentarlos abgelehnt. Fortan publizierte Feuerbach als Privatgelehrter und Gastdozent. Auch sein berhmter Vater, der Jurist, Strafrechts-Reformer und Mitbegrnder des modernen bayerischen Staates, Johann Paul Anselm Ritter von Feuerbach, konnte ihm nicht helfen: Er starb 1833 selber heftig angefeindet wegen seines Eintretens fr den Findling Kaspar Hauser. Bis heute gilt Sohn Ludwig (der von der Ermordung des Vaters berzeugt war) den Fundamentalisten als Beispiel fr die negativen Folgen der Aufklrung. Und seine Verarmung (die kleine Porzellanfabrik der frnkischen Ehefrau ging Pleite) als gerechte Strafe fr den Atheisten und Materialisten. Warum also jetzt eine Jubilums-Ausstellung? Weil es Zeit ist, Feuerbach von der einseitigen Rezeption zu befreien, sagt die Organisatorin Cornelia Tpelmann. Und zu beweisen, dass der in der ehemaligen DDR verehrte Philosoph in Wirklichkeit ein groer Humanist war und ein tief religiser Mann, auch wenn er eine andere Vorstellung von Gott hatte als die Theologen. Sein Vorbild sei Giordano Bruno gewesen. Die Leiterin der Abteilung Nachlsse und Autographen kann dafr auch das eine berraschung auf etwa 100 Bnde grtenteils unverffentlichter Tagebcher und Manuskripte des 1872 gestorbenen Philosophen zurckgreifen. Feuerbachs Tochter Eleonore hat sie 1917 der Mnchner Universitt geschenkt. Hchste Zeit also auch nach bald 90 Jahren, dass die Wissenschaftler daran gehen, die Schtze zu heben, wie Tpelmann hofft.

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Nun liegt eine kleine Auswahl, meist in Kopie, in den 16 Vitrinen vor der Groen Aula, ergnzt durch Fotografien, Bilder, Dokumente. Man erfhrt etwa, in welchem Zusammenhang das hufigste Feuerbach-Zitat steht, der missverstndliche Spruch: Der Mensch ist, was er isst. Einige Vitrinen enthalten Privates aus dem Leben der Familie Feuerbach. Vor allem wird die auerordentliche Wirkungsgeschichte Feuerbachs deutlich. Und die Tatsache, dass sein Hauptwerk Das Wesen des Christentums (1841) eben nicht nur die deutschen Revolutionre und spter Marx, Engels, Lenin beeinflusste, sondern auch Richard Wagner. Der schrieb 1850 Das Kunstwerk der Zukunft in Anlehnung an Feuerbachs Philosophie der Zukunft und widmete es ihm zum Dank fr die von Ihnen mir gewordene Herzstrkung. ELISABETH HFL-HIELSCHER (c) Sddeutsche Zeitung

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Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

BZ Online vom 28.07.2004 Internet: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/feuilleton/362021.html

Wird alles gut, wenn wir uns nur lieben?


Dem Philosophen Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag Von Jens Balzer Im steingemeielten Gedchtnis der Denkergeschichte erscheint Ludwig Feuerbach bis heute als Reaktionr. Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kmmt drauf an, sie zu verndern, schrieben Karl Marx und Friedrich Engels 1845 in ihrer elften und letzten These ber Feuerbachs Philosophie: Darin erhoben sie ihn zum Inbegriff eines Philosophen alten Typs mithin zum bevorzugten Feindbild ihres neuen intellektuellen Selbstverstndnisses. Seine Religionskritik geielten sie als scheinhaftes Aufklrertum; in Wahrheit sei sie doch nur ein fauler Versuch, die Ideologie der bereits untergehenden brgerlichen Gesellschaft philosophisch zu restaurieren. Der Standpunkt des alten [Feuerbachschen] Materialismus, heit es in These 10, ist die brgerliche Gesellschaft; der Standpunkt des neuen die menschliche Gesellschaft oder die gesellschaftliche Menschheit. Und das, obwohl Marx sich kaum ein Jahr vor Niederschrift der Feuerbach-Thesen in einem Brief aus Paris noch folgendermaen an ihn herangewanzt hatte: Sie haben in [Ihren] Schriften dem Sozialismus eine philosophische Grundlage gegeben, und die Kommunisten haben diese Arbeiten auch sogleich in dieser Weise verstanden. Die Einheit des Menschen mit dem Menschen [...], der Begriff der Menschengattung aus dem Himmel der Abstraktion auf die wirkliche Erde herabgezogen, was ist er anders als der Begriff der Gesellschaft. Aber die Fronten wechselten schnell unter den Philosophen des Vormrz, die sich im Klima der wieder wachsenden Repression des preuischen Staates; und wegen ihrer systemkritischen Haltung allesamt ohne die Aussicht auf einen festen Universittsposten schrill aneinander zu profilieren versuchten. Whrend die staatlich subventionierte Philosophie etwa in Gestalt des alten Schelling die Restauration des christlichen Transzendenzdenkens betrieb, berboten sich die staatskritischen Atheisten Marx und Engels, Feuerbach, Max Stirner und Bruno Bauer nicht nur in der Kritik ihrer Gegner, sondern mit noch grerer Leidenschaft in den gegenseitigen Bezichtigungen, nicht staatskritisch genug zu sein, und das hie: noch nicht anti-theologisch und materialistisch genug. Es war also, wie es fortan immer sein wrde: Kaum konstituierte sich in Deutschland erstmals so etwas wie eine linke Philosophie, verstrickten sich ihre Protagonisten auch schon in den genretypischen Grabenkmpfen. Aus der Perspektive der Nachwelt betrachtet, hatte Feuerbach darunter besonders zu leiden: weil seine ehemaligen Bewunderer und pltzlichen Gegner zu den beliebtesten Philosophen der Welt avancierten, erwiesen sich die Sottisen gegen ihn als hartnckig haltbar. Freilich hatte er das Spiel zuvor gerne mitgespielt. Wie Marx und Engels mit ihm, war er mit seinem Lehrer Hegel verfahren: Erst hatte der junge Feuerbach sich aus dem Studium der Theologie (Schleimauswurf miratnen Scharfsinns) in die Verehrung der Hegelschen Vernunftphilosophie gerettet dann setzte er alles daran, diese Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag 25

Vernunftphilosophie selber als theologisch zu denunzieren. Weil Hegel die Vernunft des Menschen nicht aus der Leiblichkeit, dem innerweltlich Materiellen begriff, sondern alles Objektive als Erscheinung einer selbstgengsamen absoluten Subjektivitt ansah, sei er, so der in den Vierzigerjahren zum Materialisten gewandelte Feuerbach, bei allem scheinhaften Aufklrertum seinerseits nur ein verkleideter Christ. Und mithin ein Protagonist der abzulehnenden brgerlichen Gesellschaft. Denn wenn jemandem die Hauptschuld am unaufgeklrten, unvershnten, also brgerlichen Zustand der Welt anzulasten sei, dann der christlichen Religion. Mit dem fantastischen Versprechen berirdischer Glckseligkeit habe diese stets von der dringlichen Verbesserung des Diesseits abgelenkt; mit der Personalisierung des Verhltnisses zwischen dem Glubigen und seinem Gott halte sie die Menschen davon ab, sich im Dialog miteinander lebenswrdigere Verhltnisse zu schaffen. Eine revolutionre Praxis gegen die Religion, wie Marx und Engels sie spter gegen den Kapitalismus einklagten, schien Feuerbach dennoch nicht vonnten: da ihre Zeit ohnehin abgelaufen sei. Im unumkehrbaren Prozess der Skularisierung solle die Philosophie vielmehr die Rolle der nachholenden Interpretin bernehmen und etwa fragen, was sich in dem berwundenen falschen Bewusstsein an allgemeinmenschlichen Bedrfnissen zeige. Deute nicht etwa die christliche Feier der Liebe darauf, dass sich die Erkenntnis der Welt nur im liebenden Miteinander der Menschen vollzieht, im Dialog zwischen Ich und Du? In dieser, wenn auch im metaphysischen Spiegel verzerrten Einsicht in das menschlichen Dasein sei dem Christentum sogar der Vorzug vor dem einsamen Subjektivismus der Hegelschen Philosophie zu geben. Anders als vor ihm die Freidenker der Aufklrungsphilosophie und nach ihm Religionspathologen wie Nietzsche und Freud, betrachtet der Religionskritiker Feuerbach seinen Gegenstand also weder als bloes Mittel zur Manipulation der minder denkfhigen Massen noch als wahnhaften Ausdruck einer erkrankten Gattung. Vielmehr sieht er in ihr eine noch unreife Selbsterkenntnis des Menschen: Das Wesen des Christentums, schreibt er in seinem gleichnamigen ersten Hauptwerk aus dem Jahr 1841, ist nichts anderes als das Wesen des Menschen; man msse es nur von den Verzerrungen der Metaphysik befreien. Marx und Engels erschien dieses anthropologische Interesse am wahrhaften Gehalt der religisen Idee so lange als politisch fortschrittlich, wie sie sich ebenfalls mit der Kritik des Hegelschen Idealismus befassten und daraus noch nicht zur Kritik des Kapitalismus bergegangen waren. In den Feuerbach-Thesen begriffen sie die Religion erstmals als bloes Phnomen des berbaus und die Gefechte, die Feuerbach gegen sie stritt, ebenso als Ablenkung vom politischen Kampf, wie Feuerbach diese zuvor der Religion angelastet hatte. Rckblickend sieht man leicht, dass bloe konomiekritik erkenntnistheoretisch ebenso unzulnglich bleibt wie bloe Religionskritik. Richtig ist jedoch der Marx/Engelsche Einwand gegen Feuerbach, dass er keine Kritik der Religion als machtausbender Institution entwickelt. Dass die Praxis des Betens und des Gottesdiensts, in der er den 26 Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

Widerschein legitimer Bedrfnisse nach Vershnung des Individuums mit dem Allgemeinen erkennt, sich in der Kirche zum innerweltlich Institutionellen verhrtet und die Metaphysik dem Menschen eben nicht nur als aufzulsende Verrtselung seines eigenen Wesens entgegentritt, sondern auch als wesenseinklemmende repressive Macht davon hat Feuerbach keinen Begriff. Oder, in den Worten des 130 Jahre jngeren Feuerbachkritikers Louis Althusser: Er identifiziert die Religion zwar als Ideologie, nicht jedoch als ideologischen Staatsapparat. Die befreite Gesellschaft, den Kommunismus, wollte Feuerbach denn auch allein auf dem skularisierten Gefhl der christlichen Liebe begrnden. Dass ein bisschen Liebe nicht reicht, um die Macht der Institutionen zu brechen: in dieser Einsicht hat das marxistische Denken gegen ihn seine unbedingte berlegenheit bewahrt.

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Neue Zrcher Zeitung vom 28. Juli 2004, 02:10 Internet: http://www.nzz.ch/2004/07/28/fe/page-article9R13N.html

Der Mensch sei des Menschen Gott


Vor zweihundert Jahren wurde Ludwig Feuerbach geboren Ludwig Feuerbachs Denken sei schlechthin zum Standpunkt der Zeit geworden, auf dem wir nun alle bewusst oder unbewusst stehen. So schrieb Karl Lwith in seiner 1941 im Zrcher Europa-Verlag erschienenen Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts, die die Bewegung von Hegel zu Nietzsche als revolutionren Bruch nachzeichnet. An diesem Bruch war Feuerbach mit dem beteiligt, was Lwith summarisch als Versinnlichung und Verendlichung der philosophischen Theologie Hegels charakterisiert. Der Schlssel zum Geheimnis der Religion, so glaubte Feuerbach, sei die Anthropologie; die Antwort auf die Frage nach Gott der Mensch. Was aber hiee es, auf diesem Standpunkt zu stehen? Feuerbach, der am heutigen 28. Juli vor zweihundert Jahren im deutschen Landshut geboren wurde, war als Linkshegelianer, an den der Linkshegelianer Marx anschloss ein Vereinfacher. Man vereinfacht den Vereinfacher nicht noch, wenn man sagt: Wer Feuerbachianer ist, dem ist der Mensch schlichtweg alles, der sinnliche und endliche Mensch, der er selbst ist, und der Mensch, dessen er im Gegenber ansichtig wird. Mit Feuerbach gesprochen: Das Bewusstsein der Welt ist vermittelt durch das Bewusstsein des Du. So ist der Mensch der Gott des Menschen. Dass er ist, verdankt er der Natur, dass er Mensch ist, dem Menschen. Gott verdankt der Mensch mithin nichts. Umgekehrt verdankt Gott dem Menschen alles. Gott ist fr Feuerbach lediglich der Spiegel des Menschen, soll heien: der menschlichen Gattung. In Gott in der Vorstellung eines Gottes entuert die Gattung sich ihres eigenen Wesens; sie projiziert, weil das menschliche Gemt die Differenz von Wunsch und Wirklichkeit nicht gerne ertrgt, gewisse Zge ihrer selbst auf ein absolutes, jenseitiges Wesen: Gott ist der in das gewisse, selige Ist verwandelte Optativ des menschlichen Herzens. Der Mensch bringt dieses Ist hervor, um zu vergessen, dass er es hervorgebracht hat. Der spteren Religionskritik eines Durkheim und Freud hat Feuerbach manches vorgegeben. Ihm aber ging es, zuvrderst, um eine Kritik der Theologie und der Philosophie, in deren Lehren, wie er glaubte, der Zustand religiser Selbstentfremdung des Menschen fortdauere und seinen spekulativen Ausdruck finde. Die Vertauschung von Grund und Folge Gott wird zum Schpfer des Menschen, der doch eigentlich ihn geschaffen hat schlage sich in einer sprachlichen Verkehrung nieder. Feuerbach empfahl daher eine Umkehr-Therapie, die in verschiedenen Spielarten im gesamten Linkshegelianismus epidemisch verbreitet war. Er selbst sprach von einem universalen Selbstenttuschungsakt: Um die unverhllte, pure, blanke Wahrheit zu erhalten, msse nur immer das Prdikat zum Subjekt und das Subjekt zum Prdikat gemacht werden. 28 Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

Ein Beispiel beinahe heiliger Einfalt: Aus Gott ist die Liebe wird: Die Liebe ist gttlich. Ob der Privatgelehrte, dem eine akademische Karriere versperrt wurde, weil er in seinen 1830 (anonym) erschienenen und alsbald konfiszierten Gedanken ber Tod und Unsterblichkeit die Frmmlinge verspottet hatte, die Religion sozusagen ganz abschaffen oder aber seine Philosophie der Zukunft als neue Religion etablieren wollte das war ihm selbst augenscheinlich unklar. Sein Vater, Paul Johann Anselm von Feuerbach (1775-1833), ist als bedeutender Jurist, der mageblich an der Liberalisierung des Strafund Srafprozessrechts sowie der Abschaffung der Folter beteiligt war, in die Annalen eingegangen. Die Humanisierung des religisen Lebens, die Sohn Ludwig vorschwebte, wird dereinst wohl kaum als die Befreiung in Erinnerung behalten werden, als die sie gedacht war. In Feuerbachs Menschengattung sah bereits der Zeitgenosse Bruno Bauer, auch er ein wortgewandter Linkshegelianer, einen neuen Gott oder Gott von Neuem. Feuerbachs Oszillieren zwischen der sinnlichen und endlichen Natur der Menschen und der Vergottung der Gattung als alleinige, absolute Wirklichkeit mag man immerhin als Signatur auch unserer Gegenwart noch erkennen. Uwe Justus Wenzel

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St. Galler Tagblatt vom 28.07.2004 Internet: http://www.tagblatt.ch/index.jsp?artikel_id=935334&ressort=hintergrund

Denker der Zukunft


Der Mensch ist nicht ein Geschpf Gottes, sondern Gott ist ein Geschpf des Menschen: Ludwig Feuerbach fordert mit seinem Denken die Zeit heraus, heute wie damals. Hat er damit das Christentum auf den Kopf gestellt oder vom Kopf auf die Fsse? Wrdigung eines unabhngigen Denkers zu seinem 200. Geburtstag. Von Harry Pross. Der Bann war gebrochen, das System war gesprengt und beiseite geworfen. Die Begeisterung war allgemein: wir alle waren momentan Feuerbachianer. Selbst die Fehler des Buches trugen zu seiner augenblicklichen Wirkung bei. Der belletristische, stellenweise sogar schwlstige Stil sicherte ein greres Publikum und war immer eine Erquikkung nach den langen Jahren abstrakter und abstruser Hegelei. Dasselbe gilt von der berschwnglichen Vergtterung der Liebe, die gegenber der unertrglich gewordenen Souvernitt des reinen Denkens eine Entschuldigung, wenn auch keine Berechtigung fand. So beurteilte der 21-jhrige Friedrich Engels die Wirkung von Ludwig Feuerbachs Buch Das Wesen des Christentums auf die Zeitgenossen. Der damals siebenunddreiigjhrige Autor hatte Gott eine Schpfung des Menschen genannt und war ber Nacht berhmt geworden. Theologie: falscher Scharfsinn Ludwig war das vierte von acht Kindern des Juristen Paul Johann Anselm Feuerbach, der als Begrnder der neueren deutschen Strafrechtswissenschaft und Verfasser des bayerischen Strafgesetzbuches von 1813 in die Rechtsgeschichte eingegangen ist. Einen bedeutenden Vorkmpfer fr den Rechtsstaat, Beschtzer des armen Kaspar Hauser und einen groen deutschen Prosaisten, feuerflssig und doch lichtvoll, nennt Gustav Radbruch den Vater der Familie Feuerbach. Anselm Feuerbach, der Maler, war der Enkel des Juristen und eine Neffe des Philosophen Ludwig Feuerbach. Ludwig begann in Heidelberg Theologie zu studieren. Er meinte bald, dieser Schleimauswurf eines missratenen Scharfsinns sei nicht das, was er suche. In Berlin geriet er in den Bann Hegels. Ihm schickte er seine Dissertation mit einem Huldigungsbrief; aber die Verffentlichung unzeitgemer Gedanken ber Tod und Unsterblichkeit verhinderte dennoch eine Laufbahn als Philosophieprofessor. Durch seine Heirat mit Berta Lw konnte er zwei Jahrzehnte lang sorgenfrei und ohne Druck der Institutionen im Ansbachschen Rokokoschlsschen Bruckberg denken und schreiben. Die ersten zehn Jahre dieses Privatgelehrtentums vor der Revolution von 1848/49, die zweiten danach. Die letzten zwlf Jahre (von 1860 bis 1872) lebte Feuerbach, eine von vielen erloschenen Hoffnungen der Revolution, rmlich in Rechenberg bei Nrnberg. 30 Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

Kritik des Glaubens Ludwig Feuerbachs Kritik am Christentum war eine Kritik des Glaubens berhaupt. Im Glauben liege ein bses Prinzip, er sei das Gegenteil der Liebe. Die Liebe zum Menschen drfe keine abgeleitete sein, sie msse zur ursprnglichen Liebe werden: Die Liebe des Anderen sagt Dir, was Du bist. Nicht die Religion noch die Theologie, auch nicht die Philosophie, sondern die Anthropologie lehrt uns, was der Mensch als Mitmensch ist und damit was er berhaupt ist. Feuerbachs Religions- und Gotteskritik war zugleich eine Absage an den Hegelschen Idealismus als Staatsphilosophie. Er nahm die sensualistische und materialistische Kritik des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts wieder auf, womit er besonders auf den jungen Marx gewirkt hat. Marx hat ihn dann, wie einen anderen seiner Lehrmeister, Pierre Joseph Proudhon, polemisch der Nachwelt berliefert. Als 1968 die Studenten begannen, unruhig zu werden und im Marxismus vor Anker zu gehen, haben sie nicht zufllig Marxens Feuerbach-Thesen aufgegriffen. Sie suchten Antwort in einer Nachkriegskonstellation, die jener von 1840 nicht ganz unhnlich war. Fr Feuerbach war der leidende Mensch Ursache der Religion, Gott ein Wort, dessen Sinn der Mensch ist. Feuerbach hat gegenber dem Bndnis von Thron und Altar den Not leidenden, mangelhaften Menschen als den Schpfer Gottes vorgestellt. In der dialogischen Beziehung von Ich und Du, nicht in einer Illusion, die darber hinausweist, verwirklicht sich das Menschenleben: Wenn der Mensch nicht strbe, wenn er ewig lebte, wenn also kein Tod wre, so wre auch keine Religion. Mit diesem Hinweis auf den Tod und das Leiden verbindet Feuerbach die Aufforderung zum besseren diesseitigen Verhalten. In der Zweiheit liegt die Wahrheit Damit hat er auf Kierkegaard und die nachfolgenden Philosophen des Dialogs gewirkt bis hin zu Martin Buber, Karl Jaspers, Hermann Levin Goldschmidt, bis hin zu Freud und seiner Zukunft einer Illusion. Feuerbach meint mit seinem Ich und Du das jeweilige sinnlich konkret vorhandene Lebewesen: Was ich allein sehe, daran zweifle ich, was der andere auch sieht, das erst ist gewiss. Dass der Mensch ist, verdankt er der Natur, dass er Mensch ist, verdankt er dem Menschen. Dieses Beharren auf dem konkreten Menschen hat die Hegelsche Linke seinerzeit nicht bernommen, obschon sie Feuerbach viel verdankt. Marx, der in seiner sechsten These ber Feuerbach das menschliche Wesen als das Ensemble der gesellschaftlichen Verhltnisse bezeichnet, bleibt so abstrakt wie Hegel. An die Stelle der Philosophie als letzter Zuflucht der Theologie, wie sie Feuerbach kritisiert hatte, tritt nun der historische Materialismus. Es west in ihm genau wie im Idealismus, und man erfhrt nicht Mangel und Mitteilung des jeweiligen Ich, das Feuerbach zur Voraussetzung machte: Nur durch Mitteilung, nur aus der Konversation des Menschen mit dem Menschen, entspringen die Ideen. Nicht allein, nur zu zweit kommt man zu Begriffen, zur Vernunft berhaupt.

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Seiner Grenzen eingedenk Karl Lwith hat 1966 darauf hingewiesen, dass Feuerbach eine Antwort auf die Frage nach der Hervorbringung des Menschen wagt, die weder Hegel noch Marx zu erklren vermochten. Feuerbach war sich der Grenzen seiner Anthropologie wohl bewusst: Er sah sie nicht als Gegen-Theologie, sondern anstelle von Theologie. Nach allem, was er schrieb, hat Ludwig Feuerbach damit auch die Vergnglichkeit seines Entwurfes zugestanden. Damit ist er nun allerdings vielen Heutigen unendlich voraus, die ihre Menschen- und Gesellschaftsbilder verabsolutieren ein Philosoph der Zukunft. Stimmen zu Feuerbach Gottfried Keller (1819-1890) Ich habe aber auch noch keinen Menschen gesehen, der so frei von allem Schulstaub, von allem Schriftdnkel wre, wie dieser Feuerbach. Er hat nichts als die Natur und wieder die Natur; er ergreift sie mit allen seinen Fibern in ihrer ganzen Tiefe und lsst sich weder von Gott noch Teufel aus ihr herausreien. Friedrich Nietzsche (1844-1900) Man erinnere sich, wie begeistert seinerzeit Wagner in den Fustapfen des Philosophen Feuerbach gegangen ist: Feuerbachs Wort von der gesunden Sinnlichkeit das klang in den Dreiiger- und Vierzigerjahren Wagner gleich vielen Deutschen (- sie nannten sich die jungen Deutschen) wie das Wort der Erlsung. Martin Buber (1878-1965) Feuerbach hat jene Du-Entdeckung eingeleitet, die man die kopernikanische Tat des modernen Denkens und ein elementares Ereignis genannt hat, das genauso folgenschwer ist wie die Ich-Entdeckung des Idealismus und zu einem zweiten Neuanfang des europischen Denkens fhren muss, der ber den ersten Cartesianischen Einsatz der neueren Philosophie hinausweist. (red.)

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Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

DIE ZEIT Nr. 32 vom 29.07.2004 Internet: http://zeus.zeit.de/text/2004/32/ST-Feuerb_-Glosse


PHILOSOPHIE

Nur Mcke im Bernstein


Wieso denkt keiner an den 200. Geburtstag von Ludwig Feuerbach? Von Ludger Ltkehaus Dass es philosophische Moden gibt, ist ein Skandal der Philosophie. Denn in ihr soll es nicht um den Zeitgeist gehen, sondern um nichts als die Wahrheit und den Zwang des besseren Arguments. Gleichwohl sind auch die philosophischen Moden ausgeprgt. Als man in der ersten Hlfte des 19. Jahrhunderts sehr viel von Hegel hielt, hatte Schopenhauer nichts zu lachen, der dafr nach 1848 zum konkurrenzlosen Star aufrckte. Als Marx 1968 zum Meinungsfhrer wurde, da war es mit Schopenhauer und Nietzsche, mit Heidegger und Adorno und etlichen anderen Meisterdenkern auf lngere Zeit vorbei. Und dann kam 2003 doch wieder ein Adorno-Jahr, das zu einem einzigen Spektakel wurde. Und gerade hat das Kant-Jahr 2004 mit dem 200. Todestag seinen ersten Hhepunkt erreicht. Aber wo bleibt Feuerbach? Nie gehrt? Nun, wir meinen den Philosophen Ludwig Feuerbach aus der berhmten Feuerbach-Familie, deren Mitglieder kreativ zu nennen eine einzige Untertreibung wre. Am 28. Juli dieses Jahres jhrt sich zum 200. Mal sein Geburtstag. Doch weit und breit lsst sich beim Studium der Verlagskataloge so gut wie nichts zu Feuerbach entdecken. Allein der Aufbau-Verlag kndigt im Taschenbuch eine Biografie von Josef Winiger an. Die gro angelegte Akademie-Ausgabe der Gesammelten Werke dmpelt als ehemaliges DDR-Projekt vor sich hin. Merkwrdig. Denn Ludwig Feuerbach zhlt jenseits der philosophischen Moden zu den bedeutenden Autoren der deutschen Philosophie. berlebt hat er 1968 nur als Stichwortgeber der Marx- und Engels-Zungen. Allein Marx elf Thesen ber Feuerbach und Ernst Blochs Thesen ber Karl Marx Thesen ber Feuerbach haben ihn wie eine Mcke im Bernstein konserviert. Dass mit deren elfter These die Philosophen die Welt bisher nur verschieden interpretiert htten, ohne sie zu verndern, schob ihm die bloe praxisferne Interpretation zu. Seitdem auch Marx und Engels nichts mehr gelten, scheint er mit ihnen vergessen worden zu sein. Friedrich Engels Abgesang Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie wurde zu Feuerbachs Ausgang aus der klassischen deutschen Philosophie. Einzig der Frankfurter Philosoph Alfred Schmidt stritt unter dem verheiungsvollen Titel Emanzipatorische Sinnlichkeit fr das, was er Feuerbachs anthropologischen Materialismus nannte. In der Tat hat Feuerbach die anthropologische Wende der Philosophie eingeleitet. Die Rckbersetzung der Theologie in Anthropologie in seinen groen Werken ber Das Wesen des Christentums und Das Wesen der Religion hat ihn die universittsLudwig Feuerbach zum 200. Geburtstag 33

philosophische Beamtung und viele Sympathien gekostet. Indessen konnte man schwerlich der Religion mehr Ehre antun, als wenn man sie wie er auf ihre khnsten Ideen hin las. Mit der Priestertrugtheorie der radikalen Aufklrung hatte er nichts im Sinn. Aus dem Satz Gott ist Liebe wurde bei ihm die gttliche Liebe, die er wie die jdischen und christlichen Dialog-Philosophen des 20. Jahrhunderts als Vermittlung des Ich mit dem Du verstand. Kurzum: Wo ist der Verlag, der seinen Beitrag zu Feuerbach leistet? So viel ist sicher: Am 28. Juli feiern wir das Feuerbach-Jahr. (c) DIE ZEIT 29.07.2004 Nr.32

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NRNBERG

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NN vom 29.07..2004, S. 13

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Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

Nrnberger Zeitung vom 30.07.2004 Internet: http://www.nz-online.de/artikel.asp?art=223557&kat=11 Zwei Feuerbach-Feiern

Die richtigen Redner am falschen Ort


Philosophen-Geburtstag unterschiedlich begangen

Stell dir vor, ein groer Denker feiert seinen 200. Geburtstag, und du weit nicht, wo du hingehen sollst. Whrend die Stadt Nrnberg Ludwig Feuerbach einen rauschenden Festakt im Rathaus bereitete, fand zeitgleich auch eine Gedenkveranstaltung der hiesigen Ludwig-Feuerbach-Gesellschaft statt. berschaubar gibt sich der Versammlungssaal der Freimaurerloge Zur Wahrheit an der Hallerwiese. Am Podium prangt ein Stahlstich, der Feuerbach in seinen besten Jahren zeigt samt Krausebart und selbstbewusstem Gestus. Daneben stehen die blumenbekrnten drei kleinen Lichter der Freimaurer: eine ionische, eine dorische und eine korinthische Sule, stellvertretend fr Weisheit, Strke und Schnheit. In dieser heilgen Halle erklingt die wunderschne Ouvertre aus Mozarts Zauberflte aus den Lautsprechern. Und weil er so schn klingt, kehrt Mozart in der Endlosschleife immer wieder. Die Freidenker hatten sich im Vorfeld der Veranstaltung beschwert, die Stadt htte ihr Programm abgekupfert (die NZ berichtete), aber immerhin einige Stadtrte (darunter Utz Ulrich von der FDP) hatten sich doch zum Vortrag eingefunden. Wer nun aber neue Erkenntnisse zu Feuerbachs Philosophie erwartet hatte, sah sich enttuscht: Der Vortragende Alfred Krner riss vor rund achtzig Zuhrern lediglich Feuerbachs Lebens- und Wirkungsgeschichte ab, immerhin lebendig und anschaulich geschildert und mit Diaprojektionen untersttzt, aber doch eher Altbekanntes wiederholend. Gern gesehener Gast Immerhin ging Krner auch der Privatperson Feuerbach und seinem Verhltnis zu Nrnberg nach. Zwar war Feuerbach nur blutenden Herzens 1860 zum Rechenberg (der damals noch gar nicht eingemeindet war) gezogen im Glauben, mit dem Mietkontrakt mein Todesurteil unterzeichnet zu haben. Aber dann war er doch gern gesehener Gast im Wirtshaus Zum Grauen Kater und Mitglied mehrerer Vereine. Ob er, der unter dem Werkslrm eines Schusters mitsamt Hund zu leiden hatte (eine akustische Kloake) nun wirklich Mitglied der hiesigen Sozialdemokraten war, konnte selbst Krner nicht eindeutig besttigen. Immerhin richteten ihm die Sozis 1872 ein rauschendes Begrbnis als Massendemonstration gegen das Pfaffentum aus. Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag 41

Mit der Bibel beschftigt Einen weiteren Schwerpunkt in Krners Vortrag nahm das Feuerbach-Denkmal auf dem Rechenberg, seine Entfernung 1933 durch die Nazis (unter Mitwirkung der evangelischen Kirche) und die umstrittene Wiederaufstellung 1955 ein. Feuerbach hatte zuerst ein Theologiestudium begonnen und sich zeitlebens mit der Bibel und Luther beschftigt. Ist der groe Religionskritiker nun ein verunglckter Theologe oder gar ein unglubiger Theologe, als den ihn der Festredner Rolf Grschner beim Festakt im Historischen Rathaussaal bezeichnet? Allein diese Vorstellung erscheint der Feuerbach-Gesellschaft als ein rotes Tuch. Vivaldi statt Mozart Das Rathaus brachte zwar keinen Mozart zu Gehr, dafr Vivaldi, Urcellini und Telemann, live musiziert von Inge Marg, Elisabeth Kaufhold und Ralf Waldner. Unter den rund zweihundert Zuhrern befanden sich naturgem mehr Stadtrte als bei der anderen Geburtstagsfeier in der Loge (wiederum mit Utz Ulrich von der FDP; wie schafft der das blo?) und die Qualitt des Vortrages erforderte ein hochkonzentriertes Zuhren ab. Was bleibt nach zwei konkurrierenden Festakten? Utz Ullrich bringt es auf den Punkt: Vielleicht htte man die Festredner austauschen sollen. Krner htte mit den privaten Bezgen Feuerbachs zu Nrnberg den Stadtrten geschmeichelt und Grschner htte den Freidenkern neuen Stoff zum Nachdenken gegeben! Und was sagt Feuerbach? Folge unverzagt deinen Trieben und Neigungen, aber allen! Dann wirst du keiner einzigen zum Opfer fallen. Darum, im Dasein fest verwurzelt, jenseitigen Spekulationen abhold und materialistisch gesonnen, wenden wir uns Bier und Brezeln zu. Reinhard Kalb
30.7.2004 0:00 MEZ

