Bundestagswahl 1994

Wahl zum 13. Deutschen Bundestag am 16. Oktober 1994
1990Wahl zum
13. Bundestag 1994
1998
(Zweitstimmen)[1]
 %
50
40
30
20
10
0
41,4
36,4
7,3
6,9
4,4
1,9
1,7
Gewinne und Verluste
im Vergleich zu 1990[2]
 %p
   4
   2
   0
  −2
  −4
  −6
−2,4
+2,9
+2,2
−4,1
+2,0
−0,2
−0,5
Vorlage:Wahldiagramm/Wartung/Anmerkungen
Anmerkungen:
c 1990 Grüne (West) 3,9 %, Bündnis 90/Grüne (Ost) 1,2 %
e aufgrund der Grundmandatsklausel mit Zweitstimmenanteil im Bundestag vertreten

Die Bundestagswahl 1994 fand am 16. Oktober 1994 statt. Ergebnis der Wahl zum 13. Deutschen Bundestag war eine knappe Bestätigung der bestehenden schwarz-gelben Regierungskoalition.

     
Insgesamt 672 Sitze
Verhältnis Regierung-Opposition im
13. Deutschen Bundestag
  
Insgesamt 672 Sitze

Hintergrund

Bearbeiten

Für die Unionsparteien kandidierte zum fünften Mal Bundeskanzler Helmut Kohl, der zugleich CDU-Vorsitzender war.

Die SPD hatte als Kanzlerkandidaten ihren Parteivorsitzenden, den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Rudolf Scharping, ins Rennen geschickt. Er erlangte diesen Status nach harten innerparteilichen Auseinandersetzungen mit Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder. Die drei zogen als so bezeichnete Troika in den Wahlkampf; es gelang aber nur mühsam, die internen Spannungen zu überspielen. Ursprünglich war Björn Engholm als Kanzlerkandidat vorgesehen gewesen, der jedoch 1993 von allen Ämtern zurückgetreten war, nachdem eine Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss des Landtags von Schleswig-Holstein zur Barschel-Affäre aufgedeckt worden war.

FDP-Spitzenkandidat war Bundesaußenminister und Parteichef Klaus Kinkel.

Nachdem Helmut Kohl noch zu Anfang des Jahres demoskopisch als weit abgeschlagen gegolten hatte, holte die Union im Jahresverlauf immer weiter auf, sodass die Koalition aus CDU/CSU und FDP trotz erheblicher Verluste im Amt bestätigt wurde. Die Aufholjagd von CDU und CSU wurde durch einen kurzfristigen wirtschaftlichen Aufschwung begünstigt.

Die Bündnisgrünen kehrten wieder in Fraktionsstärke in den Bundestag zurück, nachdem sie bei der Bundestagswahl 1990 nur durch acht Abgeordnete des Bündnis 90 vertreten gewesen waren. Sie lösten bis 2005 die FDP als drittstärkste Kraft im Bundestag ab.

Die PDS erzielte in Berlin vier Direktmandate (u. a. durch Stefan Heym und Gregor Gysi). Auf diese Weise konnte sie durch die Grundmandatsklausel in den Bundestag einziehen, obwohl sie die Fünf-Prozent-Hürde nicht bewältigte. Sie zog in Gruppenstärke in den Bundestag ein.

Bei der Wahl kam es erstmals zu einer zweistelligen Anzahl an Überhangmandaten. Ohne diese hätte die CDU/CSU-FDP-Koalition nur über eine äußerst knappe Mehrheit von zwei Sitzen verfügt.

