Thomas Großbölting

deutscher Historiker

Thomas Großbölting (* 30. März 1969 in Dingden) ist ein deutscher Historiker. Er war von 2009 bis 2020 Professor für Neuere und Neueste Geschichte am Historischen Seminar der Universität Münster. Seit August 2020 ist er Direktor der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH) und Professor für Neuere Geschichte/Zeitgeschichte im Arbeitsbereich Deutsche Geschichte der Universität Hamburg. Er erforscht schwerpunktmäßig die deutsche und europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.

Thomas Großbölting 2015 in Hannover;
während der Studientagung „Um Gottes Willen – Religion in säkularer Gesellschaft“ des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (DKR)

Großbölting legte am St.-Josef-Gymnasium Bocholt 1988 das Abitur ab. Das Studium der Fächer Geschichte, katholische Theologie und Germanistik schloss er nach Aufenthalten an den Universitäten Köln und Bonn, der Päpstlichen Hochschule Gregoriana in Rom sowie der dortigen staatlichen Universität La Sapienza 1994/1995 mit dem Ersten Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien an der Universität Münster ab. Während seines Studiums wurde er von der Friedrich-Ebert-Stiftung gefördert.[1] Zu seinen wichtigsten Lehrern zählt er den Münsteraner Historiker Hans-Ulrich Thamer sowie den Theologen und Kirchenhistoriker Arnold Angenendt.[2]

Im Februar 1998 wurde er mit einer Studie zu Bürgertum, Bürgerlichkeit und Entbürgerlichung in Magdeburg und Halle bei Hans-Ulrich Thamer zum Dr. phil. promoviert.[3] Nach seiner Habilitation erhielt er die Venia legendi für Neuere und Neueste Geschichte im Februar 2004.[1] In seiner Habilitationsschrift „analysierte er die Industrie- und Gewerbeausstellungen des langen 19. Jahrhunderts als Medien der Diskussion und Popularisierung von Konsummöglichkeiten in der sich industrialisierenden deutschen Gesellschaft“.[4] Die Antrittsvorlesung im Juli 2004 trug den Titel: „Le memorie della Repubblica. Erinnerungspolitik in Italien nach dem Zweiten Weltkrieg“.[5] Nach einer Vertretungsprofessur am Institut für Geschichte der Universität Magdeburg im Sommersemester 2005 folgte von 2005 bis 2007 eine Anstellung als Leiter der Abteilung für Bildung und Forschung bei der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) in Berlin. 2007 wechselte er als Professor für Geschichte der Neuzeit an die Universität Magdeburg. Das akademische Jahr 2008/2009 verbrachte er als ‘Distinguished Visiting Professor’ am ‚Munk Centre for International Studies‘ der University of Toronto.

Von 2009 bis 2020 war Großbölting Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Münster. Im Jahr 2013 wurde er zum ordentlichen Mitglied der Historischen Kommission für Westfalen gewählt. Im akademischen Jahr 2015/16 war er Fellow am Käte Hamburger Kolleg der Ruhr-Universität Bochum, das unter dem Leitthema „Religion und die Sinne im intra- und interreligiösen Kontakt“ stand.[6] Von 2017 bis 2020 war er Dekan des Fachbereichs Geschichte und Philosophie.

Im Jahr 2019 nahm er einen Ruf an die Universität Hamburg auf eine W3-Professur für Neuere Geschichte/Zeitgeschichte, verbunden mit der Position des wissenschaftlichen Direktors der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH), zum 1. August 2020 an. Im Dezember 2022 wurde er zusätzlich zum Direktor der Akademie der Weltreligionen in Hamburg gewählt.[7]

Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern.

Forschungsschwerpunkte

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Seine Forschungsschwerpunkte sind verschiedene Bereiche der deutschen und europäischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Aktuell befasst Großbölting sich mit der Geschichte des religiösen Wandels im Nachkriegsdeutschland,[8] mit den Verflechtungen von sozialen und religiösen Bewegungen im deutsch-amerikanischen Vergleich und mit den Ausprägungen der DDR-Erinnerung im wiedervereinigten Deutschland.