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Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

Internet: http://www.idowa.de/idowa/bereich_de/nachrichten/nachricht.html?ort_id=6&nachrichten_id=876358

Sonderstempel fr Feuerbach: Landshuter Rathausgalerie am 28. Juli wieder Postamt - 200. Geburtstag des Philosophen

Mit einem Sonderstempel erinnert die Stadt Landshut an Ludwig Feuerbach. Landshut. In ein Postamt verwandelt sich am Mittwoch, 28. Juli, wieder die kleine Rathausgalerie: Anlsslich der Prsentation einer Briefmarke mit Ludwig Feuerbach in Nrnberg gedenkt die Stadt des vor 200 Jahren in Landshut geborenen Philosophen und ehrt ihn mit einem Sonderstempel. Noch zu gut erinnern sich alle Landshuter an den Andrang im Januar, als anlsslich des Stadtjubilums die Sonderbriefmarke *800 Jahre Stadt Landshut vorgestellt wurde. Nun drfen sich die Freunde der Philatelie auf einen weiteren Hhepunkt freuen: Am Mittwoch, 28. Juli, von 9 bis 16 Uhr kommt das Erlebnisteam der Post erneut nach Landshut. Im Gepck hat es dabei nicht nur die neue Feuerbach-Briefmarke im Wert von 1,47 Euro, sondern auch den von Kulturbeauftragtem Helmut Stix entworfenen Sonderstempel. Kaum ein anderer Philosoph des vergangenen Jahrhunderts hat das Denken nachfolgender Generationen so beeinflusst wie der am 28. Juli 1804 in Landshut geborene sptere Philosoph Ludwig Feuerbach. Fr die einen galt er als einer der bedeutendsten Gelehrten seines Jahrhunderts, fr andere war er dagegen ein gefhrlicher Provokateur traditioneller Theologie. Sein 1841 erschienenes Buch ber Das Wesen des Christentums wirkte wie ein Sprengsatz in der gelehrten Geschichte seiner Zeit. Nicht nur Ludwig Feuerbach mit Briefmarke, Sonderstempel und besonderem Kuvert steht im Blickpunkt im Sonderpostamt im Rathaus: Briefmarken-Freunde haben erneut die Mglichkeit, die Landshut-Briefmarke, Landshut-Postkarten, Faltkaraten, Ersttagsbltter zu erwerben. Hier arbeitet die Stadt auch eng mit dem Briefmarkensammlerverein Landshut zusammen.

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Die Stadt Nrnberg ehrte Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag mit einem Gebinde am Grab auf dem Johannisfriedhof sowie einer Festveranstaltung im Alten Rathaus.

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Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

Information Philosophie Nr. 4 Ausgabe Oktober 2004


S. 143-144 JUBILEN Feuerbach Wieso denkt keiner an den 200. Geburtstag von Ludwig Feuerbach? fragte die Zeit Die Wrdigungen halten sich in Grenzen stimmte Gert Lange in der Sddeutschen Zeitung in den Klagegesang ber das schwache Echo, das Feuerbachs 200. Geburtstag in der deutschen Kulturlandschaft fand, ein. Aber auch wenn das Interesse an Feuerbach nicht mit dem an Kant zu vergleichen ist: Immerhin fanden drei Tagungen (in Erlangen, Nrnberg und Trier) statt (eine vierte findet am 22./23. Oktober in Berlin statt), es erschienen ber 30 Zeitungsartikel ber Feuerbach wenn auch hauptschlich in Bayern und Ostdeutschland die groen berregionalen Tageszeitungen hielten sich zurck). und die Post brachte eine Feuerbach-Sondermarke heraus. Die Mnchner Universitt, die Feuerbachs Bewerbung um eine Professur kommentarlos zurckgewiesen hatte, widmete ihm eine Ausstellung. Einzig der Buchmarkt blieb abseits: es erschienen zwar drei Bcher, zwei davon aber im wenig bekannten Angelika Lenz Verlag, dem Verlag der deutschen Freidenker sowie im Aufbau-Verlag eine Biographie von Josef Winiger (Ludwig Feuerbach. Denker der Menschlichkeit. 397 S., 11.50). Feuerbach erscheine heute philosophiegeschichtlich als reaktionr, urteilt Jens Balzer in der Berliner Zeitung. Schuld daran seien Marx und Engels, die ihn als Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag Protagonisten der abzulehnenden brgerlichen Gesellschaft abgewertet htten. Richtig sei jedoch deren Kritik an Feuerbach, dass er keine Kritik der Religion als machtausbende Institution entwickelt habe. Aber, so Josef Tusch im Bonner Gener-Anzeiger, soweit es auf Wirkung in die Breite ankommt, war es wohl weder Marx noch Nietzsche, sondern vielmehr Ludwig Feuerbach, der die reprsentative Philosophie fr das folgende Jahrhundert geliefert hat. Feuerbachs Gedanke, so Annette Schrder in der Hannoverschen Allgemeinen, dass der Gott der Menschen immer etwas mit ihnen selbst zu tun hat und ein Spiegel ihres, irdischen Daseins, ihrer Hoffnungen und ngste ist, bleibt aktuell. Zwar seien Feuerbachs Thesen, mit denen er seinerzeit einen heute kaum noch vorstellbaren Skandal entfacht habe, heute Allgemeingut, philosophiert Wolfram Eilenberger im Tagesspiegel (vom 28.7.) Dennoch bestehe sein Geist fort, er hat nur die Gestalt gewechselt. Wir fnden ihn etwa in Michael Moores Frontalangriff auf den Geist des 11. Septembers oder bei Morgan Spurlock mit seiner vier Wochen whrenden McDonalds-Orgie. Die Welt (vom 28.7.) erinnert daran, dass Feuerbachs religionskritische Wirkung doch beschrnkt geblieben sei: Das Bruckberger Schloss, in dem Feuerbach 23 Jahre seines Lebens verbrachte, sei 19 Jahre nach seinem Tod ein Zentrum der evangelischen Kirche geworden. Die Stadt Nrnberg organisierte anlsslich des Geburtstages mit dem dortigen Ver45

ein fr Geschichte einen Festakt, bei dem neben Oberbrgermeister Ulrich Maly der aus Nrnberg stammende Rechtsphilosoph Rolf Grschner das Hauptreferat hielt. Merkwrdigerweise wurde die in Erlangen ansssige Ludwig-FeuerbachGesellschaft (LFG), die sehr viel dazu geleistet hat, die Erinnerung an Feuerbach in Franken wachzuhalten, nicht in die Planung des Festaktes eingebunden. Dietrich Grille, der stellvertretende Vorsitzende der LFG klagt nun (Nrnberger Zeitung vom 27.7.), die Ludwig-Feuerbach-Gesellschaft habe die Stadt eingeladen, mit ihr den Festakt gemeinsam durchzufhren und dabei ein Programm vorgelegt. Nun habe die Stadt dieses Programm abgekupfert und eins zu eins bernommen, ohne sich auch nur fr die Vorarbeit zu bedanken. Die Stadt weist den Vorwurf zurck: Es gebe zwei Feuerbach-Gesellschaften, und auch die Deutschen Freidenker htten eine Feuerbach-Veranstaltung geplant: Um sich hier nicht in Auseinandersetzungen um die richtige Interpretation Feuerbachs involviert und von irgendeiner Seite vereinnahmt zu werden, habe die Stadt frhzeitig entschieden, eine eigene Veranstaltung durchzufhren. Dazu die Nrnberger Nachrichten: Die Feuerbach-Gesellschaft hatte schon vor einem Jahr ihren Festakt mit der Freimaurerloge Zur Wahrheit am selben Tag um 19 Uhr im Logenhaus, Hallerwiese 16a angekndigt (Nrnberger Nachrichten vom 24.7.). Der Freidenkerverband wrdigte Feuerbach mit einem Symposium in Nrnberg, an dem sich an die hundert Personen beteiligten. Auch er macht der Stadt Vorwrfe: Diese habe mit ihrem Festakt eine bewusste Gegenveranstaltung organisiert (Nrnberger Nachrichten vom 29.7.). 46

Die Stadt Nrnberg selber hat sich bislang nicht besonders um das Andenken an Feuerbach gekmmert. Feuerbachs Haus gegenber der heutigen Tafelhalle war schon vor dem Zweiten Weltkrieg der Bauwut zum Opfer gefallen. Sein Grab hatte ursprnglich ein Obelisk geschmckt, heute fllt das Flachgrab auf dem Johannisfriedhof kaum auf. Der Obelisk war 1930 aufgestellt worden, wurde von den Nazis abmontiert und erst 1955 wieder aufgestellt. Doch nun war die evangelische Kirche dagegen: die Aufschrift Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde strte sie. Zum 200. Geburtstag hat aber nun die Stadt den ehemaligen Spazierweg Feuerbachs zum Philosophenweg umbenannt (Nrnberger Zeitung vom 24.7.). Dabei ist nur noch ein Abschnitt des ursprnglichen Pfades erhalten. Dort ldt nun eine schlichte Bodenplatte mit den Inschriften Ich und Du, entworfen und gestiftet vom Brgerverein St. JobstErlenstegen, zum Innehalten und Nachdenken ein. Weiter oben finden sich dann Tafeln mit markanten Zitaten Feuerbachs sowie einem Stich von dessen frherem Anwesen. Geboren war Feuerbach in Landshut, in einem Eckhaus in der Neustadt, wo heute das Stadtsteueramt untergebracht ist. Und auch in Landshut gedachte man Feuerbachs. Der Regensburger Dizesanbischof Gerhard Ludwig Mller sprach in der Erlserkirche in einer Feierstunde ber den Philosophen. Dieser, so der Bischof, habe sich keinesfalls als kmpferischer Atheist oder Kirchenfeind verstanden: Feuerbach will nur erklren, warum sich das Christentum, Religion berhaupt in Auflsung befindet. Allerdings sei vor Feuerbachs Satz Der einzige Gott des Menschen ist der Mensch selbst zu warLudwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

nen, denn darin berge sich die Gefahr des Totalitarismus. Im brigen sei Gott alles andere als eine Illusion: Ein freier, unabhngiger Gott, der diese Welt erschaffen hat, ist vernnftig zu erklren.

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DEUTSCHLANDFUNK - Kln Redaktion Religion und Gesellschaft Tel.: 0221 / 345 1580

STUDIOZEIT Aus Religion und Gesellschaft Das Geheimnis der Theologie mu aufgedeckt werden Der Philosoph Ludwig Feuerbach und seine Religionskritik Von Astrid Nettling

Sendung: 03. November 2004 Uhrzeit : 20.10 - 20.30 Uhr

- unkorrigiertes Manuskript -

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Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

DEUTSCHLANDFFUNK - STUDIOZEIT - Sdg.: 03.11.2004 Gott ist ein Wort, dessen Sinn nur der Mensch ist Zum 200. Geburtstag des Philosophen und Religionskritikers Ludwig Feuerbach Von Astrid Nettling Sprecher (Zitat Feuerbach): Die Religion ist das Verhalten des Menschen zu seinem eigenen Wesen darin liegt ihre Wahrheit , aber zu seinem Wesen nicht als dem seinigen, sondern als einem andern, von ihm unterschiednen, ja entgegengesetzten Wesen darin liegt ihre Unwahrheit. Sprecherin: Im Frhjahr 1841 erscheint die Schrift, die mit einem Schlag den Ruhm des Philo-sophen Ludwig Feuerbach begrndet Das Wesen des Christentums, eine religionskritische Streitschrift, die er im Alter von sechsunddreiig Jahren an die ffentlichkeit bringt. ber Nacht in aller Munde wurde sie von vielen seiner Zeitgenossen als ein regelrechter Befreiungsschlag empfunden. Die Begeisterung war allgemein: wir waren alle momentan Feuerbachianer, schreibt rckblickend Friedrich Engels. Begeistert war auch der Schriftsteller Gottfried Keller, der in einem Brief bekennt: Sprecher (Zitat Keller): Erst jetzt fange ich an, Natur und Mensch so recht zu packen und zu fhlen, und wenn Feuerbach weiter nichts getan htte, als da er uns von der spekulativen Theologie und Philosophie erlste, so wre das schon ungeheuer viel. Sprecherin: Offenbar hatte Feuerbach den Nerv seiner Zeit getroffen, die nach einer gegenwarts-nahen, modernen Deutung des Menschen und seiner Wirklichkeit verlangte. In seinem Vorwort zu Das Wesen des Christentums stellt er fest: Sprecher (Zitat Feuerbach): Das Christentum ist nichts weiter mehr als eine fixe Idee, welche mit unseren Feuer- und Lebensversicherungsanstalten, unseren Eisenbahnen und Dampfwagen, unsern Pinakotheken und Glyptotheken, unsern Kriegs- und Gewerbsschulen, unsern Theatern und Naturalienkabinetten im schreiendsten Widerspruch steht. Sprecherin: Diesen Widerspruch hat Feuerbach selbst in seinem eigenen Werdegang erfahren. Aufgewachsen in einem Klima erbaulicher Religiositt, wie es fr das liberale Brgertum seiner Zeit typisch war, zeichnete er sich whrend seiner Gymnasialzeit durch Gottglubigkeit und Bibelfrmmigkeit aus. In einem Brief des Sechzehnjhrigen an seine Mutter heit es, besorgt um die rechte Frmmigkeit seiner drei Schwestern: Sprecher (Zitat Feuerbach): Halte sie ja recht, gute Mutter, an, da sie fleiig in den Stunden der Andacht und in der heiligen Bibel lesen. Denn wahrlich die Bibel ist das Buch aller Bcher und unser kostbarstes Gut, denn nur sie kann uns glcklich, selig und zufrieden machen. Sprecherin: Selbstverstndlich kommt fr den jungen Feuerbach nichts anderes in Frage als das Studium der Theologie. In Heidelberg, wo er seine Studien aufnimmt, erfhrt seine kindlich-naive Frmmigkeit durch die dort gelehrte spekulative Theologie Reifung Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag 49

