Skiflug-Weltmeisterschaft 1983

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Die 7. Skiflug-Weltmeisterschaft wurde vom 18. bis zum 20. März 1983 auf der Čerťák-Skiflugschanze im tschechoslowakischen Harrachov ausgetragen. Sie fand erstmals auf der erst 1979 erbauten Skiflugschanze statt. Die Weltmeisterschaften wurden anlässlich des 80-jährigen Jubiläums des tschechoslowakischen Skisportverbandes nach Harrachov vergeben.

Die Skiflugschanze in Harrachov bei Nacht 2011

Favoriten

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Zur Skiflug-WM reiste alles an, was in der Weltcup-Saison 1982/83 Rang und Namen hatte. Aus der finnischen Mannschaft ragten dabei Vierschanzentourneessieger Matti Nykänen und der letzte Skiflugweltmeister Jari Puikkonen heraus. Aus Österreich war am ehesten mit dem Skiflugweltmeister von 1979, Armin Kogler, zu rechnen, welcher bei der Tournee zwei Podiumsplätze ersprungen hatte. Hinzu kam Teamkamerad Richard Schallert, der in seiner zweiten Weltcup-Saison Sechster der Tournee geworden war. Die Norweger hatten in Olav Hansson und Steinar Bråten ihre besten Vertreter, waren aber als Mannschaft generell stark zu beachten, denn bei der Tournee hatten sie vier Springer in die Top Ten gebracht. Von einheimischer Seite lagen die Hoffnungen vor allem auf Lokalmatador Pavel Ploc, der beim Bau des Schanzengeländes selbst noch mit Hand angelegt hatte. Sein Weltcup-Sieg auf der Harrachover Großschanze am 9. Januar 1983 steigerte die Erwartungshaltung nicht unbeträchtlich. Die DDR-Mannschaft reiste mit ihrem neuen Star Jens Weißflog an, der hinter Nykänen Zweiter der Tournee geworden war. Hinzu kamen Klaus Ostwald, Ulf Findeisen, Holger Freitag und Manfred Deckert. Die Erwartungshaltung war allerdings etwas gedämpft, da speziell im Februar und März 1983 keine Podiumsplätze mehr im Skisprung-Weltcup zustande gekommen waren. Nicht abzuschreiben war außerdem der Kanadier Horst Bulau, der 1981 das Neujahrsspringen in Garmisch gewonnen hatte und die Vierschanzentournee 1982/83 mit einem nicht unbedingt erwarteten dritten Platz abschloss.[1]

Favoritenstürze

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Das Sprungtraining fand am Donnerstag, dem 17. März 1983 vor ca. 25.000 Zuschauern statt. Es wurden drei Trainingsdurchgänge absolviert, bei denen sich entschied, wer überhaupt am Wettkampf teilnehmen durfte. Maßgabe war, dass sich nur die Springer qualifizierten, die nicht mehr als 25 % unter dem Weitendurchschnitt der zehn besten Springer blieben. Bereits im ersten Durchgang geschah Spektakuläres. Einerseits blieb Ulf Findeisen mit 178 m nur zweit Meter unter der damaligen Weltbestweite von 180 m, gehalten von Armin Kogler. Andererseits stürzte der zum Favoritenkreis zählende Kanadier Bulau schwer. Er fiel bei 99 m frontal mit dem Gesicht auf den Schanzenvorbau und rutschte bewusstlos den Hang hinunter. Er wurde umgehend in ein Krankenhaus gebracht, wo sich in der Folge die Verletzungen aber nicht als so schwerwiegend herausstellten. Bulau stand Ende März beim letzten Weltcup-Springen in Planica schon wieder auf einem Podiumsplatz. Nachdem für den zweiten Durchgang der Anlauf verkürzt wurde, sprang Jiří Parma dennoch 179 m.[2] Im dritten Durchgang ereilte es dann die DDR-Mannschaft. Shooting-Star Jens Weißflog hob sehr hoch vom Schanzentisch ab. Als er die ihm entgegenschlagenden Skier wieder wegdrücken wollte, riss es ihm einen Ski nach unten weg und er stürzte nach 88 m aus 12 Metern Höhe auf den Schanzenvorbau. Da er sich im Flug etwas gedreht hatte, knallte er mit dem Rücken auf den Schneeboden. Er wurde noch mehrfach unkontrolliert durch die Luft geschleudert und rutschte anschließend den Hang hinunter. Angesichts des schweren Sturzes war Weißflog noch glimpflich davongekommen, eine Nierenbeckenprellung war die schwerste Verletzung.[3]

Die Weltmeisterschaft wurde an drei Tagen ausgetragen, an denen jeder Teilnehmer drei Sprünge absolvierte. Von diesen drei Sprüngen wurden nur die zwei besten in die Wertung genommen. Für die Ermittlung der sogenannten Weitenpunkte wurden die zehn größten Weiten jedes Durchgangs addiert und durch zehn dividiert. Die dadurch erhaltene Durchschnittsweite erhielt einen Referenzwert von 120 Punkten. Je Meter Unterschied zur Durchschnittsweite wurden entsprechend bei kürzerer Weite Punkte abgezogen, bei größerer Weite Punkte hinzuaddiert. Zum Weitenwert kamen dann noch die üblichen Haltungspunkte, die maximal den Wert 60 erreichen konnten. Die Summe der drei Tagesergebnisse ergab dann die Gesamtwertung, nach der der Weltmeister geehrt wurde.[4]

Ergebnisse

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Beim Auftaktspringen ging am Vierschanzentourneegewinner Matti Nykänen kein Weg vorbei. Gleich zweimal konnte er die Tagesbestweite von 176 m in die Wertung einbringen. Hinter dem Finnen reihten sich etwas unerwartet drei Springer aus der DDR ein. Danach folgte der zum weiteren Favoritenkreis zählende Primož Ulaga, der sich mit jedem Sprung verbesserte und mit 173 m den zweitweitesten Sprung einbrachte. Ex-Skiflugweltmeister Armin Kogler kam auf Platz neun mit 336,0 Punkten ein.[4]

Platz Name Land Weiten (in m) Punkte
01. Matti Nykänen Finnland  Finnland 176/168/176 367,5
02. Holger Freitag Deutschland Demokratische Republik 1949  DDR 171/169/165 358,0
03. Ulf Findeisen Deutschland Demokratische Republik 1949  DDR 164/171/159 352,0
04. Klaus Ostwald Deutschland Demokratische Republik 1949  DDR 165/163/172 349,5
05. Primož Ulaga Jugoslawien  Jugoslawien 140/165/173 347,0
06. Miran Tepeš Jugoslawien  Jugoslawien 166/167/172 330,0

Der zweite Sprungtag stülpte die Gesamtwertung völlig um. Der von nicht wenigen Fachleuten als Favorit auserkorene Österreicher Armin Kogler gewann mit zwei Sprüngen über die 170-Meter-Marke die Tageswertung und setzte sich damit in der Gesamtwertung an die Spitze. Für noch größere Begeisterung bei den 51.000 Zuschauern sorgten allerdings die einheimischen tschechoslowakischen Springer. Jiří Parma belegte mit dem überraschend starken Amerikaner Mike Holland den zweiten Platz. Lokalmatador Pavel Ploc gelang aber der eigentliche Paukenschlag: gleich im ersten Sprung gelang ihm eine neue Weltbestweite von 181 m. Da seine weiteren Sprünge allerdings um einiges abfielen, reichte es letztlich nur für den fünften Platz in der Tageswertung. Das Ergebnis genügte Ploc jedoch, den zweiten Platz der Gesamtwertung mit der Winzigkeit von 0,5 Punkten Rückstand hinter Armin Kogler einzunehmen. Den dritten Platz belegte Klaus Ostwald, der in der Tageswertung mit 340,5 Punkten Achter geworden war und nun nur 5,5 Punkte hinter Kogler lag. Der Vortageszweite Holger Freitag stürzte beim letzten Sprung und belegte nur den 35. Platz. Einen sinnbildlichen Absturz erlebte auch Matti Nykänen. Er kam nur auf Platz 17 ein.[5]

Zwischenstand nach dem 2. Tag
Pos. Springer Punkte
01. Kogler 695,5
02. Ploc 695,0
03. Ostwald 690,0
Platz Name Land Weiten Punkte
01. Armin Kogler Osterreich  Österreich 175/171/165 359,2
02. Mike Holland Vereinigte Staaten  USA 148/177/163 352,0
Jiří Parma Tschechoslowakei  ČSSR 143/163/172 352,0
04. Richard Schallert Osterreich  Österreich 160/160/165 351,0
05. Pavel Ploc Tschechoslowakei  ČSSR 181/154/152 349,0
06. Manfred Deckert Deutschland Demokratische Republik 1949  DDR 159/173/133 346,0
Olav Hansson Norwegen  Norwegen 161/167/164 346,0

Der letzte Wettkampftag wartete vor 30.000 Zuschauern mit nur leichtem Regen auf, was sich auch sofort in besseren Sprungleistungen zeigte. Die Begeisterung des Publikums wurde noch verstärkt, nachdem sich Pavel Ploc mit der Tageshöchstweite von 176 m an die Spitze gesetzt hatte. Klaus Ostwald fand sich nach 170 m auf Platz fünf der Tageswertung wieder. Im Gegensatz zu Ploc und auch Kogler, der im ersten Durchgang 172 m gesprungen war, konnte sich der Klingenthaler allerdings im zweiten Durchgang auf 174 m steigern, während Ostwalds Konkurrenten um den Gesamtsieg nicht mehr annähernd an die 170 m kamen. Stattdessen zeigte Matti Nykänen seine Klasse und belegte nach 171 m im letzten Durchgang noch Tagesrang Zwei. Der junge Richard Schallert schob sich nach einem 172m-Satz noch auf Rang drei.[5]

Platz Name Land Weiten Punkte
01. Klaus Ostwald Deutschland Demokratische Republik 1949  DDR 170/174/167 361,0
02. Matti Nykänen Finnland  Finnland 174/163/171 355,0
03. Richard Schallert Osterreich  Österreich 171/156/172 354,0
04. Pavel Ploc Tschechoslowakei  ČSSR 176/162/158 350,5
05. Olav Hansson Norwegen  Norwegen 169/169/163 349,5
06. Jiří Parma Tschechoslowakei  ČSSR 168/164/153 348,5

Gesamtergebnis

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Nachdem bei der letzten Skiflug-WM die Punktabstände recht groß waren, erlebten die insgesamt 125.000 Zuschauer eine spannende Weltmeisterschaft. Letztlich setzte sich der beständigste Springer im Gesamtklassement durch. Es sollte Ostwalds einziger Weltmeistertitel bleiben. Für den Lokalmatador Pavel Ploc war es die erste internationale Medaille, nachdem der damals 19-Jährige erst eine Weltcupsaison hinter sich hatte. Mitfavorit Matti Nykänen konnte seinen schlechten zweiten Tag noch ausbügeln und gewann mit dem hauchdünnen Vorsprung von 0,5 Punkten vor Armin Kogler noch Bronze. Der Ex-Weltmeister verpasste seinen zweiten WM-Titel nach zwischenzeitlicher Führung durch seinen schlechteren dritten Tag.

Platz Name Land Punkte
01. Klaus Ostwald Deutschland Demokratische Republik 1949  DDR 1051,0
02. Pavel Ploc Tschechoslowakei  ČSSR 1045,5
03. Matti Nykänen Finnland  Finnland 1043,5
04. Armin Kogler Osterreich  Österreich 1043,0
05. Richard Schallert Osterreich  Österreich 1038,0
06. Jiří Parma Tschechoslowakei  ČSSR 1034,5
07. Olav Hansson Norwegen  Norwegen 1032,5
08. Ulf Findeisen Deutschland Demokratische Republik 1949  DDR 1010,5
09. Mike Holland Vereinigte Staaten  USA 1008,5
10. Miran Tepeš Jugoslawien  Jugoslawien 1008,0
11. Manfred Deckert Deutschland Demokratische Republik 1949  DDR 1005,5
12. Piotr Fijas Polen 1980  Polen 995,5
13. Hubert Neuper Osterreich  Österreich 992,5
14. Miro Slušný Tschechoslowakei  ČSSR 990,0
15. Holger Freitag Deutschland Demokratische Republik 1949  DDR 897,0
16. Ole Bremseth Norwegen  Norwegen 973,0
17. Wolfgang Steiert Deutschland BR  BR Deutschland 946,0
18. Gennadi Prokopenko Sowjetunion  Sowjetunion 941,0
19. Jon Eilert Bøgseth Norwegen  Norwegen 938,5
20. Thomas Klauser Deutschland BR  BR Deutschland 936,5
21. Massimo Rigoni Italien  Italien 923,0
22. John Denney Vereinigte Staaten  USA 908,5
23. Jukka Kalso Finnland  Finnland 887,0
24. Hans Wallner Osterreich  Österreich 884,5
25. Gérard Colin Frankreich  Frankreich 882,0
26. Jari Puikkonen Finnland  Finnland 880,5
27. Landis Arnold Vereinigte Staaten  USA 871,5
28. Wladimir Tschernjajew Sowjetunion  Sowjetunion 862,0
29. Nils Stolzlechner Vereinigte Staaten  USA 848,5
30. Wadim Sacharow Sowjetunion  Sowjetunion 839,5
31. Walentin Boschitschkow Bulgarien 1967  Bulgarien 827,5
Tadeusz Fijas Polen 1980  Polen 827,5
33. Rajko Lotrič Jugoslawien  Jugoslawien 814,5
34. Jindrich Mayer Tschechoslowakei  ČSSR 812,0
35. Sergej Muchin Sowjetunion  Sowjetunion 805,0
36. Janusz Malik Polen 1980  Polen 793,0
37. Primož Ulaga Jugoslawien  Jugoslawien 645,0
38. Steinar Bråten Norwegen  Norwegen 561,5
39. Manfred Steiner Osterreich  Österreich 318,5
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Einzelnachweise

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  1. Neues Deutschland vom 16. März 1983 S. 7
  2. Neues Deutschland vom 18. März 1983 S. 7
  3. "Geschichten meines Lebens" von Jens Weißflog und Egon Theiner, erschienen September 2014 im egoth-Verlag GmbH, Gebundene Ausgabe Hardcover: 304 Seiten, ISBN 978-3-902480-94-1, S. 108f mit Bildern des Sturzes
  4. a b Neues Deutschland vom 19. März 1983 S. 7
  5. a b Neues Deutschland vom 21. März 1983 S. 7