Lust Und Chaos
Lust Und Chaos
Lust Und Chaos
Ich sehe den Adler der aus meinem Kopf auffliegt. Er hlt in seinen Krallen das Herdenschaf. Und der Wind der Erinnerung und der Zukunft lsst im Gefieder seiner Flgel die Gesichter meiner Freunde vorbeiwehen. Unter dessen es viele gibt die kein Gesicht mehr oder noch keins haben. (Andre Breton)
Inhalt
Prolog Die Vorzeit The Landtramps Brain Steinschlag! Gottes Vieh Team 77 SkaShip Gottes Vieh, die Wiedergeburt Mescalin Timeline Register
Zum Buch
Fr die vorliegende Biographie wurde mit aller zu Gebote stehenden Sorgfalt, anhand zahlloser persnlicher Gesprche, recherchiert. Es wurden nur unmittelbar dem musikalischen Geschehen zuzuordnende Begebenheiten, in Form von kleinen Anekdoten, in diese geraffte Projizierung der Vergangenheit mit einbezogen. Nur wenn man sich der Tiefe seiner Erlebnisse bewusst wird, indem man sich in der Selbstbeobachtung bt, steigen aus der Vergangenheit der Kindertage Erinnerungen jener Zeit auf. Diese frhen amorphen Jahren, als das Gedchtnis gerade einsetzte, als das Leben nur aus Anfngen bestand und nichts ein Ende hatte und alles fr immer war. Vormals beschrittene Wege, sind sie nicht zu den Schnsten und Schlimmsten im menschlichen Leben zu rechnen? Verlorenes wird lebendig, Stimmen fluten auf, Bilder gren und das Vergngliche wird wieder Ereignis. Es grenzt fast schon an Erfllung, sein Gedchtnis aufblttern, um die Lebensfakten aufschreiben, und das Andenken der Vorzeit durch die Reize der Gegenwart beleben zu knnen. Eine rtselhafte Harmonie, die ebenso Jugend wie Alter umschliet. Nicht alles bleibt zurck, wie Spielzeug, Milchzhne, Schulranzen, diese Relikte einer diluvialen Zeit, die im Nebel des Unwirklichen verwehen. Mge dieses Schriftstck all denen, die namentlich Erwhnung finden, als kleine, vielleicht auch interessante Retrospektive zurckliegender Jahre erscheinen und so manche verschttete positive, mitunter negative Erinnerung wieder zu Bewusstsein bringen. Es ist nicht die Vergangenheit, es ist nur ein lteres Jetzt. Dennoch ist der heutige Tag der erste Tag der Vergangenheit.
Prolog
Als am 4. Mrz 1945 der Feldwebel Kurt Hennemann kanadischen Soldaten gegenber steht, wird ihm bewusst, dass dieser Krieg fr ihn vorber ist. Hier im Reichswald, zwischen Duisburg und hollndischer Grenze, nimmt seine Odyssee auf zwei Kontinenten als Angehriger der deutschen Wehrmacht ein Ende. Kriegsmde und frustriert, fasste er erst zwei Tage zuvor den Entschluss, sich aus freien Stcken in Gefangenschaft zu begeben. Italien, Tunesien, Frankreich, Holland liegen hinter ihm; gerade eine Woche lang kmpfte er auf deutschem Boden. Er wird nach Bethune in Frankreich in ein Kriegsgefangenlager verlegt, wo er in einem Kohlebergwerk arbeitet. Hier glckt ihm die Grndung eines Lagerorchesters unter dem Namen CORONAHESDIN, mit dem er unter anderem die, von ihm geschriebene, Operette Kanonen um Barbara urauffhrt. Der am 12. Februar 1919 in Kreisfeld im Mansfelder Land geborene Kurt Hennemann wuchs in Magdeburg auf, an dessen Theater sein Vater eine Anstellung als Waldhornist bekam. Nach seiner Ausbildung, ebenfalls zum Hornisten, wurde sein Sohn Kurt als 1. Basstubist am Stadttheater Magdeburg ttig. 1937 trat er der Luftwaffe bei. Zehn Jahre spter, am 31. Dezember 1947, wird er aus der franzsischen Gefangenschaft entlassen.
Ab April 1948 ist er Kapellmeister im Gemeinschaftsorchester Schnebeck, aus dem ein Jahr spter das Kulturorchester Mittelelbe hervorgeht. Im Jahr darauf lernt er im Schnebecker Stadtpark die Stenotypistin Dorothea Christa Nauland kennen, die er 1951, dem Jahr seiner Ernennung zum Musikdirektor, zum Standesamt fhrt. Sie ziehen zusammen in deren Elternhaus in der Schnebecker Wilhelm-Hellge-Strasse 116. Vier Jahre spter, am 11. April 1956, bringt sie einen pausbckigen Jungen, mit 4130 Gramm Gewicht und 56 cm Krpergre, zur Welt. Er wchst stets umsorgt, auch von den Groeltern, in einem relativ groen Anwesen auf. Keller und Dachboden sind dunkel und geheimnisvoll, die Flora des Gartens umgibt ihn mit Farben und Gerchen. Opas Werkstatt mit Hammer, Hobel und Sge, dient Micky hervorragend als Spielareal.
Prolog
Es mutet schon recht bizarr an, wenn er fters in Hof und Garten hinter dem Haus, seine Kapriolen auslebt. Dabei zieht er sich seine Hosen bis zu den Kniekehlen herunter und rennt den Gartenweg auf und ab, whrend er irgendetwas Undefinierbares schreit. Nachbarin Gerda Z.: Nicht nur mir wollte er sein Genital zeigen, auch fremde Personen, vor der Gartenpforte, sprach er an. Ohne eine Reaktion auf seine Frage Tante, willste mal mein Puller sehen? abzuwarten, zog er diesen betrchtlich in die Lnge. Von Stunde an, nimmt Micky Hennemann die beruflichen Aktivitten seines Vaters wahr und bekommt somit einen ersten und engeren Kontakt zur Musik. Montags und donnerstags ist, von zehn bis dreizehn Uhr, Orchesterprobe im Theater der Freundschaft, dem spteren Kreiskulturhaus in Micky Schnebeck; an den Wochenenden Auftritte. Ansonsten ist Kurt meistens daheim. Er schreibt und spielt. Schreibt Noten, steht vom Schreibtisch auf, setzt sich ans Klavier und zurck zu Federgriffel und Tintenfass. Im Rahmen jhrlicher Anrechtskonzerte fhrt das Orchester unter anderem Beethoven-Sinfonien in den Kneipenslen der Drfer in der Magdeburger Brde auf. Zwlf Wochen im Jahr ist man zu sommerlichen Gastspielen in verschiedenen Ostseebdern engagiert. Micky und seine Mutter gehen mit auf Tournee; so wird das Meer fr ihn fast schon zur zweiten Heimat. Irgendwann im Rahmen eines Hafenkonzertes am Zinnowitzer Achterwasser, drckt Kurt seinem Spross den Stab in die Hand und gestattet ihm, den fast vierzigkpfigen Klangkrper zu dirigieren. Als Sohn des Chefs geniet der kleine Micky gehrige Aufmerksamkeit und Sympathie seitens der Musiker. Aufgrund seiner ausgeprgten Kontaktfreudigkeit steht er oft im Mittelpunkt ihrer Strandbesuche nach Dienstende. Ab September 1962 besucht er die Polytechnische Oberschule Karl Liebknecht in Schnebeck. Keinen Augenblick ist er ruhig, kann nicht stillsitzen, ist hyperaktiv. Ab der fnften Klasse beginnt er sich gegen alles und jeden aufzulehnen: Er lernt nicht und gehorcht niemanden mehr. Im Lehrerzimmer wird stndig ber ihn geredet. Er sei nicht dumm, nur unkonzentriert, gelangweilt und lebe in seiner eigenen Welt. Er wird, als noch kaum Elfjhriger, in Opposition gedrngt. So hart und entschlossen auch die Eltern sind, so verbohrt und widerspenstig wird aber auch ihr Junge. Er will nicht artig werden, nein und nochmals nein und ihm wird ghnend bel bei den Gedanken. Es sind Wiese und Wald, die ihn fters als die Wohnstube sehen, in der er seine Hausaufgaben macht. Das Schne an der Natur ist, dass sie sich berwiegend drauen befindet. Alles scheint ihm Versumnis, was nicht Abenteuer bringt.
Im Elternhaus hat er geradeso rger: Er ist nicht unbedingt das, was man einen guten Esser nennt. Oft akzeptiert er das Mittagbrot nur unter Nrgelei und Rebellion. Der Braten sei zu faserig, das Kotelett zu faserig, die Leber zu stinkend, das Kassler zu bitter, Die Wurst zu knorpelig, der Spargel nicht zum Hinterkriegen. Dessen Spitzen seien doch so butterweich und kstlich, meint der Vater. Genau das ist es, was Micky so ganz und gar nicht erfreut. Man versucht ihn zu kaufen. Fr jede gegessene Spargelspitze bekme er einen Spielzeugindianer. Er bleibt hartnckig. Auch Omas Prophezeiung: Iss, damit du gro und stark wirst und das Eiserne Kreuz bekommst. schlgt er in den Wind. Ebenso den Schwarzen Mann im Keller, der ihn holen wird, wenn er sich nicht den Hals waschen lsst. Warte, Kerl, bis du zu den Preuen kommst, die werden dir die Hammelbeine langziehen, ist die stndige Drohung des Grovaters. Bei ihm hat Prgel ebenso wenig Sinn, als wolle man eine Matratze verhauen. Er sagt Au, um nur seinen guten Willen zu demonstrieren. Niemand hat das Recht zu gehorchen. Irgendwann entdeckt er eine Zither aus unvordenklichen Zeiten, gelegen in einer der dunkelsten Ecken des Dachbodens. Im Schallloch des Instrumentes steht Pianochord und spornstreichs nimmt er es wie eine Gitarre vor die Brust, schlgt die Saiten und singt dazu wie ein heulender Derwisch. Das ist das Schlsselerlebnis. Der Korken ist gezogen: Der Geist ist aus der Flasche. Er gert ganz unbedarft durch sich selbst in den Bann einer arabisch-orientalischen Kultur, jene mystische Inspirationsquelle, die ihn auf Immer und Ewig zur Seite stehen wird.
Die Vorzeit
Wir befinden uns im Jahr 1968. Es ist der 13. Mrz und ein lederbehoster, blonder und seitengescheitelter Bursche tritt nach dem Mittagessen aus dem Haus Nummer einhundertsechzehn auf die bersonnte Wilhelm-Hellge-Strae. Bis zum Beginn der neuen Folge Der Drachen der ZDF-Serie Lassie ist noch halbwegs Zeit, die er mit seinen Spielgefhrten verbringen mchte.
In hundert Metern Entfernung, an der Straenkreuzung zum Randel, erkennt er Hubert Malow, den Nachbarsjungen. Auch er ist Mitglied der zwlfkpfigen Bande des Schreckens, die den Inhalt ihres Namens im Wohngebiet verbreiten mchte. Hektisch gestikuliert der Kumpel ihm zu, um offenbar auf irgendetwas aufmerksam zu machen. Mehrere, aus ihrer Baubude getretenen, Tiefbauarbeiter haben ihren Blick gen Himmel gerichtet. In sechzig bis siebzig Grad stlicher Richtung, ber dem Horizont in schwer schtzbarer Entfernung, kann man wahrhaftig ein Objekt gewahren. Das seine Position beibehaltende Gebilde besteht aus drei pyramidenfrmig angeordneten Kugeln und reflektiert in der Mittagsonne metallisch-silbern. Micky ffnet immer grere und glnzend werdende Augen. Der einmtige Standpunkt der Erwachsenen, es handele sich hierbei um zusammengebundene Wetterballons, wollen die zwei nicht hinnehmen und so schauen sie bei dem vor Ort wohnenden Helge Hasenkrug vorbei. Mit dem Feldstecher seines Vaters, den sie sich wechselseitig aus den Hnden reien, machen sie an der Ober- und Unterseite, noch diverse Details aus. Nach einer knapp zehnmintigen Beobachtungszeit beendet eine Wolkendecke die Sicht und dummerweise ist nach ihrem Vorberziehen nichts mehr zu erkennen. Fr den elfjhrigen Micky Hennemann ist dies ein denkwrdiger Tag, der ihm fr alle Zeiten in Erinnerung bleiben wird. Wusste er doch noch nicht, dass alles, was man entdeckt und berhrt einer hheren Ordnung angehrt. An dem Tag, an dem man etwas sieht, was nicht klassifiziert werden kann, erleidet man einen Schock. Ihn jedenfalls, soll das Erlebte nie wieder loslassen, und er beginnt diese Erscheinung zu mystifizieren.
Dennoch bleibt der Alltag. Die Hausaufgaben werden recht sporadisch realisiert, nach Unterrichtsende tobt er sich aus. Lothar Marby, Hubert Malow, Frank Lcke, Klaus Langowski, Helge Hasenkrug, Bernd Gerigk, und wie die Frhpubertierenden alle heien, gehen zur Sache und ihres Weges. Begnadete Widerborstige suchen ihr Mekka fr angewandten Ungehorsam. Oftmals trgt die Nachbarschaft ihr Ungemach ins Haus Hennemann. Was dem Micky Spa bereitet, tut ihm merklich gut. Sie bilden zwei Mannschaften, spielen Schieen und erobern den Hummelberg, eine Anhhe unweit der Stadt. Nicht selten treffen sie hier auf Angehrige der sowjetischen Armee, mit denen sie einen regen Tauschhandel betreiben. Helge H.: Fr zwei feminine Aktfotografien, die Micky aus seines Vaters gesammelten Jahrgngen des Journals Das Magazin riss, gab es eine Paparossi-Zigarette, deren Zge man in kameradschaftlicher Manier teilte. Hat jemand, woher auch immer, etwas Geld, investiert man es in diverse Zigarettensorten wie Salem, Casino oder Jubilar. Und liegt der Berg im Sommerduft, ldt ein kleiner, idyllisch im Schilf gelegener See zum Bad ein. Irgendwann kommt es hier zur Konfrontation mit der befeindeten und gefrchteten Kessler-Bande aus Salzelmen. Dieses Konkurrenzunternehmen besitzt die weitaus strkere Schlagkraft, und so sucht man nach ein paar handgreiflichen Auseinandersetzungen hurtig das Weite. Viele Stunden verbringen sie gemeinsam im Schnebecker Freibad, dem TSV. Hier tauchen sie gleichaltrigen Mdels hinterher. Die Mutigsten von ihnen, zu denen sich Micky keineswegs rechnet, berhren dabei auch schon einmal eine zarte Brust. Micky H.: Das war mir immer zu anstrengend und eine Ohrfeige wre allzu peinlich gewesen. In die Kabinenwnde bohren sie unscheinbare Lcher und spionieren das andere, nicht so vertraute Geschlecht, auf das Prekrste aus. Zu dieser Zeit entsteht in der Schnebecker Tischlerstrae, genau auf dem Territorium eines Friedhofes, ein Busbahnhof. Der Abraum wird in die Nhe der ehemaligen Rttgers Kieskuhle, an der Magdeburger Strae, transportiert. Micky & Co., die auch dieser gern einen Badebesuch abstatten, versuchen sich augenblicklich als Archologen und durchforsten die Erdhgel. Hier ein Oberschenkelknochen, da Teile einer Schdelplatte. Der Weg zum Teich fhrt ber den Solgraben, in dem alles andere fliet. Die Abfallchemikalien des Sprengstoffwerkes verwandeln diesen, vor allen an heien Tagen, in eine orange-rote, ekelhaft stinkende Kloake. Geradewegs in diese strzt, samt seinem Fahrrad, Micky beim berqueren des kleinen Stegs. Die Kumpel holen ihn eilends aus der toxischen Flut und bringen ihn zum Wasser, in dem sie nun Fahrer und Rad gehrig reinigen. Dennoch ergeht es Micky schlecht: Bereits am nchsten Tag heftet ihn ein gnadenloser Durchfall an Stube und Bett. Lffelweise verschlingt er Aktivkohle.
Die Vorzeit
Anfang Juli geht es mit Bruder, Mutter, Vater und dessen Orchester wieder einmal zur Ostsee. Die in Zinnowitz grtenteils am Nachmittag stattfindenden Kurkonzerte gehen in einem Pavillon, direkt an der Strandpromenade, ber die Bhne. Am Ende einer Veranstaltung ist es ihm gegnnt, zusammen mit Frank Poggendorf, dem befreundeten Sohn eines Posaunisten, Garderobe und Hinterrume zu betreten. Hier versuchen sich die zwei am Instrumentarium, mit den Favoriten Tuba, Kontrabass und Schlagzeug. Und das zum groen Gaudi der hier anwesenden Musiker, welche ihnen anraten, doch schleunigst eine Kapelle mit dem Namen Die einarmigen heimatlosen Karussellbremser zu grnden. Frank P.: Wie ein Irrer drosch er auf all die Trommeln, sein Kopf war voll verrckter Ideen. Er probierte sich an jedem Instrument. Er wollte es wissen. Am Strand kurbeln sie an den Transistorradios ihrer Eltern. Aktuelles und vorrangig deutsches Schlagergut vermitteln ihnen diverse Medien wie der Deutschlandfunk oder der Soldatensender. Interpreten wie WENKE MYRRHE, MANUELA oder MICHAEL HOLM hinterlassen jetzt ihre ersten Spuren. Dann auf Mittelwelle, irgendwo bei eintausendfnfhundert Kilohertz, im rauschenden Hin und Her des wandernden AM-Shiftings: Radio Luxemburg. Ab achtzehn Uhr endet dort das meist biedere deutschsprachige Programm mit Moderatoren wie Camillo, Edith oder Frank, und wechselt dann ber Flmisch zu Englisch und nimmt eine erstaunliche Wendung. BEATLES, ROLLING STONES, KINKS oder die WHO sind es nun, die seinen musikalischen Bewusstseinszustand erweitern. Gleichermaen gern gehrt, wird die von Manfred Sexauer moderierte Sendung Hallo Twen! der Europawelle Saar. Micky trgt in diesen Ferien zumeist ein modisches Seemannskreuz aus Silber um den Hals.
Seine kurze und scheinbar mitwachsende Lederhose, peppt er znftig auf: Ein Koppel der Nationalen Volksarmee ersetzt nun die infantilen Hosentrger. Sein dunkelgrnes Nylonhemd, ist eine Gabe des Goldonkels Gnter aus dem Westen. Zahlreiche Geschenkpakete, die dieser in der Vergangenheit der Familie seines Bruders Kurt spendierte, verhalfen ihn zu diesen Beinamen. Frank und Micky besuchen hier ihr erstes Open-Air-Konzert: Ein buntes Neptunfest auf der Zinnowitzer Freilichtbhne, unweit der dortigen Tennisanlage, ist angesagt. Dessen musikalische Umrahmung bernimmt die TIP-TOP-COMBO, jene Band, die Micky Jahrzehnte spter im Bansiner Hotel Meeresstrand abermals zu Gesicht und Gehr bekommen wird.
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Im Sommer 1987 wird er sich des Gitarristen, eines schmchtigen Mnnchens mit Oberlippenbart und leichten Hftfehler, erinnern. Der Sommer des Jahres 1969 geht seinem Ende entgegen. Wieder daheim, entfremdet Micky nun immer fters einen, aus dem Waschkeller seiner Groeltern stammenden, alten und hlzernen Waschlffel. Benutzte er noch vor Wochen diesen, in seiner Form an ein Gewehr erinnernd, zum Ruber-und-Gendarm-Spiel, so nimmt er ihn jetzt als imaginre Gitarre vor die Brust. Im Frhjahr 1969 findet sich Micky, zusammen mit Freunden, auf dem Rummelplatz im Schnebecker Streckenweg ein. Es sind nicht die Karussells, sondern deren Musik, die ihn dorthin und in ihren Bann zieht. Unmittelbar vor einer Tonsule stehend, hrt er, mit einem auergewhnlichen Gnsehautgefhl, den Titel Satisfaction von den STONES. Nach dessen Ablauf begibt er sich zum Huschen, in dem der Kassierer auch fr die Musik zustndig ist. Ergriffen erkennt Micky auf dem Teller des Plattenspielers, noch die Single des Labels DECCA. Er uert nun sein Bedrfnis, den Song noch einmal hren zu wollen. Er wird vertrstet und wartet gern die halbe Stunde, die seine Begleiter unter anderem an einer Schiebude zubringen. Als sein Wunschhit wiederum gespielt wird, fhlt er sich wie vom Blitz getroffen. Irgendetwas blickt in sein Innerstes und drckt genau das aus, was er fhlt. Diese Musik hat ihn entjungfert. Nun macht Micky sich intensiv vertraut mit der zu dieser Zeit auf ihrem Hhepunkt sich befindenden aktuellen Beatmusik-Szenerie. Seine ganz persnlichen Sommerhits sind Give Peace A Chance von der PLASTIC ONO BAND, Birthday von den BEATLES, Party Line von den KINKS und Ma Belle Amie von den TEE SETS. Auf nationaler Ebene tut sich so gut wie nichts. Nur trge grnden sich dieser Richtung entsprechend die Bands; hatte doch drei Jahre zuvor der Ulbricht-Staat seine erste groe Attacke gegen die Revolution des Beat gefhrt. Im Herbst 1965 sandte die Stasi ihre Spitzel aus, um systemkritische Musikerkreise zu zersetzen und gegen Gruppierungen Jugendlicher mit dekadenten Lebensauffassungen vorzugehen. Die Staatsfhrung der DDR reagierte auf den Beat im Stile eines patriarchalischen Vaters, der seine Kinder gewaltsam zwingt, sich an seine Anweisungen zu halten. Beispielhaft waren verschiedene Artikel in der Leipziger Volkszeitung, die sich bezeichnender Weise in ihrer inhaltlichen Zielrichtung kaum von den Berichten in vielen bundesdeutschen Medien unterschieden: Mehrere Gitarrengruppen ahmen mit Vorliebe die Praktiken westlicher Bands nach. Bereits der amerikanisierte Name, den sie sich gegeben haben, weist darauf hin, wes Geistes Kind sie sind. Sie gebrden sich bei ihren Darbietungen wie Affen, stoen unartikulierte Laute aus, hocken auf dem Boden oder wlzen sich auf ihm herum, verrenken ihre Glieder auf unsittliche Art. Im Saal oder auf der Freibhne trgt diese Interpretation rasch Frchte. Jugendliche geraten in Ekstase, bewegen sich trge und stumpfsinnig in frivolen Rhythmen oder geraten in einen frenetischen Taumel. Es kommt zu Pfeifkonzerten, zu Gebrll, zu Trampeln, schlielich zur Beschdigung von Mbeln und anderen Gegenstnden. Die langen, zotteligen Haare, die sie sich als ueres Kennzeichen ihrer Geisteshaltung zulegten, engen ihren Horizont dermaen ein, dass sie nicht sehen, wie abnorm, ungesund und unmenschlich ihr Gebaren ist. Etliche Mitglieder besagter Beat-Bands errichteten nicht nur auf der Bhne ein Spektakel, sondern verhielten sich auch im normalen Leben dementsprechend und schlugen daher ber die Strnge des Systems.
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Die Vorzeit
Um dem Einhalt zu gebieten wurden die Bands und deren Mitglieder hufig wegen kleiner Vergehen, wie z.B. berhhte Gagenforderungen sowie die Nichteinhaltung der Repertoirequotenregelung, angeklagt und hufig auch verurteilt. Ein anderes beliebtes Mittel unliebsame Musiker auer Gefecht zusetzen war sie zum Militrdienst einzuberufen, was den Musiker mindestens fr anderthalb Jahre von der Bhne verschwinden lie. Es entspricht der Realitt, das Langhaarige Gammler, so das Schimpfwort fr die Fans dieser Musik, in Massen zur Polizei gebracht wurden, wo sie entscheiden konnten ob sie kurze Haare, oder einen neuen Personalausweis zum Preis von fnfzig Mark haben wollten. Ich bin der Meinung, Genossen, mit der Monotonie des yeah yeah yeah und wie das alles heit, sollte man doch Schluss machen. Diese Worte sprach Walter Ulbricht auf dem 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 1965. Die Folgen fr die Musiker und die Jugendtanzmusik waren katastrophal. Viele Bands wurden schlicht verboten, einige Musiker flchteten eine Zeit lang ins Schlagerfach, sprich: spielten zum Altentanz um berhaupt aktiv bleiben zu knnen. Die Namen nderten sich ebenfalls staatlich verordnet. Aus den MUSICSTROMERS wurde das MODERN SOUL QUINTETT, aus den BUTLERS wurde die erste KLAUS-RENFT-COMBO und aus TEAM 4 wurde schlicht THOMAS NATSCHINSKY UND SEINE GRUPPE. Die vorgeblichen Exzesse im Zusammenhang mit dem Beat wurden mit einer verfehlten Politik der Jugendorganisation FDJ und insbesondere mit dem Bestreben der westlichen Staaten, die DDR ideologisch zu unterwandern, erklrt. Nun erscheinen wieder Aufnahmen, sicherlich mit systemkonformen Texten, die den Anfang einer langsamen Lockerung der Politik gegenber der Beat- und der Rockmusik markieren. Die Staatsfhrung hat erkannt, dass sich die mit der Musik verbundene Jugendrebellion langfristig nicht unterdrcken lsst und es in ihrem Sinne wesentlich wirksamer ist, die Musik zu vereinnahmen und zu instrumentalisieren. In Unkenntnis dieser Probleme, beginnt dennoch der dreizehnjhrige Micky, sich im gengsamen Mae, mit Politik zu beschftigen. Natrlich ist er gegen den Krieg in Vietnam, alle Hippies sind das letztlich. Irgendwann kommt ihm eine Gedanke fr einen denkbaren Text: ... langsam senkt sich der Helikopter, und die Erde steht in Flammen. Ein kleines Mdchen rennt auf seine Mutter zu, brennend und schreiend. Wieso ist da eine amerikanische Flagge auf dem Helikopter und kein Hakenkreuz? Politiker sind alles Lgner, soviel wei er bereits zumindest, da kann ihn auch der Staatsbrgerkunde-Unterricht nichts vormachen; und so wandelt er eine hier gern gebrauchte Losung ab: Im Kapitalismus beutet der Mensch den Menschen aus. Im Sozialismus ist es genau umgekehrt. Drfte er schon an die Wahlurne, so wrde er mit einem dicken Filzstift Keiner von Allen! auf den Stimmzettel setzen. Die Fernsehlandschaft, natrlich in schwarzwei, ist mehr als trist: Ein Ost- und drei Westsender knnen ausschlielich empfangen werden. Bei einem Spielkameraden eingeladen, soll Micky ber die Samstagnachmittgliche TV-Programmwahl entscheiden. Beat-Club und Meister Nadelhr laufen zeitgleich; Micky wnscht letzteres zu sehen. Dieser Umstand soll sich in den kommenden Monaten umkehren. Mit regelrechter Euphorie wird Micky diese TV-Show der ARD konsumieren; vorausgesetzt er gewinnt jedes Mal den Kampf hinsichtlich der Kanalwahl am elternhuslichen Schwarzweifernsehgert.
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Nicht selten steht es 1:0 fr die Sportschau, der der Herr Vater bei einer Flasche Bier frnt und so begibt er sich eine Treppe hher, wo die gutmtige Gromutter beim Kaffeekrnzchen mit zwei, drei lieben Tanten sitzt. Hier starrt er wie gebannt, begleitet von Kommentaren wie: Herrjeses, diese langen Haare!, oder Mach nicht ganz so laut! fnfundvierzig Minuten lang auf den Bildschirm. Gerade durch diese progressive Sendung, in der die Bands ihre Songs vorwiegend live darbieten, wird sein musikalischer Geschmack wesentlich toleranter. Gruppen wie YES, COLOSSEUM oder MAN lsen spter hierbei den bislang gewhnten 4/4-Beat ab und erwecken in ihm das Interesse am Experimentellen und Auergewhnlichen. Auergewhnlich ist auch die gerade einsetzende Pubertt, die jedem Menschen die schne Illusion verschafft, der zu sein, mit dem die Welt erst richtig anfngt. Was fr eine Zeit! Die Welt beginnt, einem in anderem Lichte zu erscheinen. Dinge werden wichtig, denen man vorher kaum Bedeutung zuma. Aus den Kindergeburtstagen werden pltzlich Partys, die Stimme beginnt krchzig zu werden, und als sichtbare Vorstufe der Mnnlichkeit spriet auf der Oberlippe endlich etwas. Man sucht sich Freunde unter den lteren und beginnt, an den Mdchen Besonderheiten zu entdecken und sich nach ihnen umzudrehen. Etwa zu diesem Zeitpunkt beginnt man in verschiedenster Form diese, seine Pubertt auszuleben. Zusammen mit mehreren Kumpanen besucht des fteren Micky das Schnebecker Kreismuseum. Einem seiner Begleiter fllt in den Ausstellungsrumen ein seiner Ansicht nach wunderschnes ausgestopftes Reh auf. Er berhrt es und bemerkt an dessen Hinterteil, direkt unter dem Stummelschwanz, eine ffnung. Diese Entdeckung muss in ihm einen kolossalen erotischen Impuls ausgelst haben und fhrt ihn in sodomitische Versuchung. In seiner ausgebeulten Trainingshose zeichnet sich eine phnomenale Erektion ab; die Situation scheint auszuufern. Nachdem er mit hoch errtetem Gesicht den Anderen Order erteilt hat, an der Tr Schmiere zu stehen, beginnt er sich stehend und von hinten am Reh zu vergehen. Als Tage spter ein anderer Freund die Story erfhrt, zeigt sich jener emprt darber und erachtet dieses Vorgehen als pervers und abartig. Micky: Dieser Bekannte musste sich gerade beschweren: Regelmig betrieb er Sex mit einem Staubsauger. Stimuliert durch das Khle und Blecherne fhrte er sein Glied in die ffnung des Saugrohres ein und trieb mittels Ein- und Ausschalten des Apparates sich zur Ejakulation. Das gab es eben. Auch Micky wird seine ganz individuelle Erfahrung mit der Tierwelt machen. Eines Tages im Juni 1969 spaziert er durch den Magdeburger Zoo. Jeder Baum scheint ihn ansprechen zu wollen, die Lwen betrachten ihn als Ihresgleichen, sogar der nervse Wolf, der unruhig in seinem Kfig auf und abluft, bleibt pltzlich stehen und betrachtet ihn, und ganz deutlich empfngt er die Nachricht: Wie sind wir nur blo in diese albernen Krper gekommen? Das ist jenseits allen Verstehens. Ihm wird bel. Elendig bel. Es erbricht sich in einer Welt mit ihren Sitten, die ihn umgeben. Haben wir eine Urmutter? War denn seine Wiege der Stamm der Affen? Ist das die Logik des Phantastischen? Er fhlt Erinnerung des Gefhls und erinnert sich doch nicht.
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Die Vorzeit
In der Schule ist ihm die Mathematik ein bel, whrend er seine Deutschaufstze nur so aus dem rmel schttelt. Als Siebenklssler soll er ein Bild eigener Wahl beschreiben: Die verschneite Strae einer Kleinstadt, eine graue und recht betrbliche, in l festgehaltene Winterszene. In die Einkaufstasche einer lteren Frau mit Kopftuch, interpretiert er neben Milch und Eier, noch ein Geschenk fr den anstehenden Geburtstag ihres Enkels. Hinter die Mauer zu ihrer Linken, stellt er eine verschneite Hollywood-Schaukel, auf welcher sich, in vorangegangenen Sommernchten, ein Liebespaar vergngt hatte. Auch vergisst er nicht einen fiktiven schwarzen Kater auf den Ast eines daneben stehenden Baumes zu setzen. Nur fr ihn sichtbar, wartet hinter dem Fenster eines Hauses auf der anderen Straenseite, ein Ehepaar auf den Brieftrger mit der lang ersehnten Post ihres seinen Armeedienst leistenden Sohnes. Seine Vorstellungskraft vergisst auch nicht jenen fahruntchtigen PKW in der Garage des Nachbarhauses, dessen Batterie gerade ber ein Ladegert gewartet wird. Die kahlen und die Fahrbahn flankierenden Bume besitzen fr ihn, ab dem kommenden Frhjahr wieder Lindenblten. Damit lsst sich gut, gesammelt und in der Apotheke abgegeben, das Taschengeld aufbessern. Hinter dem am Ende der Strae kaum wahrnehmbaren Kirchturm, befindet sich noch ein Freibad, dessen Drei-Meter-Turm eine gute Voraussetzung fr spektakulre Arschbomben ist. Klaus R., Banknachbar: Ich erinnere mich an ein recht triviales Motiv, zu welchem mir absolut nichts eingefallen wre. Mit ihm jedoch ging die Fantasie durch, er verkrperte offensichtlich durch diese kreative Darstellung seine Sehnschte. Selbstzufrieden pflanzt sich unterdessen die Zeit fort. Das soeben angebrochene Jahr 1970 soll fr Micky einen monumentalen, umstrzlerischen Lebensabschnitt bereithalten. Der Ritus der Jugendweihe, faktisch ein altes germanisches Zeremoniell und vom DDR-Staat unverfroren politisiert, soll ihn in den Kreis der Erwachsenen aufnehmen. Nun will es der Brauch, dass anlsslich dieses Festtages, mehr als alles andere ihm zur Freude, recht ansehnliche Gaben ins Haus stehen. So bekommt er schon einmal im Vorfeld, am 7. Januar neben einem Sportrad, einen Sonneberg 6000, sein eigenes UKW-Kofferradio. Den Montag darauf verfasst er ein englischsprachiges Schreiben an die Plattenfirma der BEATLES, in dem er seinen Autogrammwunsch uert. Recht blauugig, denn dieser Brief wird eine nicht allzu weite Reise unternehmen. Einschlgige Staatsorgane, die ihre dreckigen Finger auch in den Poststellen haben, machen ihren Strich durch die Rechnung. Am 6. Februar stecken ihn seine Eltern gnadenlos in einen dunkelbraunen Anzug. Den hat er geflligst Ende Mrz, anlsslich seiner Jugendweihe, zu tragen. Zu diesem Zeitpunkt beschlieen vier Schler der 8. Klasse, speziell fr den bevorstehenden Schulfasching eine Playback-Beatband ins Leben zu rufen. Initiiert wird diese Aktion von Micky, der am liebsten, zum rgernis seiner Eltern, die Haare ber seine Ohren tragen wrde und dem schon immer zum Leid seiner Lehrer eine gewisse Art von Exzentrik anhaftete. Verfllt mit dem Beat die Moral? Fr viele Erwachsene hat das den Anschein.
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Warum gehen sie nur nach uerlichkeiten? Nie hinterfragen sie, warum Dinge berhaupt entstehen. Vier weie ausgediente Herrenoberhemden werden bald schon zum extravaganten Staroutfit umgestaltet. Mit schwarzer Wschefarbe bringen sie ihren Bandnamen (The Beatles) auf die Rckenpartien. Hierbei wird ihnen klar, dass die Welt sich verndert hatte. Noch vor einem halben Jahr zuvor, spielten sie Cowboy und Indianer und pltzlich streiten sie darber, wer John, Paul, George oder Ringo sein durfte. Besagte Namen zieren nun, ber einem groen roten Totenkopf, die Vorderfronten. Diese Karikatur lsst abermals elterliche Missbilligung aufkommen. Was habe dieses Symbol mit der Musik zu tun? Ob ihm die Luft nicht gut genug war oder zu kalt oder wie auch immer, lieber lief er blau an, als den Mund aufzutun: Ein Achtpfnder. Die bliche Dresch auf den Hintern konnte ihm keinen Laut entlocken. Vor vierzehn Jahren hatte die Hebamme den Querkopf auf diese Welt prgeln mssen.
Unbeirrt dieser Kritik, erwartet man voller Lampenfieber den Auftrittstermin. Beim Bau seiner Gitarre macht es sich erforderlich, in bezug auf die Saitenanzahl, vterlichen Rat einzuholen. Sechs gemalte Saiten auf rotem Grund aus Pappe, hngen nun zum ersten Mal um Mickys Hals. Wie weit der Trommler dieser imaginren Band mit der Fertigung seines Pappmach-Schlagzeuges kommt, bleibt ungeklrt. Aus nicht mehr recherchierbaren Grnden fllt der Karnevalsspa ins Wasser. Mit der Musik seines Sohnes kann oder will, der Vater nichts anfangen. Micky erbittet sich fnf Minuten, in denen er ihm Gehr schenken soll. Mit einem alten RhrenMagnettonbandgert der Firma Grundig spielt er ihm Today Tonight von DAVE DEE & CO vor. Bei bestem Willen, erkenne er keinerlei Melodie, meint dieser. Er ist dabei, als Micky sich ein Konzert der ROLLING STONES im TV ansieht. Bei Midnight Gambler, bemerkt er, dass die Gitarren jammervoll gestimmt sind. Sein Sohn glaubt ihm kein Wort. Micky: Verdammt, der Alte hatte damals Recht.
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Die Vorzeit
Der Vater ist notorischer Frhaufsteher, der sich um halb sechs des Morgens seinen Kaffee brht und ihn auf franzsische Art geniet: Neben der Tasse steht immer ein gefllter Cognac-Schwenker. Die Familie Hennemann wohnt recht beengt: Stube, Esszimmer, Kche, ein Schlafzimmer fr Vater, Mutter und Micky, sowie seinen siebenjhrigen Bruder Dirk. In den zwei Zimmern der ersten Etage leben Ernst und Martha Nauland, die Groeltern mtterlicherseits. In dieser Situation besteht fr Micky wenig Hoffnung auf ein eigenes Kinderzimmer. Einen ersten Bandproberaum richtet er auf dem Dachboden ein, wo er mittels alter Tapetenleisten einen Mikrofonstnder werkelt. Eine ausgediente Holzschublade funktioniert er, mittels Pinsel und Farbe, zu einem Kofferverstrker um und deklariert das Fake mit einem VOX-Logo. Vom 9. bis 11. Februar ist Micky mit seinem Vater in Bansin auf der Insel Usedom. Vertragsabschlsse fr die diesjhrige Gastspielsaison des Kulturorchester Mittelelbe stehen auf dem Programm. Die Abende verbringen die beiden in der Gaststtte des Hotels Meeresstrand, in dem sie sich fr die zwei Nchte ein Zimmer gebucht haben. Es scheint ein Spavogel zu sein, der die Gaststube betritt, zehn Zehnpfennigstcke in die Jukebox wirft, und ebenso oft denselben Musiktitel drckt. Die Single Ganz in wei von ROY BLACK luft ganze sechsmal hintereinander, dann steht Hennemann Senior auf, um den Spuk ein Ende zu bereiten. Micky: Geradezu lssig, ohne ersichtliche Anteilnahme, begab er sich zum Musikautomaten und zog dessen Netzstecker aus der Dose. Ein normales Kneipenleben nahm wieder seinen vertrauten Lauf. Zusammen mit seinen beiden Mitschlern Siegmund Siede und Peter Hofmann wird Micky im Mrz Mitglied der GST Nachrichtensport. Zweimal die Woche verbringen sie den Nachmittag in dem, am Elbufer stehenden, Zentralgebude dieser Organisation. Auf Morsetasten machen sie sich mit dem dazugehrigen Alphabet vertraut. Um sich etwas Abwechslung zum Unterricht zu verschaffen, beschlieen sie einen Piratensender zu errichten und besorgen sich die hierfr erforderlichen Schaltplne, sowie einiges an elektronischen Bauelementen. Neben dem regulrem Ausbildungsgeschehen proben in den Schulungsrumen, hin und wieder, einige ltere Sektionsmitglieder mit ihren Gitarren. Angetan von deren dargebotenen Songs, wie DONOVANS Atlantis und dem Paint It Black der ROLLING STONES, versprt Micky den Drang, ihnen nachzueifern.
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Es kristallisieren sich Sparplne fr den Kauf eines Instrumentes heraus. Im April kommt es zum Erwerb eines Gitarrenersatzes. Ganze 7,50 Mark verlangt ein Schler der Parallelklasse fr seines Grovaters alte Mandoline. Nach erfolgter Neubesaitung nimmt Micky mit dem huslichen Tonbandgert seinen ersten Song Oh, Thats My World auf. Der Klang der Mandoline bringt ihn auf diese stark arabisch anmutende Melodie. Am 11. April 1970 wird Micky 14. An diesem Tag geben die BEATLES offiziell ihre Trennung bekannt. Im Mai besucht er zusammen mit Freunden die Tanzgaststtte Stadtpark in Schnebeck. Zu diesem Anlass putzt man sich ansehnlich heraus. Den hierfr modischen Anforderungen keinerlei Rechnung tragend, entscheiden sie sich fr eine gewagte Anzugsordnung:. Weie Nylonhemden und Krawatten in Verbindung mit den in dunklen Tnen gehaltenen Jugendweiheanzgen. Bereits im Foyer vor der Kasse, werden die Vier zum ffentlichen Gesptt und dementsprechend verhhnt. Operativ wird der Rckzug beschlossen, um das deplatzierte Outfit zu wechseln. Peter H.: Micky stieg in eine HO-Nietenhose und kam auf eine blendende Idee. Spontan trennte er das Innenleben seines Jugendweihe-Anoraks heraus und trug somit eine dieser modischen Felljacken. Nach einer Stunde nehmen sie wiederholt Anlauf und betreten dieses Mal, ohne das Auge der ffentlichkeit auf sich zu lenken, den Tanzsaal. In diesem Moment spielen die KOMETEN aus Schnebeck The Ballad Of John And Yoko. Schchtern und noch recht befangen blicken sie sich um und entdecken auf der Tanzflche Mdchen ihrer Schulklasse. uerst fasziniert ist Micky von seiner Banknachbarin Marion Seydlitz, die in knappen Hotpants und Netzstrumpfhosen, eng umschlungen, mit einem Typ aus der zehnten Klasse tanzt. So hat er sie noch nie gesehen. Nach einem Glas Bier, zu fortgeschrittener Stunde, nehmen sie all ihre Courage zusammen, um zwei weibliche Tanzpaare abzuklatschen. Unbeholfen und mit recht linkischen Bewegungen, die an einem Twist erinnern, fhlt man sich alles andere als wohl. Anfang Juni, durch das geffnete Fenster des Physiklabors kommt der Duft des Frhsommers, entsteht mit Hilfe des Englischwrterbuches whrend einer Unterrichtsstunde, Mickys erster Text: No Hawkers!. Dem Englischlehrer Zirkenbach, ein skurriler Kauz, verpasste der Schlermund, kraft seiner nervsen Gebrden, den Spitznamen Zappel. So sitzt er hinter dem Lehrertisch, auf einem hlzernen Sessel und hat offensichtlich sehr mit seinen Hmorrhoiden zu kmpfen. Im Verlauf mancherlei Selbststudien, so bei der bersetzung von Lehrbuchtexten, fhlte sich dieser wohl unbeobachtet und platziert sein Ges auf einer der Stuhllehnen. Micky: Wir konnten gut beobachten, wie besagte Lehrkraft sich mit den Hnden auf dem Lehrerpult absttzend, durch Vor- und Rckwrtsbewegungen seines Hinterteiles wohltuende Schmerzlinderung verschaffte.
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Die Vorzeit
Am 16. Juni lsst er sich 64 Mark von seinem Konto, das seine Eltern anlsslich der Jugendweihe eingerichtet haben, auszahlen. In der Schnebecker Schatulle, einer Musikalien- und Briefmarkenhandlung, ersteht er seine erste akustische Gitarre, eine so genannte Wanderklampfe. Mit ihr zusammen bekommt er eine erste Lernlektre: Die Akkordtafeln fr die Plektrum- (Schlag-) Gitarre in Symbolschrift, von Walter Gtze in die Hand. Deren spezifische Thematik sich ihm jedoch recht schwer fasslich zeigt. Bruder Dirk: Irgendwann grndete er sogar seine eigene imaginre Plattenfirma.
Am 6. Juli geht es nach Bansin, auf die Insel Usedom. Hier bespielt Vaters Orchester die diesjhrige Kursaison. Er wird in diesen alles verndernden Sommer treten, wie in eine neue Welt von unergrndlicher Dimension. Er wird ihn als eine Art Geburt erleben, wird nichts mehr von gestern noch von morgen wissen und ausschlielich ein glckhaftes Heute wird ihn umfangen. Zusammen mit seiner Familie, wird er bis Ende August im oberen Stockwerk der Bansiner Kurverwaltung, in der Strandpromenade 7, wohnen. Vom Balkon der Ferienwohnung kann er auf seine groe Vertraute blicken, die See. Keine hundert Meter entfernt, breitet sich jene magische Ebene aus, dieses Gleichnis fr den Wechsel, dem alles Leben unterworfen ist. Oft, nach dem Abendessen, geht er allein zum Strand hinunter, atmet tief ein und lsst sich vom Abendwind erfllen. Es ist dies der Ort und die Zeit, da er in einem bermchtigen Rausch der Musik verfllt. Besessenheit ist es, mit der er sich ihr verschreibt. Sie wird sein Dmon. Gefhlsblind fr alles andere, versinkt er in seine eigene, bodenlose Tiefe. Das Meer, mit allen Sinnen sprt er es, ist blau, so blau wie seine Phantasie, die pltzlich in einem merkwrdig hohen Grade ttig ist. Sein Kopf ist frei, er darf treiben, was er will, auch die Vernunft darf ihn verlassen. In einem der, um diese Zeit, verlassenen Strandkrbe, bringt er seine Kompositionen wie In A Lunatic Asylum, Pick No Flowers! und Hot Sun zu Papier. Ja, er will alles daran setzen, eine Band ins Leben zu rufen! Zu wissen, dass es ein Ziel gibt, ist der erste Schritt es zu erreichen, lacht es glcklich in ihm. Das ist die Musik, die ihn hier begleitet, begeistert, ihre Spuren hinterlsst und ihn inspiriert: KINKS: Lola, TEN YEARS AFTER: Love Like A Man, FREE: Alright Now, STEPPENWOLF: Hey Lawdy Mama, SHOCKING BLUE: Mighty Joe, MARMALADE: Reflexions Of My Life, WHO: The Seeker, LED ZEPPELIN: Whole Lotta Love, MATTHEWS SOUTHERN COMFORT: Woodstock, CHICAGO: Make Me Smile. In einem Alter, in dem man noch gut zu beeindrucken ist, bekam er gute Nahrung.
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Bewaffnet mit seinem Kofferradio, das jene Hits schmettert, fhrt ihn einer dieser Gammeltrips, wie er sie selbst bezeichnet, an der Fischerstube vorbei. In deren Biergarten, unmittelbar an der Bergstrae, nimmt er langhaarige, bebarte und parkatragende Typen wahr. Er sieht sie mit den Augen seiner Seele. Hippies. Love, peace and happiness. Lust und Chaos. Sein Ich steht in Flammen. Einige von ihnen sitzen auf dem Boden; benehmen sich freigestellt und unbefangen. Sie scheinen eine Art Nebenwelt zu besitzen, von der alle anderen ausgeschlossen sind. Micky ist beseelt und ihn berhrt die Aura dieser Wesen. Ihre Werte sind rational und emotionell auerhalb des Verstndnisses der meisten Menschen. Sie wehren sich gegen Technokratie und stellen traditionelle Vorstellungen von Karriere, Bildung und Moral in Frage.
Sie suchen Ehrlichkeit, krperliche Freude, Zuneigung, den Geist des Experimentellen und eine absolute innere Freiheit. Sie rumen mit allem auf, was sie als einengend empfinden. Sie flchten vor einer materialistisch orientierten Gesellschaft, und suchen eine romantische Rckkehr in pastorale Unschuld. Sie leben in Kommunen, in denen sie eine alternative Lebensweise versuchen und demonstrieren Naturverbundenheit. Immer mehr dringt Micky in die Grundstze dieser Philosophie. Er befreundet sich mit jenen Anschauungen und wird noch so manches hren und sehen, vom Sommer der Liebe, Ketten, Fransentchern, Stirnbndern, Rucherstbchen, Peace-Zeichen und Haschischpfeifen. Er verliebt sich frmlich in die Hippie-Mode, diese phantastische Stilmischung aus verschiedensten Epochen und vor allem Kulturen. Indisch inspirierte Gewnder aus Baumwolle, Seide, zum Teil mit ethnischen Stickereien versehen, wechseln mit blumengeschmckten Hosen und Jacken in psychedelischen Farben. Micky wei nun, wo er hin gehrt. Da es ihm am derart adquaten Outfit fehlt, ist es Mutters langer grner Anorak, mit seinem Pelzbesatz an der Kapuze, den er sich fortan berzieht. Bruder Dirk: Gedacht fr khle, regnerische Tage, marterte sich sein Trger bei hochsommerlichen Temperaturen. Auf abendlichen Tanzveranstaltungen, Micky darf im gepflegten Dressing (brauner Anzug, himmelblauer Nylonrollkragenpullover) seine Eltern begleiten, wird er auch mit Livemusik konfrontiert. Schwof-Musik belster Sorte wird dargeboten von Bands wie TORNADOS, ROT-SCHWARZ, oder dem CHROMA-QUINTETT, die dennoch seine Aufmerksamkeit wecken.
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Ein alter Kumpan, er war 1967/68 der MaumauKartenspielknig der Wilhelm-Hellge-Strae Bernd Gerigk, der brig gebliebene Papp-Beatle Peter Hofmann, Klaus und Micky formieren am 16. September die LANDTRAMPS. Zwei Tage spter erfhrt Micky durch die Tagesschau der ARD vom Tod eines gewissen JIMI HENDRIX; erst Wochen spter wird er mehr Kenntnis ber diesen Gitarristen bekommen. Lange lsst Micky sich bitten, als er von seinen Klassenkameraden aufgefordert wird, whrend einer Musikstunde ein Stck zum Besten zu geben. Unter groem Hallo betritt er das Podest der Aula seiner Schule und intoniert auf seiner Mandoline Then He No Live Now, eines seiner frhen Werke in einer instrumentalen Version.
Hierbei fhlt er jedermanns Augen auf sich gerichtet und schpft aus dieser Aufmerksamkeit heraus eine Art melodramatische Selbstsicherheit. Am 4. Oktober stirbt die Sngerin JANIS JOPLIN. Am 24. des Monats ist Micky im Verlaufe der neuen Beat-Club-Folge von der Band des Ex-CREAM-Drummers uerst angetan. GINGER BAKERS AIR-FORCE, mit Percussionmann, Blsersatz und zwei Sngerinnen, das ist schon Kram. Am Tag darauf etablieren sich die LANDTRAMPS in einer ungeheizten, nicht stromversorgten Gartenlaube in der Salzelmener Gartenstrae und lassen hier ihrer Kreativitt freien Lauf. Bernd G.: Wir hatten eine unzulngliche Technik, wohl aber unglaubliche Ideen und eine noch enormere Motivation. Bevor sie auf ihren Gitarren autodidaktisch die ersten Kopfgriffe erarbeiten, bedient man sich einer originellen Raffinesse. Micky, der schon seit einiger Zeit mit den Open Tunings experimentiert, stimmt die Saiten seines Instrumentes so, dass sie leer angeschlagen, einen E-Dur Akkord erzeugen. Indem er seine linke Hand von oben auf das Griffbrett setzt und mit dem Zeigefinger ber dieses greift, erzeugt er mittels dieser Methodik seine ersten Dur-Harmonien. Aber es gibt auch Lieder mit Mollakkorden. Folglich stimmt Klaus seine Gitarre analog hierzu in dieser Tonart. Sogleich praktizieren die zwei eine sonderliche Spieltechnik und wechseln sich innerhalb eines Songs ab. Vier Takte Micky in C-Dur, zwei Takte Klaus in A-Moll usw. Einen dritten Gitarristen, welcher die Septakkorde spielen knnte, wollen sie allerdings nicht hinzunehmen. Demgem geben sie ihren Instrumenten die alte Stimmung zurck und beginnen sie ganz konventionell zu handhaben. Die Wanderklampfen werden bald schon elektrifiziert: Zwei alte Rellog-Tonabnehmer, von einem Bekannten ertauscht, werden kurzerhand unter die Saiten geklebt. Klaus W.: Micky hat die Pick-ups geklaut.
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Ein Gitarrenverstrker, sprich Kofferradio, spielt die Musik des NDR 2: The Boxer von SIMON & GARFUNKLE gewhrt diesen Moment ein erhabenes Ambiente. Znftig zndet sich Micky dazu eine KOM an, Vaters ZigarettenStammmarke. Volker E.: Den Lungenzug, im Gegensatz zu uns, beherrschte Micky schon ganz und gar erfreulich; den hatte er whrend des Campings, am Kolumbussee ber Pfingsten, von einem gewissen Holger-Bodo Winkelmann erlernt.
Ein neues Probedomizil ist bald gefunden: Einer ehemaligen Waschkche in Mickys Elternhaus mssen sie faktisch zunchst zuleibe rcken. Bis zur Kellerdecke stapeln sich hier alte Zeitungen, Holz, Kohlen und sonstige Ablagerungen. Man einigt sich auf eine thermische Entsorgung des gesamten Mobiliars. Der alte Waschkessel muss, bevor er selbst entfernt wird, mit Hchstleistungen aufwarten. Den ganzen 19. Juni ist man agil, dann ist es vollbracht: ber den, nach Fulnis riechenden, Fuboden legen sie kurzerhand einen ausgedienten Teppich. Sie kalken Decke und Wnde und nennen diese dreimal vier und zwei Meter hohe Steinbox ihr Eigen. Hier ist ein Netzanschluss vorhanden. Grere Altradios, mit mehreren Lautsprechern und sechs bis acht Watt Ausgangsleistung, bringen dem Trio fast schon einen richtigen Sound. berhaupt ist hierbei eine gehrige Portion Improvisationstalent, in materieller Hinsicht, von Nten. So zum Beispiel erzrnen sich Mickys Eltern, als sie in den Beckenstnder des Bandschlagzeuges, die doch so gesuchten, nun mit rotbrauner lfarbe angestrichenen, Tomatenstangen erkennen. Klaus W.: Micky kam auf die Idee, einen rostigen Druckkammerlautsprecher, irgendwo und irgendwann von einem Sportplatz entwendet, mit den Rhrenempfngern zu koppeln und erzielte mithin einen doch recht charismatischen Effekt. Diesbezglich ist Micky halbwegs vorbelastet; kann er sich doch noch recht gut an eine Story erinnern, welche er vor einigen Jahren von seinem Vater hrte. Dieser hatte damals mit seinem Orchester eines der zahlreichen Sonntagnachmittagskonzerte auf dem Salzelmener Kurparkpavillon zu bestreiten, zu dem einmal ein bertragungswagen des ehemaligen Berliner Rundfunks, zwecks Livemitschnittes, vor Ort erschien. Die Techniker positionierten ihre, damals noch berdimensionalen, Kondensatormikrofone auf der Bhne und begannen ihren Soundcheck vor der Veranstaltung.
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Unzufrieden mit dem erzielten Ton kamen sie auf eine phnomenale Idee. Um mehr Hall als klangliches Ambiente nutzen zu knnen, stellten sie in die fnfzehn Schritte entfernte Toilette eine Lautsprecherbox, die den Orchesterklang wiedergab, auf. Ein weiteres, am anderen Ende des Raumes installierte, Mikrofon fhrte wiederum die aufgenommene Akustik direkt dem -Wagen zu. Fenster, und zum ffentlichen rgernis auch die Tren, wurden kurzerhand verschlossen. Somit wurde das unzureichende Equipment durch genialen Einfallsreichtum ersetzt und einige Wochen spter strahlte der Rundfunk diese kuriose Aufzeichnung in den ther. Volker E.: Micky verwertete den alten, aus den Trend gekommenen, Rckspiegel seines Fahrrades als Vibratohebel, indem er dessen verchromte Haltestange vor den Steg seiner Gitarre unter die Saiten schob, um mittels dessen Bewegung einen dergleichen Effekt zu erzielen. Den August 1971 verlebt Micky mit seinen Eltern in Dunapataj, am Szeledi-To, einem See inmitten der ungarischen Puszta. Schnell befreundet er sich hier mit gleichaltrigen Ungarn, und ist oftmals bei ihnen zu Gast. Ebenda hrt er Alben einheimischer Bands wie OMEGA und das ILLES-ENSEMBLE. Eines Abends, man sitzt vor seiner Urlaubsunterkunft, vernimmt Micky frappante Tne, die irgendwo aus einem der Nachbarbungalows zu kommen scheinen. Irgendwer spielt da Elektrogitarre! Man ortet und geht den Klngen nach, bis eine groe Freilichtbhne ins Gesichtsfeld tritt. Auf der Bhne steht, in berhrender Weise, wahrhaftig die Gruppe HUNGARIA und beendet just den Soundscheck. Geschwind zahlen sie ihre zwanzig Forint Eintritt pro Nase und nehmen Platz. Micky ist verwundert ber das bunt gemischte Publikum.
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So sitzen neben Touristen unmittelbar hinter ihm, die Mitglieder einer, mehrere Generationen umfassenden, Zigeunerfamilie. Sie haben Serviertcher ausgebreitet und lassen sich, voller Inbrunst, Rotwein und Knoblauchzehen schmecken. Der ungewohnte Geruch dieses Gewrzes tut nicht den geringsten Abbruch am Genuss des Konzertes. Am imposantesten, neben der roten Frackjacke des Sngers, ist das Solo des Schlagzeugers, untersttzt vom perkussiven Instrumentarium, wie Kinderratschen, Rumbakugeln, Bongos der anderen Musiker. Inspiration pur.
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Zu hoch, sind die gegenseitigen Anforderungen und Erwartungen zwischen ihnen und ihrem Lehrer. Der ziemlich greise Dozent hat nur noch wenig Kraft in seinen Fingern und vermag somit nicht den hei begehrten Barreegriff zu vermitteln. Mit der Akkordsymbolik wei er, aufgrund seiner klassischen Vergangenheit, obendrein nichts anzufangen. Die aufgetischten volkstmlichen Gitarrenstimmen sind nicht das, auf was das Ihrige wartet. Sie mchten ihren eigenen Weg gehen, auf den sie sich selbst fhren und beginnen langsam den Noten zu misstrauen. Vier oder fnf Lektionen nehmen sie mit, dann werfen sie behnd ihre Handtcher. Micky: Man wollte uns nichts Rechtes beibringen. Indessen gehren kleine Zwistigkeiten, vor allem zwischen Klaus und Volker, zum musikalischen Alltag. Bei einer erneuten Renovierung ihres Studios kommt es zu einem Zwischenfall. Klaus, der mit einer alten Tapetenrolle und brauner lfarbe sich gerade bei der schpferischen Gestaltung der Decke in Form von kleinen Punkten befindet, ist etwas unachtsam und beschmutzt mehr oder weniger unbewusst Volkers Turnschuhe. Aufgebracht reit dieser den triefenden Pinselersatz an sich und verschnert Klausens beigefarbene Windjacke. Bei dem sich anschlieendem Handgemenge, sehen sich die zwei gegenseitig als Staffelei an. Micky, der sich sporadisch seit Oktober 1971 im Treff als Diskjockey bettigt, bekommt in diesem Jugendklub seine ersten Kontakte zu anderen Musikern. So lernt er unter anderem Harald Becker, den Gitarristen und Snger der Lokalband VARIATION kennen. Dieser verspricht Micky eine 67 er Musima Eterna Deluxe mit drei Tonabnehmer, die Gitarre, die jahrelang sein Begleiter war, zu veruern. Er habe sich jetzt ausschlielich auf den Gesang und das Fltenspiel fixiert.
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Nicht gerade geringe Schuld trgt hierbei die Band JETHRO TULL, die ihm doch so sehr ans Herz gewachsen ist. Schlichtweg begehrlich auf seine erste E-Gitarre ist Micky, bt er doch immer noch auf seiner elektrisierten Akustischen. Harald hlt ihn brutal hin: Seine Mutter mchte, dass er sein Instrument doch behlt, denn sie vertritt den Standpunkt, der musikalische Zeitgeist knnte sich wieder wandeln und ihr Sohn solle ja nichts bereuen.
Auerdem sei es zweckdienlicher, erst einmal auf einer schlechteren Gitarre zu ben. Umso besser stellt sich dann spter die Virtuositt auf einem hochwertigen Instrument dar. Schweren Herzens trennt er sich dennoch am 18. Februar von ihr. Jener ist es, mit dem Micky eine lngere Unterhaltung zu einer ungnstigen Zeit und unter noch ungnstigeren Umstnden fhrt. Es ist Sonntag frh, Micky kommt geradewegs aus dem Treff, in dem er eine Discoveranstaltung bestritt. Dort sa er nach Feierabend mit der Clubleitung noch ein, zwei Stunden beieinander, und so ist es unterdessen drei Uhr, als er sich auf dem Nachhauseweg befindet. Das Thermometer zeigt unkultivierte zehn Grad minus, als ihm auf halber Strecke Harald ber den Weg luft. Dieser, von einer Party kommend, ist angetrunken und gleichsam redselig. Geschlagene drei Stunden hlt er, zum grten Teil, seine Monologe. Mit fingierter Querflte interpretiert er, in trefflicher Pantomime, sein Idol IAN ANDERSON. Gem auf einem Bein stehend, gibt er Etliches aus dem Repertoire von JETHRO TULL zum Besten. Zudem berichtet er das Aktuellste von seiner Band: Unter anderem, das er am liebsten deren Bassisten den Laufpass geben wrde. Schlielich kme der mit nur zehn Tnen den ganzen Abend aus. Micky, vor sich hin frstelnd und hierbei ein erstes und letztes Mal zu Wort kommend, vertritt ihm gegenber die Auffassung, das der Organist doch den Part der Bassgitarre mit bernehmen knnte. Becker gibt sich hierauf ausfallend und will wissen, von wem er diesen Schwachsinn habe. Von seinem Vater natrlich, meldet Micky sich kleinlaut. Worauf Harald sich nur noch mehr erzrnt und verkndet, dieser besitze ja nicht die geringste Ahnung. Der Bass muss flatschen, das bringe eine Orgel niemals. Zum nchsten Probetermin hat Klaus scheinbar die Idee: Da er sich der Vorzge von Nylonsaiten bewusst ist, er bt auf einer damit bespannten Konzertgitarre, zieht er sich einen Satz dieser leicht greifbaren und umgnglichen Spezies auf seine Elektrogitarre. So verspricht er sich eine Steigerung seiner spielerischen Fertigkeiten und stpselt das Instrument bei der nchsten Probe in den Verstrker. Klaus zeigt sich perplex, als der Lautsprecher keinen Muckser von sich geben will. Als auch ein bis zum Anschlag aufgedrehter Volumenregler keine hrbaren Ergebnisse bringt, klrt sich die Ursache.
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Ein gewisser Frank Obenzetter bastelt sich einen gigantischen Kocher aus einem absgten Sportstaffelstab, den er anbohrt und mit dem Mundstck einer gewhnlichen Pfeife versieht. Mit diesem Instrument gibt er sich 26. April im Treff die Ehre, entfacht es und lsst es sich schmecken. Monstrse grnlich-gelbe Rauchschwaden durchziehen den Saal und verursachen einen slichen und fremdartigen Duft. Micky: Ich konnte bald darauf beobachten, wie der Diskjockey von der Bhne stieg und in schnffelnder Weise entlang der elektrischen Leitungen nach der Ursache des Geruches forschte. Schon im Frhjahr 72 brachte Micky im Garten hinter dem Elternhaus Mohnsamen in die Erde, der als Beilagepckchen zur Kinderzeitung Frsi gehrte. Zum Erstaunen von Vater und Mutter kmmerte er sich in rhrender Weise um die heranwachsenden Pflanzen, bis einige Wochen spter er die noch grnen Mohnkapseln anritzte und den heraustretenden weilichen Saft auffing. Heimlich veraschte er ihn mit Hilfe eines Esslffels ber der Flamme des Kchenherdes und bei gnstiger Gelegenheit fhrte er sich diese Substanz nasal zu Gemte. Alles nur Betrug, genauso wie das DDR-Haschisch wirkt es nicht im Geringsten und bald schon kehrt er zu seiner Zigarettenhausmarke Karo zurck. Unterdessen arbeitet BRAIN beharrlich an der Verbesserung seiner Technik. Klaus ersteht schon bald seine erste Elektro-Brettgitarren. Sein Onkel, der als Tischler im Traktorenwerk Schnebeck beschftigt ist, nimmt Hals und Tonabnehmer der Wanderklampfe; sgt aus einer Sprelacart-Platte (geleimtes Lagenholz mit beidseitigem Kunststoffberzug) einen Korpus zurecht und berreicht dem Glcklichen jenes Unikat. Nicht ganz zufrieden mit seiner Bespielbarkeit lsst er sich hurtig zum nchst passenden Anlass von seinen Eltern eine fabrikneue, silberne E-Klampfe Typ Jolana Star 7, Made in CSSR schenken. Der Schnebecker Drummer Bernd Affe Schilanski macht ein akzeptables Angebot und bietet das alte Schlagzeug seines Vaters zum Schnppchenpreis. Leider ist Volker nicht in der Lage, den ntigen finanziellen Aufwand zu erbringen. Gerade erst kam es zur Konfrontation mit seinem Vater, der wie schon oft zuvor darauf bestand, das sein Sohn die Phonzahl seines Tonbandgertes drosseln sollte. Die kontinuierliche Missachtung seiner Weisung veranlasste ihn spontan das Fenster zu ffnen und Volkers liebstes Kind rcksichtslos und mit der geballten Kraft der Autoritt, aus dem dritten Stock zu befrdern. Volker E.: Es war ein schockschwere Not. Klaus entscheidet sich zum Kauf des Drumsets, auf dessen Fumaschine, neudeutsch Bassdrumpedal, Deutsches Reichspatent zu lesen ist. Mit blauer und schwarzer lfarbe, die er sich aus der Drogerie Lbner in Schnebeck besorgt, verleiht er diesem einen neuen Anstrich. Hinsichtlich der Farbwahl holt er sich Rat bei zwei jngeren Verkuferinnen, die sich an das Schlagzeug ihres letzten Besuches beim Jugendtanz im Stadtpark erinnern.
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1972: Steinschlag!
Am 25. Juni 1972 produziert man noch einmal in alter Besetzung die neuesten Eigenkreationen: Winds Of Change Blow, Who Had The Sun? und Moeritherium. Volker verlsst nun die Band und ab sofort sitzt Klaus hinter den Trommeln. Im Juli 1972 besuchen Klaus und Micky den Jugendclub Treff in der Schnebecker Wilhelm-Hellge-Strae.
In der ersten Etage befindet sich ein Versammlungsraum, indem ein Schlagzeug steht, welches die Aufmerksamkeit der beiden auf sich lenkt. Klaus ist nicht fhig, es unverrichteter Dinge zu ignorieren. Er platziert sich und startet er fr die nchsten zehn Minuten ein furioses Drumsolo. Kurz vor dem Verlassen des Raumes kommt ihnen der Clubleiter Hauenschildt entgegen. Recht erbost ber das unerlaubte Eindringen, sowie das Benutzen fremden Eigentums, stellt er die zwei zur Rede. Klaus, gewillt sich zu rechtfertigen, erklrt ihm, er habe doch nur im Vorbeigehen mit seiner Jacke das Schlagzeug gestreift. Der Treffchef scheint das hinzunehmen, lsst sie passieren und ihren Weg gehen. Im August lernt Micky Gnter Becker, Haralds Bruder kennen, der sich spter bereit erklren wird, bassmig mit vorhandenem Instrument bei der neu zugrndenden Truppe mitzuwirken. Es passiert eines Abends, als Micky zusammen mit einem anderen DJ wieder einmal eine Veranstaltung bestreitet. Ein recht bulliger Typ stellt neben den Bandgerten einen Drink ab, wobei hinter seiner Sonnenbrille deutlich zwei blau geschlagene Augenrnder zu erkennen sind. Mit ruhigem und eindringlichem Bariton spricht er: Das darfst du trinken, wenn du mir etwas von den Rolling Stones spielst. Nicht den Ernst der Situation erkennend, erwidert Micky: Oh fein, aber was passiert wenn ich nichts von den Stones parat habe? Mit recht deutlicher Geste, er schlgt die geballte rechte Faust in seine linke flache Hand, klrt Gnter schnell auf: Dann denke ich mir halt was aus! Whrend er zurck zur Bar wankt, stehen erste Schweiperlen auf Mickys Stirn. Der Co-DJ gibt auerdem noch zu verstehen, dass dieser Mensch als grter Schlger des Viertels verschrien ist. Schne Aussichten. Als nicht gerade groer Fan fragt Micky diesen, ob er nicht etwas von den Stones auf Lager htte. Micky: Die Sau verneinte. Mit zittrigen Hnden durchwhlt Micky erneut die Karteikarten seines Musikarchivs. Dann endlich der ersehnte Moment. Auf Band 8 findet sich die Aufnahme Gimme Shelter der Rolling Stones, na bitte. Versehen mit einer frivolen Ansage und mit sichtlicher Freude spielt er allein und nur fr Gnter diesen Titel.
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Anschlieend lassen die zwei ihre Glser klingen und Gnter, mit dem Micky jetzt eine Art Freundschaft eingegangen ist, unterstreicht diesen Moment mit: Wahre Liebe gibt es nur unter Mnnern. Auer Gnter Becker sollen noch Susi Richter, aufgrund ihrer achtjhrigen Klavierstunden prdestiniert, sowie die Stimme von Ulli Schumann, seines Zeichens DJ im Stadtpark dazu gehren. Am 14. Oktober ist es soweit: STEINSCHLAG veranstaltet vor der ersten Probe schon einmal eine Fotosession auf dem Hummelberg. Da man nicht im Geringsten finanziell, als auch materiell bemittelt ist, nimmt der illustre Haufen Verbindung mit dem Grobetrieb VEB Gummiwerk in Schnebeck auf. Die erhoffte, bereits aufgelistete und eingereichte, Untersttzung bleibt aus. Die enttuschende Absage fhrt dazu, dass sich STEINSCHLAG auflst, bevor es ihn berhaupt gibt. Es fehlt der Schlssel zu den Fortschritten. Einer seiner Lehrmeister tritt, Bezug nehmend auf die lngere Haartracht, den Micky etwas nher. Ob er seine Frisur nicht weibisch fnde, wolle dieser wissen. Micky: Meine Antwort schien ihm plausibel: Unsere Vorvter, die im Jahre neun die ollen Rmer verdroschen hatten, sahen mir doch nicht ganz unhnlich. Mit Gnter Becker und seinem Motorrad will Micky irgendwann, bei Eis und Schnee, nach Gro Mhlingen, zum Jugendtanz. Whrend der Tour dreht sich, der wie ein Henker fahrende Gnter, zu seinem Sozius um und erkundigt sich nach dessen Befinde. Vernehmlich riecht Micky seine ausgeprgte Alkoholfahne, worauf hin er sich noch fester um den Oberkrper des Fahrers klammert. In einer Linkskurve am Schnebecker Ortsausgang vermag dieser, auf der vereisten Strae, nicht mehr die Maschine zu halten. Unversehens landet Micky auf dem Acker, whrend Gnter seinem Funken sprhenden Kraftrad hinterdrein schlittert. Mickys Steibein teilt sich in himmelschreiender Weise mit; sein ueres ist durch den Sturz unsglich verschmutzt. Dem Gnter geht es bestens, der bejammert nur seine verbogenen und zerkratzten Kotflgel und den abgerissenen Kickstarter. Gnter B.: Statt vorher abzuspringen, suhlte sich der Hennemann noch im Dreck. Dem Micky nicht mehr nach ausgehen, doch Gnter bleibt eisern. Er wolle heute ja noch was Anstndiges erleben. So spazieren sie einiges spter in die Dorfkneipe, deren Trsteher groe unglubige Augen macht, doch letztlich Micky eine Eintrittskarte verkauft. Die HIRTEN aus Magdeburg spielen hier heute auf: Sie sind laut und der Tanzsaal ist mehr als gut gefllt. Indessen Gnter am Ausschank einen halben Liter Pils vom Fass zecht, entdeckt Micky einen lteren Herren mit langer weier Schrze vor der Bhne, der energisch mit seinen Armen der Band zu gestikuliert. Es ist der Wirt, klrt irgendjemand auf, der zum vierten Mal sich etwas geringere Lautstrke von den Musikern erbetteln will. Erhrt scheint er auch dieses Mal nicht zu werden, und so luft er fuchsteufelswild zurck, um wenig spter, Micky glaubt nicht was er da sieht, mit drei alten Wintermnteln abermals im Eilschritt zur Bhne zustiefelt. Jetzt steht er inmitten der Kapelle und breitet ber die Lautsprecherboxen seine Lodenmntel aus, um sich so doch noch seinen Wunsch zu erfllen.
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1972: Steinschlag!
Gnter Becker, musikalisch nie zum Zug gekommen, gibt seinen Ausstand in seiner altbekannten Manier. So sitzt dieser spendierfreudige Facharbeiter, umringt von zehn, zwlf Lehrlingen, in der Gaststube des Stadtparks. Untermauert von so mancher obsznen Parole, schmeit er eine Lage nach der anderen. Whrend eines auerordentlichen Gefhlsausbruches erhebt er sich und stellt lauthals der Allgemeinheit die Frage: Sind wir alle Rocker? Spontan bejaht die ebenfalls stehende Runde seinen Wissensdrang und prostet sich gegenseitig zu. Dieses Ritual wiederholt sich einige Male, bis Gnter, in dem das Bse erwacht ist, die Zeche begleicht und seine Kameraden auffordert sich ihm anzuschlieen, um die auf dem Schnebecker Bahnhof stationierte Transportpolizei aufzuklatschen.
Niemand will ihn beleidigen und so erhebt sich ein jeder und macht sich gegen ein Uhr morgens auf den Weg. Formiert wie eine Entenschar folgt man seinen Fhrer in Richtung Bahnhof. Auf der ersten Straenkreuzung trennen sich die letzten drei Gestalten in unbemerkter Weise von dieser Aktion. Bald darauf verschwinden die nchsten zwei in einem dunklen Hauseingang. Fr den Rest des Zuges gibt es ebenfalls noch einige Gelegenheiten, sprich Ecken, um sich von diesem Vorhaben zu distanzieren. An der Bahnstation angekommen, dreht sich Gnter um und stellt fest, dass nur noch Klaus Wehrmann hinter ihm steht. Kurz entschlossen entschuldigt sich dieser mit der Bitte, vorher noch einmal austreten zu drfen. Klaus W.: Gnter schob sich die Hemdsrmel hoch und nach der abschlieenden Erkenntnis: Ihr seid also doch keine Rocker... stieg er mutig die Treppe zum Wachlokal der Trapo hoch. Whrend seiner Zeit als Lehrling lernt Micky Lothar Horn kennen, welcher ihm etwas beraus Bemerkenswertes zu erzhlen wei. Sein Vater befand sich in englischer Kriegsgefangenschaft und schloss dort Freundschaft mit einem Soldaten der Royal Army und bis dato stehen sie in regsamer brieflicher Korrespondenz. Im vorletztem Jahr schrieb Mr. Churchill, das sein Sohn Chick mit der Band in der dieser Orgel spielt, recht groen Erfolg hat, und bereits die zweite Langspielplatte aufnimmt.
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Micky ist gefesselt als ihm zu Ohren kommt, dass es sich bei der Band um TEN YEARS AFTER handelt. Ende 1972 beginnt sich Micky auch fr eine andere Musikrichtung zu interessieren. Es handelt sich hierbei um eine Art experimentelles Genre, der Avantgarde. Durch bestimmte Radiosendungen wird er aufmerksam auf deren Vertreter, wie DEUTER, KARLHEINZ STOCKHAUSEN, aber auch auf den klassischen Bereich reprsentiert durch ARNOLD SCHNBERG. Am 28. Dezember bastelt er aus diversen Soundcollagen, die er mittels berspieltechnik zweier Tonbandgerte auf eine basierende, ostinate Bassgitarrenfigur berlagert, seinen ersten Titel dieses Genres: Deichselprfung. Fr diese parallelen Projekte legt er sich bald schon ein Namenspseudonym zu. Zuweilen widmet sich nun FELIX MEIERHOF seinem zweiten musikalischen Standbein und in der Folgezeit entstehen mehrere Werke, die dieses dokumentieren.
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Ecki G.
Klaus W.: Ich schnitt die Bespannung zweier Kesselpauken heraus, um Felle fr das eigene Drums zu bekommen. Zu dieser Zeit werden freitagabendliche Besuche der Diskothek SKAJ im Kreiskulturhaus Schnebeck zur Tradition fr Micky. Die Rumlichkeiten hier bekommen im Gegensatz zur kalten, Bahnhofswartehallenatmosphre der Groraumdisco Stadtpark und der wenig intellektuellen des Jugendcaf Treff, eine Art Kultstatus. Da ist dieses im Zebralook angestrichene Klavier, ein an die Decke gehngter Schallplattenspieler, das terrassenfrmige Podest, auf dem man sich unbefangen herumlmmeln kann und die Penne, einen innenarchitektonisch als Klassenzimmer nachempfundenen Nebenraum.
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Mit alten Schulbnken und Wandtafeln des Geschichtsunterrichtes fungiert diese soundberuhigte Zone als Bar. Die Preise der Drinks, allen voran die zeitgeme Wodka-Kola, welche auf dem Lehrertisch gemixt wird, stehen originell mit Kreide an der Schultafel geschrieben. Hier klnen schon fast regelmig die Mannen um Gottes Vieh und diskutieren ihre aktuellsten Ideen. Fr viele von Mickys Zeitgenossen, die unablssig fr die Musik der populren Hitparadenbands schwrmen, war dessen Geschmack schon immer unverstndlich, als auch nicht oder schwer nach zu vollziehen. Der Werdegang seiner Hrgewohnheiten verlief einen recht skurrilen Weg, denn er machte es sich zur Mission, immer anders als die Anderen zu sein. Fuhr zum Beispiel sein Bekanntenkreis auf die ROLLING STONES ab, beschftigte er sich mit den BEATLES. Galten diese als angesagt, ging er einen Schritt weiter und war fortan offen fr Bands wie TEN YEARS AFTER oder BLACK SABBATH. Waren bald darauf auch diese in aller Munde, so schlug sein Herz von Stunde an fr ein MAHAVISHNU ORCHESTRA respektive JOHN McLAUGHLIN. Indem die Anderen sich schwerfllig und mit vielerlei Vorbehalten diesem Typus nherten, setzte Micky beflissen noch eins drauf und besorgte sich seine ersten Free Jazz-Platten; unter anderem von DDR-Gren wie ULI GUMPERT, HUBERT KATZENBEIER und BABY SOMMER. Anscheinend war es die Macht der Gewohnheit, die sich dafr verantwortlich zeigte, dass jene nicht gerade leichte Kost ihm irgendwann wahrlich auch gefiel. Jedenfalls folgten ihn bis hier hin hchstens fnf, sechs Leute, in deren Kreis fortan Musiker wie die Saxophonisten ERNST LUDEN PETROWSKY, FRIEDHELM SCHNFELD, JOE FARRELL, PETER BRTZMANN, die Bassisten KLAUS KOCH, CHARLIE HADEN, CHARLIE MINGUS, BUSCHI NIEBERGALL, die Pianisten WOLFGANG DAUNER und ALEXANDER v. SCHLIPPENBACH, und die Schlagzeuger AIRTO MOREIRA, JACK DeJONETTE und CEES SEE die Runde machten. Ecki G.: Ich brauchte lange, bis ich Micky endgltig verstand. Im April 1973 findet in der sturmfreien elterlichen Wohnung eines Vertrauten der Band, eine der ultimativsten Feten jener Zeit statt. Die Jnger des Viehs betrachten sich als eingeladen und werden Teil der Festgesellschaft. Die Party nimmt ihren Ausgangspunkt in Hardys Kinderzimmer, wo Micky sich anerkennend ber dessen soundtechnischen Raffinessen uert. Micky: Die Musik schien aus jedem Winkel und aus jeder Ecke zukommen, ja selbst der Nebenmann versprhte Musik. Ursache hierfr sind die ber zwanzig Lautsprecher, die geschickt und unerkannt im Zimmer installiert wurden. Gegen 19 Uhr vernimmt man undefinierbare Gerusche unter der Couch. Der Grund hierfr ist die horizontale Anwesenheit eines sich bereits im trunkenem Zustand befindlichen gewissen Hotti. Niemand wei wo er her, wie herein und warum er gekommen ist. In einer seiner Parkataschen wird ein junger Sperling entdeckt, dem sie spontan die Freiheit schenken. Erst hiernach bitten sie den Hobbyornithologen zu Tisch.
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Und als Ronald mit zwei Flaschen Gambrinus wieder zurck ist: So viel kann ich gar nicht saufen, wie ich ber dieses System kotzen mchte. Bald darauf ldt Ronnie zur Exkursion durch die einstige Burg Schadeleben, unter deren alten Dchern, wie es Micky scheint, man zweifelsohne eine bemerkenswerte Zeit verbringen kann. Dies ist die Sttte, wo sie nach Herzenslust ihre verrckten Fantasien ausleben und ihre eigene Religion finden knnen. Mickys momentanes Handwerksinstrument ist nun Ronnies gambenfrmige 72er Migma Halbresonanz-E-Gitarre, welche er sechs Wochen spter fr 400,- Mark erwirbt; gespielt ber Ronnies 40 Watt-Eigenbauverstrker und einer Eigenbau- 4x12 Box. Klaus setzt hier sein neues blau-wei-grau-meliertes Trowa-Schlagzeug, das er von Peter Klink, einem in seinem Haus wohnenden Tanzmusiker fr vierhundert Mark erwarb, ein. Ronnie jagt seinen Migma-Bass, er besitzt die identische Korpusform wie Mickys Gitarre, ber einen MV 3. Den Gesang schicken sie letztendlich ber einen Vierkanalverstrker und zwei 2x12 Boxen. Klaus und Micky sind es, die ihren Erkundungsdrang folgen und vor den Proben oftmals hier die alten Gemuer durchstreifen. Vom Dachboden fhrt eine Wendeltreppe hinab in ein umfangreiches Kellerareal. Im Treppenhaus studieren sie Wandschnitzarbeiten mit lateinischen Texten, welchen Inhalt sie auch immer haben. berall saugen sie Philosophie und Mystik auf. Es gibt viel zu entdecken. Im 1. Stock ist das Schnebecker Stadtarchiv untergebracht, nur mittwochs ist hier der Archivar zugegen und der Schlssel liegt unter einem Fuabtreter.
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Wahrscheinlich ist das die einzige Mglichkeit eine groe Aufgabe ohne subjektive Komplikationen vernnftig anzupacken und zu beenden. Diese Rockburg, so von Insiderkreisen betitelt, wird zum regelrechten Kommunikationszentrum. Zahlreiche und teilweise in Exzesse ausufernde Partys werden von nun ab hier veranstaltet. Micky unternimmt alles, um ja keine Probe, die nicht nur an den Wochenenden erfolgen, ausfallen lassen zu mssen. Seine zweijhrige Lehrzeit verluft im recht monotonen Wechsel: Eine Woche Theorie in der Berufsschule, eine Woche Frh-, und eine Woche Sptschicht in der Lehrwerkstatt. Diese passt ihm nun ganz und gar nicht, und so mimt er in der Sprechstunde des, fr diese Belange adquaten und somit allgemein bekannten Dr. Kampf, den Kranken. Ronald G.: Das ging den gesamten Sommer: Jede dritte Woche schickte er seinem Betrieb einen Krankenschein. Dann bei einem Besuch der Praxis Anfang September, hlt besagter Doktor ihm sein Versicherungsbuch unter die Nase. Bei ihnen geht es doch augenfllig nach Fahrplan. Der Mann im weien Kittel zeigt sich hchst missgestimmt und legt Micky nahe, als notorischer Simulant, der er doch sei, demnchst einen anderen medizinischen Dienst zu beanspruchen. Scheie. Da hilft es auch nicht, etwas von unterlassener Hilfeleistung zu motzen.
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Anfang Juli wird ein Stereotonbandgert auf den Dachboden geschleppt, um einige neue Titel der Band zu konservieren. Nun verwirklicht sich Mickys Idee: Beim Solo des Drummers, dass man separat einspielt, halten Ronnie und Micky, links und rechts des Schlagzeuges stehend, die Aufnahmemikrofone in einer ihrer Hnde. Mit Hilfe der Anderen, die sie gewlbt und im Wechsel und in Intervallen vor der Mikrokapsel schwenken, wird ein innovatives Resultat erlangt. Ab dem 23. Juli ist Micky stolzer Besitzer eines Bhm-Trickverzerrers aus dem Hause Klingenthal. Nun entstehen Aufnahmen wie Wir mssen mal was machen, Creepy Message und eine Coverversion von LED ZEPPELINS Whole Lotta Love. Am Tage darauf arrangiert man im Wschekeller des Wohngebudes eine Grnfrbeaktion. Das in einem berdimensionalen Waschkessel befindliche Wasser wird zum sieden gebracht, und mehrere Tten spinatgrner Textilfarbe unter krftigem Umrhren zugegeben. Letztlich bergeben die drei Unmengen ihrer persnlichen Bekleidung dem gemein nach Essig und Salzlauge riechenden und vor sich hin kochenden Farbensud. Mickys ehemalige Jugendweihe-Kutte, Klausens zitronenfarbene Cordhose, Ronnies Schmalripslips, sowie Unmengen an Taschentchern, Strmpfen, Unterhemden, -hosen, Ruckscke und Umhngetaschen verndern von Stunde an ihre Couleur. uerst angetan ist Micky von seiner dereinst orangefarbenen ljacke, die nun mit ihrer verlaufenen und schwer zu deutenden Farbnuance die Identitt ihres Trgers unterstreicht. Er liebt es entdeckt zu werden und geniet die unerbittliche Ablehnung als auch den Neid, der unter den Menschen ausbricht, wenn sich ein Wesen ihresgleichen durch Andersartigkeit vom Durchschnitt abhebt. Inwiefern jenes einer gewissen genetischen Veranlagung entspricht ist nicht eindeutig zu ermitteln. Sein Vater jedenfalls, besa eine nicht zu leugnende Neigung fr hnliche Kapriolen. So gab dieser erst krzlich eine Story zum Besten, die unterdessen fnfzehn Jahre zurck liegt. Sein Orchester bereitete damals eine Auffhrung im Theater Magdeburg vor, in dem auch die Generalprobe stattfand. Whrend einer Zigarettenpause erkundete Kurt Hennemann das Objekt, wobei der Kostmfundus seine gesteigerte Aufmerksamkeit hervorrief. Einer dort hngenden kompletten SS-Uniform konnte er nicht die Stirn bieten und so nahmen alsbald die gehrig perplexen Musiker einen Taktstock schwingenden, verkleideten Dirigenten war. Damit nicht genug. In der Mittagspause setzte sich dieser in seinen Trabant 600 und machte sich auf den Weg nach Schnebeck, um am huslichen Tisch zehren zu knnen. Es grenzte schon an Lebensmut, lediglich mit abgenommener Kopfbedeckung, die Fahrt anzutreten. Zweifelsohne wre es nicht nur bei den fassungslosen Gesichtern der Volkspolizisten bei einer mglichen Verkehrskontrolle geblieben. Gab ihm diese waghalsige Initiative den so genannten, gewissen Kick? Micky immerhin, fhlt sich seit seiner Geburt nicht als Sohn dieses Planeten, der sich mit allem was er tut, denkt, sagt, mit seiner Geschichte, seinen Ideen, seiner Kultur in seinem Zustand immer mehr fesselt. Der Erziehung ist nichts unmglich: Sie lsst sogar Bren tanzen. Um die Bewegungen der menschlichen Marionette lenken zu knnen, muss man nur die Fden kennen, die sie bewegen. Nicht von Eltern und Lehrern allein aber wurde er erzogen, sondern auch von hheren, verborgenen und geheimnisvolleren Mchten.
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Die 10. Weltfestspiele der Jugend in Berlin. Die groe Erffnungsveranstaltung am 28. Juli 1973 wird live im DDR-Fernsehfunk bertragen. Im Foyer des Stadtparks sind infolgedessen TV-Gert und Klubsessel aufgestellt. Klaus, Ronnie und Micky erleben hier zusammen mit zehn bis fnfzehn anderen Jugendlichen jene, ihnen suspekt erscheinende, pathetische Bambule und zeigen sich alles andere als hingerissen. Ronnie, der in der hintersten Reihe sitzt, kommentiert in Folge das Geschehnis. Mit Das hat es alles schon einmal gegeben! will er an die groen Aufmrsche der Hitlerjugend im Dritten Reich erinnern. Leider sind es nur wenige, die ihn verstehen. So erhebt Micky sich nach fnf Minuten, geht zum Fernsehapparat und drckt auf den Kanalwahltasten herum. Als das ZDF sich alsbald einstellt, verlsst der erste Teil der Anwesenden angstvoll seine Pltze und begibt sich in den Diskosaal. Der Ordner des Hauses, Herr Mnch ist es, der bald darauf den ffentlichen und somit illegalen Konsum eines Westsenders Einhalt gebietet, indem er den Netzstecker des Gertes zieht. Ein bisschen frech.
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Fr ein kurzes, temporres Stelldichein, Ronnie befindet sich die kommenden vierzehn Tage im Urlaub, verbringen Ecki und Micky am 4. August einen Teil ihrer Anlage in die Salzelmener Kurparkwerkstatt. Hier ist der Harald Becker als Mdchen-fr-Alles ttig, hat neben der Werkbank sein Schlagzeug zu stehen und bt nach Feierabend bis tief in die Nacht. Zu dritt erarbeiten sie sich die Titel Lets Work Together (CANNED HEAT), Alright Now (FREE), Tobacco Road (LOVE AFFAIR) und Morning In The Night (SPOOKY TOOTH) ein. Bei Letzterem ist es Jacky Klein, der den Gesangspart bernimmt. Harald geht bei den Proben hchst didaktisch vor: Zuerst schickt er Micky vor die Tr, der auf dem Hof vor dem Gradierwerk seine Karo raucht. In 25 Jahren, wird hier das Schausiedehaus stehen. Nun beschftigt er sich in aller Ruhe mit Ecki, dem er die Bassgitarren-Stimmen vermittelt. Nach zwanzig Minuten erfolgt der Wechsel: Raucherpause fr Ecki. Micky bekommt seine Gitarrenlektion. Schlielich spielen sie gemeinsam den Titel durch, zu denen Harald trommelt und singt. In einer Pause gibt er eine ergtzliche, als auch schwer zu glaubende, Geschichte zum Besten. Diese ereignete sich auf der Hinfahrt seiner Band zu einem Gig. Unterwegs mit zwei PKW samt Anhnger, stoppten sie vor den geschlossenen Schranken eines Bahnberganges. Aus dem Fenster schauten zwei jngere Reichsbahnmitarbeiterinnen, die impulsiv und freundlich den Musikanten zuwinkten. Nach kurzem Wortwechsel wurde man eingeladen und Harald, nebst Gitarrist Julian Schwarzberg, dem Micky Jahre spter eine Fender Mustang Gitarre abkaufen wird, fhlten sich berufen, dieser Bitte nachzukommen. Allerdings bekamen sie im Dienstzimmer weder Kaffee, noch Kekse gereicht, denn den beiden Damen stand der Sinn nach etwas anderem. Auf dem Schreibtisch und einem Sofa gingen die vier ihrem sexuellen Verlangen nach. So etwas wird man spter einmal Quickie nennen. Erst nach diesem viertelstndigen Geschft, wurden die Schranken mit kleinen Augen hochgekurbelt und der sich mittlerweile merklich angestaute Verkehr durfte passieren. Nett. Mitte des Monats siedeln sie wieder in das Pflegeheim ber. An einem Samstagabend fahren Klaus, Ronnie und Micky, zusammen mit Freunden nach Magdeburg, um am Grostadt-Amsement teilzunehmen. Gern sitzen sie im OVG-Club, einem Studentenklub in der Hegelstrae. Der halbe Liter Bier achtzig, die Schmalzstulle zehn Pfennig, die Musik innovativ, die Frauen interessant. Der Diskjockey thront hinter zwei zusammen geschobenen Klavieren an der Fensterseite des schlauchfrmigen Raumes. Ihm gibt Micky eine kleine Magnetbandspule, mit der Bitte sie doch einmal abzuspielen. Inspiriert durch JIMI HENDRIX, zerpflckte er die DDR-Hymne in gleicher Manier. Seine Gitarre jault, pfeift und brummt mehr oder weniger floskelhaft die Auferstanden-Melodie und somit verschaffen sich unsere Provinzler die ntige Reverenz. Wenig spter tanzt Micky Haut-an-Haut mit einem Girl aus Leitzkau nach BOB DYLANs Its All Over Now Baby Blue. Zu spter Stunde schlgt irgendwer einen Szenewechsel vor, und recht angetrunken, wie auch lustig, machen sie sich auf, einem anderen Extrem einen Besuch abzustatten. Das Kinder-Caf im Breiten Weg mutiert an den Wochenenden zu einer reinen Tanzdisco mit entsprechender Musik und Gsteschaft.
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Am 21. September stt ein Reinhard Storch zur Band. Er kommt aus Calbe und spielt Keyboard. Recht viel Schwei und Mhe bedarf es jedes Mal, um die schwere Orgel per Pedes die 500 Meter von der Bushaltestelle, an der sie Reinhard empfangen, bis zum Pflegeheim zu transportieren. Bei den Proben sind nun ebenfalls ehemalige Musikkollegen wie Ecki Grimpe oder Volker Ehlert prsent. Mit letzterem produzieren sie am 29. September eine der letzten Aufnahmen hier unter dem Dach. Session 4 entsteht als fnfzehnmintiges Mammutwerk. Gemeinsame Erfahrung garantiert jetzt zum einen Sicherheit, zum anderen ermglicht sie, dass sich die Musiker von augenblicklichen Einfllen leiten lassen knnen. Auf diese Weise ist das fruchtbare Verhltnis von Komposition und Improvisation stets gewhrleistet. Die Spontaneitt der Bandmitglieder ist ein wichtiger Faktor. Volker und Klaus wechseln sich an Drums und diversen Perkussionsinstrumenten, wie herumstehende Waschschsseln, Holzschrnke, Bierflaschen und Badewannen, in einem atemberaubenden musikalischen Frage- und Antwortspiel ab. Micky bedient und vergewaltigt abwechselnd und parallel Gitarre und Keyboard. Herr Storch sieht nur fassungslos zu. Bei diesem wsten und bizarren Improvisationsgelage ist der einzige ruhende Punkt, die souverne Basslinie Ronnie Glatzels. Als Hhepunkt des Titels, lsst Micky sich noch etwas ganz besonderes einfallen. Bewaffnet mit zwei, frisch von einem Stuhl abgeschlagenen Beinen, dieser Vorgang ist ebenfalls auf der Aufnahme zu hren, kriecht Micky theatralisch, mit der Grimasse eines aus der geschlossenen Anstalt ausgebrochenen Irren in der manischen Phase, hinter der Orgel hervor. Er begibt sich zur Mitte des Dachbodens, wo ein berdimensionales, aus dem Kulturhaus entwendetes, Klangrhrenxylophon aufgehngt ist. Rainer S.: Der Glanz seiner Augen war gespenstisch, in seinem Blut begann ein krankes Pochen. Untersttzt vom rhythmischen Drumming zweier berserkermig agierenden Trommlern, entfacht er mit der rcksichtslosen Wut eines Kamikazefliegers ein animalisches Inferno. Feuer und Wasser sagen einander die Meinung; ein Mensch geniet sich im Chaos. Das Xylophon gewinnt den erbitterten Zweikampf mit den Stuhlbeinen in einem wahrhaft musikalischen Feuerwerk. Dieser Wust des Exzesses hatte keinen eigentlichen Schauplatz, keine Landschaft, keine Szenerie, kein Kostm, sie spielte im luftleeren Raum der Idee, vor oder nach aller Zeit. Als der Schlussakkord des Werkes erklingt, verebbt und die Wohltat der Stille Einzug hlt, liegen unter den arg deformierten Rhren des Instrumentes nur noch Holzspne. Ernchternd ist der Wahn, dem man verfallen war, verflogen. Leider bleibt das Tonband mit diesem Mitschnitt nicht der Nachwelt erhalten. Bassist Glatzel wird diese Glanzleistung menschlichen Verstandes ein halbes Jahr spter berspielen.
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Dennoch kommt es zu einer, wenn auch nicht intensiven Zusammenarbeit mit ihm. So wird er beauftragt, dass musikalische Genre der Band zu umschreiben. Aus akzeptablem Grund soll hier nur der reprsentative Teil seiner Definition wiedergegeben werden: Gottes Vieh ist in seiner Essenz imperativer Melangist eines rhythmisch radikalen, jedoch verbal passiven und temporr transzentralen lyrischen Inhalts. Abgerundet durch historisch gesehen innovatives melodisches Material. Transponiert und transpiriert durch die Angst aus seiner Erfahrung, die es quasi emporhebt aus letztlich Alphaexponenten vom Wesen eher betapotential harmonischen Materials; bis hinauf zu den primren Kulturexponenten einer unikadenzschen kosmischen Stanzaform. Peitsche machte es sich zur fast ausschlielichen Gewohnheit, auf den Partys als erster seine alkoholische Durstgrenze zu berschreiten, und demgem liegt er verfrht in einer dunklen Ecke. Nach gut zwei Stunden, zu dem Zeitpunkt, da in den Mndern der Anderen die Zungen merklich gewichtig geworden sind, hat er den bestimmenden Teil seines Rausches ausgeschlafen. Er kommt schon wieder sicher auf seine Beine und fasst lauthals seine Erkenntnis in Worten: He, ich kann ja wieder stehen! Bald hierauf motzt er in die Runde, weil mit niemanden mehr eine ernsthafte Konversation zu fhren sei: Wie kann man sich nur so betrinken? Die beiden Gottes Vieh-Gitarristen fahren alsbald nach Magdeburg, wo Ronnie in einem Musikladen am Hasselbachplatz ein neues Instrument antestet. Sogleich hngt ein blauer Halbresonanzbass, die Form einem Framus Star Basses, nachempfunden, mit zwei Single Coil-Abnehmer aus Markneukirchen um seinen Hals. Micky sgt sich, unter Ronalds fachgerechter Anleitung (sein Vater ist gelernter Mbeltischler) eine eigene 4x12 Box zu und investiert 450,- Mark in einen Ziphona HSV 925- Verstrker.
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Der Winter ist ins Land gezogen und Bassist Grimpe braucht entsprechendes Schuhwerk. Seine Jesuslatschen wren doch nur etwas fr die wrmeren Monate, meint seine Mutter. Sie ist es, die ihn bei der Hand nimmt und in ein Salzelmener Schuhgeschft bringt, wo er sich etwas Angebrachtes aussuchen soll. Recht erstaunt zeigt sie sich, als Eckis Wahl auf ein Paar Langschfter, im Damenregal, fllt.
Gottes Vieh, Anfang 1974
Es schert ihn nicht und er stellt Mama vor die Entscheidung. Entweder diese oder keine. Jene hochhackigen und aufgrund seiner kleinen Fe, ihn passenden und bis zu den Knien reichenden Stiefel, werden, und das nicht nur des Winters, zur permanenten Komponente seiner Erscheinung. Den Jahreswechsel verbringt die Band zusammen mit der hier feiernden Sektionsgemeinde. Von der Sache her, stellen die drei Titel mit denen sie das Jahr 1974 einluten, das erste Gottes Vieh-Konzert dar. berhaupt hat fr Micky der Hummelberg etwas sinnlich-mystisches an sich. Schon als fnfjhriger suchte er diesen, vor allem an Samstagvormittagen, zusammen mit seinem Grovater auf. Aus gutem Grund, denn immer war dies der Zeitpunkt, da Opa Ernst vor seiner Frau die Flucht ergriff, um ihrer ausgiebigen Putzwut nicht beiwohnen zu mssen beziehungsweise zu entgehen. Die damals auf dem Berg befindliche Gastwirtschaft hatte bereits geffnet, und so nahmen die zwei im Garten, unter den stattlichen Kastanien Platz, um etwas zu trinken. Opa nahm ein Bier und Micky bekam eine Fassbrause mit etwas Bierschaum, fr siebzehn Pfennig ausgegeben. Abschlieend vertrat man sich die Beine im anliegenden Forst. Micky stand inmitten eines Kiefernwaldes, durch den das Sonnenlicht in gedmpft staubigen Streifen wie durch die hohen Fenster einer Kathedrale fiel. Welche verborgenen Krfte wurden seiner gewahr? Noch war alles blo Ahnung, Vorgefhl, eine ferne Welt, die ferner war als der Mond. Pnktlich zur Mittagsmahlzeit war man wieder zurck. Jahre spter las er etwas ber archologische Ausgrabungen am Sdwesthang des Berges. Anfang des 20. Jahrhunderts kamen so einige Gegenstnde zutage, die auf eine Kult,- und Ritualsttte der einst hier ansssigen Slawen hinwiesen. Es tut ihm gut, auf dem Weg zum Probeort die hglige und waldreiche Umgebung zu durchstreifen. Dmmrig und geheimnisvoll. Mit einer Aura von Vergangenheit und Ruhe umgeben. Fr ihn kennt die Natur keine Niedertracht, sie liegt auerhalb der Begriffe von Gut und Bse, sie hat keinen Charakter. In ihr ist es ihm mglich den Weizen der Seele von der Spreu des Krpers zu trennen. Die Gedanken in die Ferne gerichtet, den Wunsch unbeobachtet einen Baumstamm zu berhren. Die Stirn an die Borke gelehnt, vernimmt er Stimmen im Gest wie aus der Tiefe, woher der Baum den Lebenssaft nimmt. Die Botschaft ist die Demut vor der Natur und nicht ihre berwindung. Die Wurzeln rufen.
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Indessen gibt der Ofen wieder wohlige Wrme ab, die Band hat sich in ihre Musik versenkt, als ein heftig eingeschneiter Werkswachmann zur Tr herein tritt. Nachdem er die Jungs begrt hat, erbittet er sich Auskunft ber den von ihnen in aller Finsternis transportierten Gegenstand. Die Sache klrt sich auf. Man hielt, es ist schwerlich zu glauben, die Aktion fr eine kriminelle und den Kohlensack fr ein mgliches Opfer. Jetzt, nachdem die Musikanten ihre Unschuld bewiesen haben, bieten sie ihrem Besucher ein fr diese Jahreszeit angebrachten Grog an. Der sich in durchgefrorener Verfassung befindliche Schutzmann lehnt auch keineswegs dankend ab und nach einer guten Stunde begibt sich jener wieder retour, um ja nicht den kurz bevorstehenden Schichtwechsel zu verfehlen. Gelegentlich lud sich der, mit hohen Offizieren der in Salzelmen stationierten sowjetischen Garnison befreundete, Sektionsleiter der Sportschtzen solche Persnlichkeiten in sein Privatbro. Auch dieses Mal ist es wieder soweit. Einem Militrjeep entsteigt ein prchtig beleibter russischer Oberst, dessen Fahrer, ein untertniger Sergeant, eine Kiste der raren und hei begehrten Biersorte Pilsener Urquell in das Bro bringt. Der Tontaubenoberschtze gibt Micky & Co. zu verstehen, von jedweder Strung seiner Geschftigkeit abzusehen und den Lrmpegel in Grenzen zuhalten. Er verschliet hinter sich die eherne Feuertr fr gute zwei Stunden, die der Fahrer bei bitterbser Klte in seinem Jeep verbringen muss. Dann ist es soweit. Die Brotr ffnet sich und heraus kriecht der Gastgeber auf allen Vieren. Mhevoll macht er deutlich, man mge doch den Sergeanten hereinholen, um den Abtransport des in der Hinterstube, im eigenen oralen Auswurf, liegenden russischen Abgesandten zu realisieren. Der rein physisch berforderte Soldat erhlt die tatkrftige Hilfe der drei Musiker. Sthnend vor Anstrengung schleppen sie zu viert den bestimmt dreieinhalb Zentner wiegenden Menschenkrper zum Fahrzeug. Mit Schwung und so richtigem Anzhlen, werfen sie ihn kurzerhand durch die geffnete Hecktr des Wagens, so dass dieser betrchtlich in die Knie geht. Sein Sauf-aus-Genosse hat es nun mittlerweile geschafft, sich am Jeep hochzuziehen. Torkelnd und mit immenser Wucht schlgt er die Blechtr zu. Der Karren setzt sich in Bewegung und zum Abschied krht er noch hinterdrein: Doswidanje, das nchste Mal wirds noch schner! berhaupt nicht schn wird es fr Gottes Vieh, als man deren Machenschaften aufdeckt. Die Inventarliste der Spirituosen weist ein recht betrchtliches Defizit zu den real existierenden Lagerbestnden auf. Zu allem berfluss gibt eine sektionseigene Verstrkeranlage nicht nur ihr letztes, sondern auch ihren Geist auf. Mit der Androhung die Scheikapelle vor den Kadi zu ziehen, werden sie im Februar des Hummelberges verwiesen. Mickys Meinung ber den Sektionsleiter: Erst machte er uns Mut und dann zur Schnecke. Fr Bedauern und Reue gibt es scheinbar in seiner Existenz keinen Platz.
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Thomas G.: Irgendjemand pinkelte in die Badewanne und zog die Klosplung, whrend ein Anderer sich im Esszimmer an den Saiten des Pianos vergriff. Im Flur bearbeitete ein Weiterer das Trglockenspiel, in der Kche wurde mit Tpfen geklappert und auf der Wasserkesselpfeife geblasen und im Schlafzimmer ein Wecker aktiviert. Das war ihre Musik. Mit Jrg trampt Micky dann im Sommer an die Ostsee. Sie stehen in illustrer Daumenim-Wind-Manier an einer Magdeburger Auffahrt zur A2 und wollen zuerst nach Berlin. Es regnet in Strmen und niemand ist gewillt, sie auch nur einen Kilometer mitzunehmen. Nach zwei Stunden haben sie von diesem Kult ihre Schnauzen voll und begeben sich per Straenbahn zurck zum Hauptbahnhof, lsen zwei Tickets und erreichen des Nachmittags die Hauptstadt. Dort geht es mit der U-Bahn weiter zur Chausseestrae. Im Haus Nummer 135, in der Nhe des Hugenottenfriedhofes, wohnt der diskutable Liedermacher WOLF BIERMANN, dem sie eine Visite abstatten mchten. Hier kommt ihnen NINA HAGEN im Treppenhaus entgegen gesprungen. Sie sind perplex. Die Wohnung Biermanns ffnet schlielich ihre Mutter, EVA-MARIA HAGEN, die vorgibt, Wolf befnde sich bis auf weiteres im Urlaub. Bedauerlich. Mit der S-Bahn fahren sie am Abend ber Basdorf nach Gro-Schnebeck, wo sie sich entscheiden die Nacht hindurch, in Richtung Prenzlau zu marschieren. Irgendwann geht es nicht mehr, das Gewicht ihrer Ruckscke bekrftigt ihre ohnehin vorhandene Ermdung. So verlassen sie, hier in der Schorfheide die Fernverkehrsstrae 109 und schlagen sich in ein Waldstck, um sich bis zum nchsten Morgen auszuruhen.
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Irgendwann nimmt sie ein Fahrzeug in Richtung Kste mit. Kurz hinter Anklam sehen sie einen ihrer Freunde stehen. Ex-Gottes-Vieh-Bassist Grimpe sitzt im Straengraben und lffelt aus einer Zellophantte seinen mitgefhrten Proviant: Kalte Weikohlsuppe. Jener strzte sich bereits einen Tag zuvor ins Abenteuer, doch kurz nach Verlassen des Elternhauses, fiel er gegen drei Uhr morgens einer Volkspolizeistreife in die Hnde, die ihn jhlings dorthin zurckbrachte. Auf dem ckeritzer Zeltplatz auf Usedom finden sie sich dann endlich zusammen, erregen aber erneut das wachsame Auge der ffentlichkeit und werden nicht nur des Ortes und der Insel verwiesen. Auf einer Polizeiwache verdeutlicht man ihnen, dass sie sich gesetzwidrig, ohne Aufenthaltsgenehmigung im Grenzbezirk Rostock aufhalten und bekommen bis Ende 1974 fr ihn Hausverbot ausgesprochen. Sehr genau wei Micky, dass die Avantgarde musikalisch keine Dauerlsung ist. Da kommt es ihm gerade recht, als Ex-Bassist Glatzel und dessen Kollege vom Abendstudium, ein Keyboarder namens Udo Mnchow, am 12. Mrz mit ihm Kontakt aufnehmen. Man bietet ihm an, zusammen mit Klaus Wehrmann, in einer sich neu formierenden Gruppe mitzuwirken. Micky spricht mit Klaus und sie einigen sich, den beiden positiven Bescheid zugeben. Nun werden regelmig Verhandlungen in dem Salzelmener Restaurant Am Schwanenteich abgehalten, Bassmensch Grimpe bleibt erneut auen vor. Ecki G.: Und wieder einmal lieen sie mich hngen. Die zwei sind sich schon bald darber im Klaren, einen Kompromiss eingehen zu mssen. Ronnie und Udo, zwei hoffnungslose Nostalgiker, halten mit ihrer Vorliebe fr die so genannte Oldiemusik nicht hinter dem Berg. Dennoch willigt man ein, denn die zwei organisieren den Proberaum inklusive Equipment. ber einen neuen Namen werden sie sich allerdings nicht einig, Vorschlge wie Pharao werden schnell wieder verworfen.
U. Mnchow, Sommer 1974
Whrend einer dieser Zusammenknfte, sie lsst sich nur mit Gelage beschreiben, wird es Micky so richtig bel. Irgendjemand am Nachbartisch, lsst seine Hochschtzung fr eine Rockband erkennen und einiges an Bier und Kurze dieser zukommen. Am Tresen stehen ein russischer Feldwebel und ein Soldat und jedes Mal wenn Micky zur Toilette und an diesen vorbei muss, prosten sie ihm freundlich zu. Als er das dritte Mal vom WC kommt, drcken ihm die Rotarmisten einen Drink in die Hand. Idjosch drug poidjomtje pietsch schto gramm! ist die Aufforderung, mit der sie ihn anstiften, sein Glas mit ihnen in gleicher Ex-und-Hop-Manier zu leeren. Schtogramm definiert hierbei das Fassungsvermgen des Glases. Einhundert Milliliter Wodka rinnen whrend einer innigen und brderlichen Umarmung seine Speiserhre abwrts.
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Anfang Juni begibt sich GOTTES VIEH geschlossen nach Halberstadt, um von einem ihnen bekannten Musiker Lautsprecher zu kaufen. Mit dem Adresszettel in der Hand irren sie durch die fremden Straen. Nach drei Stunden findet man die Hausnummer, nicht aber den Verkufer, der nach Auskunft seiner Eltern irgendwo bei einem Freund die Wohnung renoviert. Ohne die Speaker im Gepck treffen sie wieder auf dem Halberstdter Bahnhof ein. Vom Kiosk auf einem der Bahnsteige wollen sie sich noch schnell ein paar Flaschen Bier besorgen, sich ber das Desaster hinwegtrsten. Als die Verkuferin die Vier erblickt, wird sie so richtig nett: Ihr Vgel bekommt hier berhaupt nichts! Auf den im Hintergrund stehenden Micky zeigend: Und der da von der Asche sollte nicht meiner sein, totschlagen wrde ich den! Udo M.: Kurzerhand verschloss sie ihr Fenster, und durstig mussten wir auf den Zug in die Heimat warten. Im Juli benutzt man eine Achtmillimeterkamera und produziert die ersten Filmaufnahmen: Innenaufnahmen der Band im Treff, sowie diverse Auenschwenks im Salzelmener Kurpark und Tannenwldchen. Hierbei entsteht eine Sequenz recht makaberer Natur, wofr eigens ein Dummy gebastelt wird. Whrend auf Ma gesgte und mit Draht zusammengebundene Dachlatten die Extremitten darstellen, fungiert ein alter Ball als krnendes Haupt. Das Gerippe wird mit Putzlappen umwickelt, in einen ausgedienten Trainingsanzug gesteckt, und ein Kapuzenparka ihm bergezogen. Man bugsiert die bizarr anzusehende Figur auf den Dachboden von Rainers Elternhaus in der Leninstrae. Die Kamera wird auf einem Stativ im dortigen Hof positioniert. Dann lsst Rainer sein eigenes Double zwlf Meter in die Tiefe strzen. Die Aufnahme wird gestoppt und beflissen wird der Verunglckte aus der Szene gerumt. Nun legt sich Rainer an dessen Stelle in Position und der Film luft weiter. Rainer S.: Mit schmerzgepeinigter Mimik und todeskampferfllten Augen musste ich mich in meinen letzten Krmpfen winden. Jedermann ist zwar von dieser Initiative begeistert, aber langsam und sicher hlt eine musische Stagnation ihren Einzug. Immer noch beschrnkt sich das Keyboard-Equipment auf ein altes und verstimmtes Piano aus der Gaststtte Stockmann stammend, sowie ein Klingenthaler Clavinet. Udo will nicht investieren. Als er sich fr ein Studium einschreibt, bricht die Gruppe auseinander. Letztendlich verkauft der nun ebenfalls desinteressierte Ronnie seinen Teil der Anlage. Ihn ersetzt, nun zum dritten Mal, Eckbert Grimpe. Sie kommen gerade noch dazu das Repertoire umzustellen, als sich der allzu groe Lrmeinfluss auf die Nachbargrundstcke auswirkt. Eine ltere Dame bezeichnet in ihrer Beschwerderede den Klang von Rainers, oft mittels Tonabnehmer und Verzerrer entfremdetes Saxophon, als scheuliches und urzeitliches Mammutgebrll. Man rumt aus.
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Am Abend des 15.11.1974 begrt Micky auf dieser Lehrlingsfete das Publikum: Wer seid ihr? Hat die Welt euch da drauen verstoen? Hier ist eure Familie ich bin euer Vater! Anschlieend geben die Musiker ihre neuesten Werke zum Besten: Fluchtversuch, Der Traum und Missstand welcher, die Lehrlingsproblematik aufgreifend, zum Favoriten des Abends gekrt wird. Die Meute rast und die Band steht in Flammen. Da man es mit der Sauberkeit, Sicherheit und Ordnung nicht allzu genau hlt, wird die Band nach einer Auseinandersetzung mit dem dort ebenfalls trainierenden Schachklub, tief in den Keller delegiert. Zusammen mit dem Posaunisten Thomas Fischer, entstehen nun, mit einem kompletten Blsersatz, weitere Kompositionen wie Tauglich. Micky lernte ihn an der Magdeburger Musikschule kennen, in der er jetzt regelmig Kontrabassunterricht nimmt. Die Immatrikulation an der Musikschule ist einer PKW-Anmeldung nicht ganz unhnlich. Hier gibt es, je nach Instrument, mitunter recht unertrgliche Wartezeiten. Vier Jahre msste Micky ausharren, um in der Tanzmusiklasse Gitarre lernen zu drfen. Bassgitarre ginge sofort, nur fehlt ihm ein entsprechendes Instrument. So besorgt er sich, aus dem Instrumentenpark des vterlichen Orchesters, eine Hundehtte, eine Oma: Einen Kontrabass. Zuallererst hie es fr ihn jedoch, eine sogenannte theoretische Aufnahmeprfung zu absolvieren. Im Rahmen dieser wurden einige Fragen gestellt, mit denen man ihm auf den Zahn fhlen, und einen berblick seines musikalischen Verstndnisses bekommen wollte. Unter anderem, ob er den Unterschied zwischen einem Kontrabass und einer Violine definieren knne. Micky fasste sich an die Stirn, um somit die Intensitt seines Sinnens verstehen zu geben und antwortete schlielich: Der Kontrabass brennt lnger! Die beiden Prfungskommissionre schauten sich hierauf erschttert an, bis alle drei in herzhaftes Gelchter ausbrachen. Micky bestand. Immer donnerstags ist um 13:30 Uhr eine Stunde praktischer Einzelunterricht. Micky ist um einiges desillusioniert als er hrt, dass im ersten Schuljahr nur Legato, was ausschlielich die Arbeit mit dem Bogen definiert, gespielt wird. Erst dann geht es in Sachen Piccicato, sprich der Zupftechnik richtig los. Er wollte doch, von Anfang an, gehrig jazzen. Bis zum Beginn der Theoriestunde hat er noch drei Freistunden, die er ein Buch lesend, auf einer Bank im Park vis-a-vis der Musikschule in der Hegelstrae verbringt. Sein Kontrabasslehrer Wolfgang Kirchner ist es, der auch den theoretischen Stoff vermittelt. Hier sitzt Micky neben Klaus Wehrmann, der immer dienstags seine Lektionen im Fach Schlagzeugspiel erhlt. Der Theorieklasse gehren ebenfalls Giesbert Pitty Piatkowsky, Gitarrist von LIFE (spter NO 55 und CITY) und Michael Krantz, spterer Klampfer von GATALULA und SCHESELONG, an. Kurz vor Unterrichtende setzt sich die Lehrkraft an den Flgel, spielt zwei Tne und prft seine Zglinge in punkto Gehrbildung. Wer das zutreffende Intervall nennen kann, darf sich erheben und Feierabend machen. Dem Klaus Wehrmann sind diese Spielchen zuwider. Klaus W.: Ich kam mir wie im Kindergarten vor.
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Die verbleibenden Drei holen sich den Gitarristen Wolfgang Strasburg und finden Zuflucht in der Aula eines Schulinternates in Calbe/Saale. Zu dieser Zeit ist eine polnische Sportmannschaft dort untergebracht. Nach einer Probe verlsst die Band wie gewohnt den Raum und begibt sich auf den Heimweg. Diese einmalige Gelegenheit nutzen die polnischen Freunde und versuchen sich, vermutlich nach oder whrend eines kleinen Umtrunks, am Instrumentarium. Besonders angetan sind sie von Rainer Schulzens recht stattlicher Blockfltensammlung. Als die Musikanten ein paar Tage spter ihren Proberaum betreten, sind sie mehr als schockiert. Die Drums mit getrockneten Erbrochenen besudelt. Eine gerissene Basssaite, eine eingetretene Lautsprecherbox und mehrere gespaltene Blockflten. Indessen die anderen mit den Trnen kmpfen, bewaffnet sich Ecki Grimpe mit einer Schere, dringt in die Sporthalle des hier trainierenden polnischen Teams ein und schneidet wutentbrannt smtliche Tragriemen ihrer Sport- und Reisetaschen ab. Dieser Vorfall wird kurz darauf von der Internatsleitung ausgeschlachtet, politisch zugeordnet und die Musikanten ziehen den krzeren und aus dieser Sttte. Sie kommen in den Rumen des SKAJ, der bekannten Insiderdiskothek im Obergeschoss des Kreiskulturhauses Schnebeck unter. Dort proben sie nun mit dem neu hinzugekommenen Taster Peter Volz, vormals bei GALAXIS, vornehmlich Coverversionen, wie SANTANAs Jingo ein. Anfang Sommer kommt es zum Austausch der Bassisten. Der virtuosere Andi Pler tritt an Eckis Stelle. Wohlerwogen, denn Eckbrecht Grimpe muss am 3. November zur NVA. Von August bis Ende des Jahres probt die nun etwas vernderte Besetzung: Rainer Schulz ts Peter Volz key Wolfgang Strasburg g Andi Pler b Klaus Wehrmann dr, voc
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Im Mai 1977 verabschiedet sich auch noch der Klaus Wehrmann, zum Antritt seines Wehrdienstes. Das Orchestrion lst sich auf. Zu dieser Zeit macht ein Gercht die Runde, die Band sei einer konzertierten Aktion zum Opfer gefallen. Das exakte Timing der Einberufung der Gottes Vieh-Stammbesetzung im halbjhrigem Turnus die in vielerlei Hinsicht, auch politisch, kein unbeschriebenes Blatt war, lsst hier einen begrndeten Verdacht aufkommen. Ein Zwischenfall, der dieses noch unterstreicht, ereignete sich bereits Anfang 1975. Eines Nachmittags hielt ein Streifenwagen der Deutschen Volkspolizei vor Mickys Wohnung. Man forderte ihn unter dem Vorwand auf, vorangegangene Nacht einige seiner Freunde wegen eines Mopeddiebstahles inhaftiert zu haben, mitzukommen. Auf groem Umweg, sie hielten zwischendurch noch in der Betriebswache des VEB Sprengstoffwerkes, erreichte das Fahrzeug schlielich das Polizeiprsidium. Hier erfuhr Micky, dass man ihn lediglich zwecks einer Zeugenaussage vorgeladen habe. Da er niemanden in seinem Bekanntenkreis einen Mopedknack zutraute, erwachte in ihm ein leiser Verdacht. Nur wenige Tage zuvor, wurde er von seinem Meister am Arbeitsplatz angesprochen. In einem vorsichtigen Gesprch meinte dieser, zwei Herren in Zivil htten sich ber ihn erkundigt. Er mge doch sehr vorsichtig mit eventuellen politischen uerungen sein. Im Volkspolizeihauptquartier lie man ihn eine gute Stunde warten, bis er endlich in ein Bro der Kriminalpolizei hereingerufen wurde. Eine zivile Gestalt sa dort an einer Schreibmaschine. Eingespannt ein Blatt mit dem bereits geschriebenen Wort Erklrung. Jetzt erkundigte sich der Beamte nach Mickys eventuell vorhandenen Problemen mit seinem Leben in der Gesellschaft. Nun wurde er direkter: Micky soll sich in einem Bierlokal geuert haben, die DDR auf illegalem Wege verlassen zu wollen. Selbstverstndlich bestreitet dieser alles, auch die ihm, wahrscheinlich als Kompromisslsung, angebotene Tatsache, er wolle ja nur einmal Camping in Kanada machen wollen. Unterdessen tippte der Typ rasch noch ein paar Zeilen und reichte ihm schlielich den A4-Bogen. Micky: Ich unterschrieb, dass ich ein vollauf zufriedener, ohne jegliche Sorge um seine Zukunft, vaterlandsliebender und staatstreuer Mensch sei, der seine Rolle in der Gesellschaft akzeptiert. Whrend Mickys Dienstzeit im Oberkommando Landstreitkrfte der NVA in Geltow bei Potsdam, bekommt er Gelegenheit sich als Trommler innerhalb einer neu gegrndeten Battalionskapelle zu bettigen. Beschftigen sich seine Kameraden mit der Stuben- und Revierreinigung, geht er zu den Proben im objekteigenen Kinosaal. Mit Uniform und sozialistischen Soldatenliedergut, sowie ein paar rhrseliger Volkslieder im Gepck, treten sie zum Polterabend einer Offizierstochter und in einem Altenheim auf. Als eine Veranstaltung im Rahmen einer Regimentsfeier bespielt werden soll, lsst Micky sich etwas Besonderes einfallen. Auf einem Schlagzeugstnder stlpt er, anstatt ein Becken zu befestigen, einen Stahlhelm. Jenen benutzt er dann auch als zweite HiHat. Die Landser jubeln, Mickys Kompaniechef dagegen zeigt sich sichtlich entrstet. Er kann keine Liegesttze, nicht einen Klimmzug, nicht einen am Seil erkletterten Meter; sportlich gesehen eine Niete. Er krempelt, die Dienstvorschrift verschmhend, die rmel seines Kampfanzuges weit nach oben, trgt sein zweibeiniges Maschinengewehr, nach GI-Manier, quer ber die Schultern und ist zudem nicht das, was einem preuisch durchexerzierten Rekruten entspricht.
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Einen Kontrast hierzu, stellt sein fast schon meisterlicher Umgang mit der Waffe dar. So belegt er bei einem Pistolenwettschiekampf einen dritten Platz unter allen Offizieren und Mannschaften seines Battalions. Dieser Umstand erlaubt es, beim nchsten Konflikt mit dem Fhrungspersonal, diesem selbstsicher entgegenzutreten. Anzugsordnung sei das Eine, Zielgenauigkeit das Andere. Wollen Sie nun einen Dressman, will Micky wissen oder doch lieber einen Killer? Schon bald darauf passiert ihm ein fatales Malheur whrend seiner Funktion als Wachposten am Haupteingang des Objektes. Auer der Kontrolle von Ausweisen und Legitimationen des zu passierenden Fuvolkes, ist er befugt, die Schranke hinter dem Tor zu handhaben. Alles Alltag, alles Routine, mechanisch salutiert er den frequentierenden Fahrzeugen. Hellwach allerdings wird er, als ein ganz und gar nicht nach NVA aussehender PKW dicht hinter einem LO 1800 ins Kommando rollt. An der Heckscheibe jenes tannengrnen Straenkreuzers kann Micky noch die US-Flagge erkennen: Er hat soeben den Erzfeind der Warschauer Vertragsstaaten, in Form einer amerikanischen Militrmission, den Zutritt ins Allerheiligste der Volksarmee gestattet. Der Wachhabende, der Mickys Meldung anfangs fr eine miese Posse hlt, informiert den Groen OvD, welcher sich impulsiv zu einem Veitstanz hinreien lsst. Jetzt war guter Rat teuer, was ist zu tun? Indessen waren die Amis am anderen Ende der Militrbasis angelangt, drehten das Fahrzeug und stoppten es. Whrend die volkseigenen Soldaten gem der Parole Dies ist keine bung!, wie aufgescheuchte und orientierungslose Ameisen herumpreschten, nahmen die GIs ihre Kameras vor Gesicht, um jenes Chaos festzuhalten. Mit kreischenden Bremsen hielt alsbald ein Jeep der Bruderarmee. In Windeseile sprangen vier sowjetische Offiziere heraus und versuchten die Tren des Opponenten zu ffnen. Da diese sich eingeschlossen hatten, deckten wurde das Automobil mittels einer Zeltplane abgedeckt. Nichts geschah. Auch nach zehn Minuten nicht. Als nchstes fuhr ein wuchtiger Dieselgabelstabler vor und nahm kurzerhand die Eindringlinge an der Flanke hoch. Die Provokateure wurden in dieser Manier zum nchsten Tor gebracht, dort abgestellt und die Plane entfernt. Jetzt beendeten sie ihren Schelmenstreich und fuhren von dannen. Dem Micky geht es hierauf gehrig an den Kragen. Er muss sich verantworten und wird eine Woche spter, nach Brandenburg-Hohenstcken, in eine Granatwerferbatterie, strafversetzt.
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1977/78: Team 77
Am 26. Oktober 1977 beendet Micky seinen achtzehnmonatigen Wehrdienst. In der Heimat zurck, findet er nur noch eine fast tote Musikszene vor. Er beschliet kurzerhand als Bassist in die Tanzmusikkapelle TEAM 77, der Nachfolgeband des TI-HE-H-LE-M-QUINTETT, einzusteigen. Sein Instrument ist jetzt eine rote 68er Jolana Basso 5 Bassgitarre, tschechischer Herkunft, mit zwei groen Single Coils, weiem Pickguard, und in typischer Fender Jazzmaster-Form. Diese spielt er ber einen MV-3 Bassverstrker mit Box.
Jetzt heit es Tagesschlager und noch weitaus Schlimmeres einproben, ihm bis dato so verhasst. Fr Hennemann jetzt, eine total entgegen gesetzte und ungewohnte musikalische Richtung mit total neuen Leuten: Erwin Hbsch key Jrgen Thiemann ts, voc Christine Hennemann g, voc Micky Hennemann b Wilfried Vogelsang d, voc Das Team 77 hat in Biere seinen Proberaum, in Erwins Waschkche. Hier sitzt dieser an der Orgel zur Wand, die anderen Musiker im Rcken habend. Dies erscheint ihm gehrig obskur, denn oft genug lassen sich seine Kollegen verleiten, ihre Kritik an seinem musikalischen Verstndnis in Grimassen und Gebrden auszudrcken. Um sich als Kapellenleiter auch hinterrcks den berblick zu verschaffen, befestigt er schlielich einen Spiegel in Augenhhe. Nach sehr kurzer Probearbeit gibt Micky sein Tanzbassistendebt am 4. November in Welsleben. Ab nun folgen, mit wenigen Ausnahmen, ffentliche Auftritte ein bis zweimal jedes Wochenende. Bei dieser Gelegenheit gibt der Orgelspielende Erwin gegenber Micky nachstehende, witzige Erzhlung zum Besten. In frheren Tagen habe er sporadisch in mancherlei Besetzungen musiziert und so trug es sich zu, dass ein Veranstalter fr das Bootshaus Delphin in Schnebeck ein Quartett engagieren wollte. Das Trio des Hauses bat ihn, er solle sich ihnen doch als vierter Musikant anschlieen. Da leider die Position des Akkordeons belegt war, berlieen sie ihm einen dort vorhandenen Kontrabass. Erwin, im Umgang mit diesem ungestalten Instrument auerordentlich ungebt, erwog hchste Skrupel. Alles halb so schlimm, denn mit farbigen Reizwecken, die man in bestimmte Abstnde in das Holz des Basshalses drckte, wurden die relevantesten Griffpunkte markiert.
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Erwin musste sich nun mit seiner Gromutter in die hinterste Ecke begeben, in die whrend des Tanzes der Akkordeonspieler seine Botschaften johlte. Rot, blau, blau, gelb, rot, grn, grn... bildete das Notenmaterial fr den Aushilfsbassisten. Dieser ist es auch, mit dem Micky, ab und an, als Duo Polterabende, Hochzeiten, Jugendweihen oder Brigadevergngen bespielt. Erwin wechselt bei diesen bisweilen peinlichen Muggen zwischen Akkordeon und ET 6-1- Orgel. Am Schlagzeug lsst Micky sich hierbei, sofern gestattet, grndlich aus. So integriert er den kunstgeschmiedeten Raumteiler einer Gaststube, hinter dem er sein Set aufgebaut hat, in sein Spiel. Dazu steht er verschiedentlich auf, und bearbeitet mit den Sticks die unterschiedlich klingenden Metallstreben. Dieser Jux gefllt auch den sich Vergngenden. Oft mimt hierbei Taster Erwin den Animateur. Er macht Spielchen, lsst das Publikum singen, erzhlt Witze. So zieht er irgendwann aus seiner Notentasche einen abgegriffenen, befleckten, maroden Hefter. Uralt. Was er folgend daraus vorliest, lsst Micky doch aufhorchen, denn genauso alt scheint der Inhalt zu sein. Warum fllt dieses Jahr das Weihnachtsfest aus? Die Zuhrer zucken die Schultern, und Erwin klrt auf: Weil Joseph und Maria an der Ostfront sind! Micky: Gott sei dank war es keine Betriebsfeier der Staatssicherheit. Es ist zwar fr diese Duo-Projekte nicht besonders viel, was man beherrschen muss, aber dennoch beschliet Micky etwas zu tun. Zu dieser Zeit arbeitet er in einer Werkstatt des VEB Prowiko in Schnebeck. An einer Maschine sitzend, nutzt er den sich bietenden Umstand, Schlagzeug zu ben. In beiden Hnden je eine Schweielektrode haltend, trommelt er nimmermde auf die selbststndig arbeitende Hobelmaschine. Nach etwa dreiig Takten ist die Beschichtung der Ersatzstcker abgeplatzt und er muss sich aus dem Materiallager ein neues Paket besorgen. Direkt vor seinem Arbeitsplatz befindet sich ein Fenster, durch das schon eine geraume Zeit einige Laboranten bestrzt beschriebenes Treiben beobachten knnen. Erwin und Micky bestreiten den musikalischen Part einer Jugendweihefeier, in der Gaststtte Zur Tanne in Biere. Der Vater des Vierzehnjhrigen hat mchtig zugelangt und es hat den Anschein, dass sein alkoholisches Limit bereits gegen 22 Uhr erreicht ist. Da fllt dem Blauen, so wird der Rotschopf samt seiner sechs mit Haaren gleichen Kolorits bestckten Ableger im Volksmund des Dorfes betitelt, ein, dass seine Ziege im huslichen Stall noch gemolken werden muss. So wankt er dann auch los und kehrt nach einer guten Stunde zurck. Nicht nur dem Micky fallen jetzt die am Rckenteil seiner Anzugsjacke befindlichen Stroh- und Kotpartikel auf. An seinem Hosenbein sind Rckstnde getrockneter Zickenmilch zu gewahren. Dem Anschein nach muss er whrend des Melkvorganges ber den Melkeimer gestolpert und der Lnge nach im Stall zu Fall gekommen sein. Durchaus vorstellbar wre noch ein kleines Nickerchen zu Fen seines Paarhufers. Jetzt ist er wieder obenauf, greift sich seine Frau und dreht znftig seine Runden auf der Tanzflche.
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1978/79: Team 77
Bei einem Gig im Schnebecker Braunen Hirsch erinnert ein ehemaliger Kumpan, der sich im Publikum befindet, an Mickys vor Jahren abgegebenes Versprechen, er hacke sich lieber die linke Hand ab, ehe irgendwann einmal andere Musik machen zu mssen. Dieses Wieder-ins-Gedchtnis-rufen sollte ihn noch eine ganze Weile beschftigen. Am 7. Februar 1978 fhrt Micky mit der S-Bahn nach Magdeburg, um sich einen Jolana Iris Bass zu kaufen. Ende des Jahres verlsst aufgrund einiger persnlicher und musikalischer Diskrepanzen der Saxophonist Thiemann die Band. Obendrein fllt mit dem Tod seiner Frau, der Drummer Wilfried V. fr ein Vierteljahr aus. In dieser Zeit arbeitet das Team mit verschiedenen Aushilfsschlagzeugern und zuweilen sitzt auch Micky hinter den Trommeln, wie auch zum Faschingstanz in Biere. Den Part seiner Bassgitarre bernimmt fr die Veranstaltung am 23. Februar 1979 ein gewisser Achim Meinecke, seines Zeichens Orgelspieler bei der KOMETEN. Micky stellt Erwins altes Trowa-Drumset analog seiner Bedrfnisse um: Die Snare schn tief, die Becken dekorativ hoch. Dementsprechend wird die Standfestigkeit der Beckenstnder gehrig auf ein Minimum heruntergefahren. Es passiert, was passieren muss. Ein Crash-Becken hlt es, kraft eines allzu heftigen Schlages, nicht mehr auf seinem Standort. Samt Stnder kentert es von der Bhne und segelt, einem Kreissgeblatt gleichkommend, in die tanzende Meute. Der Zufall will es, dass seine Flugbahn ausgerechnet durch den Rcken der sich auf der Tanzflche befindenden Gattin des Bassisten, beendet wird. Dieser bedenkt Micky eines bissigen Blickes und der hat alle Hnde zu tun, um den Bandsegen wieder zu restaurieren. Erwin H.: Ja, er entschuldigte sich. Nun schafft Micky den Ex-Saxophonisten und -Kollegen von GOTTES VIEH Rainer Schulz heran. Dieser beginnt ab den 28. April sich mit dem TEAM 77 und dessen fr ihn bislang ebenfalls neuen musikalischen Richtung zu beschftigen. Bereits zehn Tage spter steht er, gleichfalls in Welsleben, zum ersten Mal mit der Band auf der Bhne. Schulz, dessen musikalischer Horizont bedeutend weiter gesteckt ist, als der seines Vorgngers, bringt dem Sound kraft seiner Vielseitigkeit auf mehreren Instrumenten (ts, as, ss, cl, fl, harp, perc, voc) wesentliche abwechslungsreiche Kontraste. Rainer S.: Es roch nach Geld. Es sind die nach Bier und Bohnerwachs riechenden Sle typischer Dorfschenken, die sie fortan bespielen. Das Auditorium ist derb, laut und trinkfest, aber ohne Zweifel leicht zu amsieren und noch dafr dankbar. Die Bhnen werden hier bei Renovierungsarbeiten kaum bercksichtigt. Gleicherweise die Toiletten, die sich fast immer ein bis zwei morsche Treppen abwrts und auf dem Hof befinden. In ihren luftigen Kostmierungen, bei Karnevalsveranstaltungen, setzen sich die Musiker brachialen Temperaturschwankungen aus. Die riesigen Kanonenfen, respektive der tanzenden und schwitzenden Menschenleiber bringen die Rumlichkeit auf wenigstens 28 C. Vor den Tren wartet ein grimmiger Winter und somit sind Temperaturstrze von 40 bis 45 Grad keine Seltenheit.
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Um dieser gesundheitlichen Belastung aus dem Wege zu gehen, vollzieht man das Wasserlassen On-Back-Stage. Rainer und Micky positionieren sich hierzu auf die Tastatur eines dort befindlichen alten Klaviers (hoffnungslos verstimmt) und ergieen sich in den geffneten Schlegelkasten. Am Ende eines derartigen Gigs stellt der Team-Saxophonist mit Entsetzen den triefendnassen Zustand seiner Straenschuhe fest. Die hokkende Sngerin bersah sie, in den dunklen Winkeln des Bhnenareals. Selbstverstndlich entgehen dem Kapellenleiter Erwin jene Machenschaften seiner Instrumentalisten nicht. Er hlt eine lngere Standpauke unmusikalischer Natur, und qualifiziert diese allesamt zu Bhnenpissern.
Micky & Erwin
Folgende Story wird Micky im Nachhinein zugetragen: Jedes Mal whrend der Musikpausen, bei einem Karnevalsauftritt in Biere, steht er zusammen mit mehreren Bekannten am Tresen und lsst sich es Wohlsein. Gegen Mitternacht torkelt er whrend des Spielens den Bhnenrand entgegen und wirft dabei seinen Notenstnder um. Indem die Bltter illuster ins tanzende Publikum flattern, bewegt er sich rckwrts, wo er schlielich mit seinem Bassverstrker kollidiert und diesen zum Umfallen bringt. Auf dem Rcken liegend, umhllt von einer Staubwolke, klingt jener etwas differenzierter als vertraut. Kurz vor Feierabend betritt er, vom Klo kommend, den Saal, wo er sich lallend und lauthals uert: Was ist das denn fr eine Schei-Kapelle? Die macht immer nur Pause. Musik! Musik will ich hren! Der Zeitpunkt ist eingetreten, an dem er nicht mehr nachvollziehen kann, dass es sich um die Band handelt, in der er mitspielt. Willi V.: Er wusste nicht wer, noch wo er war. Die Band hat immer etwas zu trinken. Schon whrend der Aufbauphasen, sagt die Sngerin Wirt und Kellnern Guten Tag, und bringt bei dieser Gelegenheit gleich das erste Tablett alkoholischer Getrnken zur Bhne. Hufig werden Tanzsoli fr fiktive Personen gegeben. So wie fast in jeder Stadt eine Bahnhofstrae existiert, befindet sich mit grter Wahrscheinlichkeit auch ein Herr Meier im Publikum. Mit den Worten: Und nun ein Solo fr Herrn Meier und seiner bezaubernden Partnerin! dreht das soweit vorhandene Prchen einige Runden im Kreise der fr diesen Moment pausierenden und Rhythmusklatschenden Tnzerschar. Unter Anwendung des Befehles: Und nun alle! geht es wie gewohnt weiter. Schon bald tritt unser Herr Meier an den Musikertisch: Wer hat denn das Solo bestellt? Die Musiker geben vor, es unter keinen Umstnden verraten zu drfen, worauf Herr M. mit der Frage: Was wollt ihr trinken? die Bestellung der Durstenden auf seine Rechnung entgegennimmt.
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1979/80: Team 77
Eine gleichfalls neue Erfahrung fr Micky ist es, die Titel direkt vom Tonbandgert herunter zu schreiben, so auch den aktuellen Song einer BONNIE TAYLOR: Its A Heartache. Whrend er nach zwei Takten C-Dur ein E-Moll ber die erste Strophe geschrieben hat, zweifelt Bandchef Hbsch diese Harmoniefolge an. Es wre schlielich nicht E-Moll, sondern G-Dur. Da die Gesangsmelodie zu beiden Akkorden passt, lsst Micky, der sich hundertprozentig sicher ist, die anderen zu Wort kommen. Bis auf Erwin, finden allesamt das E-Moll passender. Dieser gert nun aus dem Huschen und autorittsbewusst beginnt er, sichtlich erregt, in seiner Brieftasche herumzufingern. Zwischen Betriebsausweis und Kfz-Stempelkarte zieht er ein lappiges und verblichenes Dokument hervor und hlt es den Anderen unter die Nasen. Anno 1959 habe er immerhin einen einwchigen Kapellenleiter-Intensivkurs an einer Musikschule mit Bravour absolviert. Hier habe man ihm unter anderem beigebracht, dass geflligst ein G-Dur nach einem C-Dur zu kommen hat. Micky widerspricht mit der Bemerkung, dass sich doch in den letzten zwanzig Jahren einiges im Musikgeschft gendert hat und bald schon sieht Erwin es ein, denn immerhin habe er den Sohn eines Musikdirektors vor sich. Am 7. August besucht Micky, in Welsleben, einen Gig der Geraer Band SIT, wo er sich einen Graphic Equalizer der Firma Electro Harmonix demonstrieren lsst und diesen schlielich vor Ort ersteht. Mit diesem Effektgert gelingt es ihm, die unliebsamen und schwammigen Mittenfrequenzen herauszufiltern. Knackig soll er klingen, der Bass. Micky eskortiert Erwin zwecks Vertragsunterzeichnung fr einen Schulabgngerball in die Schnebecker Allende-Schule. Hier treffen sie auf die, fr diese Feierlichkeit zustndige Lehrerin, Frau Blum. Sie stellen sich einander vor: Blum. begrt sie Erwin, welcher seinen Namen Hbsch. dagegen hlt. Sie fhlt sich gelobhudelt und reagiert mit einem Finden Sie? Am 21. August 1979 erhlt das TEAM 77 die staatliche Auszeichnung Hervorragendes Volkskunstkollektiv. Am 15. Februar 1980, bespielt das Team in Biere eine Karnevalsveranstaltung, in deren Verlauf Saxophonist Schulz ein Mdchen kennen lernen wird. Dank Kussfreiheit und der Entrcktheit durch Alkohol kommen sie sich schnell nher. Kurz vor Feierabend ist er nicht mehr Herr seiner Motorik; auch kein anstndiger Ton scheint mehr sein Instrument verlassen zu wollen. So stellt er es in den Stnder zurck und steckt sich dafr eine Trillerpfeife zwischen die Zhne. Als Micky whrend des Abbaus den Hinterteil der Bhne betritt, wird er zwanghaft Zeuge eines unvergesslichen Anblikkes. Rainers Turnvater Jahn-Faschingskostm hngt ihm in den Knien und seine Gespielin ber seiner Schulter. Whrend sie sich reichlich erbricht, scheint er in seiner erotisierten Verfassung nicht zu bemerken, wie die warme Substanz an seiner behaarten Rckenpartie hinab rinnt. Irgendwann sind die beiden dann verschwunden. So wird er irgendwo und irgendwann in einem Kinderzimmer erwachen; um das Bett herum fnf oder sechs kleinere Geschwister seiner Liebschaft, die mit groen Augen den Fremdling im rotweigestreiften Badeanzug besichtigen. Nach Hause gebracht, wird er vom Vater des Ganzen, einem Berufskraftfahrer in dessen Besitz sich allerdings kein Privatfahrzeug befindet.
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So spendiert er dem Rainer eine Sonderfahrt in einem jener riesigen ZiehharmonikaBusse. Am spten Sonntagnachmittag steht er endlich, bekleidet mit einem Bademantel und braunen Straenschuhen vor seinem Elternhaus. Christine H.: Rainer machte vor nichts halt.
In der Zeit von Juni 1979 bis Mrz 1980 bettigt Micky sich nebenbei als Mentor der neu entstandenen Band CENTAURUS : Martin Kiel - keys Martin Tabatzki - g, voc Roland Kalweit - b, voc Olaf Timme - dr, voc Hier kann er einige, zum Teil noch whrend seines Armeedienstes komponierten Titel wie Conny oder Enttuschung, allerdings nur zufrieden stellend, musikalisch realisieren. Aber auch ltere Hennemannsche Produktionen, so Missstand oder Der Traum werden in das Repertoire der jungen Musiker aufgenommen. CENTAURUS bekommt Gelegenheit den Titel Conny in einer musikalischen Nachwuchssendung des DDR-Fernsehens am 11. Januar 1980 vorzustellen. Bedauerlicherweise produziert dann die Band, die fr Micky so gesehen immer eine willkommene Abwechslung waren, am 30. Mrz im ehemaligen Gottes Vieh-Studio im Keller des Traktorenwerkes, ihre letzten Aufnahmen. Bei dieser Session spielt Micky teilweise mit die Gitarre ein. Bald schon gibt der Weggang des Keyboarders, sowie die Einberufung beider Gitarristen, Anlass zur Auflsung der Gruppe. berdies hilft Micky mehrmals im Anfang 1980 als Trommler im Schnebecker Stadtpark bei der Hauskapelle der Grillbar, den RABEN, aus. Die drei lteren Herren, langjhrige Berufsmusiker, spielen Hits aus mehr als acht Jahrzehnten. Der erste Abend bei ihnen beginnt mit einer genuschelten Ansage des Organisten: Meine Damen und Herren, die Raben begren ihnen und wnschen sie einen netten Tanzabend.
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1980: Team 77
Danach stellt er sein Mikrofon aus und spricht mehr oder weniger nur fr die anderen Musiker hrbar, weiter: ...Ihr blden Schweine! Jener berichtet im Hergang des Abends von seiner musikalischen Hauptbeschftigung als Friedhofskapellenorganist in diversen Magdeburger Begrbnissttten. Ganze elf Beerdigungen habe er an diesem Tage musikalisch umrahmt und sich so richtig die Taschen beim VEB Tod fllen knnen. Nachdem der Bassist Fritze Hausmann, eigentlicher Kontrabassist beim Stdtischen Orchester Schnebeck, Micky wegen seines Erscheinens in nicht abgesprochenem Bhnenoutfit (schwarze Hose/rotes Hemd waren verlangt) rgen muss, ermahnt er diesen erneut, als er nach der ersten Tanzrunde sich an den Musikertisch im Gsteraum platziert. Die Gesetzmigkeiten der Knstlergewerkschaft lieen erst nach 23:00 Uhr ein zwanzigmintiges Pausieren zu und bis dahin drfe er nur zum Austreten seinen Platz verlassen. Micky: Ich hielt das fr gehrig faschistoid und gehrte auerdem nicht ihrer Gilde an. Unbeirrbar setzt er das Biertrinken in gewohnter Weise fort. Niemand wei, wann ihm seine Ehrfurcht verloren gegangen ist. Vielleicht war sie nie vorhanden. Schon immer war er seine eigene Instanz, sein eigenes Gesetz, sein eigener Mastab, in einer eigenen Welt. Nach der Gewerkschaftspause ist man dann richtig obenauf: Basser und Taster, beides notorische Blattspieler, suchen nach erfolgtem Zuruf von Zahlen in ihren privaten Aktentaschen. Neben den, in Butterbrotpapier, eingewickelten Pausenbroten, lagern die durchnummerierten und entsprechenden Notenbltter. Dann geht es in die nchste Runde und bei Titel Numero zwo wei Micky nicht im Entferntesten was hier gespielt wird. Der rechts von ihm befindliche Keyboarder spielt einen Argentinischen Tango, whrend der links von ihm sitzende Bassspieler konsequent einen English Waltz zum Besten gibt. Die ersten Takte des avantgardistisch anmutenden Opus versucht Micky am Schlagzeug durch eine Art individual-rhythmische Trennung seiner linken und rechten Hirnhlften zu berbrcken. Whrend seine rechte Hand den zackigen 4/4-Beat auf dem groen Ride-Becken schlgt, rhrt er strikt mittels Stick in der Linken 3/4-mig die Snare. Nach nahezu einer Minute einigen sich schlielich die zwei Kontrahenten auf einen Slow Fox und diesen Kompromiss begrend, kann Micky nun wieder durchatmen. Das Missverstndnis klrt sich in der nchsten Pause auf: Die, dem Bassmenschen zugerufenen Nummern 78, 101 und 724 fanden bei ihm, seiner Schwerhrigkeit zuzuschreiben, nur schlechtes Gehr. Von der Einhunderteins nahm dieser lediglich die letzte Eins wahr. Aber es sollte ja noch dicker kommen. Whrend des letzten Titels der bernchsten Runde passiert unserem Pechvogel das nchste Malheur. Versehentlich tritt der stndig im Sitzen spielende auf sein Gitarrenkabel und trennt es folglich vom Instrument. Sich nach vorn bckend, versucht er jetzt die Schnur zu ergreifen. Der groe Halbresonanzbass vor seinem noch greren Wanst ist ihm hierbei beraus hinderlich. Irgendwie und vor allem irgendwann bekommt er den Stecker zu fassen und versucht ihn wieder einzustpseln. Wahrlich kein leichtes Unterfangen, das kleine Buchsenloch zu finden; verzweifelt fingert er weiter. Zu keinem Resultat kommend, entschliet er sich, die restlichen Takte des Titels in bizarrer Weise mitzuspielen.
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Mit dem Daumen berhrt er in rhythmischen Abstnden den in seiner rechten Hand befindlichen Klinkenstecker und verursacht dadurch eine Masseverbindung zum angeschlossenen Verstrker. Die so erzeugten kurzen Tne verleihen der Musik ein skurriles Ambiente, und er schlgt sich bis zum Ende der Nummer durch. Am 9. Februar nimmt Micky (d, voc), zusammen mit dem Saxer Schulz und Martin Kiel an den Tasten, vor Beginn einer Veranstaltung mit dem TEAM 77, die Titel Feel Satin For Part 1 & Part 2 und Wait To Go im Rahmen einer Session auf. Am 23. Februar 1980 will die Band zu einem Gig nach Wolmirsleben. Als Saxophonist Schulz zusteigt, beklagt sich dieser ber kolossale Schmerzen im Magenbereich; ist aber bereit die Show durchzuziehen. Whrend des Aufbaus geht es ihm zusehends schlechter und spter, bei der dritten Tanzrunde stellt er das Instrument ab, und zieht sich hinter den Bhnenvorhang zurck. Trotz ihrer Musik vernimmt der Rest der Band von dort winselnde, sthnende, zum Teil schreiende Laute: Rainer windet sich, angesichts seiner mittlerweile horrenden Schmerzen, in einem krampfartigen Zustand auf den Futteralen des Equipments. Jhlings zwingt er sich auf und strzt die Treppe hinab in Richtung Toilette. Whrend Micky ihm nachspurtet, kommen ihm schon aufgeregte Gste entgegen, die zu verstehen geben, dass der Musikerkollege blutspeiend auf dem Klosett fr eine stattliche Panik sorgt. Wie auch immer, hlt der Leidende bis zum Feierabend durch und wird von seinen Kollegen auf dem Heimweg in die Notaufnahme des Schnebecker Krankenhauses gebracht. Eine Woche muss er dort, in Kraft eines diagnostizierten Magengeschwrs, verweilen. Im September verbringen Micky und Rainer einen vierzehntgigen Urlaub in Primorsko, einem bulgarischen Badeort am Schwarzen Meer. Nahezu jeden ihrer Tage lassen sie in einschlgigen Lokalitten ausklingen. Hier ist vornehmlich Livemusik zu hren, so auch jene trostlose bulgarische Band in einem Restaurant. Mit Titeln von BONEY M und hnlichem im Gepck, knnen sie die beiden Musiker wenig beeindrucken. Am Nachbartisch sitzen fnf Mnner, die sich auf Trkisch unterhalten. Zu spter Stunde gehen diese zur Bhne und bemchtigen sich der Instrumente besagter Hauskapelle. Was dann folgt, ist schon um einiges imposanter. Micky verschluckt sich fast an seinem Bier, so spielen die Trken auf. Eine, in Fesseln legende Stilmelange aus arabischer Musik und extrem packenden Rock, dargeboten in einer atemlosen Vitalitt, veredelt mit dem so bezeichnenden Muezzin-Gesang. Bereits nach fnf Minuten steht jemand vom Hotelmanagement vor der Bhne und gestikuliert der musikalischen Janitschar seinen Unwillen, sowie den unverzglichen Abbruch dieser Weisen. Micky, noch erfllt vom orientalischen Ambiente, kommt auf eine Idee. Was, wenn morgenlndliche Folklore-Musiker auf ein Sinfonieorchester des Abendlandes trfen? Zu dieser Synthese msste dann noch als Katalysator eine Rockband ihre Rolle beisteuern. Ein gewaltiges Werk von epochaler Bedeutsamkeit, wre garantiert die Konsequenz. Schon hrt er die Melodien dieses imaginren, multikulturellen Schaffens.
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1981/82: Team 77
Unstimmigkeiten in punkto mangelnder Ambitionen zum musizieren und proben, mit dem Trommler Willi Vogelsang seit nun schon zwei Jahren, geben den anderen Anlass, sich mit Gedanken zu beschftigen, in dieser Richtung etwas zu ndern. Am 30. April 1981 ist es dann soweit. Der alte Schlagzeuger wird gegangen, zwei neue Burschen werden geholt, einer fast vlligen Umstrukturierung der Band wird ins Auge gefasst. Fr Vogelsang nun der profilierte Uwe Urtel an den Drums, whrend Micky seinen Bass an Gnter Kraus, einen ebenfalls versierten und erfahrenen Mugger, abgibt. Gnter K.: In dieser Band war ich der Einugige unter den Blinden.
Nun ist er wieder an seinem altem Instrument, der Gitarre und spielt ab jetzt eine 72er Fender Mustang. Unverkennbar die eindeutigen Vorteile dieser Besetzung hinsichtlich des nun dreistimmigen Satzgesanges. Aber bereits nach einem viertel Jahr verlsst Urtel aus beruflichen Grnden wieder das Team. Ab dem 10. Juli nimmt Manfred Schulz, in der Folgezeit den Beinamen Schlafender Schlagzeuger erhaltend, dessen Platz ein. Der Gnter schleppt einen alten, aber funktionstchtigen, MV 3 mit an. Er stehe schon seit Jahren in seinem Keller und vor dem Besen herum. Da Erwin zurzeit einen bungsamp sucht, nimmt er sich seiner an und macht erst einmal groreine. Seiner Ansicht nach, muss irgendwann sich irgendwer in das Innere dieses Verstrkers bergeben haben. Er hlt die ausgelaufene und getrocknete Elektrolyt-Flssigkeit eines ausgewechselten Kondensators fr ein augenscheinliches Indiz.
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In seiner Garage macht er sich daran, nach vollbrachter Demontage, die Leiterplatte mit Waschbenzin und Pinsel zu lutern. Er scheint die Elektronik mit den Innereien des Getriebes seines Wartburg zu verwechseln. Keinen Muckser will das Teil von sich geben, whrend er es nach eintgigem Trokkenvorgang einschaltet. Als das der Bandtechniker Mario Brauer erfhrt, bekommt er den Mund nicht wieder zu. Er wei, dass die Benzinsure nicht nur smtliche Wickelkondensatoren zerstrt hat und attestiert auf der Stelle dem, die Welt nicht mehr verstehenden, Erwin den Exitus des Gertes.
M. Schulz, 13. Oktober 1981
Am 25. Juli bespielt die Gruppe in einem hierfr umfunktionierten Rinderoffenstall ein Betriebsvergngen der LPG Bundschuh in Biere. Zehn Minuten vor Beginn dieser Veranstaltung bricht das gesamte Stromnetz beim Soundscheck zusammen. Ein LPG-Elektriker wird direkt vom Tresen des Wirtshauses weg, zur Schadensbehebung geholt. Der angetrunkene Strom-Akrobat erkennt dennoch das bel und legt von der Schweinemastanlage eine behelfsmige Kraftstromleitung zum Festsaal. Der weitere Verlauf des Abends ist gesichert. Da das Team bereits um 10:00 Uhr des nchsten Tages einen Frhschoppen in Dobberkau/Altmark bestreiten muss, kehrt man geschlossen zur bernachtung beim Keyboarder Erwin ein. Der in diesem Dorf ansssige stellt situationsbedingt hierfr sein Haus zur Verfgung. Whrend in diversen Betten und auf Liegen die Musiker durch die Nacht kommen, muss Martin Kiel, der zurzeit mitziehende Techniker, sich mit einer alten Couch im Waschhaus auf dem Hof begngen. Dieser, bis auf die Badehose Ausgezogene, bedeckt sich mit einer dort vorgefundenen Wolldecke und schlummert nichts ahnend ein. Nachtruhe fr drei Stunden. Nach dem Weckruf punkt 6:00 Uhr erkundigt sich der Gastgeber bei ihm, wie er denn geschlafen habe. Mit vllig gerteter Haut und ersichtlich unter starken Juckreiz leidend, lsst Martin nicht Positives verlauten. Erwin erzhlt ihm, dass Waschhaus und benachbarter Hundezwinger durch einen Gang verbunden sind. Es treibt ihn fast die Innereien oben heraus: Sein Nachtlager benutzt ansonsten Rex, der Hofhund. Anfang Mai 1982 muss dann Rainer Schulz zum Landesschtzerdienst. Zu diesem Zeitpunkt beginnt sich die Band mit der gerade aufkommenden Neuen Deutschen Welle zu beschftigen, wodurch der Weggang Rainers problemlos berspielt wird. Irgendwann im Sommer spielt die Gruppe fr einen Magdeburger Betrieb, der sich gebhrend vergngen will und unter anderem whrend der Veranstaltung mit einem berdimensionierten kalten Buffet aufwartet. Nach dem gegen 2:00 Uhr die letzten Gste den Saal verlassen haben, springt Manne Schulz whrend des Abbaus mit einer Plastiktte bewaffnet von der Bhne, um sich seine Essensportion fr den neuen Tag zu sichern. Das Team bespielt am Vormittag in der Altmark einen Frhschoppen und gegen Mittag zeichnen sich beim Drummer akute Hungersymptome ab.
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1983: Team 77
Aus diesem Umstand heraus greift er in besagte Tte, welche die ganze Zeit im Anhnger unter diversem Bandequipment an Form verloren hat. Die Temperatur hat indessen einen hochsommerlichen Wert erreicht und den Pasteten in Aspik tchtig zugesetzt, woran sich der angetrunkene Herr Schulz keineswegs strt. Seine Kollegen lehnen selbstlos ab, als sie den Anblick dieser undefinierbaren Substanz gewahren und so fhrt er allein die Hand zum Mund. Kauender und schlrfender Weise lobt er die Heringsrllchen, worauf die Anderen ihm beteuern, dass es sich hierbei gestern noch um Rindfleischfllungen handelte.
Fr den erkrankten Basser der KOSMOS-FORMATION hilft Micky von Juli bis September im Schnebecker Cafeteria aus. Bei einer Tanzveranstaltung ist ein Kumpel des regulren Bassgitarrespielers zugegen, und uert seinen Unmut ber den nicht vertrauten Basston. Mehr Bsse, weniger Hhen und untere Mitten, die Oberen jedoch bitte schn, mit mehr Prsenz, gibt er der Musikantenrunde zu erkennen. Hierauf mimt Micky den Einsichtigen und begibt sich zum Verstrker, um dort nur zu simulieren, als regle er diverse Potentiometer nach. Nach der sich anschlieenden Runde scheint der Kritiker zufrieden gestellt, hebt den Daumen und gibt zu verstehen: So klingt es besser! Am 12. Juni 1982 spielt das TEAM 77 auf dem Eickendorfer Heimatfest. Hier trifft Micky auf Zuckel Hohmann, einem Original der Schnebecker Musikerszene, der in dieser Ortschaft zu Hause ist. Jener steckt in betrchtlichen finanziellen Unannehmlichkeiten und so entspricht es der Tatsache, dass an den Trommeln seines Schlagzeugs diverse Kuckuck-Sticker eines Gerichtsvollziehers kleben. Dennoch zeigt sich dieser bestens gelaunt und spendiert an der Bar einige Drinks. Whrend die beiden sich angeregt unterhalten, greift sich Herr Hohmann ein groes Glas Cola vom Tresen und kippt es, ohne denkbaren Grund, einer mnnlichen Gestalt von hinten ber den Kopf. Als sich deren erster Moment des Schockes verflchtigt hat, erhlt der unverfrorene Zuckel einen Kinnhaken, der ihn zu Boden kommen lsst. Micky kann nicht glauben, was er soeben gesehen hat. Micky: Es war so surreal.
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An einem Septembernachmittag, unmittelbar vor der Abfahrt zu einem Gig, erachtet es Erwin als notwendig, sich einer Rasur zu unterziehen. Vergeblich sucht er im Bad nach seinen Rasierutensilien und verdchtigt sofort seinen jngsten Spross. Bernd, gerade ansprechbar geworden, versucht sich an die vergangene Nacht zu erinnern. Im Jugendklub des Dorfes ging es wieder einmal haushoch her und ihm kommt eine obskure Wette mit einer Bekannten in den Sinn. Ihr Grund, sowie sein Einsatz, sind ihm zwar entfallen, wohl aber wei er, dass er als Sieger hervorgegangen ist. Die angetrunkene Verliererin musste sich, vor den Augen der noch trunkeneren Klubbesucher, in den frhen Morgenstunden eine Prozedur besonderer Art gefallen lassen. Mit Pinsel und Rasierschaumspray bewaffnet, seifte man gebhrend ihre Genitalien ein, um anschlieend mit Erwins Rasierapparat den Rest zu vollziehen. Die kahl geschorene, pikante Stelle des Fruleins wurde somit zum Anlass fr ein berdurchschnittliches Gejohle der anwesenden Meute. Nachdem Erwin all dies erfahren hat, veranlasst er seinen Sohn den noch im Jugendklub befindlichen Rasierer unverzglich zu holen. Zehn Minuten spter fhrt der Kapellenleiter leicht angeekelt die Klinge ber seine Wange. Am 19. November arbeitet TEAM 77 das erste Mal mit einem neu angeschafften P.A.System. Die einzelnen Instrumente werden nun nicht mehr an diverse Verstrker gekoppelt, sondern man bertrgt mittels 12-Kanalmischpult sie gemeinsam ber Endstufen und Boxen. Nach anfnglichen Schwierigkeiten bekommen sie die neue Technik in den Griff. Nicht in den Griff bekommt Jrg Peitsche Schnitzeler sein junges, achtundzwanzigjhriges Leben und setzt diesem am 30. November ein Ende. Ein zerrissenes Elternhaus, der geliebte und ltere Bruder den er zu frh verlor, aber auch seine Gesundheit, seit Kindestagen hchst in Mitleidenschaft gezogen, tragen groen Anteil an seinem Seelenschmerz und seinen Depressionen. Originalton: Das Leben tut weh. Wenn du stirbst, ist der Schmerz zu Ende. Die Welt um sich herum bricht zusammen; er hlt es wie ein Aal in seinen Hnden: Das Leben, zudem man ihn so kaltbltig gezwungen hatte. Die labile Mentalitt des Drummers Schulz erreicht jetzt auf einigen Veranstaltungen ein nicht mehr vertretbares Ausma. Grundstzlich bereits vor den Auftritten, spricht dieser in unbeschreiblicher Weise dem Alkohol zu, wird dem Publikum gegenber ausfallend, so dass man letztendlich sein Gesangsmikrofon beschlagnahmen muss. Zu fortgeschrittener Stunde kommt er aus dem Takt und selten findet er berhaupt den Einstieg. Es kommt noch schner. Bei dem Titel Jugendliebe schlft er whrend des Spieles, wenn davon berhaupt noch die Rede sein kann, stark alkoholisiert ein. Der Widerwille, den der Organismus natrlicherweise gegen gegorene Getrnke empfindet, scheint in ihm nur einen untergeordneten Part zuspielen. Micky, unmittelbar vor ihm stehend, muss sich herumdrehen, um ihn durch mehrmaliges Anschreien aufzuwekken. Bei der nchsten Nummer eskalieren dessen Kapriolen vor der Band und ihrem erstaunten Publikum. Der abermals Eingeschlafene und sich jetzt offensichtlich und endgltig im Tiefschlaf befindliche Trommler kippt nach hinten ab, fllt vom Hocker und bleibt mit offenem Mund und ausgebreiteten Armen liegen. Geistesgegenwrtig stellt Micky die Gitarre ab, zieht den Manne Backstage, schliet den Vorhang und setzt sich hinter die Trommeln.
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1983: Team 77
Das Auditorium ist sich dabei nicht ganz sicher, ob es dieses Geschehen einer bewusst inszenierten und ausgeklgelten Bhnenshow zuordnen soll, oder ob die Band nur die Gage des Abends schon im Voraus versoffen hat. Am Neujahrsmorgen 1983 fhrt man Manfred Schulz, zusammen mit seinem Schlagzeug, ein letztes Mal nach Hause: Er ist verabschiedet. Manfred S.: Ich fhlte mich so unverstanden. Der Nachfolger kommt und wie er kommt. Aufgeschlossen, selbstbewusst und vor allem voller Initiative zur Musik steckend, zieht Hans-Jrgen Langer in die altbekannte Waschkche, welche ab jetzt dem Team als neue Proberesidenz dient, ein. Als neuer Mann soll Jrgens erste Veranstaltung mit dem TEAM 77 und dem Karnevalsclub Biere nicht nur humoresker Natur sein, nein, ein doch recht pikanter Nachgeschmack soll seine Integritt in der Band bekrftigen. Es trgt sich in der Musikergarderobe zu, in der sich Micky, kraft lang anhaltender Bttenreden, sich gezwungen sieht, seine Notdurft in ungewohnter Manier zu verrichten. Er befindet sich allein hinter der Bhne, whrend der Rest nach den Pointen der Btt immer wieder den obligatorischen Tusch zum Besten geben muss. Der Elferratsprsident hlt es nun einmal fr unschicklich, wenn dem auf der Tanzflche stattfindenden Programmteilen, per nicht im Drehbuch stehende Komparsen, die notwendige Aufmerksamkeit des Publikums entzogen wird. Diesen Rat befolgend, sucht Micky natrlich nicht das rtliche WC auf, sondern segmentiert innerhalb der Garderobe seinen Urindrang in vier leere, abseits stehende Bierglser. Whrend einer Pause, anderthalb Stunden vor Feierabend, strmt Jrgen L. im stark drstenden Zustand als erster in den Raum und kann kaum fassen, weshalb der Kellner wiederholt nicht zugegen war. In seinem, ja fast animalischen Verlangen ist ihm der schale Zustand, des versteckt in einer Ecke stehenden, Getrnkes vllig wurscht. Die Ironie des Schicksals ist ohne Skrupel: Micky, sich just auf der Toilette befindend, kann seinen Kollegen nicht davon abhalten, sich an einem der vier mutmalichen abgestandenen Glser Pils zu vergreifen. In hohem Bogen speit Jrgen anschlieend die nicht mehr ganz blutwarme Fkalie auf den Fuboden, und spart folgend Micky gegenber nicht mit obsznen Schimpfattacken. Noch rtselnd weshalb der Verdacht auf ihn fiel, glossiert dieser die Situation mit einem Statement: Sieh es doch einmal als eine Art Feuertaufe, als typisches Stammesritual der westneufundlndischen Eingeborenen. Nach der gemeinsamen Einnahme wird der Urin des Huptlings fr die jungen, neu aufgenommenen Krieger somit zu einer alles strkenden und verbindenden Kraft. Irgendwo sieht Jrgen doch noch einen Sinn und versteht sich nun endgltig verbunden mit seinen neuen Musikkollegen. Jrgen L.: Man kann verzeihen, aber nicht vergessen.
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backstage
Irgendwann im Februar, mit ungestmen zwlf Grad Minus, befindet sich die Band nach einer Faschingsveranstaltung im Calbenser Roland, in abfahrbereiter Verfassung. Da stehen sie. Fnf Personen, Mitglieder des Karnevalsclubs, die ihren vereinseigenen Bus verfehlt haben, und nun die Musiker bitten, sie mit nach Hause zu nehmen. Irgendwie machbar, denn das Team kann aufgrund eines nochmaligen Auftrittes, sein Equipment an Ort und Stelle belassen. Somit wren schon ein paar Pltze, wenn gleich nicht unbedingt erster Klasse, im leeren Pkw-Anhnger zu gewhren. Die johlenden, weil beschwipsten Fahrgste platzieren sich, wie auch immer, unter der Plane des Nachlufers und los geht die Tour. Erwin will schleunigst ins Bett, demgem tritt er aufs Pedal. In einer Neunziggradkurve bricht auf vereister Fahrbahn der Hnger aus. Jetzt erinnert man sich der Passagiere hintenan. Diese sind dann, durchgefroren und seekrnkelnd, endlich in Biere heimgekommen, auch nicht allzu erfreut ber den Stil der halbstndigen Rasanz. Bedanken, befindet Erwin bedanken htten die sich schon knnen! Am 16. April 1983 tritt die Band zu einer Einstufung im Braunem Hirsch an. Eine Einstufung ist ein Beurteilungsverfahren von Bands aller Art durch die rtliche Kulturbrokratie. Beurteilt werden Spielqualitt und Gesamteindruck. Die Kommissionen sind oft gemischt besetzt. Da gibt es Musiklehrer von den rtlichen Schulen, Mitarbeiter der Bezirks- oder Stadtkabinette fr Kulturarbeit oder FDJ-Funktionre, zuweilen sitzen auch gestandene Musiker dabei.
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1983-85: Team 77
Vergeben wird Elementar-, Grund-, Mittel-, Ober- und Sonderstufe im Amateurbereich und die begehrte Profipappe. Einher geht jedoch wie in vielen Bereichen, die zunehmende Ideologisierung solcher Kulturgerichte. So ergibt sich mit der Zeit eine Flle bizarrer Anforderungen, deren Erfllung mit verschiedenen Punktzahlen von der Jury bewertet wird. Gefragt sind zunchst plumpe Standards aus der Musiktheorie wie Dynamik, Intonation und Rhythmussicherheit. Ein weiterer Punkt im Kontrollbereich erfasst die gesellschaftliche Wirkung der Bands. Das betrifft die Ansagen, das Aussehen, die Bhnenkleidung und natrlich die Textinhalte. Die gute Vorbereitung des Teams whrend zahlreicher Proben zahlt sich aus: Christine Hennemann voc Erwin Hbsch keyb Micky Hennemann g Gnter Kraus b, voc und Jrgen Langer d, voc bekommen auf Anhieb die Oberstufe zugesprochen. Unter anderem stellen sie hier die alte Udo Mnchow-Komposition Die Nacht ist nicht zum schlafen vor. Im Sommer 1983, das Team hat sich indessen gnzlich der Neuen Deutschen Welle verschrieben, kommt es zu einem ungewollten Stage Diving seines Gitarristen. Auf einer Veranstaltung im Kulturhaus Schnebeck sind sie gerade dabei den FRL. MENKE-Song Im Tretboot zu intonieren. Parallel tnzeln Gnter und Micky links und rechts der Sngerin auf der Bhne vor und zurck. Als Micky sich ein erneutes Mal, mit einem Kick vom Bhnenrand zurckstoen will, gibt die Bande nach. ber die Jahre hinweg haben Bands ihre Boxen beim Auf- und Abbau darber geschoben. Ein grerer Abschnitt lst sich und strzt nach vorn auf die Tanzflche. Die hier sich schaffenden Tnzer springen mit sichtlichem Entsetzen auseinander. Einer Dame zerreit es die Strumpfhosen und Micky strzt whrend seines Gitarrenparts, die ca. 1,50 Meter in die Tiefe. Kurz entschlossen und instinktiv macht dieser eine 180 Grad Drehung und der Schwung seines linken Beines bringt ihn genauso schnell wieder auf die Bhne. Als wre nichts Sonderliches geschehen, setzt er mit schmollenden Lippen sein Solo fort. Inzwischen ist die betrchtliche Staubwolke verzogen, ein paar freundliche Gste bringen das Bretterwerk beiseite; einzig der Holzspanteppich auf der Tanzflche ist noch Zeugnis dieses halsbrecherischen Stands. Der in der nchsten Pause sich anschlieende Kommentar des Dienst habenden Kulturhausleiters Wolfgang Frantzke fllt dementsprechend aus: Ihr seid die heieste Bumskapelle, die ich kenne! Im September lsst Micky sich in Irxleben bei Magdeburg vom Elektronikbastler Bethke ein 60 Watt-Replikat eines Marshall-Rhrentopteils bauen und setzt diesen in Verbindung mit einer 4x12 Box ein. Im Oktober nach Beendigung seines Armeedienstes nimmt Rainer Schulz wieder an den Proben teil. Doch in den anderthalb Jahren hat sich das Repertoire der Band vllig verndert. In den Titeln, die in besagtem Zeitraum einstudiert wurden, erscheint jetzt vornehmlich ein Saxophon als berflssig. berlegungen, unter anderem bis hin zur Kompromissbereitschaft der anderen fnf verlaufen ohne Erfolg.
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Aus diesem Grund entscheidet man sich, wie schon im Vorjahr der ExTrommler Manfred Schulz, ihm am 31. Dezember 1983 sein Abschiedsauftritt geben zulassen. Gnter K.: Rainer und sein Ton waren sehr anstrengend.
Im Mai 1984 wird der Truppe ein zweites Mal die Oberstufe besttigt. Eigenkompositionen untermauern es: Die Nacht ist nicht zum schlafen, Verliebt bis ber beide Ohren und Einzug halten. Im Vorprogramm einer Tanzveranstaltung im Braunen Hirsch tritt ein Magdeburger Tanzensemble auf, das noch anwesend ist, als TEAM 77 das Programm beginnt. Ein zirka zehn- bis elfjhriges Mdchen kommt in der ersten Pause an den Musikertisch und spricht Bassist Gnter an. In rhrender Weise erkundigt sie sich bei ihm, ob er mglicherweise ihr Vater sei. Sie kenne ihn ausschlielich von einem einzigen Foto, und wei auerdem, dass er in einer Musikgruppe Gitarre spielt. Es ist die hnlichkeit zu Gnter, die sie ermutigte, endlich ihren Papa zu finden, was ihre Mutter keineswegs wissen drfe. Gnter, merklich ergriffen, klrt auf, dass es nicht der Fall sei und betrbt fhrt sie mit ihrer Tanzgruppe zurck nach Magdeburg. Ab Sommer setzt die Band Mickys neuen Casiotone 2000 ein, eine Art Computersynthesizer, der es erlaubt ganze Titel zu erzeugen und sie abzuspeichern. Zwangslufig kommt es zu einer teilweisen Verlagerung des Repertoires in Richtung moderner Diskomusik. Micky ist jetzt in der Lage, parallel zu diesem Synthi, seine Gitarrenparts wie bislang gewohnt zu spielen. Das Team wird am 30. Mrz 1985 wieder einmal so richtig verkauft. In Welbsleben im Harz mssen sie eine drfliche Jugendtanzveranstaltung beackern, deren Klientel erfreulicherweise bereits um 21:30 Uhr solcherart trunken ist, dass es beginnt die Musik zu akzeptieren. Im Vorfeld trat ein gediegenes, als auch vertrautes technisches Problem auf. Als die Musiker zum Aufbau die Bhne betraten, fanden sie auf dieser, nur eine Aufputz liegende Steckdose, der Reichspatent-Nummer nach, Baujahr 1938, vor. Noch ehe man die erste Box die Treppe herauf trug, griff Micky sich einen Tausendwattscheinwerfer und stpselte diesen in besagte solitre Dose, um die Potenz des Stromnetzes zu testen.
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1985: Team 77
Micky: Wumms! Das halbe Dorf lag hierauf im Dunkeln! Wieder musste ein Elektriker eine provisorische Starkstromleitung zum Wirtshaus legen. Zu vorgerckter Stunde sitzt Micky mit an Jrgens Schlagzeug: Zu dem einschlgigen Stimmungs-Medley entfachen sie ein zuweilen nicht recht hierzu adquates Percussions-Feuerwerk. Sonntags heit es fr Micky erst einmal in gengsamen Umfang auszuschlafen. Am frhen Nachmittag setzt er sich ans Casio-Keyboard, um einen neuen Titel einzuprogrammieren. Hierbei handelt es sich um aktuelles internationales Material, wie Neverending Story, When The Rain Begins To Fall, Dream Around, Tarzan Boy und sogar die DEPECHE MODE-Nummer Dreaming On Me, die Micky auch singen wird. Drei bis vier Stunden hat er zu tun und ist dann gehrig stolz, wenn der Song buchstblich im Kasten ist. Meistens lsst er dann den Sonntag zusammen mit MARIO BRAUER, dem TEAM 77-Techniker, und einer Flasche znftigen Kruterlikr ausklingen. Er machte es sich zur unumgnglichen Angewohnheit hierfr diesen aufzusuchen; denn vielmals schon, bedurfte es Mickys Mhen, in aller Frhe nach durchzechter Nacht, diesen auf den Heimweg zuschicken. Jrgen Langer, der den Termin irgendeiner familiren Feierlichkeit verschwitzt hatte, bittet Micky an seiner Stelle als Schlagzeuger bei der Schnebecker Silbersee-Combo auszuhelfen. Am 21. Juni tritt Micky im Maxim-Gorki-Haus in Schnebeck den Musikern, die herrliche groe Augen machen, mit einem Hallo, ich bin die Vertretung der Aushilfe. entgegen. Der Kapellenchef scheint merklich fr derartige Possen unempfnglich zu sein: Du bist doch ein Gitarrist?! erkundigt sich dieser. Dieser Umstand gibt keinen Anlass zur Besorgnis, versucht Micky ihn zu beruhigen wir werden den Abend schon berstehen, ohne den Tanzsaal zum Katastrophengebiet erklren zu mssen. Die Gegenseite zeigt sich alles andere als zur Ruhe gebracht, schon gar nicht, als Leo Braun, Trommler der COLLOQUIUM-FORMATION, sein Instrument holen will und Micky ihn vor aller Ohren bittet, schnell einmal eben den Dreivierteltakt zu erklren. Beim Soundcheck kann der Ersatzmann sie endlich berzeugen, was Anbetracht des Geschickes ihres regulren Drummers keine grere Herausforderung darstellt. Der Abend kann beginnen. Schon in der ersten Pause kommen sich die Sngerin und Micky nher. Die Getrnke sind gratis und so ldt er sie zu manch einem Cocktail an der Bar ein. Der knstlerische Leiter der Band fngt bald darauf zu Knurren an, sie sollen es blo nicht bertreiben. Beim Titel Afrika dreht sich Gitarrist Kurti Krebs anerkennend zum Micky um; die angeheiterte Frontfrau fllt ihm sogar in die Trommeln. Als sie sich hierauf aus dem offenen Fenster zur Strae, wo sie sich frische Luft erhofft, bergibt, sieht man den Status einer Vorzeigetanzkapelle mehr als gefhrdet. Er solle ihr blo keinen Alkohol mehr geben, wird vom Micky verlangt. Dies sei nicht das TEAM 77 und, es muss sich herumgesprochen haben, nicht dessen trinkfeste Sngerin. Als nach Ende der Darbietung sich die Stimme der Combo nicht heimwrts fahren lassen und vielmehr beim Micky noch eine Tasse Kaffee bekommen will, zerreit es ihrem Boss die Wohlerzogenheit. Siegfried R.: Ich htte gern auf diese undisziplinierte Art von Vertretung verzichtet.
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Irgendwann im Herbst 1985. Irgendwo in der Altmark auf der F 71. Es ist morgens um halb vier und die Band kommt von einem Gig aus Tangerhtte. Micky kann vom Beifahrersitz aus erkennen, wie pltzlich von der rechten Straenseite etwas Schwarzes zwischen den vorausfahrenden Pkw und seinen Anhnger luft. Ein Tier. Es wird zurckgeschleudert und versucht abermals die Fahrbahn zu berqueren. Nun rennt es direkt vor das folgende Auto, mit dessen Schrze eine Kollision nicht zu vermeiden ist. Erneut zurckgeworfen, bleibt es schlielich bewegungslos liegen. Die Wagen stoppen, die Musiker gehen zurck, und erkennen ein mittelgroes Wildschwein. Es ist schon etwas unheimlich, so allein um diese Uhrzeit auf der Fernverkehrstrasse zu stehen. Ein khler Morgenwind kommt ber das Feld, und in ihrer Phantasie taucht die ber den Verlust ihres Kindes erzrnte und aggressive Bache auf. Schnell wird beraten. Den Frster in der nchsten Ortschaft alarmieren? Alles Bldsinn. Da ist doch noch Platz im Wartburg-Kombi, und neben der Bassdrum wird die tote Sau mit heimgefhrt. Um halb fnf reit Gnter seinen Schwager aus den Federn. Dieser ist Hausschlachter und erkennt den Ernst der Lage; es muss umgehend gehandelt werden. Das Tier ist nicht ausgeblutet, und bevor man daran geht, Wurst aus ihm zu machen, wird seine Todesursache festgestellt. Eindeutiger Nierenriss. Fast an gleicher Stelle zur gleichen Uhrzeit, halten sie nach einem Auftritt in Kltze am 13. Dezember. Es ist wesentlich klter, und ein eisiger Schneesturm nimmt ihnen beim Verlassen des Autos den Atem. Bewaffnet mit einer Handaxt dringen sie in eine Kiefernschonung ein, und schlagen sich ihre ganz individuellen Weihnachtsbumchen. Die Aktion mit dem Schwein dagegen war kein Einzelfall. Im Februar 1982 rannte ihnen ein Feldhase vor die Karre: Genickbruch. Er landete im Standtom, und anschlieend in der Pfanne. Manne Schulz, wunderte sich allerdings beim nchsten Auftritt ber die abbltternden, getrockneten Blutlachen.
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1985-87: Team 77
Whrend ihrer mitunter lngeren Heimfahrten kommt es zu bengstigenden Ermdungserscheinungen der Fahrer. Erwin und Micky staunen nicht schlecht, als Gnter ihnen im Pkw voraus beginnt, Schlangenlinien auf der nchtlichen Landstrae zu fahren. Nach intensivem Hupkonzert und mehrmaligen Aktivieren des Aufblendlichtes, scheint dieser aus seinem Sekundenschlaf erwacht zu sein. Um Erwin selbiges zu ersparen, dreht Mikky das Radio laut, kurbelt die Scheibe herunter und zndet sich eine wach haltende Zigarette an. Manchmal geht gar nichts mehr. So fahren sie rechts ran, um ein halbes Stndchen ihre Augen schlieen zu knnen. Ende des Jahres wird neben dem Einsatz eines neuen Echogertes die PA auf Stereo umgestellt, um somit die Zweikanaleffekte des Casio voll ausschpfen zu knnen. Schwebende Harmonien, hin- und herpendelnde Arpeggio, oder andere Stereoeffekte knnen dadurch realisiert werden. In rein musikalischer Hinsicht allerdings sieht man sich gezwungen, verschiedentlich aus der Not eine Tugend zu machen. Auf einem Tanzschulabschlussball in der Magdeburger Stadthalle erklren sich die Musiker bereit, whrend des Erffnungsprogramms die musikalische Umrahmung der Prsentation mehrerer Schautnze zu bernehmen. Vier bis fnf profilierte Alt-Eleven-Paare sollen sich unter anderem nach dem Song Tea For Two auf dem Parkett produzieren. Keinesfalls des ihnen spontan vorgelegten Notenmaterials Herr werdend, gilt es jetzt einen, fr beide Parteien, akzeptablen Kompromiss zu schaffen. Man analysiert die rhythmisch-strukturelle Aussage besagten Titels und verstndigt sich gezwungenermaen auf einen anderen Cha-cha-cha. Bestens der Choreographie entsprechend, kommt jeder Tanzschritt der Paare zu FALKOs Kommissar einer ekstatischen Wonne gleich. Der riesige Saal ist auer Rand und Band, mittendrin ein vllig fassungsloser, aber dennoch beeindruckter Tanzschullehrer, welcher nach mehr als drei Jahrzehnten, etwas neues zu Ohren bekommt. Am 25. Mai 1986 kommt Micky bei einer erneuten Einstufung im Kulturhaus mit Udo Mnchow zusammen, mit dem er zwlf Jahre zuvor Musik machte. Erinnerungen, Erfahrungen und Neuigkeiten werden bei dieser kurzen Zusammenkunft ausgetauscht.
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Im Sommer dann tut sich Micky mit dem auf einer Karnevalsveranstaltung kennen gelernten, Calbenser Uwe Mller zusammen. Mit mehreren Synthesizern, Effekten und Gitarre produzieren sie in Mickys Dachwohnung, vis--vis der Schnebecker Schwimmhalle, einige Titel: Now And Anymore, Friend At The Knife. Dieses Projekt nennt Micky KOM, die Krzel fr Kulturorchester Mittelelbe, dem ehemaligen Orchester seines Vaters.
U. Mller, Micky, M. Brauer, Sommer 1986
Heimatfest in Rodersdorf im Harz. TEAM 77 macht Musik im Bierzelt. Unmittelbar nach einer Tanzrunde kommt ein Mdel zur Bhne und spricht Micky an. Sie uert einen Musikwunsch und verspricht, bei seiner Erfllung ihm ein Glas Sekt zu spendieren. Bei der Wahl der nchsten Titel, wird er bercksichtigt und so schlrft Micky in der darauf folgenden Pause mit ihr das verdiente Getrnk. Nach dem kommenden Durchgang tritt sie erneut an die Bhne, plaudert und bekommt eine Textilrose von ihm berreicht. Er gibt vor, sie einzig und allein fr sie auf dem Rummelplatz des Festes geschossen zu haben. Micky: Ich fand sie backstage in einem Mlleimer. Bei der bergabe erhlt er schon einmal ein Ksschen und whrend der folgenden Pausen sind die zwei in einer dunklen Ecke hinter dem Zelt verschollen. Um Mitternacht bittet Micky seine Kollegen, das komplette Marsch-Kompotpourrie zu spielen. Das bedeutet Teil eins und zwei jenes berhmt-berchtigten Stimmungs- und Saufliedermedleys. Insgesamt eine gute halbe Stunde, in der jedes Mal Christine den Gitarrenpart bernimmt. Fnf Minuten nachdem es verklungen ist, kommt mit errtetem Gesicht, in dem sich zwei kleine Augen befinden, Micky wieder ins Zelt. Als Jrgen sich bei ihm nach dem Verbleib seiner Bekanntschaft erkundigt, bekommt er zur Antwort: Die ist nach Hause gelaufen, sich waschen. Im Februar des nchsten Jahres setzt sich ein recht imposanter Treck, bestehend aus zwlf PKW, fnf Anhngern, einem Wohnwagen, einem LKW mit Requisiten, Bhnenaufbauten und Technik, in Richtung Leipzig in Bewegung. Der Karnevalsclub Biere geht, mit seiner Begleitband, auf Tour. Ihr Ziel heit Mutschen. Hier werden sie, an zwei Abenden in einer Mehrzweckhalle, ihre Show zum Besten geben. Die komplette Stuff wird in einem Kinderheim, einem ehemaligen kolossalen Herrenhaus untergebracht. Am Samstagmorgen nach der ersten Veranstaltung, werden sie per Heimfunk, viel zu frh, mit dem Peter Maffay-Song Liebling, steh auf geweckt. Vor dem Frhstck verschwindet Jrgen, zwecks einem Viertelstndchen auf dem WC, um sich hiernach mit Micky die Klinke in die Hand zugeben.
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1987/88: Team 77
Whrend nun Jrgen, die anderen Musiker und die Klubmitglieder ihre Morgentoilette ttigen, erlaubt sich Micky einen dekadenten Streich. Von einer Nougatstange bricht er ein Stck, knetet es weich und schmiert es schlielich auf die Klobrille. Nun weist er Jrgen gehrig lauthals daraufhin, einen Teil seines Geschftes nicht ordnungsgem entsorgt zu haben. Mit der Zahnbrste im Mund, kommen dieser und mehrere Neugierige zum Lokus, um das Objekt der Beanstandung zu besichtigen. Vor allen Augen steckt nun Micky seinen Zeigefinger in die tuschend nach Kot aussehende Nougatmasse. Mit den Worten: Das gehrte doch sicher dir. leckt er sich zum allgemeinen Ekel das Braune vom Finger. Ich sag es doch, klrt er in schmatzender Weise den Sachverhalt. Eindeutig von dir! Im Mrz trifft Micky wiederum im Kulturhaus auf einen anderen alten Bekannten: Klaus Wehrmann, gegenwrtig Snger bei TUTTI PALETTI. Klaus gibt mit dieser Band hier ein Konzert und abermals werden die Alte Zeiten strapaziert und Klaus berichtet ber die ra seiner Mitgliedschaft bei REGGAE PLAY. Am 25. Juli 1987 geht es zum Heimatfest nach Cobbel in der Altmark. Open Air. Ein berdachter Pavillon. Gleich neben einem Getreidefeld. Ein khler Abendwind lsst einem schon frsteln. Gegen Mitternacht sucht die Veranstalterin, eine doch schon recht angetrunkene Dreiigerin, den Kapellenleiter auf. Die Gage wird bergeben, Quittungen gegengezeichnet, und sich unterhalten. Jrgen mischt sich in jenes Zwiegesprch, was der Dame nicht behagt. Erfolglos verbietet sie in nun mehrmals den Mund. Dann ergreift sie kurzerhand die Konsequenz und vom Tisch den Pappteller einer schon verzehrten Bockwurst, um ihn in das Gesicht eines perplexen Jrgen zu drcken. Dieser springt auf, um sich den gut gewrzten Ketchup aus den trnenden Augen und vom Hemd zu wischen. Alle Blicke sind jetzt auf ihn gerichtet; jedermann am Musikertisch wartet auf seine Reaktion. Aber als sei nichts Ungewhnliches vorgefallen, entfernt er sich in Richtung Bierstand. Nach fnf Minuten kehrt er mit einem groen Glas Bier zurck und stellt sich hinter seiner nichts ahnenden Kontrahentin. Ohne Eile, mit elegantem Schwung leert er den halben Liter ber ihren Kopf. Der khle Gerstensaft, der sich prchtig ber ihren Krper verteilt, macht sie schlagartig nchtern. Rache ist s. Am 16. November ersteht Micky in Magdeburg abermals ein neues Instrument. Die Musima MH-S in rot klingt per ihrer zwei Humbuckertonabnehmer um einiges angenehmer als die krachende Mustang. Musikalisch passiert in der nchsten Zeit beim TEAM 77 nichts Nennenswertes. Man covert fleiig englische und deutschsprachige Hitparadenstrmer, der Terminkalender der Band ist randgefllt und die Gigs nur Alltag und Routine. Allein die jhrlich stattfindenden Faschingsveranstaltungen bringen Spa und willkommene Abwechslung.
Micky, 25. Dezember 1987
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Am Ende einer solchen Faschingsmugge kommt es beinahe zum Herzinfarkt des Keyboarders. Es ist 2.00 Uhr morgens, die mehr oder weniger angeheiterten Musiker befinden sich in ihrer Garderobe, sind in Feierabendstimmung und im Begriff ihr ziviles Outfit anzulegen. In der Absicht allen einen Gefallen zu bereiten, ordert Erwin zehn frisch gebrhte Tassen Kaffee in der Kneipenkche. Jedoch niemanden scheint zu dieser Stunde der Sinn, sowohl der Appetit nach dieser Art von Getrnk zustehen. Nonchalant ignorieren, trotz bittender Animation, seine Mitkmpfer das auf dem Tisch befindliche Tablett. Kopfschttelnd und geradezu erbost lsst sich nun der spendable und frsorgliche Kapellenchef Tasse fr Tasse, mittlerweile abgekhlt, schmecken. Er kommt bis Numero sieben, dann zeigen sich symptomatisch erste Beschwerden wie Herzflattern, Atemnot und akute Transpiration kalter Natur. So will er wohl doch nicht aus dieser Welt scheiden und als ganzer Mann kmpft und bezwingt er die herannahende Asystolie. Fazit dieser schweren Minuten: Wenn einmal wieder Kaffee, dann aber nur Kaffee-Edellikr. Mario Brauer, der auf dem Gebiet der Unterhaltungselektronik vorteilhaft bewandert ist, gut mit dem Ltkolben umzugehen vermag und sich um die technischen Belange der Band kmmert, ist seit einiger Zeit mit der Band auf Achse. Da kommt es schon einmal vor, dass eine Endstufe, die whrend eines Gigs ihr Leben aushaucht und zum nchsten Vormittag fr einen Frhschoppen bentigt wird, trotz hohen Alkoholblutspiegel noch in der Nacht durch ihn wieder instand gesetzt wird. Eine im Harz stattfindende Veranstaltung fllt fr die nicht Pkw fahrenden Musiker recht feuchtfrhlich aus. Der sich hier vergngende Schtzenverein nebst Jgerchor lsst sich nicht lumpen und tafelt gehrig auf, zum gespickten Rehbraten wird reichlich Bier und Alkohol gereicht.
Mayo Brauer
Am kommenden Nachmittag geht es zur Mugge in die Altmark. Vor der Abfahrt hat Erwin noch ein gehriges Hhnchen mit den anderen zu rupfen. Er verlangt darber Auskunft, welcher Bastard auf der Heimfahrt hinten links in seinem Auto sa. ber Mario, der sich kleinlaut meldet, bricht ein Donnerwetter herein. Ihm wird zur Last gelegt, die Scheibe whrend der Fahrt heruntergedreht, seinen Kopf heraus gesteckt und sich dann unbemerkt bergeben zu haben. Erwin berichtet an dieser Stelle von einem schwer zu definierenden ligen Film am hinteren Kotflgel, den er im angetrockneten Zustand regelrecht abziehen konnte. Erwin H.: Wer nscht hat, braucht sich um nschtn Kopp zu machen.
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1988/89: Team 77
Nicht zu vergessen, was sich an diesem Abend hinter der Bhne abspielte. Gnter, mit leichten Herzproblemen vorbelastet, bekam von seinem Hausarzt die falschen Medikamente in Tablettenform verschrieben. Nachdem er zum Mittag zwei dieser Pillen einnahm, ging es ihm alles andere als gut. Dennoch lie er sich nicht davon abbringen, wahrhaft in etwas anderer Form, seinen Part zu bestreiten. In einem mitgebrachten Liegestuhl, neben dem sein Mikro- und Notenstnder stand, sang und spielte er im Backstage-Bereich, so gut es ging, zu der auf der Bhne musizierenden Band. Whrend der Karnevalsaison 1988 tritt die Band, als Damenkapelle auf. Gnter in Mutters Kchenkittel, Jrgen in roten, hochhackigen Pumps und schulterlanger Zweitfrisur in blond.
Gnter, Christine, Micky, Februar 1988
Erwin mit berdimensionalen, wollknuelgefllten BH und Micky frech im Mini, mit Strapsen und schwarzen Nylons. Fr den Saaleinmarsch des Teams hat letzterer eine berraschung vorbereitet. Mit der karminroter Wasserfarbe imitiert er beidseitig auf einer Menstruationsbinde, Gre Stullenbrett, jene charakteristischen Flecke. Beim Ruf des Elferratsvorsitzenden: Woll mer se reinlassen ? klemmt er sich diese prekre Angelegenheit zwischen die Schenkel, um kurz darauf mit den anderen im Gnsemarsch hinter einem Akkordeonspielenden Erwin, den Einzug zu vollziehen. Auf halbem Wege zur Bhne macht er einen greren Schritt, um zielbewusst seine Fracht zu verlieren. Fr jedermann wahrnehmbar, liegt sie nun in ihrer ganzen Herrlichkeit auf dem Tanzflchenparkett. Abscheu, Neugier, Inspiration oder Ignoranz, dass Publikum scheint geteilter Auffassung zu sein. Natrlich wird Micky vom Karnevalsprsidenten ins Gebet genommen. Sie wre doch zu unsittlich, die Sache mit der Binde; er mge sich beim nchsten Mal von dieser Manier distanzieren. Im Sommer 1988 gibt der langjhrige Keyboarder und Grnder des Teams Erwin Hbsch zu verstehen, dass er aus gesundheitlichen Grnden, seine Mitarbeit in der Gruppe einzustellen gedenkt. Zusammen mit ihm schlug man sich durch Hhen und Tiefen und seine nicht allzu bestechende Virtuositt war oft genug Anlass fr manch sinnfllige Begebenheit. Prinzipiell war es dem Erwin nicht gegeben, zu erkennen wann sein Keyboardspiel nicht mehr zu dem restlichen Klangkrper der Gruppe harmonisierte. Auf seiner Meinung beharrend, er spiele als einziger korrekt, trat er dann mit aller Geltung sein Volumenpedal durch, dass ja ein jeder hre wie musikalisch richtig er sich benehme. Bereits Anfang August 1981 lie sich Rainer Schulz in einer solchen Situation bei einem Gig in der Zerbster Stadthalle mit der Hand vor die Stirn schlagend in einem auf der Bhne stehenden Sessel fallen.
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Infolge dieser ffentlichen Entehrung kam es zu einer feurigen Kontroverse zwischen dem Kapellenleiter und seinem Saxophonisten. Sie uferte noch aus, als Micky einen Verbesserungsvorschlag anbringen wollte. Er sprach sich dafr aus, auf Erwins Tasteninstrument eine rote Glhbirne zu installieren, welche dann bei auftretenden falschen Tnen per Futaster vom musikalischen Leiter Gnter Kraus aktiviert werden konnte. Zur allgemeinen Belustigung stieg nun Erwin auch noch seinem Gitarrenmann mit Worten wie Du blder Landrat oder Ochse vom Kulm gehrig aufs Dach. Gnter besinnt sich des Pianisten Wolfgang Mader, mit dem mit Manfred Schulz zusammen, vor Jahren im MSK-Trio zusammen spielte. Das Krzel stand nicht wie etwa von Outsidern oder Kritikern angenommen fr Magdeburger-Schei-Kapelle, sondern gab lediglich die Anfangsbuchstaben der Musiker wieder. Am 21. Oktober 1988 gibt Wolfgang an den Tasten zusammen mit dem TEAM 77 in Packebusch/Altmark sein Bhnendebt. Die Mitwirkung Wolfgangs, der in mehreren Titeln parallel als zweites Keyboard, noch den Casio bedient, gibt Micky nun die Chance sich wieder ausschlielich auf die Gitarre konzentrieren zu knnen. Bald schon greift sich Wolfgang ans Herz, sowie in die Brieftasche und investiert sage und schreibe 16.000 DDR-Mark im Frhjahr 1990 in ein Kawai Keyboard. Diesem Wunderwerk der Elektronik entlocken sie verblffende Sounds, wie Gregorianische Mnchsgesnge, Violinquartette oder eine Applaussequenz, die man nach Lust und Laune bei Bedarf zwecks Animation des Publikums einsetzt. Bezglich jener leicht zu manvrierenden Technik, erinnert Gnter sich an Zeiten, zu denen die MSK-Truppe noch als Hausband Mitte der siebziger Jahre in der Magdeburger bulgarischen Spezialitten-HO-Gaststtte Pliska figurierte. Wolfgangs damalige, bereits zehn Jahre alte Matadororgel, (mit integrierten Rhren und Tonzungensystem) besa die hinderliche Unart, nach gut drei Stunden unerbittlichen Bhneneinsatzes sich bis zu ihrer Funktionsuntchtigkeit aufzuheizen. In derartigen Situationen verabschiedete man sich zu einer zwanzigmintigen Zwangspause, zog geschwind Netz,- und Verstrkerkabel und begab sich mit dem Instrument in den Kchentrakt des Restaurants. Hier ffneten sogleich eine der sich dort befindlichen Tiefkhltruhen und hoben das komplette Tastengert hinein. Nach erfolgter Reanimation wurde die leicht berauhreifte Orgel wieder an Ort und Stelle gebracht, wo sie dann bis zum Zapfenstreich hingebungsvoll ihren Dienst versah. Zurck in den Herbst 1989. Es sind bewegende Zeiten: Das Volk vermag nicht mehr still zuhalten, endlich macht es sein Maul auf. Das kommt dem Micky gerade recht, denn seit lngerer Zeit steht er mit der Obrigkeit seines Landes auf Kriegsfu. So beteiligt er sich an den Demonstrationen, fertigt Plakate und erhebt sich als erster whrend einer Protestveranstaltung, im vllig berfllten Saal des Schnebecker Stadtparks, zu stehender Ovation, als der geschlossene Rcktritt der DDR-Regierung verkndet wird. Er ist in seinem Element. Auf dem Hof der katholischen Kirche stellt sich das Neue Forum vor, um seine An- und Absichten zu definieren. Beim Satz Wir wollen nicht die deutsche Einheit! bedenkt Micky den Sprecher mit einem verbalen Buh und umgehend bekommt er von einigen Beiwohnenden Schlge angedroht.
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1990: Team 77
Das nchste Jahr, das der deutschen Wiedervereinigung, wird den totalen Bandsplit mit sich bringen. Vorerst werden die Musiker mit den verstrkt auftretenden Depressionen ihres Organisten konfrontiert. Man wei damit umzugehen, doch bisweilen eskalieren die psychischen Eskapaden eines Wolfgang Maders. So weigert er sich rigoros als es gilt, einen Gig in den Alten Bundeslndern zu verwirklichen. Als strammer Marxist, welcher bei weitem nicht alles guthie was sich in seinem Vaterland zutrug, verwehrt er seinen Fen jemals kapitalistisch-imperialistischen Boden zu betreten. Eine Ausnahme verzeiht er sich, und holt sich das ihm zustehende Begrungsgeld. Mittels dieser DM 100,- leiht sich die Band eine Videokamera aus, und lsst am 10. Februar 1990 den ersten TEAM 77-Video-Clip, in Form eines Livemitschnittes einer Faschingsfete, im Calbenser Roland entstehen. Die Welt, nebst ihrer politischen Unordnung um sich herum, nicht mehr verstehend, hufen sich Wolfgangs Neurosen und es kommt zu seiner Einweisung in die geschlossene psychiatrische Abteilung der Magdeburger Medizinischen Akademie. Micky, der dieser einen Besuch abstattet, spendet dem Taster Seelenheil und ist bemht ihn wieder aufzubauen. Ihm gegenber gibt er eine illustre Geschichte zu Protokoll. Er erzhlt von einem Typen, der ohne Arme und Beine, ohne Rumpf und ohne Kopf zur Welt kam. Dadurch war er blind, taub und gehbehindert. Nicht genug damit, er wurde als Kind viermal vergewaltigt, seine Eltern starben als Opfer eines Verkehrsunfalls und spter hat ihn seine Frau wegen einem Bodybuilder verlassen. Er war stumm und lachte trotzdem den ganzen Tag. Nur durch die Kraft des positiven Denkens. Die Gruppe braucht aber einen Keyboarder und Jrgen und Micky sind es, die den dringlich fr eine Veranstaltung bentigten ebenda herausholen. Per Unterschrift garantieren sie dem Chefarzt die volle Verantwortungsbernahme und brgen dafr, ihn wohlbehalten am folgenden Tag bis 16:00 Uhr in die Klinik zurckzubringen. Nach einem vierwchigen Verbleib hinter den Mauern dieser Heilanstalt entlassen sie den keinesfalls kurierten Mader. Micky: Es hatte keinen Zweck, von einem Veterinr zu erwarten, dass er einen gefallenen Engel zusammenflickt. Mit der im Sommer sich vollziehenden Whrungsunion nimmt akut die bislang recht attraktive Auftragslage ab und erreicht ihren absoluten Tiefpunkt. Am 31. Dezember 1990 tritt das TEAM 77 seinen letzten Gig, in einem Hotel bei Gttingen an. Fr Micky ist dies der 907. ffentliche Auftritt mit dieser Gruppe.
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1991: SkaShip
Mit dem Moped geht es im Frhjahr 1991 fr Micky des fteren nach Magdeburg. ber dem einstigen Caf Stadt Prag, jetzt ein McDonalds-Restaurant, befindet sich WOM. Eine, wenngleich teure, aber nach seinem Befinden, bestens sortierte und grorumige Plattenhandlung. In dieser verbringt er nicht selten zwei bis drei Stunden, um deren Angebot zu sichten. Allein das fast zehn Meter lange CD-Regal der Rubrik Oldies, entfacht in ihm eine gigantische Beseeltheit. Hier stehen sie, nach vielen entbehrungsreichen Jahren der Medienabstinenz, in Reih und Glied: All seine musikalischen Inspiratoren vergangener Tage.
Mit einer absoluten musikalischen Passivitt will Micky sich keineswegs anfreunden. Einen bescheidenen Rehabilitierungsversuch unternimmt er im Mrz 1991 im Salzelmener Seeschlsschen, wo er als Aushilfe zwei Diskoveranstaltungen fhrt. Zu dieser Zeit wird er erstmals mit einer Musikrichtung konfrontiert, die bis auf wenige Insider, kaum bekannt ist. Der Ska, die Vorform des Reggae, hat seinen Ursprung Mitte der fnfziger Jahre in Jamaika. In der TV-Sendung Elf 99 tritt die Berliner Band BLECHREIZ auf und er ist fortan begeistert von dem knackigen Blsersatz, der interessanten Rhythmik, aber vor allem von der ihn so animierenden Dynamik dieses Genres. Binnen kurzer Zeit beschafft er sich an die zwanzig LPs dieser Richtung. Ebenso schnell entstehen brauchbare Grundkonzeptionen fr ca. zehn eigene Titel. Die Sympathie fr diese Musik veranlasst ihn nun, ber die Grndung einer, in diese Richtung gehende, Band nachzudenken. Als ersten spricht er den Ex-Teamtrommler Jrgen Langer an, der sich spontan fr die lustige Art dieser Musik begeistert, schlielich war er jahrelang der Band-Clown. Zum Ska gehren Blser und so wendet sich Micky ebenfalls an einen alten Kumpel, dem Ex-Gottes Vieh- und Team 77-Saxophonisten Rainer Schulz. Dieser erweist sich als nicht begeisterungsfhig und begrndet seine ablehnende Haltung mit dem recht intensiven und, wie es Micky scheint, uerst kleinbrgerlichen Familienleben, das er fhrt. Auf einer Annonce hin lernt man den Ex-Bassisten der Magdeburger Band REGGAE PLAY kennen. Natrlich ist fr Harald Pieler der Ska nichts Neues und er bekennt sich zum zu grndenden Projekt. Als Eier-Harry bekannt wie ein bunter Hund, scheint er ein waschechtes Machteburjer Orjenal darzustellen. Whrend seiner Zeit bei REGGAE PLAY verpasste man ihm diesen Spitznamen, denn auf den Tourneen der Band, unter anderem bis nach Russland, frnte er unablssig seiner Lieblingsspeise, dem Eierkuchen, sowie die zahlreichen Variationen dessen Grundbestandteil.
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1991: SkaShip
Schon am Frhstckstisch startete er ordentlich durch: Zwei weich gekochte Eier, Schwarzbrot mit Eieraufstrich, vom Buffet eine groe Schssel Eiersalat, und zwei Stck Eierschecke zum Kaffee. Mittags dann den besagten Eierkuchen mit Eischnee, vor diesem aber zwei Teller Eierflocken- bzw. Eierstichsuppe, und zum Dessert Eier mit Schnittlauch in Aspik. Sein Abendbrot schlielich wie folgt: Eiergrupchensuppe als Vorspeise, danach verlorene Eier in Senfsoe mit Salzkartoffeln, vom Buffet mit Meerrettich gefllte Eier, bzw. Eier im Nest oder mariniert und schlielich zwei Glser Eierpunsch. Ging es des Abends auf die Bhne, so nahm er sich noch eine groe Flasche Eierlikr mit. Irgendwann und irgendwie ist er dann nicht mehr in dieser Band und schlgt sich nun als selbst ernannter Intendant von Radio Buckau durch. Es soll etwas Groes werden, mit dieser privaten TV-Station. Auf fast jeder wichtigen Magdeburger Party ist Harry prsent. Mit Camcorder oder Diktiergert interviewt er hunderte von Charakteren. Ob Brgermeisterkandidat, die schockierten Fahrgste der Linie zwlf, so setzte er einfach und das im Februar, ein Oben-ohne-Mdchen in den Straenbahnwagen, oder frh um zwei Uhr vllig skrupellos, betrunkene Neonazis auf dem Magdeburger Hauptbahnhof. Oft sind Harry und Micky in der Otterslebener Livemusikkneipe Mancho Pancho anzutreffen. Lutz Winkler ist hier der Wirt, der Trommler von Ex-Reggae Play. Schliet das Lokal um drei Uhr in der Frhe, geht es in dessen Privatkche weiter. Gegen acht Uhr, die Sonne ist mittlerweile aufgegangen, schlft man sich in Harrys Wohnung in der Magdeburger Hopfenbreite aus. In einer anderen Gassttte auf der Leipziger Chaussee kann Micky gewahren, dass Harry ein guter Bekannter der am Nachbartisch sitzenden Faschos ist. Einige von ihnen tragen an den Bomberjacken Aufnher mit dem Reichsadler, eingefasst mit einem Ich bin stolz ein Deutscher zu sein. Eier-Harry unterbreitet ihnen lauthals die Idee, seinen eigenen und persnlichen Sticker fertigen zu wollen. Anstelle des Adlers ein Hasenkopf, versehen mit dem Satz: Ich bin stolz ein Harry zu sein. Ein Grlen und Kreischen ist die Folge und Micky tut sich etwas schwer, diese Situation zu erfassen. Der Harry versteht sich als spontaner Aktionsknstler und so arrangiert er, an der Stelle des alten Erich-Weinert-Denkmals auf dem Magdeburger Breiten Weg, die Einweihung eines seiner Werke: Ein altes Toilettenbecken mit einem auf der Brille befestigten Ruchermnnchen, alles mit Silberbronze berzogen. Zwei Kameraleute dokumentieren, wie Harry die perplexen Passanten nach ihren Impress- und Emotionen befragt. Die ursprnglich eine Woche zuvor geplante Aktion musste verschoben werden, denn whrend Harry eine Leerkassette fr das Diktiergert besorgte, sollte Micky, auf das noch im Gebsch abgestellte, Kunstwerk aufpassen. Stattdessen machte es sich dieser auf einer sonnigen Bank bequem, und so konnten Langfinger sich gtlichst am Exponat vergreifen. Eier-Harry war verzweifelt. Auf einer Privatparty am 8. Mai, auf der die Punkband THE DEPRIVATION aus Schnebeck eine kurze Einlage gibt, lernt Micky den Snger der Band SPOONS B, Matthias Lewy kennen. Dieser erklrt sich damit einverstanden, die Skamusik als zweites Standbein zu betrachten.
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Micky spricht an der Telemann-Musikschule in Magdeburg vor. Guter Hoffnung ist er, hier aus dem Reigen der Schler seinen Blsersatz rekrutieren zu knnen. Doch alle Zuversicht schwindet, als das dortige Sekretariat verdeutlicht, das derzeitige Klientel bestehe lediglich aus Zehn-, bis Vierzehnjhrigen, also relativen Anfngern. Obendrein drfe man nicht die Namen, bzw. Adressen ehemaliger Musikschler preisgeben. Verrgert ber so viel Widersinn, stellt Micky sich die Frage, warum hier Musiker ausgebildet werden, wenn diese samt ihren Fertigkeiten in Vergessenheit geraten. Micky: Auf einmal gab es einen Datenschutz. Am 9. Juni findet beim Team 77-Chef Gnter Kraus eine Gartenparty besonderer Art statt. Offiziell erklrt dieser hier das Ende der Band. So stelle er ab sofort jegliches Management mit der Begrndung ein, die sich nicht bessernde Auftragslage rechtfertigt nicht den zu betreibenden Aufwand. Daraufhin lsst sich Micky die komplette Anlage, zu diesem Zeitpunkt noch Eigentum des VEB Heizkesselwerkes Schnebeck, fr DM 500,- berschreiben. In den kommenden Wochen stt noch der Berufsposaunist Dieter Meske des, sich in Auflsung befindlichen, Tanz- und Unterhaltungsorchester DACHWITZ aus Magdeburg zu dem sich jetzt SKASHIP nennenden Projekt. Durch Kontakte zu Musiklehrern besorgt Basser Harry den Saxophonisten Frank Nebel, Frank the fog. Die Weichen sind gestellt. Am 16. September 1991 verunglckt der, in Hammameth in Tunesien, Urlaub machende Harry Pieler tdlich. Micky erfhrt von dem zurckkehrenden Kameramann, sprich seiner Begleitung, einiges ber den Vorfall. Harry hielt sich dort fr einen neuen Diktator, der von seinem Balkon zum Volk sprechen musste. Nach dem Mittagsmahl, er befand sich auf dem Lokus, vernahm er absonderliche Gerusche. Harry schrie irgendetwas auf Arabisch. Pltzlich ein lauten Klirren. Danach Totenstille. Harry lag mit zerschmettertem Genick drei Meter tief auf der Hotelterrasse. Mit einem Hocker ihres Zimmers voran, hatte er sich durch die geschlossene Balkontr gestrzt. Wochen nach diesem Rckschlag bekommen sie durch den Ex-Bassisten des Magdeburger Tanzorchesters Klaus Illitsch Eichner Ersatz. Dieser wiederum bringt, zwecks Vervollstndigung des Blsersatzes, den Trompeter Rainer Schams mit an. Der letzte Musiker der SKASHIP-Crew, ein Studienkollege Mickys, Christoph Zielke, soll die Tasten bedienen. Wild schiet Hoffnung ins Kraut und Ende 1991 ist man komplett: Matthias Lewy voc Rainer Schams tp Frank Nebel ts Dieter Meske tb Christoph Zielke keys Micky Hennemann g, voc Klaus Eichner b Jrgen Langer d, voc Bassmensch Eichner bernimmt, angesichts dieser groen Besetzung, die Erarbeitung der Arrangements der einzuprobenden Titel.
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1992: SkaShip
Um eine richtige Ska-Band zu werden, beschlieen die acht Skashiper zehn bis zwlf Songs nachzuspielen, um sich danach am eigenen Material zu versuchen. Die Coverfavoriten stammen hierbei von einschlgigen Skabands wie MARK FOGGOs SKASTERS, EL CASINO ROYALE oder den TOASTERS. Parallel hierzu komponiert Micky Ska-Total, Mensch oder Tier, Janine, Safer-Sex und Skaship. Nicht unbercksichtigt bleiben Eier-Harrys Werke Wo seid ihr geblieben? und Zerstrt. Christoph und Micky besuchen in Wolfsburg einige Skakonzerte, um sich in der Szene zu informieren. Da diese Musik eine ganz spezielle Fangemeinschaft besitzt und in den Alten Lndern regelrechte Ska-Klubs existieren, erscheint ihnen eine gute Auftragslage als realistisch. Am 3. Februar 1992 findet die erste, von lediglich drei Proben in einer miserabel geheizten und leer stehenden Produktionshalle auf dem Traktorenwerkgelnde statt. Ein brachialer Sound treibt Micky buchstblich die Trnen in die Augen. Diese Probe fllt aufgrund des Berufsgeblses auch recht professionell aus: Die Notenbltter fr Trompete, Saxophon und Posaune werden austeilt und abgeht die Post. Mat L.: Es war unglaublich: Menschen, welche sich vorher nie begegnet waren, machten von einem zur anderen Augenblick zusammen Musik. Als Spitn Polish zu Ende gespielt ist, schaut der Posaunist mit hoch errtetem Gesicht in die Runde und gibt zu verstehen: Was war denn man das! Mir brechen die tiefen Tne ab! Dann blickt er zum Drummer, um sich bei ihm nach dessen Rhythmusgefhl zu erkundigen. Es liegt an Jrgens metrischen Schwierigkeiten. Es klnge wie Blasmusik, er mge doch erst einmal mit einem Drumcomputer ben. Jetzt fragt Bassist Illjitsch den Keyboarder, welche Harmonie er im zwlften Takt gegriffen hat. Christoph antwortet mit: A-Moll. Das sei definitiv inkorrekt, denn hierbei handele es sich um eine F-Dur-Major-elf-minus-sieben-Harmonie. Chris setzt die Finger abermals aufs Manual, doch sie scheinen nicht die treffenden Tasten treffen zu wollen. Sein Instrument mittlerweile zur Seite gestellt, steht der Basser schon am Synthi. Er zeigt einem perplexen Zielke den Fingersatz, worauf dieser, sich fast die rechte Hand zu brechen scheint. Der vereinfachte Orgelgriff wrde ihm schon reichen, gesteht Herr Eichner zu, aber selbst damit wei Chris wohl nicht Rechtes anzufangen. Kleinlaut stellt er die Frage: Apropos, wie heit eigentlich der Durakkord im letzten Takt vor der Bridge? Recht brsk bekommt er vom Bassisten zu hren: Der Durakkord vor der Bridge heit F-Moll! Erklrungshalber muss gesagt werden, dass der Arrangeur im Vorfeld die Musiker der Rhythm Section konsultierte, ob auch sie ihre Stimmen geschrieben haben wollen. Christoph meinte die paar Harmonien selbst heraushren zu knnen. Jene ungewohnte, dem einen und anderen zu profimig erscheinende Arbeitsmethodik, lsst gewisse Zweifel an der eigenen Virtuositt aufkommen. Diesem Leistungsstress nicht mehr gewachsen, verlsst als erster der Keyboarder die Band. Ihm folgt Beifuss der Sngerknabe. Wochenlang ist man um Ersatz bemht, doch letztendlich alles ohne Erfolg. Obendrein verliert SKASHIP im Sommer auch noch die Rumlichkeit; die alte Werkhalle soll rekonstruiert werden.
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Jana und Papa Micky, die sich selbst als musikalisch kreativen Schaffenskern betrachten, machen sich nunmehr Gedanken um eine Bandbenennung. Vieles wird durchgegangen und ebenso viel verworfen. Dann die akzeptabelste aller Ideen, am 4. Februar 1973 hatte sie schon einmal Ecki Grimpe: Sie fassen den Entschluss, die Band Gottes Vieh zu taufen. Jana H.: Uns blieb nichts weiteres brig. Das traf es. Musikalische Absichten formen sich erst zu bizarren Gebilden und wo auch immer hinter der Dunkelheit erwartet man die Erleuchtung, den Punkt, von dem aus es kein Zurck mehr gibt. Das ist der Punkt den man erreichen muss. The point of no return. Ein Groteil der musikalischen Kreativitt liegt darin begrndet, so sieht es Micky, sich zwar durch fremdes Gut inspirieren zulassen, aber vorrangig sein geistiges Potential des Unterbewusstseins zu nutzen. Es ist mitunter nicht immer sinnvoll, z.B. kopierte Gitarrenriffs als Basis fr die Realisierung von eigenem Material nutzen zu wollen. Da wir nie die groen Kupferer, resultierend aus dem virtuosen Unvermgen der Anfangszeit waren, sahen wir uns gezwungen, uns ausschlielich auf vorhandene Fhigkeiten unserer selbst zu verlassen. Es gibt nichts Schlimmeres als das es funktioniert oder nicht funktioniert, es hat dann nichts Mystisches. Diese Philosophie flankiert den langen Weg zwischen Geburt und Wiedergeburt von Gottes Vieh. Micky spricht hier allerdings von einer bedingten Reinkarnation: Davon ausgegangen, dass ein alter Geist in einen neuen Krper zieht, ist dies nur teilweise real. Bezogen auf die musikalische Hardware, bedarf es da noch an so etwas wie, nennen wir es nichtirdische Einflsse, um das ersehnte Nirwana zu erreichen. Es ist wichtig seine eigenen Ziele zu suchen, sich seine Herren und Gtter zu whlen, ja, mit Bewusstsein zu schaffen, und ihnen dann mit unerschtterlicher Treue anzuhngen. Ich wei wie es ist, nicht menschlich zu sein, denn nie haben Menschen mir ein Leumundszeugnis als redlicher Homo Sapiens ausgestellt. Zur musikalischen Konzeption uert er sich wie folgt: Phantomgleich huscht eine musikalische Idee wie ein Gesicht durch mein Unterbewusstsein. Wie ein kleiner Mond, der aus dem Schatten eines fernen Planeten gleitet. Stndig nach neuen Ideen Ausschau haltend, die schmale Furt zwischen Diesseits und Jenseits durchschreitend, denn es kann nie schaden zwei Welten zu kennen, sollte das alte, langsame und schwere Licht durch wildes, frisches Licht, aus dem Multiversum einfallend, ersetzt werden. Ab und an sollte man Gestalt und Spezies wechseln. Wenn man sich mit den Regeln vertraut fhlt, ist es an der Zeit, auf das Durchbrechen dieser zu sinnen. Vielleicht fhrt dies in eine Sackgasse, vielleicht aber auch zu neuen Ufern. Ich trume von meinen Trumen und tue was ich tun muss. Ich brauche keine Drogen, denn ich bin meine eigene Droge. Will man sich dieser Musik nhern, wird man gezwungen, den Abstand zu messen zwischen der Wirklichkeit, die wir scheinbar leicht in Besitz nehmen knnen und ihrem Inhalt, zu denen wir uns erst durchringen mssen.
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Die heutige Zeit braucht Klangknstler, die wissen, was sie tun, und nicht noch mehr Handwerker ohne jegliche knstlerische Botschaft. Micky, der anscheinend musikalisch unverstandene Exzentriker, gibt zu verstehen: Ich wei nicht genau, was richtig oder falsch ist, ich wei nicht einmal, ob es so etwas wie Richtig und Falsch gibt. Ich kenne nur Standpunkte. Wei ich doch selbst, was ich fhle. Kenne ich die Richtung, in die mich meine Fe tragen. Ist mir bewusst, wonach meine Hnde greifen. Es soll sie nicht geben, die Anderen, die sich meiner bedienen. Es ist eine Schwche der Menschheit, Genie mit Wahnsinn zu verwechseln. Es ist schlimm, sich zu zwingen, wie die anderen zu sein. Das fhrt zu Neurosen, Psychosen, Paranoia. Es wrde bedeuten, der Natur zuwiderzuhandeln, weil sie in allen Wldern der Welt kein Blatt geschaffen hat, das dem anderen gleicht. Nach etwas Recherche glaubt er jedenfalls den Schlssel zum Ursprung seiner partiell recht abstrakten, nicht jedes Gehr bezaubernden kompositorischen Einfllen gefunden zu haben. Um die Einschlafstrungen verbunden mit dem obligatorischen Geschrei ihres fnf- bis sechsmonatigen Sohnes in Grenzen zuhalten, befestigten seine Eltern eine noch aus den Anfngen des 20. Jahrhunderts stammende und nicht mehr ganz intakte Spieluhr an seiner Wiege. Immer wieder ertnte jene verstimmte und atonale Melodie, welche in dieser Frhphase der Menschwerdung ihre prgnanten Spuren in seiner Psyche hinterlie. Was ein Mensch in seiner Kindheit aus der Luft der Zeit in sein Blut genommen, bleibt unausscheidbar. Bis in den Dezember hinein kommt man gut voran und es entstehen die Titel Worlds A Grave, You Mock Me und To Nowhere. Am 6. Dezember lassen sie whrend der Probe eine Kassette mitlaufen, und es vollzieht sich die erste Bilanz von Gottes Vieh 2. Anfang 1994 kommt es zu Problemen mit dem Schlagzeuger. Engels ehemalige Metalband ist dabei, sich in alter Besetzung zu reformieren und somit lsst er Jana und Micky kurzerhand und in nicht ganz ehrlicher Manier, allein. Wieder einmal, nach lngerem Nachdenken, besinnt sich Micky eines Bekannten aus vergangenen, aber nicht vergessenen Tagen. Der 1982 bei CENTAURUS an die Stelle von Olaf Timme getretene Trommler Frank Peter Laue hrt den jngsten Probemitschnitt und ist ab 14. Mrz mit an Bord. Aus taktischen und konomischen Grnden verlegt das Trio, Ende des Jahres, die Proberumlichkeit abermals, in den nun sanierten, Kellerraum des Pionierhauses. Der Frank-Peter plaudert aus dem Nhkstchen und gibt eine detaillierte Bauanleitung seines ersten Schlagzeuges wider: Die Bassdrum fertigte er damals aus zwei entspeichten Fahrradfelgen zwischen denen, der Tiefe einer solchen Trommel entsprechend, zehnzentimeterbreite Holzleisten als Zarge gesetzt wurden. Eine ganze Rolle Tapete, blau angemalt und herumgewickelt, gab dem Ganzen Stabilitt. In eine Bohrung oberhalb steckte er den kompletten Radlenker, der ab sofort fr die Aufnahme der Toms diente. Bei diesen handelte es sich um greren, blecherne und goldfarbene Gurkenbchsen, die, ebenso wie die Bassdrum, mit Tischwachstuch bespannt und mit Fahrradschluchen fixiert wurden. Eine imposante Keksdose, gefllt mit Ngeln und Reizwecken, hatte obendrein eine Snare darzustellen.
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Ende Juli versucht man es erneut mit Ingo Just an den Trommeln. Das Resultat dieses kurzen Intermezzos ist wenig beachtenswert. Zeit fr Hennemann, wieder einmal einen alten Bekannten zu kontaktieren. Der Berufstrommler Jacky Klein lehnte zwar vor vier Jahren eine Zusammenarbeit am Projekt SKASHIP dankend ab, schenkt nun aber dieser Neuen Sache ein offenes Ohr. Nach kurzer Vorbereitungsphase, in der er sich mit dem Repertoire beschftigt, probt er am 11. August das erste Mal mit der Band. Micky fllt auf, dass einige Drumbreaks nicht korrekt den Zhlzeiten entsprechen. Du solltest schon auf der Eins landen, Jacky. bt er Kritik. Das ist detailgetreu der Part auf eurer Kassette, nach der ich geprobt habe. rechtfertigt sich der Schlagzeuger. Micky wird jetzt einiges klar: Jacky bte auch smtliche Fehler seines Vorgngers mit ein. Jacky K.: Das klang alles so schn kaputt. Fast eine halbe Stunde habe ich an dieser einen Stelle arbeiten mssen. Ich dachte, es sollte so sein. Ansonsten versteht er sich musikalisch bestens whrend dieser, bis in spte Stunde reichenden, Session. Jacky, Der-vom-Jazz-kommende, inspirierte bereits 1973 die Urbesetzung von Gottes Vieh, welche ihm den Titel Jackies Jatz widmete. Mit ihm entsteht Komposition Nummer 21: River Of Life. Mitte Oktober beschliet Jana, eigentlich und immerhin ein Part des festen Kernes, ihrer heimatrtlichen Prsenz ein unspektakulres Ende zu setzen und geht aller Prophezeiungen und Bitten trotzend, auf und davon nach Duisburg. Eine schwerverdauliche Tatsache. Micky geht auf Bassmenschensuche. Fndig wird er in einem alten Tanzmuggerkollegen, welcher zufllig und uerst fleiig bei dem Session am 11. August mitjammte. Manfred Muppet Petri, ein begnadeter Klampfer, bernimmt nach der blichen Vorbereitungszeit die Basslines. Am 12. November betritt der Teufelsviolinist und Keyboarder Vivian Anastasiu den Probekeller, um gleich einem Manne Petri, sein Probedebt zu begeigen. Bald schon schwindet alle anfngliche Euphorie.Vivian, gebrtiger Transsilvanier und Zweiter Konzertmeister im Stdtischen Orchester, versagt bereits nach zwei Wochen seine Erscheinung. Das Line Up von Gottes Vieh hatte fr ihn offenbar einen entscheidenden Schwachpunkt: Ja sackt mahl, waren seine ersten Worte im gebrochenem Deutsch, ihrr harpt keiine Shngerien, wenn soul iech dahn fiegken? Ganz zu schweigen von seinem kreierten Sambamotto im Basspart und der Arabischen Schlagwerkarbeit in Senseless Things. Der Rhythmussektion Petri/Klein jedenfalls, machte er damit keine allzu groe Freude. Wolfgang P: Er roch nach Rosenl, war toupiert und hatte zu den Proben stets einen Stoffbeutel Bierbchsen am Mann.
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Mittels diverser Aushnge in Magdeburger Szene-In-Kneipen suchen sie jetzt einen Keyboarder bzw. Gitarristen. Alle Bemhungen verlaufen erfolglos, bis Jacky erneut einen Bekannten zu einer Probe einldt. Klaus Herz, aus dem hessischen Marburg stammend, beginnt Anfang Mai sich musikalische Notizen zu dieser Musik zu machen. Spezialisiert auf Tasteninstrumente, stt er als Fnfter zu Gottes Vieh. Er machte seine Erfahrungen in verschiedenen Bands, war an einer Plattenproduktion beteiligt und gab zuweilen Klavierstunden. Unter anderem unterrichtete er den spteren Keyboarder der Teenieband TIC TAC TOE. Mit Klaus zusammen ist man entschlossen, alles zu unternehmen, um anders als die anderen Bands zu klingen. Sie wollen mehr als nur unterhalten, mit einer Musik, die alle Sinne ffnen, anrufen und schrfen soll. Musik, die die dunkle Wahrheit des Geistes sucht, in der man dessen Extreme schreien hrt. Das Abwegige zuwege zu bringen; der Sound ist so offen. Seit einiger Zeit ist es mglich, auch auerhalb der regulren Zeiten Trommler Jacky im Proberaum anzutreffen. Dieser bereitet sich hier intensiv fr eine bevorstehende Tournee mit der Band BECKERS AND FRIENDS vor. Harald Becker, Gitarrist und Fltist, der ehemaligen Schnebecker Band VARIATION, seit einigen Jahren im Klner Raum ansssig, hatte nach erfolglosen Existenzversuchen im Hotel- und Gaststttengewerbe, zusammen mit seinem Keyboardspielenden Sohn diese Kapelle instituiert. Fr Jacky eine willkommene Gelegenheit. Mitte August bricht er seine Zelte in Schnebeck ab. Da man mit diesem Problem seit lngerem konfrontiert ist, kann Gottes Vieh nahtlos einen neuen Schlagzeuger willkommenheien: Norman Wandiger, Ex-Drummer der Trashmetalband PERVERT SERVICE, gibt am 11. August 1997 seinen Einstand. Der oftmals keinen Schlaf findende Klaus nutzt eine derartige Gelegenheit und macht sich neugierig daran, einige der Gottes Vieh-Texte zu bersetzen. Nach zwei Stunden ist der des Englischen mchtige Taster fertig, zerschlagen und kann nun erst recht nicht an Ruhe und Entspannung denken. Es liegt auf der Hand: neben den teilweise neu zu arrangierenden Titeln gilt es auerdem noch an den Zeilen zu arbeiten. Diesbezglich unternehmen sie Anstrengungen, das Textmaterial definitiv in Form zubringen. Thomas, der ab August an der Volkshochschule Schnebeck einen Sprachkurs belegt, kann fr die notwendige berarbeitung seine Englischlehrerin berzeugen. Zusammen mit Velicia Chartier, einer kleinen, in Kalifornien geborenen Mulattin, verbringt die Band oft nach den Proben einige wohlige Stunden im Stadtpfeifer, einer Schnebecker Irish-Pub-Kneipe. Ihrer Kompetenz ist es zu verdanken, dass bald schon den Lyrics die notwendigen Korrekturen widerfahren. Klaus H.: Sie hatte schne Haut, trank Milchkaffee und einige, am Nebentisch sitzende, Jungnazis machten groe Augen. Ende September tritt ein gewisser Oliver Feedback Struve, seines Zeichens Tontechniker diverser Schnebecker Bands und Initiator einer neuen Veranstaltungsreihe, mit der Absicht an die Gruppe heran, sie fr einen Gig zu engagieren. GOTTES VIEH sagt zu und beginnt sich fortan, auf den bevorstehenden Termin vorzubereiten. Zu diesem Zeitpunkt entschliet man sich, auf die Suche nach einer neuen Rumlichkeit zu gehen.
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Hierbei tun sich die fnf anfnglich etwas schwer und eine langsame Bluesversion erweist sich als unpassend und wird wieder fallengelassen. In dem das Tempo gesteigert und die rhythmische Betonung verndert wird, erreichen sie ein schon recht brauchbares Resultat. Klaus bringt einen klassischen Hammondsound seiner Keyboards mit ein, Thomas verlagert seine gesangliche Stilistik und fertig ist ein neuer Gottes Vieh Titel in zwei unterschiedlichen Fassungen. Als die Band das Stck The Loser probt, kommt es whrend des Keyboardsolos zu einem impulsiven Gefhlsausbruch eines Klaus Herz. Er ist gerade dabei, so richtig aus sich herauszugehen, ein durchaus rares Geprge seiner Mentalitt, als er sich hierbei mehrmals bei den Tnen vergreift. Als knnen die Tasten etwas dafr, beginnt er diese regelrecht mit den Fusten zu verdreschen. Thomas und Micky ziehen ihre Kpfe ein und blicken sich recht verstrt an. Das Resultat sind zwei defekte Tasten, die nun nicht mehr in der Lage sind irgendeine Funktion innezuhaben. Spontan entschliet sich die Band am 10. Januar, zusammen mit sechs weiteren Gruppen unterschiedlichster Couleur, eine dreiigmintige Kostprobe ihres Knnens, im Rahmen eines Musikertreffens in der Gaststtte Nordmann in Calbe/Saale zu geben. Essen und Trinken frei, dass beinhaltet die Gage fr diesen Abend. Just for fun, sie verstehen es als eine ffentliche Probe. In dieser Region bis dato gnzlich unbekannt, ist man seitens des Veranstalters, als auch des Wirtes um einiges erleichtert, als sie den Jungs von Gottes Vieh gegenberstehen. Infolge ihres Bandnamens hatte man gewisse Bedenken und ordnete die Musiker der Rechten Szene zu. Norman W.: Ich war nie ein Nazi. Nur immer Indianer.
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Der Soundscheck ist viel zu kurz und unzureichend, das Monitorsystem unterdimensioniert. Dennoch stellt ihr Minikonzert zufrieden und die Zuhrerschaft ist des Lobes. Ihr Auftritt, welcher so betrachtet, nach dem 31.12.1973, der zweite ffentliche einer Band namens Gottes Vieh ist, wird per Camcorder festgehalten. Zu dieser Zeit sind Schnebecks Regionalbltter gut versehen mit Informationen, die auf das nchste, in vierzehn Tagen, stattfindende Konzert hinweisen. Am Mittwoch vor der Veranstaltung dann eine Hiobsbotschaft: Andi informiert Micky telefonisch, dass ihn am Morgen, ein gnadenloser Hexenschuss ereilt hat und er sich dadurch bedingt, im Kreiskrankenhaus aufhalte. Aber bereits am nchsten Tag hat alles Bangen ein Ende. Andi, welcher mittels diverser Injektionen wieder gerichtet wurde, steht fast uneingeschrnkt zur Verfgung. Am 23. Januar ist es dann soweit. Der erste ffentliche Auftritt in ihrer Heimatstadt beginnt fr die Band bereits um 10:30 Uhr. Nach vollzogenem Aufbau erfolgt ein dreistndiger Soundscheck, der nicht unbedingt von Erfolg gekrnt ist. Der Tontechniker tut sich schwer und hat groe Probleme, sich auf den atypischen Sound einer Musik mit Ecken und Kanten einzustellen. Das Abmischen von Andis Fretlessbass gestaltet sich uerst schwierig, Mickys Gitarre hat in 20 Sekundenintervallen Volumentotalaussetzer, auch was das Monitorsystem auf der Bhne anbelangt, kommt es zu einigen Meinungsverschiedenheiten. Diese vorhandene akustische Kontrolle, zwecks gegenseitigen Hrens, befriedigt die Musiker keinesfalls. Der Satz des Soundmeisters: Das nchste Mal machen wir das anders. stellt nicht zufrieden, es bleibt auerdem kaum Zeit und weiter nichts brig, als jenes Manko zu akzeptieren. Punkt 21:30 Uhr, der Saal ist dank der enormen Gottes Vieh-Fangemeinschaft mit 250 zahlenden Gsten gut gefllt, ertnt das chorale Orgelintro von Creepy Message. Tanzend und Kuscheltierwerfend (!) verfolgt das Publikum die weiteren fnfzehn Titel. Thomas A.: Jemand warf mir den Schlpper seiner Mutter direkt ins Auge.
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Beim letzten Act bekommt Normen am Schlagzeug einen argen Krampf im rechten Handgelenk und ist mithin nicht mehr in der Lage weiterzuspielen. Micky kaschiert diese Situation, in dem er sich spontan auf das Drumpodest begibt und damit beginnt, einen imaginren Defekt der Fumaschine zu beheben. Nach dreiig Sekunden ist der Trommler wieder schmerzfrei und bereit weiterzumachen. The Scream Of Butterflies startet von neuem und im Anschluss hieran wird man gentigt noch eine Zugabe zu geben. Nach einer viertelstndigen Pause legt dann die Erfurter Band ANGER 77 los, whrenddessen die Mannen vom Vieh in ihrer Garderobe von der Tageszeitung Volksstimme interviewt werden. Aufgrund des soundtechnischen Desasters beschlieen sie, ihren Sound selbst in die Hand zunehmen, denn mit der vorhandenen Anlage ist man durchaus in der Lage, kleine bis mittlere Rumlichkeiten zu beschallen. In den nchsten Wochen wird ein grozgiges Monitorsystem, bestehend aus sechs Lautsprecherboxen aus denen jeder den anderen hren kann, realisiert. Ende Mrz drehen sie im Proberaum die Boxen der P.A.-Anlage von sich weg, koppeln die neue Monitoranlage an und proben ab jetzt in der Form, wie sie ihre knftigen Auftritte angehen werden. In jeder Ecke der Bhne ist ein konstanter, lautstarker und intensiver Kontrollsound zu orten. So muss es sein. Die Gottes Vieh eigene Technik gelangt dann am 16. April 1998 zu ihrem ersten Einsatz. Fr die musikalische Umrahmung eines Frhlingsfestes einer Wahlveranstaltung der Schnebecker FDP-Ortsgruppe, wird das Soundsystem in einer eigens dafr hergerichteten Bauhalle installiert. Trotz deren miserablen Akustik wird ein zufrieden stellender Klang erreicht und bis zur Ansprache des ehemaligen Bundesauenminister Hansi Genscher stellt die Band sechs ihrer Titel vor. Am Freitag, den 13. Mai bestreitet Gottes Vieh den Support eines ELECTRA-Konzertes im Barbyer Rautenkranz. Als die Vorband um 17:00 Uhr eintrifft, nimmt sie einen riesigen und imposanten Truck der angemieteten Technik war. Im Saal ist diese damit beschftigt, ihr Equipment aufzubauen und ein berdimensionales Mischpult befindet sich bereits auf der Tanzflche. Whrend des Vorabchecks jault und pfeift, brummt und schnarrt es Trommelfell ttend, dass bereits in diesem Stadium den Vieh-Musikern starke Zweifel an den Fhigkeiten der Soundcrew, bestehend aus zwei Ton- und zwei Lichttechniker, aufkommen. Obendrein bleibt nur noch wenig Zeit bis zum Gigbeginn. Um 18:00 Uhr treffen dann die Electra-Musikanten ein und bald beginnt mit ihnen ein nicht enden wollender Soundscheck. Gegen 19:30 Uhr beginnt das, noch vor der Tr stehende, Publikum mittels Faustschlge an dieser, seinen Unmut Geltung zu verleihen. Soundmig kommt der Hauptact Electra zu keinem positiven Ergebnis, whrend fr Gottes Vieh berhaupt keine Zeit fr ein Anspielen zur Verfgung steht. Micky ist gerade dabei, sich zwei der insgesamt achtzig Eingnge am Mixer zu erbitten, man bewilligt ihm nur einen, als die Fans schlielich eingelassen werden. Thomas, Klaus, Micky, Andi und Normen betreten mit fast einstndiger Versptung gegen 21:00 Uhr die Bhne und sind alles andere als zuversichtlich. Beim Intro dann, zerfetzt ein deftiges Feedback die Harmonien der Keyboards, welche heute desgleichen nur in Mono spielen drfen. Was danach kommt, hat mit dem zwanzigsten Jahrhundert herzlich wenig zutun.
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Snger, Trommler und Steel-Gitarrist lassen sich nicht lange bitten und bringen, mit bassmiger Untersttzung eines merklich mit Stolz erfllten Andi Plers, eine flotte Saloon-Stimmung in die Katakomben. Micky lsst sich Anbetracht dieses denkwrdigen Ereignisses schnellstens nach Hause kutschieren um einen Camcorder zu holen. Spontan wird auch die Presse benachrichtigt und wenig spter wird das Spektakel in Bild und Ton festgehalten. Gegen 2:00 Uhr, nachdem man sich im Gottes ViehGstebuch mit dem Spruch Drei Korn, zehn Bier-Truckstop waren hier. verewigt hat, satteln die V.I.P.s auf und begeben sich in Richtung Hotel. Aber noch ist kein Ende abzusehen. Nun greift Thomas zur Gitarre, Andi zum Bass und ein gewisser HansJrg Effenberger, er machte schon whrend seiner Armeezeit mit Micky zusammen Musik, bedient die Keyboards. Obendrein hngt sich der Gottes Vieh-Ex-Saxophonist Rainer Schulz sein Es-Alt um, whrend Micky sich an den Trommeln platziert. Mit der nun folgenden dreiigmintigen Abschlusssession kommt noch einmal eine gehrige Portion Fun auf, bis sich gegen 3:30 Uhr selbst der harte Kern verabschiedet. Es an der Zeit, sich ber ein Bandplakat Gedanken zu machen, dass mehr als nur ein Provisorium darstellen sollte. Micky erstellt hierfr per Computer eine Bildcollage, welche als Entwurf akzeptabel erscheint. Er bedient sich einer Collage. Hierfr fotografierte er eine Tr in der Ortschaft Krippen, und das fratzenhaften Antlitz eines steinernen Sonnengott im Bernburger Schloss. Ein Plakat sollte die Neugier herausfordern. In dem er noch eine Wasseroberflche einfgt, bringt es Andi zur druckreifen Vollendung. Am 7. Juni nimmt, aufgrund der Einladung einer Filmemachergesellschaft, die Band an einem Klangspaziergang mit musikalischen Objekten teil. Bis auf Klaus, der verhindert ist, sollen sie zusammen mit ca. dreiig Musikern aus Magdeburg, Stendal, Stuttgart und Berlin auf Instrumenten ihrer Wahl, Klnge erzeugen. Es ist angedacht, hierfr den Gruppengeist zu unterdrcken, um ausschlielich das musikalische Individuum eines jeden zum Vorschein bringen zu knnen. Micky fertigte mehrere verschiedengroe Bleche, die er an einem Baum, auf einem Hochwasserschutzdamm der Saale bei Werkleitz, aufhngt und diese mit Drumsticks zum Klingen bringt. Hierbei ist es interessant zuhren und zusehen, wie er mit der Naturgewalt zum einen in Harmonie, zum anderen in Divergenz, umzugehen versucht. Die durch den Wind in Bewegung gehaltenen Blechteile berhren einander und bringen sich somit in unregelmigen Zeitintervallen gegenseitig zum tnen. Hier zwischen setzt Micky gezielte Schlge und lsst sich mit erdabwrts gewandtem Gesicht durch alle Wildnisse der Phantasie tragen. Alle vierzig bis fnfzig Meter steht ein musikalischer Akteur, der fr die nchsten zwei Stunden seine Gedanken, mittels der Improvisation, offenbart. Andi P.: Mit dem unverstrkten Bass spielte ich auf einer Wiese einem Pferd etwas vor. Dafr gab es Geld.
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Thomas A.: Stndig wurde an den Titeln herumgedoktert, gendert, als auch verworfen. Sein Herz schlage nun einmal fr AC/DC & Co; eine gewisse Intoleranz ist unschwer zu erkennen. Dabei sollte Musik nie geradliniger Natur sein, sondern ungleich interessanter: In ihr sollten hundertfache bergnge vom Guten zum Bsen, vom Gott zum Tier flieend sein. Eine Sucht nach neuen Tnen, im irisierenden Funkenbogen zwischen hell und dunkel, Lrm und Stille, Ekstase und Besinnung, ein Taumel der Kontraste. Nicht lange ber die Banalitt seiner Argumente nachsinnend, kmmert sich das Vieh und versucht Ersatz im Ex-Frontmann des PERVERT SERVICE, Normans einstiger Band, zu finden. Am 22. Mrz probiert sich Jrn Wolf mit dem Mikrofon in der Hand. Seine derbe und verhangende Stimme scheint auf den ersten Blick wie geschaffen zu sein. Voller Inbrunst versteht dieser es zu schreien und zu rhren, doch das leider nur ausschlielich. Es fehlt ihm an Erfahrung und Routine. Man vermisst balladeske Tne und Nuancen. Einem Inserat nachgehend, stoen sie auf den Ex-Snger der Magdeburger Tanzkapelle ALEX H. Jens Ossi Ossowsky begeistert sich fr die Idee der Band das Repertoire mit deutschen Texten zu versehen. Er entschliet sich, ein gutes Stck Equipment in die Band mit einzubringen, denn Thomas zog mit dem Ausstieg auch seinen Teil der Technik ab. Auer einem kompletten P.A.-System, wartet Ossi mit einem Kssbohrer Setra-Bus, Baujahr 1972 auf, welchen er knftig, mit all seiner Wohnlichkeit, der Band zur Verfgung stellen will. Nach zehn Proben vermag er die Band noch immer nicht recht zu begeistern. Sein Gesang will das Schlagersngerambiente nicht loswerden. Klaus H.: Er klang wie Roland Kaiser.
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In Rostock eingetroffen, checken sich die Musiker in das, an der Warnow liegende, Traditionsschiff Frieden ein. Nachdem die Kajten der Jugendherberge, mit ihren winzigen Kojen, bezogen sind, geht es weiter zum LT, einer Diskothek. Als Programmteil dieser, spielen sie mit zwanzigminter Halbzeit zwei Blcke ihres Programms. Micky: Wir spielten vor schwarzgekleideten, gegelten und gelangweilten Depeche ModeFreaks. Irgendwann aber tauten diese Cooltuer auf. Nach drei Stunden geht die Nacht dann auf dem Kahn zu Ende. Um 8:00 Uhr frnt man, bis auf Klaus, der sich noch in seekranker Situation befindet, dem Frhstcksbfett. Norman lsst sich es schmecken: Nach siebeneinhalb Brtchen ist seine Welt wieder rund. Der Heimfahrt steht nichts mehr im Wege. Am 31. Mrz wird ein zweites Mal das Grninger Bad bespielt. Das hier prsente, kleine aber feine Publikum setzt sich im Groen und Ganzen aus Musikern diverser Genre zusammen. Die Mnner um Hennemann spren sehr wohl die Resonanz, der Interesse zeigenden und geraten in wohltuende Spielfreude. Irgendjemand aus Basel meint, so etwas die letzten vierzig Jahre noch nicht gehrt zu haben. Er will sie fr zwei Gigs in einem Freyburger Jazzkeller im Herbst engagieren. Na mal sehen.
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Bald schon kommen drei Gitarrenmodelle in eine engere Auswahl: Eine Framus Diablo Custom made in Markneukirchen, eine LAG Blues Lousiane, sowie eine kanadische Godin LGX-3 Gitarre, fr die er sich nach lngeren Studien diverser Testberichte, definitiv entscheidet. Dieses Instrument beherbergt zwei Seelen in sich. Zum einen ist sie per drei Duckbucker-Tonabnehmer, neuartigen Single Coils, eine gemeine Elektrogitarre, zum anderen stellt sie durch, einen in der Brcke eingebauten, Piezoabnehmer plus aktiver Schaltung, eine akustische Gitarre dar. Im brigen handelt es sich bei Robert Godin um einen in Frankreich geborenen Hersteller. Einen Faible fr franzsische Dinge scheint Micky wohl immer schon besessen zu haben. Zugern trinkt er trockenen Rotwein, nicht nur aus Frankreich, fuhr schon immer franzsische Autos, seine Zigarettenmarke ist des fteren Gitane oder Gauloises und obendrein stammt er, ber die vterliche Linie, von den Hugenotten ab. Was liegt da nher? Bei der Farbwahl entscheidet er sich fr ein Transparentblau, welches die Holzmaserung durchscheinen lsst. Micky: Meine Mutter meinte immer: Micky, zieh doch den himmelblauen Nylonpulli an, diese Farbe steht dir so gut. Im Sommer 2000 beschliet Norman, seine Heimat, als auch die Band zu verlassen. Ein Mdel plus Job erwarten ihn im Unterfrnkischen. Sang- und klanglos, den ehemaligen Musikkollegen seinen Ausstand verwehrend und noch nicht einmal sich verabschiedend, stiehlt er sich am 31. August davon. Mickys Kommentar: Sein Krper war schon immer schner als sein Geist.
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Anfang der achtziger Jahre wollte Jacky zu einer Aufnahmeprfung einer Musikschule in Halle/Saale. Da Frank beabsichtigte sich ein Sopransaxophon zuzulegen, nahmen beide den gleichen Zug. Jacky hatte sich zu diesem Lokaltermin vornehmlich herausgeputzt: Er trug einen recht knappen schwarzen Konfirmationsanzug mit bezeichnenden Hochwasserhosen. Dazu ein weies Oberhemd, nebst einer groen Fliege gleicher Farbe. Eine berdimensionierte Sonnenbrille der Marke Stubenfliege ergnzte dieses Outfit. Die Fahrt verkrzte und garnierte man sich mit Hilfe einer groen Flasche Boonekamp. Recht beschwipst blies Frank als erstes sein Saxophon in einem Hallenser Musikgeschft an, befand es fr korrekt und ttigte den Kauf. In einer benachbarten Konsumverkaufsstelle holten sich die zwei Nachschlag: Eine Flasche Weinbrand-Verschnitt. Jacky jedenfalls, erreichte nie die Musikschule. Am 9. November begrt die Band Ines Wolffram, die sich ganz spontan an Mikrofon und Keyboard setzt, um eine viertelstndige solistische Darbietung zu zelebrieren. Die Siebzehnjhrige macht ihre Sache mehr als gut und so geht es langsam wieder aufwrts, mit der kollektiven Moral. Um so schwerer zu verstehen, dass am 17. November ein Andi Pler seine Mitwirkung in der Band aufkndigt und zu erkennen gibt, sich in mehreren Punkten bergangen zu fhlen. Das prekre Vorspiel eines Herrn Schfers, der, so stellt sich im Nachhinein heraus, Andis jngstem Spross Franzsischunterricht erteilt, sei Motiv genug, nun diesen nur noch Sechsen zu verteilen. Seine, von Klaus und Micky niedergestimmte, Idee, lsst ihn noch einmal essigartig aufstoen und seine Konsequenzen ziehen. Klaus H.: Er wollte die Gruppe durch drei Sngerinnen und Violinisten auf ein neunkpfiges Tanz- und Schauorchester erweitern. Zudem gibt Ylvie O. das Statement ab, zu alt zu sein, um sich abermals an neue Leute zu gewhnen. Obendrein sei es nicht mehr das Gottes Vieh, dem sie im letzten Jahr beitrat. Normans Weggang htte sie nur schmerzhaft verkraften knnen, doch Andis Austritt veranlasse sie, geradeso die Segel zu streichen. Trommler Stefan beikommt den Mund nicht wieder zu, denn zwei Kndigungen binnen einer halben Stunde, stoen bei ihm auf absolutes Unverstndnis. Micky uert sich bei dieser Gelegenheit gegenber den verbliebenen Musikern: Wo wir schon einmal dabei sind, schaut er in die Runde, wer mchte denn noch seinen Hut nehmen? Er gnnt sich jenen zynischen Humor, gehrten doch derartige Situationen in den letzten zehn Jahren fr ihn schon fast zum Alltglichen. Er sah sie alle kommen und gehen: Die Phantasten, die Sturschdel, die Faulen, die Arroganten, die Verlogenen, die Poser, Prahler und Selbstbetrger. Zur Probe am 23. November tritt eine Sandra Gabriel in Erscheinung, mit welcher Ines schon in einer Calbenser Schlerband sang. Da es mit der Eindeutschung des Repertoires nur schleifend und schlielich nicht mehr voran ging, entscheidet die Band sich, einstweilen wieder englischsprachig weiter zu verfahren.
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Aufgrund des Preises muss Micky erst einmal das Instrument nher in Augenschein nehmen, denn etliche Fendermodelle werden vom Anbieter mit Made in Amerika prsentiert. Doch das ist gro, und auch Mexiko als potentielles Herstellungsland, gehrt nun einmal auch dazu. Das ist hier nicht der Fall, denn auf der Kopfplatte befindet sich, in Form einer U.S.- Patentnummer, der evidente Beweis. Schnppchenkauf, Uwe! Vor dem Jahreswechsel ist GOTTES VIEH erstmalig ein Septett und mithin komplett: Ines Wolffram Sandra Gabriel Frank Schpke Klaus Herz Micky Hennemann Uwe Behrens Stefan Jonas voc voc sax key g b d
Anfang Juni testet Micky einen vom Uwe mitgebrachten Fender-Kofferverstrker und ist begeistert. Bis dato spielte er seine Gitarre ber Stereoeffektprozessor, Mischpult und P.A. Diese direkte Einspeisung fhrte nicht immer zu brauchbaren Ergebnissen. Der Clean-Sound war mithin stets ein wenig Marke HiFi-Klingel und der Drive-Sound zu extrem, Marke Kreissge, weil der Frequenzgang nach oben hin nicht beschnitten ist wie bei einem Gitarrenlautsprecher. Der hrt nmlich ab ca. 4-5 kHz auf zu arbeiten. Der Fender Princeton 112 erzeugt einen frequenzgerechten Gitarrensound und erlaubt nun auch mit dem Feedback zu arbeiten. Der Ausgang der LGX (3x Single Coils in Strat-Schaltung) geht direkt in den Fender Combo, in welchen ein Roland Volumenpedal eingeschliffen ist. Das Signal der integrierten X-Bridge, einem PiezzoBrckenabnehmer, wird ber ein Nobels ODR-S Overdrive, ein Dunlop Wah JH-1 und einem Boss Stereo-Effektprozessor SE-50 direkt in den Mixer eingespeist. Die Kanalumschaltung (Clean/Drive) am Amp erfolgt mittels Boss FS-5L Fuschalter. Der Princeton wiederum wird mit einem Shure SM 57 abgenommen. Eine interessante Konstellation. So ist Micky immer auf der Suche nach einem ausdrucksstrkeren Ton, nach mehr Dynamik, grerer Durchsetzungsfhigkeit, erhhter klanglicher Flexibilitt und abgedrehten Effekten, nach einem eigenstndigen, wieder erkennbaren Sound. Manch einer mag ber diese Suche sogar eines ganz vergessen haben: Das Gitarrespielen. Am 14. Juni findet Udo Mllers zweite Vernissage statt. Die Sttte ist recht denkwrdig. Schon 1973, zurzeit der Schnebecker Siebenhundertfnfzigjahrfeier, zog der alte Soleturm im Salzelmener Kurpark Mickys Beachtung auf sich. Die vormalige GOTTE VIEH-Bemannung stellte sich damals ein Livekonzert auf der Kurparkbhne vor, dem Micky war dies zu profan; besagter Turm kam da seinem Urteil nach, schon eher in Betrachtung. Nun, nach all den Jahren, ist es so weit. Fnf Titel geben sie preis, dann beginnt die Aktion. Ein Musik, Malerei und Literatur Projekt, dessen Konzeption Micky ausarbeitete, und bei dem der Maler agiert, die Band spielt und Jemand, in diesem Fall Udos Tochter Sabrina, rezitiert.
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Verarbeitet wird ein, 1918 entstandenes, kollaboratives Schreibexperiment von Andr Breton und Philippe Soupault, welches geradezu den Beginn der surrealistischen Kulturrevolution einleitete. Traumhafte Ideenassoziationen, Schweifenlassen der Sinne, Schwebezustnde zwischen Schlafen und Wachen und Traumanalysen umgehen die Kontrollinstanzen der Vernunft und gewhren den Zugang in verborgene Gedankenwelten. Der Roman Die magnetischen Felder ist eine Dokumentation eines parawissenschaftlichen Experimentes und zugleich Literatur geworden. Die Musik zum Text ist pure Improvisation. In D-Moll. Geradezu zwei Mal probten sie an dieser runden halben Stunde. Man tat sich schwer, mancher Musiker hielt dergleichen scheinbar fr Scharlatanerie, und es wird durch Takte und Stze gestolpert. Zur Premiere jedoch luft man zur Hchstform auf: Das Ambiente des Ortes, die Gunst der Stunde - potentielle Faktoren fr ein gelungenes kollektives Stegreifspiel. So weit wie mglich konvertiert man Textpassagen in Musik, und die Rezitationspausen erscheinen durch hier aufgenommene Rhythmen beraus interessant. berdies schult diese Art des Musizierens, das Zusammenspiel, das aufeinander ein-, bzw. -zugehen. Alle phantastische Kunst fhrt ins grenzenlose Reich des Ungewhnlichen: Riesenhafte, menschenleere Stadtlabyrinthe, Zauberwlder voller seltsamer Wesen, Tempelanlagen der merkwrdigsten Form, noch nie gesehene magische Landschaften, Menschenschicksale bizarrer Natur, aber auch Ausgeburten schrecklichster Alptrume fllen ihre Werke. Die Reise durch die Innenwelten fhrt buchstblich durch Himmel und Hlle. Immer werden wir mit einer Welt voller Rtsel und Geheimnis konfrontiert, die berrascht, ein tiefes Staunen auslst. Phantastik ist eine Kunst weniger der Probleme als der Rtsel, der Geheimnisse, des Staunens.
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Der Blick in das unergrndliche Hhlensystem ihres Vorstellungskosmos, geboren aus der prallen Flle mglicher Seinsweisen, geprgt von der leuchtendsten Wunschkraft bis hin zu der erstickendsten Angstfessel. Nur hier entstehen die eigentlichen Abbilder von Welt, die Grundlage aller Kunst und Kultur sind manchmal voller Geheimnis und Poesie, oft aber auch erschtternd qualvoll in ihrer Unertrglichkeit. (aus: Nur das Wunderbare ist schn von Andr Breton) Uwe B.: Es war ja alles schn und gut, aber Geld verdient man nur bis zum siebten Bund. Um Alternation zu erreichen, werden nun neue Kompositionen ins Repertoire aufgenommen. Micky schreibt Tell Me A Reason, einen balladesken, als auch einen lngerenTitel. Aus Rebirth wird The Garden: Das Saxophon wird hier funkmig integriert, der Refrain komplett erneuert, der Verlauf revidiert, und ein neuer Text verfasst. Des Weiteren beschliet die Band, zwei Coverversionen ins Programm zu nehmen. Eine alte Paul McCARTNEY-Nummer Live And Let Die von 1972, sowie, der aus dem Jahre 1987 stammende, Song White Wedding von BILLY IDOL. Ab September wird unter der Domain-Adresse www.gottesvieh.de die Homepage der Band ins Internet gestellt. Information pur: Essenzen der Textbersetzungen, musikalische Werdegnge der einzelnen Musiker, vielerlei Fotomaterial, auch aus den zurckliegenden Jahren, Musikstil-, bzw. Namensdefinition, Presseartikel, Hinweise auf ehemalige Bandmitglieder, die aktuelle Playlist, Veranstaltungstermine, Kontaktadressen, Informationen ber das Equipment und ein Forum, sind nun weltweit im Datennetz abrufbar. Darber hinaus ist in der Rubrik Technik bzw. Equipment eine Seite integriert, die den bezeichnenden Namen Museum trgt. Hier findet man eine dokumentarische Fotogalerie, welche ltere E-Gitarren bzw. -Bsse als auch Verstrkertechnik, insbesondere aus der DDR-Produktion, zum Inhalt hat. Die Bilder werden hier mittels detaillierter Informationen, wie Einsatzgebiete, technischen Parameter, Fertigungszeitrume, komplettiert. Das Gros der Exponate entstammt der umfassenden Kollektion des Ex-Sngers Thomas Augustin. Am 27. Oktober 2001 stellt GOTTES VIEH, erstmals in neuer Besetzung, das komplette Programm, in Schnebecks Livemusik-Kneipe Barfly, 140 zahlenden und neugierigen Gsten vor. Mitte Dezember tauscht Micky den Fender Princeton gegen einen Marshall AVT 100 aus. Im Internet recherchierte er ausgiebig und las mehrere Testberichte bewanderter Fachmagazine. Hier kristallisierte sich eine engere Auswahl an, fr ihn relevanten, Gitarrencombo-Verstrker heraus: Der Supertramp von Trace Elliot, wie auch Hughes & Kettners Tourreverb blieben auen vor; sein Entscheid war gefallen. Der Marshall besitzt eine Rhrenvorstufe, die ein magebliches Kriterium darstellt. Dreikanalig (Clean, Crunch, Overdrive), respektive einer integrierten Digitaleffektsektion, stabilisierten diesen, seinen Entschluss.
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In einer Bhnenecke befindet Andis Trance Elliot-Bassverstrker: Eingeschaltet und bei halb aufgeregeltem Volumen, liegt das Instrumentenkabel auf dem Boden. Der Verursacher. Mit Andi wird noch ein kleines Hhnchen gerupft, wobei dieser verbrgt, sich zu bessern. Am 22. Februar 2002 ist Gottes Vieh abermals Gast im Magdeburger Grninger Bad. Hier mit Thomas Augustin als Gastsnger, da Frulein Gabriel sich im Urlaub befindet. Beim Aufbau spricht der Bassist der Band DOBBERSTEIN Micky an: Er wsste nicht, wie er beginnen solle. Micky zeigt sich verwundert, aber doch recht spontan in seiner Antwort: Dann beginne doch am besten mit deinem Elternhaus, vielleicht mit deiner schwierigen Kindheit... - Nein, so meine ich das nicht, er scheint ein anderes Problem mit sich herumzutragen, und zeigt einen in seiner Hand befindlichen Mikrofonstnder. Das hier, ist mein Mikrostnder, hier steht sogar ein Name drauf: Paule, und das bin ich. fhrt er fort. Das ist doch schn so. meint Micky, welcher nicht das Mindeste versteht. Es stellt sich dann heraus, dass GOTTES VIEH nach dem Gig im Calbenser Nordmann, irrtmlich diesen Stnder mit abtransportierte. Micky erklrt ihm, dass man bei obskurem Vorsatz ihrerseits den Namen des Eigentmers doch beseitigt htte. Das sieht Paule auch ein und entschuldigt sich fr die Verdchtigung. Bei der Absprache whrend des Soundchecks will der hauseigene Tontechniker wissen, ob der Gitarrist der Band einen Braten fhrt. Micky: Ich zeigte mich schockiert und gab ihm zu verstehen, dass niemand hier und heute einen Braten fahren wird. Wir wollten doch nur Musik machen.
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Am 4. Mrz, whrend der Probe, beschliet die Band einmtig, sich von ihrer Sngerin Sandra Gabriel zu trennen. Seit mehr als einem viertel Jahr stt ihre permanente Unzuverlssigkeit auf die berechtigte Kritik ihrer Kollegen. Nur selten kam sie zu den Proben und entschuldigte sich fast nie. Den Hhepunkt stellte ihre spontane Urlaubsreise dar, durch welche sie im Grninger Bad nicht mit auf der Bhne stehen konnte. Eine Mugge zu ignorieren, dass hatte sich nur damals ein Wilfried Vogelsang, der Schlagzeuger des TEAM 77, geleistet. Thomas, dem sichtlich und nach eigenen Angaben, der Auftritt mit GOTTES VIEH, am 22. Februar, ein kolossales Vergngen bereitete, ist von Minute an wieder bei seiner alten Truppe. Snger und Sngerin, wiederum eine neue Erfahrung. Am 20. April bestreitet die Band den Support fr die STERN COMBO MEISSEN im Magdeburger Elbauenpark. Am 14. September sind sie, zusammen mit den lokalen Bands FREE OF CHARGE, POLLYS BOX und FENSTERSTURZ, einem Open-Air, auf dem Bierer Berg bei Schnebeck, zu erleben. Frank S.: Es war eine khle Nacht, der Wind pfiff schneidend durch die Beine und niemand war in der Lage, ein Saxofon ordentlich abzumischen. Eine neue Demo-CD wird, in umstndlicher Herangehensweise, im Proberaum produziert. Stefan sitzt mit seinen Drums in einem benachbarten Raum, hrt die Anderen ber Kopfhrer und spielt so die erste Spur auf einem Minidisk-Walkman ein. Uwe stellt diese folgend in den heimischen Rechner, nimmt als Spur Zwei seinen Bass-Take auf und brennt beide auf CD. Klaus nutzt diese dann beim nchsten Mal als Kontrolle, um die dritte, sprich seine Spur aufnehmen zu knnen. So trgt der Uwe Spur fr Spur zum Computer und irgendwann mixt er mit Micky das Ganze zusammen. Micky H.: Was fr eine Sysyphus-Arbeit! Dennoch passte so richtig nichts zusammen. Am 2. November findet sich ein Groteil Mickys ehemaliger Clique zu einem unterhaltsamen Abend zusammen. Die Gaststtte Blubb in der Schnebecker Moskauer Strae besitzt hierfr geeignete Konditionen. Auf einer groen Video-Leinwand werden Achtmillimeter-Schmalfilme aus den Siebzigern projiziert und geben recht amsane und sehenswrdige Einblicke in das jugendliche Schaffen der Beiwohnenden. Klaus Wehrmann, der Trommler der GOTTES VIEH-Urbesetzung, reist zu diesem Stelldichein aus Berlin an, und zusammen mit Volker Ehlert und Micky posiert die Crew von THE BRAIN nach ber 31 Jahren nochmals fr einige Fotos. Micky gibt dem Frank die, unlngst neuaufgelegte und remasterte, KING CRIMSONCD Earthbound, jene Kompilation ihrer 72er Tour. 30 Jahre hat Micky hierauf warten mssen; lediglich Peoria war ihm bekannt: Der NDR 2 spielte diesen Titel damals in seinem Programm und Volker Ehlert war es, der den Scat-Gesang dieser Nummer hervorragend kopierte und zu Mickys Gefallen, dutzendfach vortragen musste.
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Frank jedenfalls, stellt Micky bei ihrem nchsten Zusammentreffen die Frage, ob die CD einen Wink mit dem Zaunpfahl darstellen soll, seinen Ton dem des Saxophonisten Mel Collins anzupassen. Ob denn da solch gravierender Unterschied bestnde, will Micky wissen, worauf Frank zuverstehen gibt, er orientiere sich vom Ansatz her am Jazz- beziehungsweise Swingstil, aber das wre ja schlielich nicht das Problem. Micky weist jegliche Hintergedanken seinerseits zurck, aber so gesehen, solle er es ruhig einmal probieren. Gesagt getan und siehe da, es klingt doch etwas rauchiger, aggressiver, eben anders und bitte schn, so htte er es dann doch gern. Es entsteht der neue Titel Victim Of Your Craze, dessen Text Mickys Tochter Winnie verfasst. Am 18. Januar 2003 spielt die Band, im Schnebecker Barfly, ein letztes Mal mit ihrem Keyboarder. Klaus geht aus familiren und beruflichen Grnden zurck nach Marburg. Mehrere Versuche, Ersatz zu bekommen schlagen fehl, bzw. fhren zu keinerlei zweckdienlichen Resultaten. Bei telefonischen Rcksprachen mit eventuellen zuknftigen Keyboardern, legt Micky gesteigerten Wert auf die Beantwortung seiner Frage: Kannst du denn auch ein Solo spielen? Absolut nicht zufrieden stellen ihn Stze, wie: Das wre zu probieren. oder Ich denke, es wird schon gehen. Harmonien drcken vermag man doch wohl noch allein. Die Ohnmacht jener Musiker ist fr Micky eine liebedienernde Reverenz: Sie beien sich an seinen Kompositionen die Zhne aus.
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GOTTES VIEH beschliet letztlich, im Sextett, ohne Tastateur weiter zumachen. Die Titel mssen nun gezwungenermaen umarrangiert werden: Frank und Micky bernehmen die Chorusse der Tasten und Thomas wird mit akustischer Gitarre und Mundharmonika integriert. Wieder wird eine neue Nummer von Micky ins Programm gestellt: I Just Want. Am 7. November spielen sie, in dieser Personalunion, im Magdeburger Grninger Bad. Hier uert sich ein Bekannter von Frank anerkennend ber die teilweise neuen Arrangements; das fehlende Tasteninstrument wurde bestens ersetzt. Der Fotograf der letzten Fotosession von Gottes Vieh Ronald Ziem, ist Franks Musikerkollege im Polizeiorchester. Micky beschliet recht impulsiv, ihn mit seinem Instrument, der Posaune, in die Band zu integrieren. So hofft er, mit einem Blsersatz, seinen Kompositionen einiges mehr an Brachialitt verleihen zu knnen. Am 19. November findet eine Probe im kleinen Rahmen statt: Ronald erarbeitet sich mit Hilfe der Saxofonnoten eine eigene Stimme fr die Posaune. Fr Micky ist es eine Herausforderung, als auch Befriedigung, sich beim Arrangieren und Komponieren, jetzt mit zwei Blsern auseinandersetzen zu mssen. Ein altes Buch seines Vaters, Die Kunst des Kontrapunktierens, ist ihm hierbei ein gewichtiger Assistent. So ldt er sich POWER OF TOWER und EARTH, WIND & FIRE-Mididateien aus dem Internet, und analysiert die Notation der Blserstze, um sich eine Arbeitsgrundlage zu schaffen. Durch den Sound des Bleches beseelt, verfasst er demgemss den Song Mother Of Devine, sowie die Ska-Nummer To Survive. In diese Tendenz geht auch das neue Arrangement von Little Satellite, wobei die geradeso bejahrten Yellow Shoes mittels Funky-Sound neubesohlt werden. Bassist Uwe lsst am Ende einer Probe im Januar 2004 seinem Verdruss freien Lauf. Fhle er sich doch bergangen, von Mickys Eigenmchtigkeit, wurde nicht nach seinem Standpunkt befragt und erachte berdies einen siebenten Musiker, sprich Posaunisten, als nicht erforderlich. Micky verdeutlicht nun allen gegenber sein Verhalten. Er rume sich eine derartige Entscheidungsfreiheit ein; letztlich sei er GOTTES VIEH und bestimme die einzuschlagene musikalische Richtung seiner Kompositionen. Bei dieser Gelegenheit teilt er den Anderen seinen Vorsatz mit, nchstens den Blsersatz durch einen Trompeter komplettieren zu wollen. Uwe zieht die Konsequenz und kndigt zum 31. Mrz des Jahres, man trennt sich gtlichst. Der vorangekndigte Trompeter, ingestalt eines Sven Friedrichs, erscheint dann bereits am 4. Mrz und man beginnt jetzt mit der kollektiven Erarbeitung der Blserstze. Micky sitzt hierbei den drei Blsern mit der Gitarre gegenber, und amsiert sich ber die hierbei auftretenen Streitigkeiten unter der Hornsection. So entstehen zum Beispiel Probleme mit den Taktmaen. Jemand zhlt einen 6/4-Takt, whrend ein anderer die absolute Meinung vertritt, es handele sich um einen 4/4 und einen 2/4-Takt. Bei der Notation im Bass-Schlssel tut sich der Saxophonist etwas schwer und wird prompt hierfr mit Das solltest du aber als Berufsmusiker beherrschen! vom Posaunisten kritisiert.
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Angesichts des personellen Umbaus entscheidet die Band, sich noch einen neuen Drummer zu gnnen, Stefan J. hat seine Euphorie verloren, spielt jetzt Handball und in einer weiteren Band. Ab dem 29. September beginnt sich Steven Henke in der Band einzuarbeiten. Micky erstellt mittlerweile die neuen Songs komplett am PC, wobei er bei den Blserarrangements zuweilen seinen Kapellmeister und Posaunisten Ronnie Ziem zu Rate zieht. Vertrauter mit dieser Herangehensweise werdend, bringt er auch die Noten fr das Schlagzeug zu Papier. Hierzu befragt er Steven, wie und wo die vielen Becken eines Drumsets notiert werden. Die Auswahl bliebe dem jeweiligen Drummer vorbehalten, uert sich dieser. Das sieht Micky etwas anders. Da das herkmmliche, aus fnf Linien bestehende, Notensystem nicht hierfr ausreicht, bekommt Steven seine Noten auf zehn Linien vorgelegt. Steven H.: Ich zeigte meinem Schlagzeuglehrer die Notenbltter, der sich daraufhin kopfschttelnd nach dem Verrckten in Schnebeck erkundigte.
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2004-06: Mescalin
Micky ist auch auerhalb der regulren Bandarbeit im Proberaum zu finden. Zusammen mit virtuellen Musikern, er produziert mit dem Rechner Sequenzen auf einem Tape mit entsprechender Drum,- und Bass-Spur, spielt er sich hier durch die Tonarten. Irgendwann trifft er dann erneut auf FP Laue, dem Schlagzeuger der Band von 1994-95. So gibt er diesem, momentan in der Wohnstube probenden, die Gelegenheit sein Drumset im GOTTES VIEH-Proberaum aufzubauen . Hier nun realisieren sie gemeinsam die Etden. Bald schon will man ein eigenes Projekt erden und macht sich auf, einen Bassisten zu suchen. David Weigel bringt zur ersten gemeinsamen Probe am 4. September 2004 seine Bassgitarre, als auch Kumpel und Gitarristen Robert Hohlbaum, mit an. Am 20. November stt noch Sngerin Srahlex zur neu entstandenen Combo, welcher man den Namen MESCALIN gibt. Am Samstag darauf finden sich die Fnf zu einer Beschnffelungsparty zusammen; es werden Perspektiven ausgelotet, es wird ber Tonarten philosophiert. Kurz darauf berumen sie den Frohser Proberaum. Es geht in einen Kellerraum des Schnebeckers Stadtparks. Genau vier Wochen sind sie dort vor Ort, dann heit es abermals Sachen packen. Am 12. Mrz 2005 landet man in einem Nachbarkeller des Barflys. Zwei Tage spter bekommt Micky einen Gitarrensynthesizer, ein seit langen grendes Gelst erfllt sich. Was das angeht, so hat er sich durch das Equipment des KING CRIMSON-Gitarristen Adrian Belew infizieren lassen. Dem arabischen Motiv des Titels As It Seems verpasst er einen angemessenen Shakuhachi-Fltensound. Das Outro definiert er mittels Streichorchester und den Abschluss dekoriert ein gewaltiger Gongschlag. Dieser ist es auch, der die Musiker einer benachbarten Band in Verwunderung versetzt. Genau in dem Moment als FP sein kleines, unscheinbares Crash-Becken anschlgt, entlockt Micky seiner Gitarre jenen frappierenden Effekt. Eh Alter, stutzen die Punks und wenden sich an den Schlagzeuger, mach das nocheinmal!
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Schon Mitte Mai verlsst man die beengten Kasematten, um sich auf der Schnebecker Salineinsel einzumieten. Ein gigantisches Areal, inmitten eines wild bewucherten Landstriches unweit der Elbe. Etlichen Rume, Toiletten und eine gerumigen Lagerhalle werden nun zur neuen Bleibe. In einem stattlichen einstigen Speisesaal wird nicht nur geprobt. Auch Partys gehren, hier wo man niemanden strt, zum Kapellengeschehen. Alex Z.: Es war fantastisch, oft waren bis zu 60 Personen zugegen. Am 4. September nimmt die Band dort ihre erste CD Hiden Seek auf; der Tonregisseur ist niemand anderes als Gottes Vieh-Trommler Steven Henke. Die Gesangsspuren und einige Overdubs realisiert spter man in Mickys Wohnung. Die Sngerin gibt hier bei ihren Ausstand: Geht sie doch, Anfang Oktober, zum Studium nach Mnchen. Sie selbst kmmert sich um ihre Nachfolgerin, doch eine gewisse C. kann sich nicht mit den textlichen Inhalten der Songs identifizieren. Besonders Under Sign Of Cross, Mescalin covert jenen GOTTES VIEH-Titel, scheint ihre christlichen Maxime mit Fssen treten zu wollen. Derartige Skrupel lassen Steffi Bauer recht unberhrt, zudem ihre Ahnin Grete Grfe, 1616 als Hexe in Salzelmen verbrannt wurde. Sie wird ab Mitte Oktober die neue Frontfrau. Am 25. Dezember findet in der gutbesuchten Schnebecker Kneipe Holzwurm eine Record Release Party statt; whrend des Auftrittes verkauft sie 20 CDs. Im Barfly bietet sich ein identisches Bild: Hier ist man am 30. Dezember ein letztes Mal mit Sngerin Strahlex zu Gast. Am 10. Januar 2006 wird im Proberaum eingebrochen, Amps, Mixer, Bass, Effektgerte und Mikrofone fallen den Langfingern zum Opfer. Drei Tage darauf, geht die Band ins Studio und man staunt nicht schlecht im Grninger Bad, als ihr Bassist ohne Instrument auftaucht. David W.: In einem Besenschrank fand sich noch eine Gurke, welche ich mir notgedrungen schnappte, um meinen Part einspielen zu knnen. Der Song Hiden Seek gewann bereits im vergangenen Jahr eine Ausschreibung des Landeskriminalamtes fr die kostenfreie Realisierung eines Video-Clips. Diese DVD, die sich als Suchtprvention verstehen wird, soll auerdem ein Making-Of beinhalten und an Sachsen-Anhalts Schulen zum Einsatz kommen. Am 21. Februar reist der Drehstab, forciert durch ein Kommando des THW, sowie ein stattlicher Prsentationsbus der Polizei, mit einem integrierten Notstromaggregat, in der alten Ruine des Gummiwerkes in der Schnebecker Schiller-Strae an. Die Band postiert sich in einer hundekalten, gnzlich heruntergekommenen Halle vor einer gigantischen Walze, die hinterrcks mit Nebel und Scheinwerfer in eine gespenstische Kulisse gesetzt wird. Mit einem Ventilator werden die Musiker in Szene gesetzt, drei Kameras laufen parallel. Anschlieend hetzt das Filmteam die Akteure durch die Rumlichkeiten, alles in allem eine recht unterhaltsame Aktion.
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2006: Mescalin
Am 25. des Monats dreht man die nchsten Sequenzen. In F.P.s Wohnung agiert der Hauptdarsteller Mats Mhne und mimt einen jugendlichen Drogenabhngigen. Dieser muss, mit entkleideten Oberkrper, manisch und buchlings entlang des Teppichs kriechen, mit dem Kopf an die Wand schlagen und Unmengen an Zigarettenrauch inhalieren. Ein zerschundener Krper nebst brachiale Hustenattacken zwingen ihn am kommenden Tag zum Arzt. Einer gesteigerten Dramaturgie Rechnung tragend, besteht Micky auf eine Sterbeszene in der Badewanne und fieberhaft wird der Stpsel gesucht, sowie schnellstens und operativ zwei groe Flasche Fichtennadelbadezusatz besorgt, um dem Ganzen einen giftig-grnen Flair zu verleihen. Mats M.: Ich roch die nchsten vierzehn Tage wie ein ganzer Wald. Im Anschluss hieran, werden Einstellungen auf der Salineinsel durchgefhrt. Eine mit Komparsen nachgestellte Schulhof-Szene auf der dortigen Treppe, sowie die Drogenbergabe. Musikalisch sind MESCALIN und GOTTES VIEH die Hnde gebunden: Die Wiederbeschaffung ihrer Technik, gebunden an einer Versicherungszahlung, verzgert sich.
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Der Videodreh
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2006-08: Mescalin
Am 30. Mrz 2006 findet die DVD-Prsentation im Schnebecker Barfly statt, MESCALIN unterhlt mit drei Titeln die Anwesenden. Deren einhelliger Tenor: Ein mehr als gelungen produzierter Videoclip. Als im Anschluss die Band von einem Team des stdtischen TV interviewt wird, erinnert sich Micky an eine lnger zurckliegende Anekdote. Es reizt ihn sehr, vor laufender Kamera die Situation umzukehren, und den Moderator hierber zu befragen. Micky kam damals mit einem Kumpel und zwei willigen Damen aus der Schnebecker Diskothek Alligator im Gepck heim, um sich hier noch ein wenig zu zerstreuen. Gegen 4:00 Uhr bemerkte die Gesellschaft, dass sich nur ein Kondom in der Wohnung befand. Micky erklrte etwas von auswaschen, so knne man es sich doch teilen. Leider berstand der Gummistrumpf nicht die erste Tortur und Micky startete einen CQ-Anruf ber sein CB-Funkgert. Es meldete sich besagter Moderator. Bereitwillig gab dieser Auskunft ber seinen Wohnsitz, vis-vis des Schnebecker Bahnhofes. Sein Glck versuchend, bat Micky nun diesen, im Bahnhofsklo am Automaten ein Prservativ zu ziehen, und es dann bei ihm abzuliefern. Er sei erst elf Jahre alt, war das Gegenargument des heutigen Geschftsfhrers des Schnebecker Elbekanales, und drfe um diese Zeit keinesfalls das Haus verlassen. Beim erneuten Gig am 13. Mai im Barfly, gehren Robert und David ein letztes Mal dazu. Robert geht ab September zum Studium nach Berlin und verlsst die Band. ber David richtet das Kollektiv; einstimmig wird er ausgestoen. Man hat sie satt, seine Eskapaden. FP L.: Notorisch und in provokanter Weise lie er uns zu den Proben warten, seine Launen wurden unertrglich. Nahtlos fgen sich dann im August neue Mitspieler ein. Whrend Robert den Gitarristen Sven Baum einarbeitet, beschftigt sich Micky mit dem Bassisten Maik Kpke. Zum 30. November wird MESCALIN der Proberaum gekndigt und so erfolgt Ende des Jahres der Umzug in eine ehemalige Betriebskantine. Diesen Ort teilen sie sich mit WALK ON, einer von Thomas Augustin und dessen Vater neugegrndeten Band, zu der auch FP Laue gehrt. Da das GOTTES VIEH-Projekt zum Zeitpunkt des Einbruches eingefroren wurde, entschliet Micky sich fr einen Beitritt. Fleiig werden hier Songs von John Hiatt, Neil Young und Bob Dylan gecovert und am 10. Mrz 2007 die erste Veranstaltung bespielt. Das Barfly realisiert eine 70/80er Jahre Live Party, zu der zehn rtliche Bands jeweils drei, aus einem Lostopf gezogene, Songs adaptieren sollen. Steffi B.: Eine mitwirkendeTrashmetalband zog den Schni-Schna-Schnappi-Song.
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2007/08: Mescalin
Micky bestreitet diesen Abend in zwei Bands. Mit WALK ON zusammen spielt er Youre Sexy Thing (Hot Chocolate), Maria Magdalena (Sandra) und Cherry Cherry Lady (Modern Talking) und mit MESCALIN Der Steppenwolf (Peter Maffay), Take On Me (AHA) und Funky Cold Medina (Toneloc). Dieser illustre Abend wird auf einer DVD dokumentiert, wofr Micky im Vorfeld einen Camcorder an die Traverse ber der Tonregie befestigt und zwei weitere Kameras einem Techniker und einem Gast in die Hand drckt. Im Oktober quittiert die Sngerin ihren Dienst in der Band. Whrend ihrer sich verstrkenden Unpsslichkeiten, erlaubt man sich, diverse Sngerinnen zu casten, was wiederum ihr zu Ohren kommt. So ist es auch keine Kmmernis, denn schon am Tag ihres Ausscheidens, stellt man Kontakt zu Chris Raeck in Magdeburg her. Mit ihm bespielen sie am 12. April 2008, erneut zu einem Hitfestival, das Schnebecker Barfly. Beim Coversong Without Me von Eminem rappt Mickys jngste Tochter Winnie mit, welche an diesem Abend auf ihre groe Schwester Jana trifft, die mit ihrer Band Primal Love Machine ebenfalls vor Ort ist. Irgendwann, im Verlaufe des Jahres, lsst sich dann Snger Chris nicht mehr blicken, sang- und klanglos schleicht er sich aus der Band. Auf der Internetplattform StudiVZ sucht die Band Ersatz. Es meldet sich eine Katharina Schneider, die bei ihrer ersten Begegnung mit der Band, Ende September 2008, ihre Bekannte mit anschleppt. Nun nistet sich auch noch der Berufspauker Klaus Qualle Gehn in den Proberaum mit ein. Fr Micky ist er bei Weitem kein Unbekannter, war dieser doch Mitglied in Harald Beckers Band VARIATION. Als WALK ON sich im Februar 2009 an der 2. Schnebecker Rocknacht im Braunen Hirsch beteiligen, sitzt der Qualle hinter den Reglern des Mischpultes.
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2008/09: Mescalin
Obendrein gibt er dem FP Schlagzeugunterricht und bernimmt sporadisch bei MESCALIN die Ttigkeit eines Mentors. Von einem feucht-frhlichen Frhschoppen kommend, lsst er seiner Kritik freien Lauf. Ihr singt ja wie Hausfrauen! wirft er den beiden Sngerinnen an ihre Kpfe. Diese beginnen sich zu ngstigen, als er sich in seinem Zustand vor ihnen aufbaut um ihnen vorzumachen, wie man mit dem Mikrofon arbeitet. Whrend seines Referates rutscht ihm dann noch die obere Zahnprothese in den Mund, die Frauenzimmer zeigen sich entrstet. So achtet er auch auf die Homogenitt von Bassdrum und Bassgitarre, die rhythmische Basis einer jeden Band.
Nun vor Trommler und Bassmann stehend, dirigiert er deren dynamisches Teamwork. Lasst den Hennemann ruhig seine Kunst machen. gibt er zu bedenken, Ihr msst ihn jedenfalls mit der Akkuratesse eines Schweizer Uhrwerkes sttzen. Katha & Lisa bemhen sich redlich, aber vergebens ihr Bestes zu geben, knnen sich nicht integrieren. Der erste und letzte Gig mit ihnen findet am 28. Mrz 2009 im Barfly statt FP L.: Die beiden Diven konnten einfach nicht ihr Kirchenchor-Image ablegen.
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2009/10: Mescalin
Der 21. Dezember soll fr Micky ein Novum darstellen. Mit WALK ON bespielt er einen Weihnachtsmarkt unmittelbar an der Kirche in Magdeburg-Prester. Die Musikanten stehen bei Temperaturen knapp ber Null im Freien, ein Terassenheizpilz hilft gegen das Erstarren der Finger. Glhwein, Grog, Punsch und Feuerzangenbowle sorgen fr derartig wohliges Befinden, dass sich nach dem Abbau der Technik, FP und Micky zwei groe und khle Pils bejahen. Im Juni bernimmt Susa S. das Mikrofon bei in der Band und bekommt am 27. Februar des darauffolgenden Jahres, im Barfly ihre Feuertaufe. Der geselligen und partybesessenen Frontfrau ist es zu verdanken, dass die Musiker jetzt auch oft auerhalb des Bandgeschehens aufeinandertreffen. Znftige Grillabende und Feten bringen Abwechslung und strken das Zusammenwachsen des Kollektivs. Der Spa kommt hierbei nicht zu kurz, und so verloben sich spontan Susas Freund, welcher sich als Bandmanager versteht, und Gitarrist Sven. Ralfs Prsent, in Form eines 3DStar-Wars-Bechers gewichtet dieses Ereignis.
Fr Ende April 2010 wird allen der Proberaum gekndigt. Hinter dem Barfly zieht man in zwei Rume eines ausgebauten Dachbodens. Thomas schliet hier bald Freundschaft mit dem schwingungsbereiten Fuboden. Den Takt mittretend, beginnt sein Mikrofonstnder zu schwanken und schlgt gegen das Mundharmonika-Gestell, welches wiederum, recht peinigend, auf Tuchfhlung mit seinen Zhnen geht. Er blst sich auf und beschimpft recht ungehalten die Makel des neuen Refugiums. Er selbst jedoch, organisierte die neue rtlichkeit und nahm sie, zusammen mit dem Vermieter, in Augenschein bei einer Ortsbegehung.
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Zwei Tage vor einem Auftritt will WALK ON schnell noch einmal das Repertoire durchexerzieren, der Thomas ist selten zugegen und die notwendige Probearbeit leidet darunter. Am nchsten Tag informiert er dann seine Kollegen, dass er den Gig abgesagt hat und er die Band auf Eis legen werde. FP und Micky geben ihm zu verstehen, dass sie sich nicht lnger seiner Willkr aussetzen werden und verzichten auf eine erneute, sptere Zusammenarbeit mit ihm. Am 16. Juni 2010 besucht Micky, im Rahmen eines Tages der offenen Tr, den Burghof in Salzelmen. Das dortige Pflegeheim ldt mit Kaffee und Kuchen, zu einem Hoffest vor den Tren seiner kleinen Kapelle ein. Einst wollte GOTTES VIEH diese vergeblich als Probesttte nutzen. Nach ihrer Begehung versucht er, auf das Heiligtum, sprich den Dachboden des Verwaltungsgebudes, zu gelangen. Hier probte und genoss man den Sommer 1973, hier war er auch am 6. November 1980 vor Ort, um ihn mit der Kamera zu dokumentieren. In dieser wurde aber, zum groen rgernis, der neu eingelgte Film nicht weitertransportiert. Die Abzge waren durchweg rabenschwarzen Inhalts. Nun schleicht er sich erneut die Treppen empor. Keine Tr bleibt ihm verschlossen. Was fr ein Glckstag. Das Treppenhaus erscheint unverndert, nur aus Ronni Glatzels Wohnung wurden Brorume gemacht. Die Riegel der Dachbodentr tragen keine Schlsser und so umfngt ihn nach all den Jahren, ein wundersames Gefhl, als er inmitten des alten Proberaumes steht. Am 2. Oktober ist Gitarrist Sven ein letztes Mal dabei. Auf dem Barbyer Schtzenplatz gibt er seinen Ausstand, und verlsst die Heimat in Richtung Baden-Wrttemberg. Fr ihn kommt Entschdigung: Ben Walz spielte bei den SPOONS in Barby, interessiert sich bereits seit lngerem fr den Schizzorock der Mescaliner und probt bereits die Woche darauf mit ihnen. Seit September hilft Micky bei den Vorbereitungsarbeiten zu einer Sonderausstellung im Schnebecker Salzlandmuseum. Ein Leben mit der Musik soll das vergangene lokale Musikgeschehen beleuchten, und einem geneigten Publikum zugnglich machen. So werden Exponate zusammengetragen und entsprechend des Projektes recherchiert. Fr ihn, eine beraus lohnenswerte Aufgabe, bekommt er doch somit erneuten Kontakt zu ehemaligen Musikerkollegen. Deren Bildmaterial nimmt seinen Weg, bevor es auf die Schautafeln der Exhibition gelangt, ber Mickys Scanner. Was fr eine Fundgrube! Erinnerungen werden aufgefrischt, Wissenslcken geschlossen und unter der Homepage leben-mit-musik.tk all das Informationsmaterial zusammengetragen. Am 7. November findet die gut besuchte Erffnungsveranstaltung statt, und den vorletzten Tag des Jahres lsst MESCALIN mit einem Konzert ausklingen. Hier, auf der im groen Saal des Hauses im Stil der Siebziger Jahre errichteten Bhne, ist nun auch der Ben mit von der Partie. Rdiger R.: So etwas hat es hier noch nicht gegeben. Eine Rockband in den alten Gemuern des ehemaligen Salzelmener Rathauses. Eine durchaus freudige Erfahrung.
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2011: Mescalin
Das neue Jahr beginnt fr die Band mit einem Clubgig am 15. Januar 2011, in der neu erffneten Schnebecker Klebeecke. Am 9. Februar beteiligen sie sich abermals an einem Hitfestival, jetzt im Schnebecker Braunen Hirsch. Unmittelbar nach der Ziehung der Lose, am 4. Dezember (Tainted Love, Sex On Fire, Fight For Your Right) suchten sie die verschneiten Grnewalder Elbwiesen fr eine Fotosession auf. Am 10. April stehen sie auf der Bhne der Magdeburger Feuerwache. Hier heit es: Generationen rocken. Erneut bespielt die Band dann am 2. und 3. Juni die Klebeecke am Ende der Schnebecker Republikstrae. Am darauf folgenden Tag geht es zum Gilde-Fest nach Aschersleben. ber den Standort des Open Air-Areals scheinen sich die separat anreisenden Musikanten mitnichten klar zu sein: Bassist Maik erhlt vom Ben eine recht abstruse Ortsbeschreibung. Maik K.: Auf einem Platz, in der Nhe einer Kirche mit einer goldenen Kugel obendrauf, hie es. Heilige Scheie, die ganze Stadt war voll mit derartigen Gotteshusern! Selbstredend parkt Maik den PKW dann auch am falschen Ort und wird gentigt, zusammen mit Susa und Roadie Ralle seinen Bass plus Verstrker durch die berlaufenden Straen der Altstadt zu schleppen. Zusammen mit den BEGRABENEN HUNDE, mit denen man bereits in der Klebeecke und in Aschersleben die Veranstaltungen bestritt, bespielen Micky & Co. am 2. Juli den Alten Schlachthof in Stafurt. Dieser dient einer Musikantengilde als Basislager und gibt mit seinen zahlreichen Kellerrumen, diversen Bands ein Zuhause. Es ist ein minimalistischer Klubraum, in dem sie einem Publikum, vorwiegend aus Musikern bestehend, ihr Konzert geben. Micky.: Wir passten gerade so auf diese Mickymaus-Bhne. Stndig hatte ich Maik vor den Fen, und riss ihm sogar das Instrumentenkabel heraus. Die Gesnge schickten wir ber die hauseigene PA. Den Rest besorgte dann unsere ordentlich aufgedrehte Backline, das war neu fr uns. Aber es klang.
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Timeline
11-04-1965 02-09-1961 13-03-1968 Juli/August 1969 28-03-1970 Juni 1970 16-06-1970 16-09-1970 07-05-1971 18-10-1971 18-02-1972 September 1972 04-02-1973 01-05-1973 21-09-1973 12-03-1974 April 1974 August 1974 September 1974 Januar 1975 Mai 1975 04-05-1976 November 1977 28-04-1979 30-04-1981 10-07-1981 Januar 1983 21-10-1988 31-12-1990 Februar 1992 April 1993 01-02-1994 11-08-1995 02-02-1996 25-03-1996 Mai 1996 11-08-1997 23-08-1999 Mickys Geburt Mickys Einschulung UFO-Sichtung Ferien in Zinnowitz Mickys Jugendweihe Mit No Hawkers! entsteht sein erster Song, Micky kauft seine erste Gitarre Grndung der Landtramps mit Klaus Wehrmann und Bernd Gerigk Volker Ehlert kommt in die Band nderung des Bandnamen in The Brain Micky kauft seine erste E-Gitarre Grndung von Steinschlag! mit Susi Richter, Klaus Wehrmann, Uli Schumann und Gnter Becker Grndung von Gottes Vieh mit Klaus Wehrmann und Ecki Grimpe Ronald Glatzel kommt in die Band Reinhard Storch kommt in die Band Udo Mnchow kommt in die Band Reiner Schulz kommt in die Band Ronnie Glatzel und Udo Mnchow verlassen Gottes Vieh, Ecki Grimpe steigt ein Frank Khler stt zur Band Tom Fischer wird Bandmitglied Elke Kuntschke wird Sngerin Micky wird Soldat Micky wird Mitglied im Team 77 Rainer Schulz kommt in die Band Gnter Kraus und Uwe Urtel kommen in die Band Manfred Schulz stt zur Band HaJ Langer kommt in die Band Wolfgang Mader kommt in die Band Das Team 77 hat seinen letzten Gig SkaShip probt Reanimation von Gottes Vieh Dirk Wollmann wird Bandmitglied Jacky Klein kommt in die Band Andi Pler stt zur Band Thomas Augustin kommt in die Band Klaus Herz kommt in die Band Norman Wandiger wird Bandmitglied Ylvie Oswald kommt in die Band S.5 S. 6 S. 8 S. 12 S. 14 S. 17 S. 18 S. 21 S. 22 S. 26 S. 27 S. 31 S. 34 S. 36 S. 43 S. 51 S. 52 S. 53 S. 54 S. 56 S. 56 S. 56 S. 60 S. 62 S. 68 S. 68 S. 72 S. 83 S. 84 S. 88 S. 90 S. 94 S. 95 S. 96 S. 96 S. 97 S. 97 S. 106
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07-09-2000 30-10-2000 09-11-2000 23-11-2000 21-12-2000 22-02-2002 19-11-2002 04-03-2003 Mrz 2003 29-09-2003 04-09-2004 20-11-2004 Oktober 2005 Auigust 2006 September 2008 Juni 2010 02-10-2010
Stefan Jonas stt zur Band Frank Schpke kommt in die Band Ines Wolffram wird Bandmitglied Sandra Gabriel kommt in die Band Uwe Behrens stt zur Band Thomas Augustin kommt in die Band Roland Ziem kommt in die Band Sven Friedrichs wird Bandmitglied Kalle Bttcher kommt in die Band Steven Henke kommt in die Band Robert Hohlbaum und David Weigel kommen in die Band Alexandra Zech wird Bandmitglied Steffi Bauer stt zur Band Sven Baum und Maik Kpke kommen in die Band Katha und Lisa kommen in die Band Susa Stein wird Bandmitglied Ben Walz kommt in die Band
S. 110 S. 110 S. 111 S. 111 S. 112 S. 117 S. 119 S. 119 S. 120 S. 120 S. 128 S. 128 S. 129 S. 135 S. 136 S. 142 S. 143
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Register
A Awatsch: Drummer bei den Unbekannten, S. 54 Altmark, die: Region im Norden Sachsen-Anhalts, S. 69, 77, 81, 83 Augustin, Thomas: Snger bei Gottes Vieh, Mrz 1997 bis Mrz 1999/ Februar 2002 bis Januar 2006, S. 77, 96, 97, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 110, 115, 116, 117, 119, 135 B Baum, Sven: Gitarrist bei Mescalin, ab August 2006, S. 135 Becker, Gnter: Bassist bei Steinschlag!, S. 30, 31, 32 Becker, Harald: Gnters Bruder, Gitarrist, Fltist und Snger in der Schnebecker Band Variation, S. 26, 27, 30, 41, 97, 136 Behrens, Uwe: Bassist bei Gottes Vieh, Dezember 2000 bis Mrz 2004, S. 113, 115, 117, 119 Biermann, Wolf: Systemkritischer Liedermacher der DDR, S. 50 Bttcher, Kalle: Bassist bei Gottes Vieh, Mrz 2004 bis Januar 2006, S. 120 Brain: Band, Oktober 1971 bis Oktober 1972, S. 26, 27, 28, 29, 104, 117 Brauer, Mario: Techniker bei Team 77, S. 69, 76, 79, 81 Bauer, Steffi: Sngerin bei Mescalin, Oktober 2006 bis Oktober 2007, S. 129, 135, 136 Brauner Hirsch: Tanzgaststtte in Schnebeck-Grnewalde, S. 62, 73, 75, 98, 136, 146 C Centaurus: Schnebecker Band, S. 65, 93, 110 Colloquium-Formation: Schnebecker Band, S. 76 D Dietrich, Horst Charly: Schnebecker Jazz-Gitarrist/Bassist, S. 54, 55 E Ehlert, Volker: Drummer bei The Landtramps und Brain, Mai 1971 bis Juni 1972, S. 22, 23, 24, 27, 28, 29, 31, 40, 41, 43, 48,, 104, 105, 117 Eichner, Klaus Illjitsch: Bassist bei SkaShip, Dezember 1991 bis September 1992, S. 87, 88 Engel, Matthias: Drummer beiGottes Vieh, August 1993 bis Januar 1994, S. 90, 93 F Fischer, Thomas: Posaunist bei Gottes Vieh, November 1974 bis April 1975, S. 55, 56 Frantzke, Wolfgang: Bassist bei Variation, S. 74 Friedrichs, Sven: Trompeter bei Gottes Vieh, Mrz 2004 bis Januar 2006, S. 119 G Gabriel, Sandra: Sngerin bei Gottes Vieh, November 2000 bis Januar 2002, S. 111, 113, 116, 117
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Gerigk, Bernd: Kumpel von Micky, Drummer bei The Landtramps (September 1970 bis Mai 1971, S. 9, 21, 22 Glatzel, Ronald: Bassist bei Gottes Vieh, Mai bis November 1973/Mrz bis August 1974, S. 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 51, 52, 53, 96, 143 Gottes Vieh: Band, Februar 1973 bis April 1976/April 1993 bis Januar 2006, S. 34, 35, 36, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 51, 53, 56, 58, 62, 65, 85, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 108, 110, 111, 112, 113, 115, 116, 117, 119, 128, 129, 130, 135 Grimpe, Eckhard: Grndungsmitglied und Bassist von Gottes Vieh, Februar bis Mai 1973/November 1974 bis Juni 1976, S. 34, 35, 36, 37, 41, 46, 47, 48, 51, 54, 57, 91, 96 GST: Die Gesellschaft fr Sport und Technik war eine paramilitrische Jugendorganisation in der DDR, S. 16, 56 H Hagen, Eva-Maria: DDR-Schauspielerin, Mutter von Nina Hagen und Lebensgefhrtin von Wolf Biermann, S. 50 Hagen, Nina: Sngerin und Tochter von Eva-Maria Hagen, S. 50 Harz, der: Region im Sden Sachsen-Anhalts, S. 75, 79, 81 Hasenkrug, Helge: Kumpel von Micky, S. 8, 9 Hauenschildt: Klubleiter des Treffs, S. 30 Hennemann, Christine: Sngerin bei Team 77, Mai 1977 bis Dezember 1990 (geb.1957), S. 60, 65, 68, 74, 79, 82 Hennemann, Dirk: Bruder von Micky (geb.1963), S. 16, 18, 19 Hennemann, Jana: Tochter von Micky (geb.1976), Bassistin bei Gottes Vieh, Mrz 1993 bis Oktober 1995, S. 85, 90, 91, 93, 95, 136, 137 Hennemann, Kurt: Vater von Micky (1919-1991), S. 3, 5, 6, 13, 39 Hennemann, Thea: Mutter von Micky (1932-1975), S. 5 Hennemann, Winnie: Tochter von Micky (geb.1988), S. 98, 118, 136, 137 Herz, Klaus: Keyboarder bei Gottes Vieh, Mai 1997 bis Januar 2003, S. 97,98, 99, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 107, 111, 112, 113, 117, 118 HO: Handelsorganisation, Geschftskette der DDR, S. 17, 83 Hofmann, Peter: Mitschler von Micky und Grndungsmitglied der Landtramps, S. 16, 17, 21 Hohmann, Zuckel: Schnebecker Drummer, S. 70, 77 Hohlbaum, Robert: Gitarrist bei Mescalin, September 2004 bis Mai 2006, S.128, 135 Homelesses Merry-Go-Round Brakers, The: Band, Juli 1968 bis Frhjahr 1969, S. 13 Horn, Lothar: Arbeitskollege von Micky, S. 32 Hbsch, Bernd: Sohn von Erwin Hbsch, S. 71 Hbsch, Erwin: Keyboarder bei Team 77, Mai 1977 bis Oktober 1988, S. 59, 60, 61, 62, 63, 64, 68, 69, 71, 73, 74, 78, 81, 82, 83 J Just, Ingolf: Drummer bei Gottes Vieh, April bis Juni 1993, S. 90, 93 Jonas, Stefan: Drummer bei Gottes Vieh, September 2000 bis September 2004, S. 110, 11, 112, 113, 117, 120
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K Kalweit, Roland: Bassist bei Centaurus, S. 65 Kessler, Detlef: Drummer bei Klosterbrder und Magdeburg, S. 56 Kiel, Martin: Keyboarder bei Centaurus, S. 65, 67, 69 Kirchner, Wolfgang: Lehrkraft an der Magdeburger Telemann-Musikschule, S. 55 KiKa: Diskothek im Breiten Weg, Magdeburg, S. 42 Klein, Jrgen Jacky: Drummer bei Variation und Gottes Vieh, August 1995 bis Juli 1997, S. 41, 52, 95, 96, 97, 109, 110, 111 Klink, Peter: Schlagzeuglehrer, S. 37 Kometen, Die: Schnebecker Band um Mecki Hohenstein, S. 17, 62 Kosmos-Formation: Schnebecker Band, S. 70 Kpke, Maik: Bassist bei Mescalin, ab August 2006, S. 135, 136, 146 Khler, Frank: Trompeter bei Gottes Vieh, September 1974 bis Februar 1975, S. 54, 56 Krantz, Michael: Gitarrist bei Gatalula und Scheselong, S. 55 Krebs, Kurt: Gitarrist bei der Schnebecker Silbersee-Combo, S. 76 Kuntschke, Elke: Sngerin bei Gottes Vieh, Mai bis August 1975, S. 56 L Landtramps, The: Band, September 1970 bis September 1971, S. 21, 22, 23 Langer, Hans-Jrgen: Drummer bei Team 77, Januar 1983 bis Dezember 1990 und bei SkaShip, Dezember 1991 bis September 1992, S. 72, 74, 76, 78, 79, 80, 82, 84, 85, 87 Langowsky, Klaus: Kumpel von Micky, S. 9 Laue, Frank-Peter, FP: Drummer bei Gottes Vieh, Mrz 1994 bis Juni 1995 und Mescalin ab September 2004, S. 93, 94, 128, 135, 136, 141, 142, 143 Leitzkau: Ortschaft im Landkreis Jerichower Land, S. 41 Lewy, Mathias: Snger bei SkaShip, Dezember 1991 bis September 1992, S. 86, 87, 88, 90 Lisa: Sngerin bei Mescalin, September 2008 bis Mrz 2009, S. 141 Lcke, Frank: Kumpel von Micky, S. 9 M Mader, Wolfgang: Keyboarder bei Team 77, Oktober 1988 bis Dezember 1990, S. 83, 84 Malow, Hubert: Kumpel von Micky (geb.1955), S. 8, 9 Marby, Lothar: Kumpel von Micky, S. 9 Meierhof, Felix: aka Micky Hennemann, S. 33, 48 Meinecke, Achim: Keyboarder bei der Kometen-Formation, S. 62 Meyer, Michael Meiki: Organist bei den Unbekannten, S. 54 Mescalin: Band, gegrndet September 2004, S. 128, 129, 130, 135, 136, 143 MSK-Band: Magdeburger Band, S. 83 Muckser: Ton, Laut, S. 27, 69 Mller, Udo: Kunstmaler und Kumpel von Micky, S. 110, 112, 113 Mller, Uwe: Keyborder bei KOM, S. 79 Mnch, Herr: Ordner im Stadtpark, S. 40
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Mnchow, Udo: Keyboarder bei Gottes Vieh, Mrz bis August 1974, S. 51, 52, 53, 74, 78 MV 3: DDR-Bassgitarrenverstrker, 12,5 Watt, S. 37, 60, 68 N Nauland, Ernst: Grovater von Micky, mtterlicherseits, S. 16, 47 Nauland, Martha: Gromutter von Micky, mtterlicherseits, S. 16 Nebel, Frank: Saxofonist bei SkaShip, Dezember 1991 bis September 1992, S. 87 Neues Forum: DDR-Brgerrechtsbewegung, S. 83 O Opus 66: Schnebecker Band, S. 54 Ossowsky, Jens Ossi: Snger bei Gottes Vieh, April bis Juni 1999, S. 105, 108 Oswald, Sylvia: Sngerin bei Gottes Vieh, August 1999 bis Dezember 2000, S. 106, 111 OvD: Offizier vom Dienst, S. 59 OVG-Klub: Magdeburger Studentenklub in der Hegelstrae, S. 41 P PA, Die: Grolautsprecheranlage (public adress), S. 78, 146 Pler, Andreas: Bassist bei Gottes Vieh, Februar 1996 bis Dezember 2000, S. 57, 96, 98, 100, 103, 106, 108, 111, 116 Petri, Manfred Muppet: Bassist bei Gottes Vieh, August 1995 bis Februar 1996, S. 95, 96 Piatkowsky, Gisbert: Gitarrist bei Life, NO 55 und City, S. 55 Piehler, Harald Eier-Harry: Bassist bei Reggae Play und SkaShip, S. 85, 86, 87 Poggendorf, Frank: Kumpel von Micky und Mitglied der Homelesses Merry-GoRound Brakers, S. 12, 13 R Raben, Die: Schnebecker Band, S. 65 Raeck, Chris: Snger bei Mescalin, Oktober 2007 bis Juni 2009, S. 136, 137 Richter, Susanne: Organistin bei Steinschlag!, S. 31 Roland: Tanzgaststtte in Calbe, S. 73, 84 S Schams, Rainer: Trompeter bei SkaShip, Dezember 1991 bis September 1992, S. 87 Schilanski, Bernd Affe: Drummer bei Opus 66, S. 29, 54 Schneider, Katharina: Sngerin bei Mescalin, September 2008 bis Mrz 2009, S. 136, 141 Schnitzeler, Jrg Peitsche: Kumpel von Micky, S. 36, 44, 45, 50, 54, 71 Schulz, Manfred: SDrummer bei Team 77, Juli 1981 bis Dezember 1983, S. 68, 69, 70, 71, 72, 75, 77, 83 Schulz, Rainer: Saxofonist bei Gottes Vieh, September 1974 bis April 1977 und bei Team 77, April 1979 bis Dezember 1983, S. 52, 53, 57, 62, 63, 64, 65, 67, 69, 74, 75, 82, 85, 103, 110
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Schumann, Ulrich-Lorenz: Snger bei Steinschlag!, S. 31 Schwanenteich, Zum: Restaurant in Salzelmen, S. 51 Schpke, Frank: Saxofonist bei Gottes Vieh, Oktober 2000 bis Juni 2004, S. 110, 111, 112, 113, 117, 118, 119, 120 Siede, Siegmund: Mitschler von Micky, S. 16, 22 Silbersee-Combo: Schnebecker Band, S. 76 Ska: Musikrichtung aus Jamaika, Vorform des Reggaes, S. 85, 88, 119 SKAJ: Diskothek im Kreiskulturhaus Schnebeck, S. 34, 57 SkaShip: Band, Juni 1991 bis September 1992, S. 87, 88, 89, 90, 95 Stadtpark: Tanzgaststtte in Schnebeck, S. 5, 17, 29, 31, 34, 36, 42, 65 Stein, Susa: Sngerin bei Mescalin, ab Juni 2009, S. 142, 146 Steinschlag!: Band, Oktober 1971 bis Oktober 1972, S. 31, 32 Strasburg, Wolfgang Spacki: Gitarrist bei Gottes Vieh, Januar 1976 bis Juni 1977, S. 57, 104, 110 T Tabatzki, Martin: Gitarrist bei Centaurus, S. 65 Team 77: Band, Frhjahr 1977 bis Dezember 1990, S. 60ff, 108, 112, 117 Thiemann, Jrgen: Saxofonist bei Team 77, Mai 1977 bis Ende 1978, S. 60, 62 Timme, Olaf: Drummer bei Centaurus, S. 65, 93, 110 Treff: Jugendklub/-Diskothek in Schnebeck, S. 26, 27, 29, 30, 34, 52, 110, 112 TWS Keller: Diskothek im Traktorenwerk Schnebeck, S. 55, 65 U Unbekannten, Die: Schnebecker Band, S. 54 Urtel, Uwe: Drummer bei Team 77, April bis Juli 1981, S. 68 V Variation: Schnebecker Band, S. 26, 97, 136 VEB Tod: Staatliches Begrbnisinstitut der DDR, S. 66 Vogelsang, Wilfried Schnippler: Drummer bei Team 77, Mai 1977 bis April 1981, S. 60, 62, 68, 117 Volz, Peter: Keyboarder bei Gottes Vieh, Januar 1976 bis Juni 1977, S. 57 W Walk On: Band, gegrndet Sommer 2007, S. 135, 136 Walz, Ben: Gitarrist bei Mescalin, S. 143, 146 Wandiger, Norman: Drummer bei Gottes Vieh, August 1997 bis August 2001, S. 97, 99, 104, 107, 109 Wartburg: PKW, DDR-Fabrikat, S. 69, 77 Wehrmann, Klaus: Grndungsmitglied und Gitarrist der Band The Landtramps, The Brain und Drummer bei Steinschlag! und Gottes Vieh, September 1970 bis Mai 1977 , S. 20, 21ff, 46, 48, 51, 52, 54, 55, 56, 59, 60, 80, 117 Weigel, David: Bassist bei Mescalin, September 2004 bis Mai 2006, S. 128, 129, 135 Winkelmann, Holger-Bodo: Kumpel von Micky, S. 25
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Wolf, Jrn: Sngerin bei Gottes Vieh, Mrz bis April 1999, S. 105 Wolffram, Ines: Snger bei Gottes Vieh, Oktober 2000 bis Januar 2006, S. 111, 113 Wollmann, Dirk: Snger bei Gottes Vieh, Februar 1995 bis Juli 1997, S. 94, 96 WOM: Tontrger-Handelskette (World Of Music), S. 85 Z Zech, Alexandra: Sngerin bei Mescalin, November 2004 bis Dezember 2005, S. 128, 129 Zen, Hardy: Kumpel von Micky, S. 35, 36 Ziem, Ronald: Posaunist bei Gottes Vieh, November 2003 bis Januar 2006, S. 119, 120 Zielke, Christoph: Keyboarder bei SkaShip, Dezember 1991 bis September 1992, S. 87, 88 Zirkenbach, Herr: Englischlehrer an Karl-Liebknecht-Schule, S. 17
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