und intellektuelle Vertiefung. Schnell werden ihm orthodoxe Dogmengeschichte und deren Rechtfertigung, wird ihm die rationalistische Erklrung neutestamentlicher Wunder zu eng. Angezogen von der lebendigen Kraft des spekulativen Denkens zieht es ihn jedoch nach einigen Semestern weiter hin zur Philosophie. Er will nach Berlin zu Hegel, dem Spiritus rector spekulativen Denkens. Trotz aller Vorhaltungen von Seiten des Vaters wechselt Feuerbach im Sommersemester 1925 in die philosophische Fakultt. Sprecher (Zitat Feuerbach): Palstina ist mir zu eng; ich mu, ich mu in die weite Welt, und diese trgt blo der Philosoph auf seinen Schultern. Aus dem jugendlichen schnen Reiz des Morgenlandes trete ich in die gereifte mnnliche Besonnenheit der Philosophie. Ich will die Natur an mein Herz drcken, vor deren Tiefe der feige Theologe zurckschreckt, deren Sinn der Physiker mideutet, deren Erlsung allein der Philosoph vollendet. Den Menschen, aber den ganzen Menschen. Mit den alles durchdringenden Wurzelfasern der Gedanken will ich mich ausdehnen bis an die Enden der Welt. Sprecherin: Nicht mehr, aber auch nicht weniger als das Ganze, das ungeteilte Ganze von Natur und Geist, Mensch und Welt, Vernunft und Sinnlichkeit will Feuerbach somit als Philosoph schultern Pantheismus statt Theismus lautet nun sein philosophisches Credo, mit dem er vor allem gegen das Christentum Stellung bezieht. Sprecher (Zitat Feuerbach): Welche Bedeutung hat die Natur in dieser Religion? Unbegriffen, unaufgenommen in die Einheit des gttlichen Wesens liegt sie da, so da nur die Person (nicht die Natur, nicht die Welt) Erlsung feiert. Sprecherin: Mit Feuereifer verteidigt er den Pantheismus als die einzig wahrhafte menschliche Haltung. Allein im Hier und Jetzt dieses irdischen, endlichen Lebens gilt es, das Unendliche zu entdecken, im Einfachen die unbegrenzte Vielheit des Gttlichen aufzuspren. Hen kai pan, wie es bei den Griechen gelautet hat, Ein und Alles, eine Einheit, die durch das Christentum in ein nichtiges Diesseits und ein fiktives Jenseits auseinandergebrochen wurde. Sprecher (Zitat Feuerbach): Indem nun so alles wahrhaft Wirkliche, Wesenhafte aus dem wirklichen Leben, der Natur und Weltgeschichte verschwunden ist, Alles massakriert, in seine Teile aufgelst ist, so pflanzt nun das Individuum auf den Trmmern der zerstrten Welt das heilige Banner des Glaubens an seine Unsterblichkeit und das gelobte Jenseits. Auf den Ruinen des gegenwrtigen Lebens erwacht ihm zugleich das Gefhl und Bewutsein seines eignen, innerlichen Nichts und in dem Gefhl dieses zweifachen Nichts entquillt ihm die barmherzige Trnenperle und Seifenblase der zuknftigen Welt. Sprecherin: Wettert Feuerbach leidenschaftlich in seiner frhen Schrift Gedanken ber Tod und Unsterblichkeit was ihn freilich seine akademische Karriere kostet. 1837 zieht er sich vllig aus dem Universittsleben auf das Schloss Bruckberg bei Ansbach zurck, wo er dank seiner Heirat mit Bertha Lw, der Tochter eines Porzellanfabrikanten, sein Leben als Privat-gelehrter aufnehmen kann. Was aber war aus seiner anfnglichen Begeisterung fr Hegel und die spekulative Philosophie geworden? Bereits whrend 50 Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

seines Studiums hatte er sich davon distan-ziert. Hegel war ihm in Sachen Christentum nicht radikal genug. Hegel dringt sehr auf die ber-einstimmung der Philosophie mit der Religion, namentlich mit den Lehren der christlichen Religion. Auerdem missfiel ihm dessen stiefmtterliche Behandlung der Naturphilosophie, und er kritisierte entschieden die Kopflastigkeit der Hegelschen Spekulation. Schnell wurde ihm klar, wer Hegel, die spekulative Philosophie und den absoluten Geist nicht aufgibt, der gibt auch das Christentum und Gott nicht auf und perpetuiert blo jenen Bruch weiter, den es nach Feuerbach gerade zu berwinden gilt. Deshalb muss an die Stelle Gottes der Mensch treten, der konkrete, sinnliche, fhlende, denkende und handelnde Mensch, sonst kommen wir nie zur unmittelbaren Einheit mit uns selbst, mit der Welt, mit der Wirklichkeit. Sprecher (Zitat Feuerbach): Das gttliche Wesen ist nichts anderes als das menschliche Wesen oder besser: das Wesen des Menschen, abgesondert von den Schranken des individuellen, d.h. wirklichen, leiblichen Menschen, und vergegenstndlicht, d.h. angeschaut und verehrt, als ein anderes, von ihm unterschiednes, eignes Wesen alle Bestimmungen des gttlichen Wesens sind darum Bestimmungen des menschlichen Wesens. Sprecherin: Lautet dann die Grundthese, zu der Feuerbach vier Jahre spter in Das Wesen des Christentums gelangt: Gott und die christlichen Jenseitsvorstellungen sind nichts anderes als Projektionen des Menschen, die seinem verfehlten Weltverhltnis entsprungen sind, das ihn aus dem selbstproduzierten Jammertal hienieden in den Glauben an ein vollkommenes Jenseits und an einen transzendenten Gott fliehen lsst. Aber nicht nur in Hinblick auf die christliche Reli-gion, Feuerbach konzipiert seine Streitschrift als eine anthropologische Entstehungsgeschichte der Religion berhaupt. Denn generell gilt, dass der Mensch sein eigenes Wesen zuerst auer sich verlegt, ehe er es in sich findet. Die Religion stellt historisch betrachtet die erste Form menschlichen Selbstbewusstseins dar, aber in Wahrheit bildet sie ein Durchgangsstadium des Menschen auf dem Weg zu sich selbst. Denn: Sprecher (Zitat Feuerbach): Das Geheimnis der Theologie ist die Anthropologie. Aber die Religion hat nicht das Bewutsein von der Menschlichkeit ihres Inhalts, sie setzt sich vielmehr dem Menschlichen entgegen, oder wenigstens sie gesteht nicht ein, da ihr Inhalt ein menschlicher ist. Sprecherin: Deswegen muss das Geheimnis der Theologie aufgedeckt, mssen Religion und religises Bewusstsein ber sich selbst aufgeklrt werden. Wichtig fr ihn wird dabei der Gedanke der Selbstentfremdung. Religion ist Ausdruck der Selbstentfremdung des Menschen der Entfremdung von seiner eigenen Natur, seinem Gattungswesen. Dies wiederum ist das Ergebnis menschlicher Projektion. So der zweite Kerngedanke Feuerbachs, der auch fr Sigmund Freud zum wesentlichen Bestandteil seiner psychoanalytischen Religionskritik wird. In der Religion projiziert der Mensch, d.h. er stellt sein eigenes Wesen aus sich heraus und stellt sich dieses als eine eigenstndige Wirklichkeit und Macht gegenber, von der er die Dinge erhofft, die er in seiner individuellen Begrenztheit nicht selber erreichen kann. Diese Projektion vollzieht sich jedoch als ein Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag 51

bewusstloser Vorgang, wie auch der Zustand der Selbstentfremdung nicht gewusst wird. Erst die Aufklrung darber ffnet der Religion und dem Menschen die Augen und fordert sie auf, die Projektion als Projektion zu durchschauen und sich das entfremdete Eigene wieder anzueignen. Was nach Feuerbach die letztendliche Verwirklichung der Religion darstellt ihr Heraustreten aus dem Zustand einer Theologie in ihre wirkliche und wahre Gestalt einer Anthropologie, wo an die Stelle Gottes der Mensch getreten ist. Sprecher (Zitat Feuerbach): Der notwendige Wendepunkt in der Geschichte ist daher dieses offne Bekenntnis und Eingestndnis, da das Bewutsein Gottes nichts anderes ist als das Bewutsein der Gattung, da der Mensch kein andres Wesen als absolutes, als gttliches Wesen denken, ahnen, vorstellen, fhlen, glauben, wollen, lieben und verehren kann als das menschliche Wesen. Was der Religion das Erste, Gott, das ist der Wahrheit nach das Zweite, und was ihr das Zweite ist, der Mensch, das mu daher als das Erste gesetzt und ausgesprochen werden. Homo homini Deus est, der Mensch ist dem Menschen ein Gott dies ist der Wendepunkt der Welt-geschichte. Sprecherin: Doch diese Wendung Feuerbachs blieb trotz aller Zustimmung, die seine Religions-kritik in weiten Kreisen auslste, nicht unwidersprochen. Schon bald nach Erscheinen von Das Wesen des Christentums wurde das Buch von einigen Zeitgenossen als ein nur halbherziger Versuch kritisiert, die Religion tatschlich zu berwinden. So moniert der Theologe und Hegelkritiker Bruno Bauer die Halbheit Feuerbachs, die in ihrer Inkonsequenz an die Stelle des alten Gottes lediglich einen neuen setze und die Entfremdung nicht wirklich aufhebe. Auch der Philosoph Max Stirner wirft Feuerbach einen frommen Atheismus vor, der blo zu einem Herrenwechsel und keiner wirklichen Befreiung fhre. In seinem Buch Der Einzige und sein Eigentum schreibt Stirner: Sprecher (Zitat Stirner): Gott aus seinem Himmel zu vertreiben und der Transzendenz zu berauben, kann keinen Anspruch auf vollkommene Besiegung begrnden, weil er dabei nur in die Menschenbrust gejagt und mit unvertilgbarer Immanenz beschenkt wird. Es hat das bisher dem Hchsten untergeordnete Wesen, der Mensch, die absolute Hhe erstiegen, und Wir verhalten Uns zu ihm als zum hchsten Wesen somit ist ein vollstndiger Herrenwechsel eingetreten. Sprecherin: Karl Marx schlielich legt in seinen Elf Thesen ber Feuerbach dar, dass dessen Halbheit in seiner ungengenden Erklrung des religisen Projektionsprozesses liege. Feuerbach habe den Menschen und seine Entfremdung nicht als Produkt geschichtlich gewordener gesell-schaftlicher Entfremdungsverhltnisse gesehen, deren Reflex erst die religise Projektion dar-stelle. Wie alle Philosophen habe auch Feuerbach die Welt nur verschieden interpretiert, wo es doch darauf ankomme, sie zu verndern. Fr Karl Lwith sind diese Reaktionen auf Feuerbach nicht zuletzt ein Ausdruck, der sich selbst berschlagenden Bewegung nach Hegel, die Folge des Zusammenbruchs der spekulativen Philosophie mit Hegel als ihrer alles beherrschenden Denkerpersnlichkeit: Sprecher (Zitat Lwith): Was dem einen als Atheismus erschien, hatte schon der nchste als immer noch theologisch, religis und christlich entdeckt. Strau galt Bauer als Pfaffe, Feuerbach Stirner als frommer Atheist. Bauer galt Marx als ein Kritiker, 52 Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag

der nur als Theologe kritisch ist. Max Stirner, der alle zu bertrumpfen glaubte, wird von Marx als Kirchenvater und Sankt Max persifliert, whrend wiederum Feuerbach in Stirners einzigem Ich die christliche Individualseligkeit zum Vorschein kommen sieht. Sprecherin: Gott war mein erster Gedanke, die Vernunft mein zweiter, der Mensch mein dritter und letzter Gedanke, fasst Feuerbach die Stationen seines Werdegangs zusammen. 1804 geboren, war er in eine Zeit geistigen Umbruchs hineingewachsen, die Bruno Bauer als ein Erwachen aus dem seligen Traum von der Einheit der Idee und Wirklichkeit charakterisiert hat. Als ein Erwachen aus dem seligen Traum der Religion so hat Feuerbach die Herausforderung seiner Zeit verstanden, in der die Menschen nicht nur zu sich selbst, zu ihrem unmittelbaren Fhlen, Denken und Handeln, finden sollen, sondern auch zu einem nicht entfremdeten gemein-schaftlichen Miteinander fhig werden. Sprecher (Zitat Feuerbach): Der Glaube an den Menschen als die hchste und letzte Bestimmung und ein diesem Glauben gemes Leben fr den Menschen, mit dem Menschen. Sprecherin: 1872 starb Ludwig Feuerbach nahezu unbemerkt von seinen Zeitgenossen nach Jahren wechselnder Krankheiten und zunehmender geistiger Mdigkeit. An den Erfolg von Das Wesen des Christentums hatten seine spteren Schriften nicht mehr anknpfen knnen. Dennoch hat seine Religionskritik Epoche gemacht. So betont der Philosoph Gnter Rohrmoser: Sprecher (Zitat Rohrmoser): In allen religionskritischen Anstzen der Gegenwart geht man mit nicht weiter zu diskutierender Selbstverstndlichkeit von der berzeugung aus, da in allen religisen Verhltnissen der Mensch es nicht mit einem anderen, sondern nur mit sich selbst zu tun habe. Es gibt nur den Menschen im Verhltnis zur Natur und den Menschen im Verhltnis zu anderen Menschen. Es braucht nicht nher erlutert zu werden, in welchem Ausmae Feuerbach mit diesem Gedanken auch theologisch Epoche gemacht hat. Das wahre religise Verhltnis verwirklicht sich fr den Menschen in dem Verhltnis von Mensch und Mensch als dem Ort der Vermenschlichung einer wahrhaft humanen Religion. Sprecherin: In diesem Sinne stellt auch der Theologe Karl Barth fest, dass die anthropologische Antitheologie Feuerbachs objektiv die letzte Konsequenz einer wichtigen und bedeutenden Mg-lichkeit der modernen Theologie darstellt. Was ihn jedoch nicht daran hindert, gerade diese letzte Konsequenz in ihrer vermeintlichen Anthropozentrik als theologisch vllig verfehlt zurckzuweisen und damit ebenso Feuerbachs Religionskritik, dessen Antitheologie auf nichts anderes als auf eine Apotheose, eine Vergttlichung des Menschen, hinauslaufe. Karl Barth schreibt: Sprecher (Zitat Barth): Als ob bei Feuerbach nicht in ihrer Art ebenso unbegrndet wie die Offenbarung selbst, die Anschauung festgesessen htte, da der Mensch nicht nur das Ma aller Dinge, sondern der Inbegriff, der Ursprung und das Ziel aller Werte sei. Hier steckt seine Platt-heit, aus der sich die Plattheit seiner Religionserklrung ergibt. Ludwig Feuerbach zum 200. Geburtstag 53

Und wer hier nicht in der Lage ist, ihm einfach ins Gesicht zu lachen, der wird mit weinerlicher oder entrsteter Kritik seiner Religionserklrung niemals beikommen. Wer das wte, da wir Menschen bse sind vom Schopf bis zur Sohle, und wer bedchte, da wir sterben mssen, der wrde das als die illusio-nrste von allen Illusionen erkennen, da das Wesen Gottes das Wesen des Menschen sei. Sprecherin: Fr Karl Barth ist Feuerbach also selbst einer Projektion verfallen. Denn das Gattungswesen Mensch, das Feuerbach an die Stelle Gottes setzt, sei genauso einer Projektion entsprungen wie der religise Gottesbegriff und genauso abstrakt, ideal und fern von der eigent-lichen Wirklichkeit des Menschen. Daher fhrt fr Karl Barth von dem bsen und sterblichen Menschen niemals ein Weg zum Gottmenschen Feuerbachs, sondern bestenfalls zu der Einsicht, dass jede Identifizierung Gottes mit dem Menschen unmglich ist, und zu dem Zugestndnis: Sprecher (Zitat Barth): (...) da wir auch im Gottesverhltnis Lgner sind und Lgner bleiben, seine Wahrheit, seine Gewiheit, sein Heil als Gnade und nur als Gnade in Anspruch nehmen knnen. Sprecherin: Trotzdem haben sich andere protestantische Theologen des 20. Jahrhunderts wie Bonhoeffer, Tillich, Bultmann oder auch der Jesuit Karl Rahner in ihrer theologischen Anthro-pologie positiv auf Feuerbachs Religionskritik eingelassen. Sein Grundgedanke: Das Geheimnis der Theologie ist die Anthropologie, hat bei ihnen Widerhall gefunden. Nicht im Sinne einer platten Identifizierung Gottes mit dem Menschen, aber in dem Bemhen, die vertikale Bezie-hung zwischen Gott und Mensch mit der horizontalen Beziehung zwischen Mensch und Mensch als dem Ort der Vermenschlichung einer wahrhaft humanen Religion zu kreuzen. Bei Karl Rahner, der selbst von seiner Theologie als einer anthropozentrischen spricht, heit es fast schon feuerbachianisch: Sprecher (Zitat Rahner): Und wenn Gott selber Mensch ist und es in Ewigkeit bleibt, wenn alle Theologie darum in Ewigkeit Anthropologie bleibt, wenn es dem Menschen verwehrt ist, gering von sich zu denken, da er dann gering von Gott dchte, dann ist der Mensch in Ewigkeit das ausgesagte Geheimnis Gottes.

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