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Inklusionist. Du auch?

Ich bin Sozialpädagoge, arbeite im Bereich Psychotrauma-Beratung und mache online-Bücher. Das Grundprinzip von Wikipedia gefällt mir sehr gut; aus derartigen Initiativen könnten neue Formen sozialer Kommunikation entstehen, - als Gegenbewegung zur progressiven Verdinglichung/Entfremdung der Zivilisation.

Allerdings gehört für mein Verständnis zu authentischer Kommunikation, daß ich Verantwortung übernehme für meine Standpunkte und Intentionen. Insofern halte ich nix von der Möglichkeit zu anonymen Beiträgen. Auf diese Weise schwirren nur noch "Meinungen" im Netz herum, die letztlich beliebig bleiben - weil kein individueller Mitmensch für sie einsteht. "Meinungsfreiheit" meint dann zwar die Freiheit dieser Meinungen, aber nicht unbedingt die Freiheit von Menschen! Diese Entwicklung fügt sich bruchlos in die "Freie Marktwirtschaft".

Ein anderer Aspekt: Nicht selten bin ich hier (bei der Wikipedia) über besonders "unfreundliche" Kritiken (auch QS- und Löschanträge) gestoßen, die detaillierte Kenntnisse der Wikipedia-Bürokratie verrieten, aber nur mit IP signiert waren. Und dann zeigte sich, daß unter dieser IP überhaupt keine anderen Beiträge als ebendiese Interventionen gelistet waren. Tja, - also wohl eine Sockenpuppe.. weil jemand sich (d.h. seinen Benutzernamen) nicht unbeliebt machen wollte. Die Höflichkeit gebietet mir, dies jetzt nicht weiter zu kommentieren.

Aber es geht wohl nicht nur um Zivilcourage. In einer hitzigen Diskussion hab ich erlebt, wie ein mit Pseudonym (von griechisch ψευδώ = lügen) auftretender Benutzer sich bitter beklagte über eine Beleidigung von jemandem, der dazu noch "anonym bleibt". Gemeint war: der Kontrahent signierte nur mit seiner IP-Nummer! Das heißt also, die WP-Gemeinschaft mit ihren individuellen Benutzernamen wird nicht mehr als anonym empfunden; sie wird (vermutlich nicht nur von jenem einen Benutzer) zur affektiv besetzten Ersatzrealität. (Woanders fand ich eine Ermahnung: "Und übrigens: Wir arbeiten hier mit offenem Visier. Wie wäre es denn mit einer Aufgabe des Anonymstatus und einer ordentlichen Anmeldung?") Na toll - !

Da stellt sich (mir) die Frage, wie kann aus solchen Bewußtseinszuständen langfristig eine Enzyklopädie entstehen mit dem Anspruch, die nun wirklich reale, nicht virtuelle Welt abzubilden? - Auch die an allen Ecken ins Unendliche sich aufsplitternden Diskussionen deuten für mich darauf hin, daß gar nicht so wenige BenutzerInnen (und gerade sehr aktive!) offenbar weit mehr an den WP-internen Diskussionssystemen (mit Verbündeten und Gegnern, Profilierungsbedürfnissen und rhetorischen Finessen, taktischem Denken, Feinden und Unterstellungen) orientiert sind als an der ursprünglichen Aufgabe, der "Öffentlichkeit" Material zur mündigen Auseinandersetzung im Sinne der Aufklärung (Diderot) anzubieten. (Siehe hierzu auch den Link weiter unten: Die dunkle Seite der Wikipedia?)

Personalisierte Stellungnahmen/Auskünfte im Netz werden ggf. mißbraucht zu unerwünschten Zwecken, aber es gab immer zeittypische Risiken, wenn jemand öffentlich Stellung bezogen hat! Zu den heutigen erweiterten Möglichkeiten, öffentlich (im Netz) für bestimmte Inhalte einzutreten, sind die erweiterten Mißbrauchsmöglichkeiten nur unvermeidbare Kehrseite.

Es geht hier nicht um die Preisgabe von Kontonummern und dergleichen, aber die revolutionären Möglichkeiten des Web, nämlich Kommunikation und Bündelung von Standpunkten, Initiativen und Interessen, werden sich entfalten meines Erachtens erst, wenn identifizierbare Individuen hinter den web-öffentlichen Stellungnahmen (Blogs, Wikipedia, Foren) stehen und wiedergefunden werden können. Erst dadurch entsteht Glaubwürdigkeit und in Einzelfällen eben auch authentische Begegnung, Austausch, Kooperation. - Nicht zuletzt kann "Vernetzung" (im Sinne der Rhizomatik) erst auf diese Weise mehr werden als mechanistische, verdinglichte und beliebige Verknüpfung irgendwelcher Inhalte: indem menschliche Individuen in ihrer authentischen Vielschichtigkeit Knotenpunkte solcher Vernetzung sind!

(Selbstverständlich gibts auch hier nötige Ausnahmen, z.B. Foren von Menschen, die spezielle Gründe haben, sich nicht zu outen.)

Wikipedia verstehe ich als zeitgemäße Form von Kommunikation und Informationsdynamik, allerdings bleibt es ein Spiegel der Gesellschaft. - Ich bin gespannt, ob innerhalb des Projekts letztlich die Bürokratisierung eine neue Blüte erreichen wird oder ob sich vielleicht tatsächlich neue Freiheitsräume bilden können - Freiheitsräume nicht nur zum Ausagieren narzißtischer Bedürfnisse. - Siehe auch die Überlegungen von Benutzer:Mautpreller/Journal und Benutzer:Marcus_Cyron/Wikigedanken!) sowie eine Einschätzung von WIKIMEDIA über WIKIMEDIA DEUTSCHLAND:

"Wikimedia Deutschland also has the largest number of staff and largest budget for staff among the Wikimedia affiliates. Some members of the FDC consider that Wikimedia Deutschland’s staff is already oversized and see no rationale behind further increases, especially when the overall budget is being reduced." [1]

Ich werde mich an der Wikipedia sicherlich nur auf der Artikelebene beteiligen, und zwar vorrangig zu den Themen beitragen, über die ich einigermaßen Bescheid zu wissen meine.

„Die Encyclopédie war eine Grube, in welche diese elenden Lumpensammler alles durcheinander hineinwarfen – Unverdautes, Gutes, Schlechtes, Abscheuliches, Wahres, Falsches, Ungewisses, und das alles ebenso wirr wie unzusammenhängend.“ (Denis Diderot 1768, drei Jahre nach dem Erscheinen der letzten Bände der Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers über seine Mitarbeiter.) Ein Geschenk von Innobello an Andrea014 (von mir auf ihrer Benutzerseite gefunden!)

Meine eigenen Projekte:
DISSOZIATION UND TRAUMA und AUTONOMIE UND CHAOS BERLIN
A+C bei Deutsche Natonal Bibliothek (DNB) [2]

Ein paar Hinweise: