Der Prototyp aller L-Funktionen: die Riemannsche Zeta-Funktion in der komplexen Ebene. Die Null, also der Ursprung der komplexen Ebene, befindet sich genau in der Mitte des Schaubildes. Verschiedene Farben kodieren verschiedene Argumente der komplexen Funktionswerte. Helle Farbtöne zeigen Funktionswerte mit großem Absolutbetrag an, dunkle einen niedrigen nahe Null.

L-Funktionen werden in der analytischen Zahlentheorie und darauf aufbauenden, mathematischen Gebieten untersucht. Das prototypische Beispiel einer L-Funktion ist die Riemannsche Zeta-Funktion. L-Funktionen haben fundamentale Eigenschaften mit der Riemannschen Zeta-Funktion gemeinsam. Sie sind also Verallgemeinerungen der Riemannschen Zeta-Funktion. Zu den fundamentalen Eigenschaften der Riemannschen Zeta-Funktion zählen:

Basierend auf den grundlegenden Arbeiten von Leonhard Euler (1707–1783) zur heute so bezeichneten Riemannschen Zeta-Funktion, untersuchten die Mathematiker Bernhard Riemann (1826–1866), Peter Gustav Dirichlet (1805–1859), Richard Dedekind (1831–1916), Erich Hecke (1887–1947) und Emil Artin (1898–1962) grundlegende Unterklassen von L-Funktionen, die heute deren jeweiligen Namen tragen.

Die forschende Suche nach einer allgemeinen und eindeutigen Definition des Begriffs „L-Funktion“, welche die gewünschten und zum Teil noch unbewiesenen Eigenschaften von L-Funktionen beweisbar macht, ist noch nicht abgeschlossen. Vielmehr handelt es sich um ein wichtiges Ziel der analytischen Zahlentheorie, Klarheit über die sinnvollste Definition des Begriffs „L-Funktion“ zu gewinnen. In dieser Richtung hat Atle Selberg (1917–2007) im Jahr 1989 eine axiomatische Definition der Klasse aller L-Funktionen vorgeschlagen, die heute den Namen „Selberg-Klasse“ trägt.[1] Ob diese oder andere Definitionsvorschläge schon alle wünschenswerten Eigenschaften von L-Funktionen umfassen und unerwünschte ausschließen, ist noch nicht abschließend geklärt. Nach wie vor prägen mathematische Vermutungen (d. h. unbewiesene, aber für plausibel oder zumindest wünschenswert gehaltene Aussagen über Eigenschaften von L-Funktionen) die Theorie der L-Funktionen. Diese zählt somit weiterhin zu den Gebieten intensiver, mathematischer Forschung.

Die beiden Begriffe „L-Funktion“ und „Zeta-Funktion“ werden häufig synonym verwendet. Trotzdem zählen nicht alle mathematischen Funktionen, deren Namen den Begriff „Zeta-Funktion“ enthalten, zu den L-Funktionen. Beispielsweise gehört die Primzetafunktion nicht zu den L-Funktionen, da sie analytisch nicht auf die ganze komplexe Ebene fortgesetzt werden kann.

Ein erstes Verständnis des Themenbereichs der L-Funktionen erfordert mathematische Kenntnisse im Bereich der komplexen Zahlen, der Funktionentheorie, der analytischen und algebraischen Zahlentheorie sowie der Darstellungstheorie von Gruppen. Solche Vorkenntnisse können in diesem Artikel zwar teilweise erläutert, aber nicht umfassend dargestellt werden.

Definition

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Wie in der Einleitung erwähnt, gibt es noch keine eindeutige und allgemein anerkannte Definition des Begriffs „L-Funktion“. Der norwegisch-US-amerikanische Mathematiker Atle Selberg führte im Jahr 1989 eine Klasse von Funktionen ein, welche heute „Selberg-Klasse“ genannt wird. Diese Klasse verallgemeinert die Riemannsche Zeta-Funktion, erhielt nachfolgend viel Aufmerksamkeit in der Forschung, und wird weithin als aussichtsreicher Kandidat einer sinnvollen Definition von L-Funktionen angesehen.

Die Selberg-Klasse besteht aus allen Dirichlet-Reihen, welche grundlegende Eigenschaften mit der Riemannschen Zeta-Funktion gemeinsam haben:

  1. Absolute Konvergenz
  2. Analytische Fortsetzbarkeit
  3. Funktionalgleichung
  4. Ramanujan-Bedingung
  5. Euler-Produkt

Damit enthält die Selberg-Klasse unter anderem die folgenden, in der Zahlentheorie wichtigen Funktionen, die in jeder sinnvollen Definition des Begriffs „L-Funktion“ enthalten sein sollten:[2]

  • Die Riemannsche Zeta-Funktion  . Traditionell wird die Riemannsche Zeta-Funktion praktisch immer mit   bezeichnet und nicht mit  , was ihre Zugehörigkeit zu den L-Funktionen und ihre Zuordnung zum Körper   der rationalen Zahlen betonen würde.
  • Die Dirichletschen L-Funktionen   zu primitiven Dirichlet-Charakteren  .
  • Die Dedekindsche Zeta-Funktionen   zu algebraischen Zahlkörpern  . Man schreibt für Dedekindsche Zeta-Funktionen auch  .
  • Die Heckeschen L-Funktionen   zu primitiven Größencharakteren   mit einem Ideal   des Ringes der ganzen Zahlen eines algebraischen Zahlkörpers  .
  • Die L-Funktionen   zu holomorphen Neuformen   bzgl. einer Kongruenzuntergruppe der Modulgruppe  . Um zur Selberg-Klasse zu gehören, müssen solche L-Funktionen gegebenenfalls geeignet normalisiert werden.[3]
  • Sofern sie die Artin-Vermutung erfüllen: Artinschen L-Funktionen   zu nicht-trivialen, irreduziblen Darstellungen   der Galoisgruppe   normaler Zahlkörpererweiterungen   in die allgemeine lineare Gruppe   eines endlich-dimensionalen Vektorraums  .[4]

Beispiele von L-Funktionen

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Dieser Abschnitt gibt einen Überblick über grundlegende Beispiele von L-Funktionen.

Riemannsche Zeta-Funktion

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Bernhard Riemann (1826–1866)

Das einfachste Beispiel einer L-Funktion ist die Riemannsche Zeta-Funktion  .[5] Sie ist der Ausgangspunkt für jede Definition des Begriffs „L-Funktion“. Die Riemannsche Zeta-Funktion ist dem Körper   der rationalen Zahlen zugeordnet. Ihre Dirichlet-Reihe

 

konvergiert für   absolut. Zusammen mit ihrem ebenfalls absolut konvergenten Euler-Produkt gilt für  :[6]

 
 
Riemannsche Zeta-Funktion  : Konturlinien Realteil( (s))=0, blau, und Imaginärteil( (s))=0, fliederfarben, für −5<Re(s)<3 und −25<Im(s)<65, sowie die „kritische Gerade“ Re(s)=1/2, braun. Für Re(s)<1 sind die Schnittpunkte der blauen und fliederfarbenen Konturlinien Nullstellen der Riemannschen Zeta-Funktion.

Der Grad des Euler-Produktes der Riemannschen Zeta-Funktion ist

 .

Üblicherweise wird für die Riemannsche Zeta-Funktion der folgende Gamma-Faktor verwendet:

 

Der Führer von   ist

 ,

so dass die vollständige Riemannsche Zeta-Funktion die Gestalt

 

annimmt. Diese Definition ist nur für   gültig, da nur in dieser Halbebene die Riemannsche Zeta-Funktion über ihre Dirichlet-Reihe oder ihr Euler-Produkt definiert werden kann. Allerdings besitzt die vollständige Riemannsche Zeta-Funktion eine analytische Fortsetzung zu einer meromorphen Funktion auf der ganzen komplexen Zahlenebene. Diese Fortsetzung ist holomorph bis auf zwei einfache Polstellen in   und   mit den Residuen −1 bzw. 1.[7] Bezeichnet man auch die fortgesetzte, vollständige Riemannsche Zeta-Funktion mit  , so erfüllt sie mit der Wurzelzahl

 

die Funktionalgleichung[8]

 

Damit besitzt auch die zunächst nur für   durch ihre Dirichlet-Reihe oder Euler-Produkt definierte Riemannsche Zeta-Funktion eine analytische Fortsetzung zu einer meromorphen Funktion auf  , welche einzig in   nicht definiert ist, da sie dort über eine einfache Polstelle mit Residuum 1 verfügt. Behält man die Bezeichnung   auch für die fortgesetzte Riemannsche Zeta-Funktion bei, so erfüllt sie die Funktionalgleichung[9]

 

Die (analytisch fortgesetzte) Riemannsche Zeta-Funktion birgt eine der wichtigsten Fragen der analytischen Zahlentheorie, nämlich die Frage nach der genauen Lage ihrer sogenannten nicht-trivialen Nullstellen. Diese liegen im kritischen Streifen  . Die Riemannsche Vermutung aus dem Jahr 1859 – bis heute weder bewiesen noch widerlegt – stellt die These auf, alle nicht-trivialen Nullstellen der Riemannschen Zeta-Funktion besäßen den Realteil 1/2. Ein Beweis dieser Vermutung würde besonders gute Abschätzungen über die Verteilung der Primzahlen gestatten.

Dirichletsche L-Funktionen

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Die nächsten Verwandten der Riemannschen Zeta-Funktion sind die Dirichletschen L-Funktionen, welche die Riemannsche Zeta-Funktion als Spezialfall enthalten. Sind in der zur Riemannschen Zeta-Funktion   gehörenden Dirichlet-Reihe   noch alle Koeffizienten im Zähler von   gleich 1, so werden diese bei Dirichletschen L-Funktionen mit Hilfe eines Dirichlet-Charakters definiert. Sie nehmen somit komplexe Werte mit dem Absolutbetrag 1 an oder sind gleich 0.

Sei also für ein   ein Dirichlet-Charakter modulo  

 
 
Peter Gustav Lejeune Dirichlet (1805–1859)

gegeben, d. h. ein Gruppenhomomorphismus von der Gruppe der bzgl. der Multiplikation invertierbaren Elemente des Restklassenrings   in die Kreisgruppe   der komplexen Zahlen mit Absolutbetrag 1. Ein solcher Dirichlet-Charakter   heißt primitiv und   der Führer von  , wenn er nicht schon durch eine Komposition

 

aus einem Dirichlet-Charakter   modulo   mit einem echten Teiler   von   hervorgeht.

Man liftet nun den Definitionsbereich von   von der primen Restklassengruppe   zu den ganzen Zahlen  , bezeichnet die so entstandene Abbildung ebenfalls mit   und nennt sie einen Dirichlet-Charakter modulo  :[10]

 
 
Dirichletsche L-Funktion zum Dirichlet-Charakter   modulo 7 mit   für komplexe s mit −7 < Re(s) < 8 und −20 < Im(s) < 20: Die Verwandtschaft mit der Riemannschen Zeta-Funktion ist augenfällig. Trotzdem gibt es deutliche Unterschiede: Da es sich bei   um einen nicht-trivialen Dirichlet-Charakter handelt, ist die abgebildete Funktion ganz. Sie besitzt also keine Polstelle wie die Riemannsche Zeta-Funktion in  . Im Vergleich zur Riemannschen Zeta-Funktion sind die reellen (trivialen) Nullstellen um eine Einheit nach rechts verschoben. Sie sind als schwarze Punkte in −1, −3, −5 usw. im Schaubild erkennbar.[11] Die schwarzen Punkte im vertikalen Streifen 0<Re(s)<1 gehören zu den unendlich vielen, nicht-reellen (nicht-trivialen) Nullstellen dieser Dirichletschen L-Funktion. Die Große Riemannsche Vermutung erwartet jede dieser nicht-trivialen Nullstellen auf der vertikalen Geraden Re(s)=1/2.

Die trivialen Dirichlet-Charaktere   modulo   besitzen den Funktionswert 1, falls  , andernfalls 0. Der triviale Dirichlet-Charakter modulo 1 heißt der Hauptcharakter. Er erfüllt   für alle  .

Ist nun   ein primitiver Dirichlet-Charakter modulo  , so ordnet man diesem folgendermaßen eine L-Funktion zu: die Dirichlet-Reihe (auch Dirichletsche L-Reihe genannt)

 

konvergiert für   absolut.[12] Dasselbe gilt auch für das zugehörende Euler-Produkt, und man hat die Identität[13]

 

für  . Wie bei der Riemannschen Zeta-Funktion ist der Grad des Euler-Produkts gleich 1. Setzt man  , falls   (in diesem Fall heißt   gerade), und  , falls   (in diesem Fall heißt   ungerade), so ist

 

der   zugeordnete Gamma-Faktor. Der Führer   des primitiven Dirichlet-Charakters   ist auch der Führer der Dirichletschen L-Funktion:

 .

Die vollständige Dirichletsche L-Funktion besitzt somit die Form[14]

 

eine Definition, die nur für   gilt, da nur dort die verwendete Dirichlet-Reihe konvergiert. Eine solche vollständige Dirichletsche L-Funktion kann aber analytisch auf   fortgesetzt werden. Dabei entsteht eine ganze Funktion, falls   ein nicht-trivialer Dirichlet-Charakter ist.[15] Andernfalls hat die fortgesetzte Funktion einen einfachen Pol in   mit Residuum 1.[16] Die Wurzelzahl   kann mit Hilfe der Gaußschen Summe[17]

 

berechnet werden, in der sich die Summation über alle Restklassen modulo des Führers   erstreckt sowie   die Kreiszahl,   die imaginäre Einheit und   die Exponentialfunktion bezeichnen. Mit

 

erfüllt dann die fortgesetzte, vollständige Dirichletsche L-Funktion die Funktionalgleichung[18]

 

Wie von Wurzelzahlen gefordert, ist  , da  .[19]

Dedekindsche L-Funktionen

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Die Riemannsche Zeta-Funktion bezieht sich auf den Körper   der rationalen Zahlen, dem einfachsten algebraischen Zahlkörper. Dedekindsche L-Funktionen verallgemeinern diesen Bezug auf beliebige algebraische Zahlkörper, also endlichen Körpererweiterungen von   wie zum Beispiel  . Sei also   ein algebraischer Zahlkörper und   sein Erweiterungsgrad über  . Sei   sein Ganzheitsring und   seine Diskriminante. Weiter seien   die Anzahl der reellen Einbettungen und   die Anzahl der Paare komplexer Einbettungen von  . Es ist also  .

 
Richard Dedekind (1831–1916)

Die Dedekindsche L-Funktion (auch Dedekindsche Zeta-Funktion genannt) bzgl.   ist für   definiert durch[20]

 

In der Summe durchläuft   alle vom Nullideal   verschiedenen, ganzen Ideale von  .   bezeichnet die Absolutnorm von  . Die Koeffizienten der Dirichlet-Reihe

 

sind also[21]

 

Sie geben zu jedem   die Anzahl der ganzen Ideale von   mit Absolutnorm   an. Jene Dirichlet-Reihe konvergiert für   absolut, ebenso wie das zugehörende Euler-Produkt

 

Dabei erstreckt sich das Produkt über alle vom Nullideal verschiedenen Primideale   von  . Es gilt für   die Identität[22]

 

Der Gamma-Faktor bzgl.   ist[23]

 

Der Betrag der Diskriminante von   ist der Konduktor von  : [24]

 

Damit ist die vollständige L-Funktion von   für   gegeben durch

 

Diese besitzt eine analytische Fortsetzung auf die komplexe Zahlenebene mit einfachen Polen bei   und   und den dortigen Residuen   bzw.  . Dabei ist   die Anzahl der unendlichen Stellen,   die Klassenzahl und   der Regulator von   sowie   die Anzahl der Einheitswurzeln, die in   liegen.[25] Dedekindsche L-Funktionen haben stets die Wurzelzahl 1: [26]

 

Somit genügt die analytisch fortgesetzte, vollständige L-Funktion von   der Funktionalgleichung[27]

 

Die analytisch fortgesetzte Funktion   gestattet nun auch die analytische Fortsetzung von  , nämlich durch die Definition[28]

 

Dadurch wird   zu einer meromorphen Funktion auf   mit einem einfachen Pol in  . Eine ihrer faszinierenden Eigenschaften ist die sogenannte analytische Klassenzahlformel, wonach das Residuum von   in   die folgende Gestalt annimmt: [29]

 

Heckesche L-Funktionen

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Heckesche L-Funktionen sind gemeinsame Verallgemeinerungen der Dirichletschen und der Dedekindschen L-Funktionen. Sie beziehen sich also einerseits auf beliebige algebraische Zahlkörper (wie die Dedekindschen L-Funktionen) und hängen andererseits von geeigneten Charakteren ab (wie die Dirichletschen L-Funktionen). Der deutsche Mathematiker Erich Hecke definierte die nach ihm benannten L-Funktionen mit Hilfe sogenannter Größencharaktere und konnte die bei L-Funktionen gewünschten Eigenschaften beweisen. Der modernere Zugang zu L-Funktionen mit Bezug zu beliebigen algebraischen Zahlkörpern und geeigneten Charakteren, der auch noch weitreichend verallgemeinert werden kann, verwendet Idelklassencharaktere.

L-Funktionen zu Größencharakteren

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Heckesche L-Reihen zu Größencharakteren besitzen die Form[30]

 
Erich Hecke (1887–1947)
 

Wie bei Dedekindschen L-Funktionen bezeichnet   einen algebraischen Zahlkörper mit Ganzheitsring   und Erweiterungsgrad  . Die Summe durchläuft wieder alle vom Nullideal verschiedenen, ganzen Ideale   von   und   bezeichnet die Absolutnorm von  . Die komplexen Werte   beruhen auf einem Charakter (d. h. Gruppenhomomorphismus)

 

Ist nun   ein beliebiger, solcher Charakter und setzt man   für alle Ideale  , die nicht teilerfremd zu   sind, so konvergiert die oben angegebene L-Reihe   in der Halbebene   absolut. Wegen der Eindeutigkeit der Primidealzerlegung von Idealen in   gilt die nachfolgende Gleichheit mit dem zugehörenden Euler-Produkt, welches alle von Null verschiedenen Primideale   von   durchläuft:[31]

 

Die eigentliche Herausforderung liegt nun aber in einer geeigneten Auswahl der Charaktere  , so dass die für L-Funktionen typischen Eigenschaften bewiesen werden können. Die Charaktere mit diesen wünschenswerten Eigenschaften heißen Größencharaktere: Ein Größencharakter modulo eines ganzen Ideals   des algebraischen Zahlkörpers   ist ein Gruppenhomomorphismus[32]

 

zu dem es zwei Charaktere

 

gibt, so dass für alle zu   teilerfremden Zahlen   gilt:

 

Zur Erläuterung dieser Definition:

  •   symbolisiert die Einheitengruppe des Restklassenrings   modulo  , besteht also aus allen Elementen von  , die invertierbar sind.
  •   bezeichnet den Minkowski-Raum bzgl.  . Ist   die Menge aller Einbettungen  , so besteht   aus allen  -Tupeln  ,  , mit   für alle  .[33] Addition und Multiplikation in der  -dimensionale  -Algebra   sind komponentenweise definiert. Das Bild der Einbettungsfunktion   liegt in  .[34] Die multiplikative Gruppe   besteht aus allen Elemente von  , bei denen sämtliche Komponenten von Null verschieden sind. Ist  , so ist   für alle  , denn die Einbettungen   sind Körperhomomorphismen. Der Gruppenhomomorphismus  , bettet also die multiplikative Gruppe   in die multiplikative Gruppe   ein.
  • Ein Element   heißt teilerfremd zum ganzen Ideal  , wenn das Hauptideal   teilerfremd zu   ist. Bezeichnet   die Gruppe der zu   teilerfremden Elemente   und ist   mit zwei zu   teilerfremden  , so hat man den wohldefinierten Gruppenhomomorphismus  ,  , der   auf den Quotienten der Restklassen von   und   modulo   abbildet.[35]
  • Entsprechend seiner Definition zerfällt   auf den zu   teilerfremden Hauptidealen   in einen „endlichen“ Charakter   und einen „unendlichen“ Charakter  . Korrekterweise müssten in dieser Zerlegungsbedingung   durch   und   durch   ersetzt werden, worauf der Kürze halber stets verzichtet wird.   und   sind durch   eindeutig bestimmt.[36]
  1. Atle Selberg: Old and new conjectures and results about a class of Dirichlet series. 1989.
  2. Jerzy Kaczorowski: Axiomatic Theory of L-Functions: the Selberg Class. 2006, Abschnitt 2.1, S. 160–161.
  3. Jerzy Kaczorowski: Axiomatic Theory of L-Functions: the Selberg Class. 2006, Abschnitt 1.4.4, S. 150.
  4. Jerzy Kaczorowski: Axiomatic Theory of L-Functions: the Selberg Class. 2006, Abschnitt 2.1, S. 161.
  5. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Kapitel 7, Paragraph 1, 1992, S. 439 ff.
  6. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Kapitel 7, Paragraph 1, Satz 1.1, 1992, S. 439.
  7. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Kapitel 7, Paragraph 1, Theorem 1.6, 1992, S. 445.
  8. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Kapitel 7, Paragraph 1, Theorem 1.6, 1992, S. 445.
  9. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Kapitel 7, Paragraph 1, Korollar 1.7, 1992, S. 446.
  10. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Kapitel 7, Paragraph 2, 1992, S. 454 f.
  11. Tom M. Apostol: Note on the trivial zeros of Dirichlet L-functions. In: Proceedings of the American Mathematical Society. Band 94, Nummer 1, S. 29–30. doi:10.1090/S0002-9939-1985-0781049-8.
  12. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Kapitel 7, Paragraph 2, Satz 2.1, 1992, S. 455.
  13. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Kapitel 7, Paragraph 2, Satz 2.1, 1992, S. 455.
  14. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Kapitel 7, Paragraph 2, 1992, S. 457.
  15. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Kapitel 7, Paragraph 2, Theorem 2.8, 1992, S. 461.
  16. Iwaniec, Kowalski: Analytic Number Theory. 2004, Kapitel 5, Abschnitt 9, S. 119.
  17. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Kapitel 7, Paragraph 2, Definition 2.5, 1992, S. 459.
  18. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Kapitel 7, Paragraph 2, Theorem 2.8, 1992, S. 461.
  19. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Kapitel 7, Paragraph 2, Satz 2.6, 1992, S. 459, Theorem 2.8, S. 461.
  20. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Kapitel 7, Paragraph 5, Definition 5.1, 1992, S. 478.
  21. Steuding: Value-Distribution of L-Functions. 2007, Kapitel 13, Abschnitt 1, S. 250.
  22. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Kapitel 7, Paragraph 5, Satz 5.2, 1992, S. 478.
  23. Iwaniec, Kowalski: Analytic Number Theory. 2004, Kapitel 5, Abschnitt 10, S. 125.
  24. Iwaniec, Kowalski: Analytic Number Theory. 2004, Kapitel 5, Abschnitt 10, S. 125.
  25. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Kapitel 7, Paragraph 5, Korollar 5.10, 1992, S. 487.
  26. Iwaniec, Kowalski: Analytic Number Theory. 2004, Kapitel 5, Abschnitt 10, S. 125.
  27. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Kapitel 7, Paragraph 5, Korollar 5.10, 1992, S. 487.
  28. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Kapitel 7, Paragraph 5, 1992, S. 488.
  29. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. Kapitel 7, Paragraph 5, Korollar 5.11, 1992, S. 488.
  30. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. 1992, Kapitel 7, Paragraph 6, S. 491.
  31. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. 1992, Kapitel 7, Paragraph 8, S. 515.
  32. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. 1992, Kapitel 7, Paragraph 6, Definition 6.1, S. 492.
  33. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. 1992, Kapitel 7, Paragraph 3, S. 464.
  34. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. 1992, Kapitel 1, Paragraph 5, S. 31.
  35. Cohen: Advanced Topics in Computational Number Theory. 2000, Kapitel 3, Abschnitt 3, S. 135.
  36. Neukirch: Algebraische Zahlentheorie. 1992, Kapitel 7, Paragraph 6, S. 492.