Thomas Thieme

deutscher Schauspieler

Thomas Thieme (* 29. Oktober 1948 in Weimar) ist ein deutscher Schauspieler und Hörspielsprecher.[1] Er ist vor allem als Theaterschauspieler und aus Filmen wie Der Untergang und Das Leben der Anderen einem breiten Publikum bekannt.

Thomas Thieme (2014)

Leben, Ausbildung und Verlassen der DDR

Bearbeiten

Thomas Thieme wurde als einziger Sohn des Rechtsanwalts Artur Thieme (1897–1969) und seiner Frau Liselotte Thieme (1914–1991) in Weimar geboren.[2][3] Sein Vater nahm als junger Mann am Ersten Weltkrieg teil und wurde Ende des Zweiten Weltkrieges zum „Volkssturm“ eingezogen.[2] Nach dem Abitur und dem Wehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA) in Rostock bewarb sich Thieme an der Bauhaus-Universität Weimar, um seinen Berufswunsch Architekt zu realisieren.[2][4] Dies war jedoch wegen des Regimes und seiner NVA-Zeit nicht möglich.[5] Von 1970 bis 1973 absolvierte er seine Ausbildung an der Staatlichen Schauspielschule in Ost-Berlin.[4] Anschließend folgten Engagements an den Theatern Görlitz, Magdeburg, Halle und Anklam. Im Jahr 1981 stellte Thieme einen Ausreiseantrag in die Bundesrepublik Deutschland, der es ihm trotz vieler Schikanen im Jahr 1984 ermöglichte, die DDR schließlich durch „legale Ausreise“ zu verlassen.

„Ich bin nicht vor Repressionen abgehauen, sondern vor der Bevölkerung.“

Thomas Thieme: Neues Deutschland - Interview vom 10./11. Juli 2004 mit Hans-Dieter Schütt[6]

„Was mir das Leben in der DDR unerträglich machte, waren weniger Honecker und Mielke, als die allgemeinen Verhältnisse. Es war muffig, schmierig, duckmäuserisch in der DDR. Reine Selbstzensur! Und wer rauswollte, wurde erschossen!“

Thomas Thieme: Interview mit Superillu im Juni 2006[7]

Von 1984 bis 1990 war Thieme am Schauspiel Frankfurt tätig und spielte dort unter anderem in Stücken wie Die Mutter, Edward II. von Christopher Marlowe und König Lear, gefolgt von einem dreijährigen Engagement am Burgtheater in Wien, wo er in diversen Inszenierungen, wie in Brechts Baal mitwirkte. Von 1993 bis 1997 gehörte er zum Ensemble der Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin. 1998 wechselte er wieder nach Wien und spielte im „Kasino am SchwarzenbergplatzEdward II. unter der Regie von Claus Peymann. In diesem Jahr spielte er auch den Götz von Berlichingen bei den Burgfestspielen Jagsthausen. Ein Jahr später ging er ans Deutsche Schauspielhaus in Hamburg, wo er für seine Rolle Richard III. in dem Stück Schlachten! im Jahr 2000 zum Schauspieler des Jahres gekürt wurde. Am Deutschen Nationaltheater Weimar spielte er die Titelrolle in Faust I. In der Spielzeit 2002/03 inszenierte er dort Brechts Baal mit Ben Becker als Hauptdarsteller und 2004/05 Margaretha.Eddy.Dirty Rich von Tom Lanoye und Luk Perceval mit Jimmy Hartwig und Hans-Peter Minetti.[8]

Seit der Premiere beim Augsburger Brechtfestival 2013 ist Thomas Thieme mit einer Solofassung von Bertolt Brechts Baal auf Tournee. In einer durch Julia von Sell bearbeiteten und inszenierten Version trägt Thieme neben den enthaltenen Gesängen alle Rollen des Stückes vor und wird dabei von seinem Sohn Arthur auf der Bassgitarre begleitet. Zum 120. Geburtstag Bertolt Brechts wurde diese Inszenierung 2018 von MDR Kultur in einer Hörspielfassung produziert.

