Lina Pfaff

deutsche Nähmaschinenfabrikantin
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Lina Pfaff (* 30. August 1854 in Kaiserslautern als Carolina[1] Pfaff; † 17. Juni 1929 ebenda) war eine deutsche Unternehmerin und Wohltäterin.

Leben

L. Pfaff war die Tochter von Johanna Pfaff,[2] geborene Crusius (1824-1878),[3] und Georg Michael Pfaff (1823-1893), dem Gründer der Nähmaschinenfabrik Pfaff in Kaiserslautern.

Nach dem Tod ihres Bruders Georg am 21. April 1917 übernahm L. Pfaff die Leitung des Unternehmens, das 1910 schon eine Million Nähmaschinen in 64 Länder auf den fünf Kontinenten exportiert hatte.[4]

In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg hatte L. Pfaff die kritische Phase der Umstellung von Kriegsproduktion auf Friedensarbeit zu bewerkstelligen.[5] Im Jahr 1926 wandelte sie, der wirtschaftlichen Entwicklung Rechnung tragend, den Betrieb in eine Aktiengesellschaft um.[6] Sie blieb aber als Vorsitzende des Aufsichtsrates weiter mit dem Unternehmen verbunden.

Vor der Übernahme der Fabrikleitung war sie in ihrer Heimatstadt schon als großzügige Spenderin bekannt. Zunächst hatte sie den Diakonissenverein und den Frauenverein vom Roten Kreuz unterstützt; u.a. durch die Finanzierung der Kinderkrippe in der Mannheimer Straße.[7] Später schuf sie einige soziale Einrichtungen in Kaiserslautern, beispielsweise das Pfaff-Bad und eine Kinderkrippe, die am 24. Mai 1924 eingeweiht wurden.[8] Im Jahr 1923 hatte sie eine Wohnsiedlung für die Mitarbeiter in der Nähe des Pfaffwerks errichten lassen.[9]  

Beide Aktivitäten, die Fabrikleitung und ihre Wohltätigkeit, wurden in außerordentlichen schweren Zeiten ausgeübt. Während des Ersten Weltkriegs unterstütze die Firma Pfaff u.a. die Mitarbeiter an der Front und ihre Familien. Nach dem Krieg musste Lina Pfaff die Geschäftsarbeit unter den Bedingungen der französischen Besatzung in der Pfalz fortführen.

Die Leiterin des Weltunternehmens war auch mobil unterwegs. Sie besuchte u.a. Mailand, Genua, Venedig, Florenz und Rom. Ihre Biografin Marliese Fuhrmann betonte: „Später reiste sie in einer eleganten Mercedes- oder Maybach-Limousine; geradezu eine Sensation war es, als sie 1924 in einem Tag von Kaiserslautern nach Karlsbad in Böhmen fuhr.“[10]    

Lina Pfaff wurde sie an ihrem 70. Geburtstag von der Stadt Kaiserslautern zu deren Ehrenbürgerin ernannt.[11] Ein paar Monate später, am 23. Dezember 1924,[12] wurde sie für ihre Tätigkeit als Leiterin der Nähmaschinenfabrik und ihr soziales Engagement als erste und einzige Frau Deutschlands mit dem Titel „Kommerzienrat“ des Königsreichs Bayern ausgezeichnet.[13] Die Pfalz gehörte seit 1816 zu diesem Königreich, daher war es der bayerische Handelsminister, Wilhelm von Meinel, der den Ernennungsvorschlag des Oberbürgermeisters von Kaiserslautern an Ministerialrat Ferdinand Oskar Keller zukommen ließ. Aus seinem Schreiben lassen sich die Gründe zum Entscheid für Lina Pfaffs Titelverleihung erkennen:

„…Oberbürgermeister Baumann von Kaiserslautern hat bei mir vorgesprochen und folgende Wünsche vorgebracht: … (er) befürwortete … die Verleihung des Kommerzienratstitels an folgende Persönlichkeiten: a) Fräulein Lina Pfaff, die Alleininhaberin der weltbekannten Pfaff’schen Nähmaschinenfabrik in Kaiserslautern. Hier lägen zweifellos ausrichende [sic!] Gründe vor, um ausnahmsweise auch einer Frau den Kommerzienratstitel zu verleihen, denn Fräulein Pfaff sei nicht nur bei der Leitung der Fabrik tatsächlich tätig und ausschlaggebend, sondern sie habe auch auf dem Gebiet sozialer Fürsorge ganz Außerordentliches geleistet. Besonders habe sie der Wohnungsnot in Kaiserslautern durch eigene Werksbauten für die Arbeiter in großzügiger Weise gesteuert, ferner der Stadt ein Volksbad gebaut und auch sonst auf allen Gebieten der Wohltätigkeit (Kindergartenerrichtung usw.) sich ganz hervorragend betätigt.“[14]Wilhelm von Meinel, 19. September 1924

Zwischen 1880 bis 1928 wurde der Titel „Kommerzienrat“ 1.849 deutschen männlichen Unternehmern verliehen; Lina Pfaff blieb als Frau bis zu dessen Abschaffung die einzige Ausnahme.[15]

Vor ihrem Tod berief sie ihren Neffen Karl Pfaff, den Sohn ihres Bruders Jakob, den sie am 1. Mai 1926 adoptiert hatte,[16] zum leitenden Direktor und Vorstandsmitglied des Unternehmens.[17]

Als sie am 17. Juni 1929 starb, wurde sie auf dem Kaiserslauterer Waldfriedhof begraben.[18]

Nachleben

Als im August 2010 die beiden Hauptschulen Barbarossaschule und die Geschwister-Schollschule in Kaiserslautern zu einer Realschule plus zusammengelegt wurden, bekam die Bildungseinrichtung den Namen Lina-Pfaff-Realschule plus.[19]

Im Stadtmuseum Kaiserslautern (Theodor-Zink-Museum- Wadgasserhof) fand vom 15. Februar bis zum 2. August 2020 die Ausstellung „Lina Pfaff: "Fräulein Kommerzienrat", ihre Nähmaschinen und ihr soziales Engagement“ statt.[20] Sie präsentiert einen Überblick über Produktion, Design und Marketing des PFAFF-Weltunternehmens seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts.[21] Die Ausstellung bietet anschaulich einen vertiefenden Einblick in die Wohltätigkeitsarbeit von L. Pfaff im Bereich der gesundheitsfördernden Stadtentwicklung u.a. durch Fotodokumentationen und ein 3D-Modell vom Pfaffbad, das auch eine städtische Kita beherbergte. Ebenfalls wird das durchgeführte Projekt zur Errichtung der Pfaff-Kolonie, eine Werksiedlung an der Herzog-von-Weimar-Straße in Kaiserslautern, gewürdigt.

Einzelnachweise

  1. Justina Bayer: Lina Pfaff. Die erste und einzige Kommerzienrätin Bayerns und Deutschlands. In: Marita Krauss (Hrsg.): Die bayerischen Kommerzienräte: eine deutsche Wirtschaftselite von 1880 bis 1928. Volk Verlag, München 2016, ISBN 978-3-86222-216-2, S. 148158, hier S. 148.
  2. https://www.metropolnews.info/mp79966/frau-des-monats-juli-2014-lina-pfaffabgerufen am 22.07.2020.
  3. Biografie von Lina Pfaff ( https://www.pfalzgeschichte.de/lina-pfaff/) vom Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde, abgerufen am 22. Juli 2020.
  4. Marliese Fuhrmann: Lina Pfaff. Eine Frau führte ein Weltunternehmen. In: Kreisverwaltung Kaiserslautern (Hrsg.): Heimatjahrbuch 2005 des Landeskreises Kaiserslautern, Verlag Franz Arbogast, Otterbach bei Kaiserslautern 2005, ISBN 3-87022-314-6, S. 108–119, hier S. 116.
  5. Jürgen Urban: Kommerzienrätin Lina Pfaff – Chefin in schwerer Zeit. In: Gleichstellungsstelle Kaiserslautern (Hrsg.): Frauengeschichte - Frauengeschichten aus Kaiserslautern. Dokumentation KaiserslautererBürgerinnen und Bürger, Franz Arbogast, Otterbach/Pfalz 1994, ISBN 3-87022-197-6, S. 84f,, hier S. 84.
  6. Marliese Fuhrmann: Lina Pfaff. Eine Frau führte ein Weltunternehmen. In: Kreisverwaltung Kaiserslautern (Hrsg.): Heimatjahrbuch 2005 des Landeskreises Kaiserslautern, Verlag Franz Arbogast, Otterbach bei Kaiserslautern 2005, ISBN 3-87022-314-6, S. 108–119, hier S. 119.
  7. Marliese Fuhrmann: Lina Pfaff. Eine Frau führte ein Weltunternehmen. In: Kreisverwaltung Kaiserslautern (Hrsg.): Heimatjahrbuch 2005 des Landeskreises Kaiserslautern, Verlag Franz Arbogast, Otterbach/Pfalz 2005, ISBN 3-87022-314-6, S. 108–119, hier S. 117f.
  8. Dennis Anklam: Entstehungsgeschichte. In: Cornelie Leopold (Hrsg.): Das Pfaffbad. Eine Rekonstruktion, TU Kaiserslautern 2009, ISBN 978-3-939432-99-9, S. 11–15, hier S. 15.
  9. Marliese Fuhrmann: Lina Pfaff. Eine Frau führte ein Weltunternehmen. In: Kreisverwaltung Kaiserslautern (Hrsg.): Heimatjahrbuch 2005 des Landeskreises Kaiserslautern, Verlag Franz Arbogast, Otterbach/Pfalz 2005, ISBN 3-87022-314-6, S. 108–119, hier S. 119.
  10. Marliese Fuhrmann: Lina Pfaff. Eine Frau führte ein Weltunternehmen. In: Kreisverwaltung Kaiserslautern (Hrsg.): Heimatjahrbuch 2005 des Landeskreises Kaiserslautern, Verlag Franz Arbogast, Otterbach/Pfalz 2005, ISBN 3-87022-314-6, S. 108–119, hier S. 115f.
  11. Marliese Fuhrmann: Lina Pfaff. Eine Frau führte ein Weltunternehmen. In: Kreisverwaltung Kaiserslautern (Hrsg.): Heimatjahrbuch 2005 des Landeskreises Kaiserslautern, Verlag Franz Arbogast, Otterbach/Pfalz 2005, ISBN 3-87022-314-6, S. 108–119, hier S. 119.
  12. Justina Bayer: Lina Pfaff. Die erste und einzige Kommerzienrätin Bayerns und Deutschlands. In: Marita Krauss (Hrsg.): Die bayerischen Kommerzienräte: eine deutsche Wirtschaftselite von 1880 bis 1928. Volk Verlag, München 2016, ISBN 978-3-86222-216-2, S. 148158, hier S. 157.
  13. Das Große Pfalzbuch, Pfälzische Verlagsanstalt Neustadt/Weinstraße, Herbst 1959, S. 484
  14. Bayerisches Hauptstaatsarchiv (Bestellsignaturen: BayHStA MHIG 2213, 2217, Anträge auf Erkennung zum Kommerzienrat), zitiert in: Justina Bayer: Lina Pfaff. Die erste und einzige Kommerzienrätin Bayerns und Deutschlands. In: Marita Krauss (Hrsg.): Die bayerischen Kommerzienräte: eine deutsche Wirtschaftselite von 1880 bis 1928. Volk Verlag, München 2016, ISBN 978-3-86222-216-2, S. 148158, hier S. 157, Fn 63.
  15. Justina Bayer: Lina Pfaff. Die erste und einzige Kommerzienrätin Bayerns und Deutschlands. In: Marita Krauss (Hrsg.): Die bayerischen Kommerzienräte: eine deutsche Wirtschaftselite von 1880 bis 1928. Volk Verlag, München 2016, ISBN 978-3-86222-216-2, S. 148158, hier S. 148.
  16. Justina Bayer: Lina Pfaff. Die erste und einzige Kommerzienrätin Bayerns und Deutschlands. In: Marita Krauss (Hrsg.): Die bayerischen Kommerzienräte: eine deutsche Wirtschaftselite von 1880 bis 1928. Volk Verlag, München 2016, ISBN 978-3-86222-216-2, S. 148158, hier S. 153.
  17. Jürgen Urban, Kommerzienrätin Lina Pfaff – Chefin in schwerer Zeit. In: Gleichstellungsstelle Kaiserslautern (Hrsg.): Frauengeschichte - Frauengeschichten aus Kaiserslautern. Dokumentation KaiserslautererBürgerinnen und Bürger, Franz Arbogast, Otterbach/Pfalz 1994, ISBN 3-87022-197-6, S. 84f, hier 85.
  18. Marliese Fuhrmann: Lina Pfaff (1854-1929). Eine Frau führte ein Weltunternehmen. In: Dies.: Anna und Andere. Frauenwege in der Pfalz, Görres-Verlag, Koblenz 2007, ISBN 978-3-935690-63-8, S. 43–57, hier S. 57.
  19. Historie. Realschule plus Lina Pfaff Kaiserslautern, abgerufen am 22. Juli 2020.
  20. Stadtmuseum Kaiserslautern: Ausstellung LINA PFAFF. In: Stadtmuseum Kaiserslautern. Abgerufen am 18. Juli 2020.
  21. https://www.pfalz-express.de/lina-pfaff-fraeulein-kommerzienrat-ihre-naehmaschinen-und-ihr-soziales-engagement/  abgerufen am 25. Juni 2020