Großbölting leitete im Auftrag des Bistums Münster seit Oktober 2019 ein Team von Geschichtswissenschaftlern, um in einer zweieinhalbjährigen Studie Fälle sexuellen Missbrauchs aufzuarbeiten, die in den Jahren 1945 bis 2018 von katholischen Priestern und anderen Amtsträgern im Bistum Münster begangen wurden.[9] Im Anschluss war er als Forscher an der Studie ForuM zur Aufarbeitung des Missbrauchs in der EKD beteiligt, die im Januar 2024 präsentiert wurde.

Schriften (Auswahl)

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Monographien

  • Alfred Müller-Armack - die politische Biografie eines Ökonomen, (=Veröffentlichungen des Universitätsarchivs Münster 17), Münster 2023, ISBN 978-3-402-15903-3.
  • Die schuldigen Hirten. Geschichte des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche. Herder, Freiburg 2022, ISBN 978-3-451-38998-6.
  • mit Bernhard Frings, Klaus Große Kracht, Natalie Powroznik und David Rüschenschmidt: Macht und sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche. Betroffene, Beschuldigte und Vertuscher im Bistum Münster seit 1945, Herder, Freiburg 2022, ISBN 978-3-451-38995-5.
  • Wiedervereinigungsgesellschaft. Aufbruch und Entgrenzung in Deutschland seit 1990 (= Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung), Bonn 2020, ISBN 978-3-7425-0610-8.
  • 1968 in Westfalen. Akteure, Formen und Nachwirkungen einer Protestbewegung. Ardey, Münster 2018, ISBN 978-3-87023-404-1.
  • Volksgemeinschaft in der Kleinstadt. Kornwestheim und der Nationalsozialismus, Kohlhammer, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-17-031964-6.
  • Der verlorene Himmel. Glaube in Deutschland seit 1945. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2013, ISBN 978-3-525-30040-4; wieder: Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung.
    • englische Übersetzung: Losing Heaven. Faith in Germany since 1945. Berghahn, Oxford 2016, ISBN 978-1-78533-278-4.
  • Im Reich der Arbeit. Die Repräsentation gesellschaftlicher Ordnung in Industrie- und Gewerbeausstellungen 1790–1913 (= Ordnungssysteme, 21), Oldenbourg, München 2008, ISBN 978-3-486-58128-7 (Habilitationsschrift).
  • SED-Diktatur und Gesellschaft. Bürgertum, Bürgerlichkeit und Entbürgerlichung in Magdeburg und Halle (= Studien zur Landesgeschichte Sachsen-Anhalts, 7), Mitteldeutscher Verlag, Halle 2001, ISBN 3-89812-121-6 (Dissertation).
  • „Wie ist Christsein heute möglich?“ Suchbewegungen des nachkonziliaren Katholizismus im Spiegel des Freckenhorster Kreises (= Münsteraner Theologische Abhandlungen, 47), Oros-Verlag, Altenberge 1997, ISBN 978-3-89375-146-4.

Herausgeberschaften

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Commons: Thomas Großbölting – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

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  1. a b Tabellarischer Lebenslauf Thomas Großbölting Website der Universität Münster; abgerufen am 25. März 2011 (PDF; 37 kB).
  2. Thomas Großbölting: Der verlorene Himmel. Glaube in Deutschland seit 1945. Göttingen 2013, S. 315–316.
  3. Vgl. dazu die Besprechung von Bernd Stöver in: Historische Zeitschrift 277, 2003, S. 812–814.
  4. Lebenslauf Thomas Großbölting auf der Website der Universität Münster. Abgerufen am 25. März 2011.
  5. Thomas Großbölting: Le memorie della Repubblica – Erinnerungspolitik in Italien nach dem Zweiten Weltkrieg. In: Barbara Stollberg-Rilinger (Hrsg.): Kulturgeschichte des Politischen. Berlin 2005, S. 241–272.
  6. Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Religion and Politics – Cluster of Excellence: WWU Münster > Religion & Politik > Aktuelles > News Fellowship Thomas Großbölting. Abgerufen am 18. Juli 2017.
  7. gw.uni-hamburg.de.
  8. Transzendente Sinnstiftung und religiöse Vergemeinschaftung im nachmodernen Europa Exzellenzclusterprojekt C22 auf den Seiten der Universität Münster, Exzellenzcluster Religion & Politik.
  9. WWU Münster Exzellenzcluster „Religion und Politik“, Pressemitteilung vom 15. September 2019: Missbrauchsstudie: Historiker wollen „Ross und Reiter“ nennen, abgerufen am 3. November 2019.