Amtliches Endergebnis

Bearbeiten
ListenErststimmenZweitstimmenMandate
Stimmen%+/-MandateStimmen%+/-MandateAnzahl+/-
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)17.966.81338,3+3,110317.140.35436,4+2,9149252+13
Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU)17.473.32537,2–1,117716.089.96034,2–2,667244–24
Christlich-Soziale Union in Bayern (CSU)3.657.6277,8+0,4443.427.1967,3+0,2650–1
Bündnis 90/Die Grünen (GRÜNE)3.037.9026,5+5,33.424.3157,3+6,14949+41
Freie Demokratische Partei (FDP)1.558.1853,3–4,53.258.4076,9–4,14747–32
Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)1.920.4204,1+1,842.066.1764,4+2,02630+13
Die Republikaner (REP)787.7571,7±0,0875.2391,9–0,3
Die Grauen – Graue Panther (GRAUE)178.4500,4–0,1238.6420,5–0,3
Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP)200.1380,4–0,1183.7150,4–0,1
Naturgesetz Partei (NATURGESETZ)59.0870,1N/A73.1930,2N/A
Partei Mensch Umwelt Tierschutz (Die Tierschutzpartei)N/A71.6430,2N/A
Partei Bibeltreuer Christen (PBC)26.8640,1N/A65.6510,1N/A
Statt Partei7.9270,0N/A63.3540,1N/A
Bayernpartei (BP)3.3240,0±0,042.4910,1±0,0
Autofahrer- und Bürgerinteressenpartei Deutschlands (APD)1.6540,0N/A21.5330,0N/A
Christliche Mitte (CM)3.5590,0±0,019.8870,0±0,0
Partei der Arbeitswilligen und Sozial Schwachen (PASS)4890,0N/A15.0400,0N/A
Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD)4.9320,0N/A10.0380,0N/A
Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo)8.0320,0N/A8.1030,0N/A
Christliche Liga (LIGA)3.7880,0±0,05.1950,0–0,1
Deutsche Zentrumspartei (ZENTRUM)1.4890,0N/A3.7570,0N/A
Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA)N/A1.2850,0N/A
Freie Bürger Union (FBU)8.1930,0N/AN/A
Deutsche Soziale Union (DSU)2.3950,0–0,3–0,2
Deutsche Kommunistische Partei (DKP)6930,0N/AN/A
Deutsche Volkspartei (DVP)6060,0N/AN/A
Freisoziale Union – Demokratische Mitte (FSU)4670,0N/AN/A
Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)4260,000
Unabhängige Arbeiter-Partei (UAP)3020,0N/AN/A
Liberale Demokraten (LD)2210,0N/AN/A
Bund für Gesamtdeutschland (BGD)1070,0N/AN/A
Die Demokraten (DEMOKRATEN)1040,0N/AN/A
Wählergruppen/Einzelbewerber34.0800,1±0,0
Gesamt46.949.35610032847.105.174100344672+10
Ungültige Stimmen788.6431,7+0,1632.8251,3+0,2
Wähler47.737.99979,0+1,247.737.99979,0+1,2
Wahlberechtigte60.452.00960.452.009
Quelle: Der Bundeswahlleiter

