„Weltherrschaft“ – Versionsunterschied
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'''Weltherrschaft''' (auch '''Universalherrschaft''') ist die [[Herrschaft]] über die gesamte [[Menschheit]] bzw. (bezogen auf die [[vormoderne]] Geschichte) die bekannte Welt. Dieser unerreichte Zustand war das Ziel verschiedener Mächte und Bewegungen, ebenso fungierte der Begriff teilweise nur als ideelles Schlagwort. Die Idee der Weltherrschaft entstand bereits in der [[Antike]] und galt in diesem Sinne, bezogen auf die den Erhebern des Anspruchs bekannte Welt (wie der des [[Römisches Reich|Römischen Reiches]]) bzw. als [[Hegemonie|hegemonialer]] Anspruch, der aber nicht zwingend realpolitisch umgesetzt werden musste. Einer realen Beherrschung der gesamten Welt am nächsten kam bisher das [[Britisches Weltreich|Britische Weltreich]].
Das Streben nach Weltherrschaft in einem [[Pejoration|pejorativen]] Sinn wurde in der [[Neuzeit]] verschiedenen Gruppen und [[Politisches System|politischen Systemen]] unterstellt und ist bis heute auch ein beliebtes Thema in [[Popkultur|Unterhaltungsmedien]]. Von einigen Autoren wird eine Weltherrschaft der [[Computer]] befürchtet.
== Geschichte ==
In der historischen Forschung werden verschiedene [[Weltreich]]e oder [[Hegemonialmacht|Hegemonialmächte]] als „Weltherrschaft“ beschrieben, so etwa das [[Römisches Reich|Römische Reich]], das [[Mongolisches Reich|Mongolenreich]] unter [[Dschingis Khan]] oder das habsburgisch-spanische Kolonialreich unter [[Karl V. (HRR)|Karl V.]],<ref>[[Alfred Kohler (Historiker)|Alfred Kohler]] (Hrsg.): ''Quellen zur Geschichte Karls V.''
[[Datei:Heinrich III. (HRR) Miniatur.jpg|mini|hochkant|Kaiser [[Heinrich III. (HRR)|Heinrich III.]] mit [[Zepter]] und [[Reichsapfel]], Miniatur aus dem [[Perikopenbuch Heinrichs III.]] um 1040]]
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Die Idee der Weltherrschaft wurde bereits in der [[Antike]] vertreten: Von den altorientalischen Reichen bis hin zum Römischen Reich. In römischer Zeit wurde explizit eine unbegrenzte römische Herrschaft propagiert (''imperium sine fine''). Dies verband sich in der [[Spätantike]] mit dem [[Christentum|christlichen]] Einheitsgedanken, was auch im [[Mittelalter]] von Bedeutung war. Die Kaiser des [[Heiliges Römisches Reich|Heiligen Römischen Reiches]] verstanden sich zumindest ideell (nicht zwingend realpolitisch) im Sinne der [[Reichsidee]] als „Weltherrscher“ und vertraten einen Universalherrschaftsanspruch. Während der universale Herrschaftsanspruch im [[Frühmittelalter]] noch problemlos formuliert werden konnte, verlor er nach dem [[Investiturstreit]] an Kraft. In der [[Staufer]]zeit wurde er nochmals betont, doch blieb er dann im [[Spätmittelalter]] politisch (außer im frühen 14. Jahrhundert) ohne größere Bedeutung.<ref>[[Othmar Hageneder]]: ''Weltherrschaft im Mittelalter'', in: [[Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung]] 93, 1985, S. 257–278.</ref> Die Weltherrschaft wurde im Mittelalter auch vom [[Papst]]tum beansprucht (''[[Dictatus Papae]]'', Bulle ''[[Unam Sanctam]]'', [[Papstprimat]]), konnte im weltlichen Bereich aber nicht durchgesetzt werden.
Die [[Sultan]]e des [[Osmanisches Reich|Osmanischen Reiches]] erhoben seit dem 15. Jahrhundert ebenfalls diesen Anspruch.<ref>Hans-Lukas Kieser: ''Djihad, Weltordnung, „Goldener Apfel“. Die osmanische Reichsideologie im Kontext west-östlicher Geschichte'', in: [[Richard Faber (Soziologe)|Richard Faber]] (Hrsg.), ''Imperialismus in Geschichte und Gegenwart''. Königshausen und Neumann, Würzburg 2005, S. 183.</ref> Sultan [[Süleyman I.]] zum Beispiel rechtfertigte ihn bei Verhandlungen im Vorfeld seiner [[Erste Wiener Türkenbelagerung|Belagerung Wiens]] 1529 theologisch: {{Zitat|Weil nur [[Tauhīd|ein Gott]] und nur ein Himmel ist, so ist es gerecht, dass auf dem Erdreich auch nur ein Haupt und Regierer sei: Derselbe will Er sein und seinen Kopf nicht sanft legen, bis sie und die ganze Christenheit unter seine Gewalt bezwungen werden.|ref=<ref>[[Peter Stern von Labach]]: ''Belegerung der Statt Wienn jm jar als man zallt nach Cristi geburt tausent fünffhundert vnnd im newnundzwaintzigisten beschehn kürtzlich angetzaigt'', Wien 1529, S. 14 ([[s:Belegerung der Statt Wienn 1529|Digitalisat]], Rechtschreibung angepasst).</ref>}}
Der Napoleon-Biograph [[August Fournier]] interpretierte die Kriege [[Napoleon Bonaparte|Napoleons I.]] gegen das Britische Empire, das [[Kaisertum Österreich]] und weitere Reiche als „Kampf um die Weltherrschaft“.<ref>August Fournier: ''Napoleon I. – Eine Biographie.'' Zweiter Band: Napoleons Kampf um die Weltherrschaft. Zweite Auflage, Freytag/Tempsky, Leipzig/Wien 1905.</ref> Auch wurde vom [[Marxismus]] eine [[Weltrevolution]] vorausgesagt, also die Zerschlagung der bürgerlichen Herrschaft in allen Staaten der Erde und die Errichtung einer weltweiten [[Diktatur des Proletariats]] in Form einer „sozialistischen Weltrepublik“.
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== Weltherrschaftspläne als politischer Vorwurf ==
Der Vorwurf, die Weltherrschaft anzustreben, war und ist ein verbreitetes Mittel, um eine Gruppe oder ein Denksystem zu [[Diskreditierung|diskreditieren]]. Dies wurde unter anderem unterstellt
* [[Ludwig XIV.]] seit dem [[Holländischer Krieg|Holländischen Krieg]],<ref>[[Martin Wrede]]: ''Ludwig XIV. Der Kriegsherr aus Versailles.'' Theiss, Darmstadt 2015, ISBN 978-3-8062-3160-1, S. 197.</ref>
* dem [[Illuminatenorden]], einer 1785 verbotenen [[Geheimgesellschaft]], der seitdem von verschiedenen [[Verschwörungstheorie]]n immer wieder unterstellt wird, sie existiere insgeheim fort,<ref>Angelika Benz: ''Illuminaten''. In: [[Wolfgang Benz]] (Hrsg.): ''[[Handbuch des Antisemitismus]]. Band 5: Organisationen.'' De Gruyter Saur, Berlin 2012, ISBN 978-3-11-027878-1, S. 322
* der [[römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen Kirche]] im [[Kulturkampf]],<ref>Frank Oliver Sobich: ''„Schwarze Bestien, rote Gefahr“. Rassismus und Antisozialismus im deutschen Kaiserreich'', Campus, Frankfurt am Main/New York 2006, S. 264.</ref>
* den [[Juden]] – mit der bekannten Fälschung eines angeblichen Fahrplans zur Weltherrschaft, den ''[[Protokolle der Weisen von Zion|Protokollen der Weisen von Zion]]'',<ref>Belege bei Johannes Zischka: ''Die NS-Rassenideologie. Machttaktisches Instrument oder handlungsbestimmendes Ideal?'' Peter Lang, Bern 1986; Jacob Katz, ''Vom Vorurteil bis zur Vernichtung. Der Antisemitismus 1700–1933'', C.H. Beck, München 1990; Norman Cohn, ''Die Protokolle der Weisen von Zion. Der Mythos der jüdischen Weltverschwörung'', Elster, Baden-Baden 1998.</ref> oder in der [[NS-Propaganda]], zum Beispiel in der [[Der ewige Jude (Ausstellung)|Ausstellung ''Der ewige Jude'']] von 1937 oder dem [[Der ewige Jude|gleichnamigen Film]] von 1940.<ref>Mona Körte: ''Ahasverus''. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): ''Handbuch des Antisemitismus.'' Band 3: ''Begriffe, Ideologien, Theorien.'' De Gruyter Saur, Berlin 2008, ISBN 978-3-598-24074-4, S. 5
* dem [[Realsozialismus]] und der [[Sowjetunion]]<ref>So beispielsweise [[Bolko von Richthofen]] und Reinhold Robert Oheim: ''Weltherrschaft. Die Entwicklung Russland zur Großmacht. Ziel und Weg des Sowjetkommunismus'', K. W. Schütz, Oldendorf 1981.</ref>
* den [[Vereinigte Staaten|USA]] oder Gruppen, die sie insgeheim kontrollieren würden (siehe etwa ''[[Zionist Occupied Government]]''), wird in verschiedenen Verschwörungstheorien unterstellt, eine [[Neue Weltordnung (Verschwörungstheorie)|Neue Weltordnung]] anzustreben.
== Technologische Singularität ==
Im Zusammenhang mit den raschen Fortschritten der [[Künstliche Intelligenz|Künstlichen Intelligenz]] (KI) wird seit langem spekukuliert, es könne zu einer [[Technologische Singularität|technologischen Singularität]] kommen, in der [[Computer]] eine [[Superintelligenz]] ausbilden und die Weltherrschaft übernehmen. Bereits 1970 hatte der KI-Forscher [[Marvin Minsky]] prophezeit, wenn die Menschheit Glück habe, würden die [[Roboter]] „uns als Haustiere halten“; laufe es schlecht, „betrachten sie uns als ihre Nahrung“. In den 2020er Jahren wurde vermehrt vor dieser Gefahr gewarnt und ein Moratorium der KI-Forschung gefordert. Der Journalist Alexander Brentler sieht diese Warnungen, die unter anderem von Profiteuren der KI-Forschung wie [[Elon Musk]] vertreten würden, lediglich eine „[[Marketing]]-Masche“: [[OpenAI|Chat-GPT 4]] sei immer noch lediglich „eine Lern- und keine Denkmaschine, die sicherlich nicht imstande ist, nach der Weltherrschaft zu trachten“.<ref>Alexander Brentler: [https://jacobin.de/artikel/die-kuenstliche-intelligenz-loest-probleme-die-wir-nicht-haben-chat-gpt-chatbot-generative-ki-alexander-brentler ''Die künstliche Intelligenz löst Probleme, die wir nicht haben'']. [[Jacobin|jacobin.de]], 27. April 2023, zitiert bei Christan Jakob: ''Endzeit. Die neue Angst vor dem Weltuntergang und der Kampf um unsere Zukunft.'' Ch. Links Verlag, Berlin 2023, ISBN 978-3-96289-206-7, S. 115; das Minsky-Zitat ebd., S. 109.</ref>
== Theologie ==
Im christlichen Kontext wird [[Jesus Christus]] als (letzter) ''Weltherrscher'' oder ''[[Weltenherrscher]]'' bezeichnet. Damit ist einerseits gemeint, dass er im geistlichen Sinne bereits gegenwärtig als [[
== Populärkultur ==
In Unterhaltungsmedien findet sich recht häufig die Figur eines [[Bösewicht|Superschurken]] oder [[Verrückter Wissenschaftler|verrückten Wissenschaftlers]], der die Weltherrschaft anstrebt, so etwa bei [[Dr. Mabuse]], in den [[James Bond#
== Siehe auch ==
* [[Weltregierung]]
== Literatur ==
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