Film und Fernsehen

Bearbeiten

Thieme gab als Jurist und Archivar Johann Christian Kestner in Egon Günthers Romanverfilmung Lotte in Weimar sein Filmdebüt. Es folgten Rollen in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen.[9][10]

Insbesondere seit den 2000er-Jahren ist Thieme wiederkehrend auf der Kinoleinwand zu sehen. 2006 spielte er in Florian Henckel von Donnersmarcks Das Leben der Anderen die Figur des Kulturministers Bruno Hempf; das Werk gewann den Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Auch in weiteren Filmen spielte Thieme mehrfach Politiker[11] oder andere mächtige, aber nicht selten eher zwielichtige Figuren: „die gewieften Honoratioren, die lauernden Paten, die kleinbürgerlichen Großkotze, die gutsituierten Gauner, die kalten feisten Militärs“, wie es Hans-Dieter Schütt 2018 formulierte.[12] In Nebenrollen wirkte er in Kinofilmen, wie Der Untergang (2004), Der Baader Meinhof Komplex (2008), Der ganz große Traum (2011) und Er ist wieder da (2015), mit.[13]

Neben seinen Rollen auf der Leinwand ist er auch in tragenden Rollen verschiedener Fernsehfilme zu sehen. In Der Mann aus der Pfalz verkörperte er 2009 Helmut Kohl während der Wendezeit 1989. Im Jahr 2014 war er als Holländer-Michel in der Wilhelm-Hauff-Verfilmung Das kalte Herz zu sehen. Im Fernsehfilm Uli Hoeneß – Der Patriarch verkörperte er 2015 den wegen Steuerhinterziehung verurteilten FC Bayern-Boss.[14] In dem Fernseh-Dreiteiler Unterleuten – Das zerrissene Dorf nach dem Roman Unterleuten von Juli Zeh spielte er 2020 als Rudolf Gombrowski eine der Hauptrollen. 2021 verkörperte er Otto von Bismarck in dem ZDF-Dokudrama Kaiserspiel in Versailles.

Thieme übernimmt auch regelmäßig Gastauftritte in zahlreichen Fernsehserien und -reihen, u. a. Tatort, Wolffs Revier und Balko.[15]

Hörspielarbeiten und Lesungen

Bearbeiten

Thieme betätigt sich auch als Hörspielsprecher. 2012 wirkte er als Erzähler im Hörspiel Ulysses nach James Joyce mit, dem mit einer Laufzeit von über 22 Stunden bis dahin längsten Hörspiel des Südwestrundfunks und eine der aufwändigsten Hörspielproduktionen der ARD. Darüber hinaus hält er regelmäßig Rezitationen und Lesungen, u. a. las er 2018 für MDR Kultur aus Mark Twains Die Abenteuer des Huckleberry Finn.[16] Daneben ist Thieme auch als Synchronsprecher aktiv und lieh dabei unter anderem Adam West seine Stimme.[17]

Von 2009 bis 2011 porträtierte der Maler Harald Reiner Gratz Thomas Thieme über 70-mal im Rahmen einer Langzeitbeobachtung. Eine Auswahl dieser Porträts zeigte die Klassik Stiftung Weimar in einer Ausstellung im Neuen Museum Weimar im Frühjahr 2012.[18]

Innerhalb der MDR-Fernsehsendung Lebensläufe entstand 2020 eine halbstündige Dokumentation unter dem Titel Thomas Thieme – Schauspieler![19]

Privates

Bearbeiten

Thomas Thieme, der sein Privatleben weitgehend vor der Öffentlichkeit abschirmt, ist Vater des 1977 in Magdeburg geborenen Musikers Arthur Thieme.[20] Thieme lebt wieder in seiner Geburtsstadt Weimar. Neben seiner Muttersprache Deutsch spricht er auch Englisch und Russisch.[21]

Filmografie

Bearbeiten

Fernsehfilme

Bearbeiten

Fernsehserien und -reihen

Bearbeiten

Hörspiele (Auswahl)

Bearbeiten

Hörbücher (Auswahl)

Bearbeiten
  • Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 von Johann Gottfried Seume, ungekürzte Lesung, Regie: Veronika Hübner, 429 min., MDR 1998/ Der Audio Verlag 2015, ISBN 978-3-86231-572-7.
  • Die Bewaffnung der Nachtigall – Tagebücher 1968–1997 von Klaus Renft, Regie: Matthias Thalheim, 132 min., MDR KULTUR / Buschfunk-Verlag 2016, ISBN 978-3-944058-70-2
  • Gertrud Schleef, Einar Schleef: Briefwechsel I+II, zusammen mit Jutta Hoffmann, mp3-CD, 4h 48 min., Der Audio Verlag Berlin 2021, ISBN 978-3-7424-2134-0
  • Evangelio Ein Luther-RomanFeridun Zaimoglu (Autor), Thomas Thieme (Sprecher) Regie: Franz Wassmer, 10 h 16 min., Hörkultur Verlag, ISBN 978-3-906935-21-8

Lesungen (Auswahl)

Bearbeiten

Auszeichnungen

Bearbeiten

Anmerkung: Die Auszeichnung 2018 mit dem Weimar-Preis lehnte Thomas Thieme ab.

Literatur

Bearbeiten
  • Frank Quilitzsch: Thomas Thieme – Ich Faust: Gespräche. Verlag Theater der Zeit, Berlin 2008, ISBN 978-3-940737-15-1.
  • Iris Berben, Bernd Kauffmann, Rolf Luhn, Frank Quilitzsch: Spieler. Harald Reiner Gratz beobachtet Thomas Thieme. Kerber Verlag, Leipzig 2012, ISBN 978-3-86678-671-4
  • Thomas Thieme, Frank Quilitzsch: Ich Hoeneß Kohl: Gespräche mit Frank Quilitzsch. Mit einer Verlängerung von Günter Netzer, Klartext Verlag 2018, ISBN 978-3-8375-1959-4
Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Thomas Thieme | Schauspieler. Abgerufen am 17. September 2024.
  2. a b c #6 Hörbar Rust vom 01.03.2020 mit Thomas Thieme. Abgerufen am 4. Dezember 2022.
  3. Grabsteine: Hauptfriedhof Weimar. Abgerufen am 4. Dezember 2022.
  4. a b Thomas Thieme im Munzinger-Archiv, abgerufen am 13. März 2020 (Artikelanfang frei abrufbar)
  5. Thomas Röbke: "Ich bin Schauspieler, und das ist gut so". In: Apotheken Umschau. 14. April 2016, abgerufen am 14. April 2016.
  6. vgl. Zitat bei Berliner Schauspielschule
  7. Thomas Thieme: Warum ich nicht mehr in der DDR leben wollte
  8. Aufführungsdaten Margaretha.Eddy.Dirty Rich (Memento vom 29. November 2014 im Internet Archive)
  9. Thomas Thieme | filmportal.de. Abgerufen am 17. September 2024.
  10. Thomas Thieme - Serien, Sendungen auf TV Wunschliste. Abgerufen am 17. September 2024.
  11. Gespräch mit Thomas Thieme - Die Stadt und die Macht. In: Das Erste. Abgerufen am 28. April 2021.
  12. Hans-Dieter Schütt: Das Schlachtmesser Liebe. In: neues deutschland. Abgerufen am 28. April 2021.
  13. OFDb - Thomas Thieme (Darsteller). Abgerufen am 17. September 2024.
  14. Martin Weber: Interview über den Uli-Hoeneß-Film. In: NW. Abgerufen am 28. April 2021.
  15. imfernsehen GmbH & Co KG: Filmografie Thomas Thieme. 27. März 2023, abgerufen am 17. September 2024.
  16. a b Thomas Thieme liest „Huckleberry Finns Abenteuer“. MDR Kultur, abgerufen am 1. Dezember 2018 (Lesung 22. Oktober bis 9. November 2018).
  17. Deutsche Synchronkartei | Sprecher | Thomas Thieme. Abgerufen am 17. September 2024.
  18. Spieler. Harald Reiner Gratz beobachtet Thomas Thieme. Flyer der Klassik Stiftung Weimar zur Ausstellung im Neuen Museum Weimar, abgerufen am 9. Februar 2012 (PDF; 752 kB)
  19. Lebensläufe (1998) Folge 247: Thomas Thieme – Schauspieler! In: fernsehserien.de. Abgerufen am 10. Dezember 2020.
  20. Arthur Thieme. In: schaubuehne.de. Abgerufen am 24. Februar 2012.
  21. Thomas Thieme - Schauspieler - CASTFORWARD | e-TALENTA. Abgerufen am 17. September 2024.
  22. Online-Lexikon der DDR-Fernsehfilme
  23. Maßlos gut – Baal im Hörspiel, Stefan Fischer in der Süddeutschen Zeitung vom 5. Februar 2018, Seite 23
  24. Saal 101 - Das Dokumentarhörspiel zum NSU-Prozess. In: BR KulturBühne. 24. Februar 2021, abgerufen am 16. März 2021.
  25. Verstörungen 2017 "Dreiecksbeziehungen". In: Lake Side Laze. 12. Oktober 2017, abgerufen am 5. Mai 2020 (deutsch).
  26. ASKANIA AG – Filmkunst und ASKANIA verbunden im ASKANIA-Award. In: Meine Website. Abgerufen am 29. April 2020.