Regionale Unterschiede

Bearbeiten
Bundestagswahl in Westdeutschland 1994
 %
50
40
30
20
10
0
42,1
37,5
7,9
7,7
1,0
3,8
Gewinne und Verluste
im Vergleich zu 1990
 %p
   4
   2
   0
  −2
  −4
−2,2
+1,8
+3,1
−2,9
+0,7
−0,5
Bundestagswahl in Ostdeutschland 1994
 %
40
30
20
10
0
38,5
31,5
19,8
4,3
3,5
2,4
Gewinne und Verluste
im Vergleich zu 1990
 %p
 10
   8
   6
   4
   2
   0
  −2
  −4
  −6
  −8
−10
−3,3
+7,2
+8,7
−1,9
−9,4
−1,3
Bundesland / Region Wahl-
berechtigte
Wähler Wahl-
beteiligung
CDU/CSU SPD Grüne FDP PDS REP
Erst Zweit Erst Zweit Erst Zweit Erst Zweit Erst Zweit Erst Zweit
Baden-Württemberg 07.204.997 05.742.579 79,7 48,5 43,3 33,2 30,7 08,3 09,6 4,4 9,9 00,3 00,8 3,2 3,1
Bayern 08.767.500 06.744.161 76,9 54,8 51,2 30,7 29,6 06,0 06,3 3,1 6,4 00,2 00,5 2,9 2,8
Berlin 02.505.857 01.970.458 78,6 32,9 31,4 35,2 34,0 08,9 10,2 2,4 5,2 16,8 14,8 1,7 1,9
Brandenburg 01.934.963 01.383.467 71,5 28,2 28,1 45,7 45,1 03,2 02,9 2,2 2,6 20,3 19,3 0,1 1,1
Bremen 00.510.027 00.400.609 78,5 32,9 30,2 47,6 45,5 10,3 11,1 3,8 7,2 02,0 02,7 1,9 1,7
Hamburg 01.241.912 00.990.362 79,7 38,1 34,9 42,1 39,7 12,6 12,6 3,0 7,2 01,1 02,2 1,8 1,7
Hessen 04.290.259 03.532.885 82,3 45,1 40,7 39,9 37,2 07,9 09,3 3,4 8,1 00,6 01,1 2,2 2,4
Mecklenburg-Vorpommern 01.379.175 01.004.208 72,8 40,3 38,5 30,0 28,8 01,3 03,6 2,6 3,4 24,4 23,6 0,9 1,2
Niedersachsen 05.886.587 04.816.698 81,8 45,2 41,3 43,6 40,6 05,8 07,1 3,2 7,7 00,4 01,0 1,0 1,2
Nordrhein-Westfalen 13.089.684 10.716.504 81,9 42,1 38,0 45,6 43,1 06,6 07,4 3,3 7,6 00,4 01,0 1,2 1,3
Rheinland-Pfalz 02.985.384 02.456.152 82,3 46,9 43,8 40,4 39,4 06,3 06,2 3,7 6,9 00,0 00,6 1,6 1,9
Saarland 00.838.131 00.699.992 83,5 39,7 37,2 50,6 48,8 04,3 05,8 2,0 4,3 00,4 00,7 1,6 1,6
Sachsen 03.591.962 02.587.963 72,0 51,2 48,0 23,5 24,3 04,2 04,8 3,4 3,8 17,2 16,7 0,1 1,4
Sachsen-Anhalt 02.156.706 01.518.973 70,4 39,8 38,8 34,2 33,4 03,8 03,6 3,5 4,1 17,6 18,0 0,9 1,0
Schleswig-Holstein 02.113.279 01.708.851 80,9 45,7 41,5 42,8 39,6 07,1 0 8,3 3,0 7,4 01,1 0,9 1,0
Thüringen 01.955.586 01.464.137 74,9 42,9 41,0 31,6 30,2 04,7 04,9 3,4 4,1 16,4 17,2 0,7 1,4
Alte Länder und West-Berlin 48.462.804 39.029.503 80,5 46,1 42,1 39,7 37,5 07,1 07,9 3,4 7,7 00,4 01,0 1,9 2,0
Neue Länder und Ost-Berlin 11.989.205 08.708.496 72,6 40,0 38,5 31,8 31,5 03,8 04,3 2,9 3,5 20,5 19,8 0,5 1,3

Regierungsbildung und Folgen aus der Wahl

Bearbeiten
Parteien Sitze
Absolute Mehrheit (≥ 337 Sitze)
        Union, FDP 341
Sitze gesamt 672

Die Hoffnung der SPD, mit den Grünen eine Koalition zu bilden, zerschlug sich und die schwarz-gelbe Koalition unter Bundeskanzler Helmut Kohl konnte ihre Mehrheit behaupten. Während des Wahlabends schien diese Mehrheit nur 1–2 Stimmen zu umfassen, durch eine zweistellige Anzahl an Überhangmandaten blieb die Mehrheit mit zehn Sitzen Vorsprung aber noch stabil genug, um die Koalition fortzusetzen[3].

Nach der Wahl sprachen CDU und FDP über eine Fortführung ihrer Koalition. Der Koalitionsvertrag wurde am 11. November in Bonn vorgestellt. Bei der parlamentarischen Abstimmung über die Wiederwahl Helmut Kohls zum Bundeskanzler am 16. November gewann dieser mit nur einer Stimme über der Kanzlermehrheit.[4]

Kohl wurde somit zum fünften Mal zum Bundeskanzler gewählt und bildete das Kabinett Kohl V. Rudolf Scharping ging als Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Oppositionsführer nach Bonn.

Siehe auch

Bearbeiten

Literatur

Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Wahl zum 13. Deutschen Bundestag am 16. Oktober 1994 (Memento vom 5. Mai 2010 im Internet Archive) Der Bundeswahlleiter
  2. Wahl zum 12. Deutschen Bundestag am 2. Dezember 1990 (Memento vom 11. Oktober 2009 im Internet Archive) Der Bundeswahlleiter
  3. Bundestagswahl 1994 - Berichte und erste Reaktionen (ARD). Abgerufen am 11. Juni 2022 (deutsch).
  4. Günter Bannas: Ereignisse und Gestalten: Wenn ein altes Schlachtross . . . In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 28. Mai 2020]).
Bearbeiten
Commons: Bundestagswahl 1994 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien