„Legalismus“ – Versionsunterschied
[gesichtete Version] | [gesichtete Version] |
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Formulierungen, Quellen, aktueller Bezug |
K →Begriff |
||
(26 dazwischenliegende Versionen von 7 Benutzern werden nicht angezeigt) | |||
Zeile 1:
{{Dieser Artikel|informiert zu einem Begriff der chinesischen Philosophie. Siehe auch [[Werkgerechtigkeit]] bzw. [[Moralischer Legalismus]].}}
'''Legalismus''' ({{zh|c=法家|p=fǎ jiā|b=Gesetzesschule}}), auch '''Legismus''', ist eine Richtung der [[Chinesische Philosophie|chinesischen Philosophie]] aus der [[Zeit der Streitenden Reiche]] (etwa um [[480 v. Chr.]] bis [[221 v. Chr.]]).<ref>{{Literatur |Autor=Charles Schuman |Titel=Konfuzius - Der Mann und die Welt, die er schuf |Verlag=Kösel-Verlag |Ort=München |Datum=2016 |ISBN=978-3-466-37150-1 |Seiten=216 |Übersetzer=Elisabeth Liebl}}</ref>▼
▲'''Legalismus''' ({{zh|c=法家|p=fǎ jiā|b=Gesetzesschule}})
Als eine der Denkschulen der klassischen Zeit sucht der Legalismus nach Methoden, eine Gesellschaft so zu ordnen, dass sie agrarwirtschaftlich stark und militärisch schlagkräftig bleibt und somit Sicherheit und Wohlstand garantiert. Die Gesellschaft teilt sich auf in Fürst und Untertanen. Über sozialen Aufstieg entscheidet nicht mehr das Geburtsrecht, sondern individuelle Leistung. Dem Fürsten allein obliegt der Bereich der Politik, er legt, eventuell mit Hilfe von Beratern, die Gesetze fest. Politik ist – im Gegensatz
Wegen seiner [[Totalitarismus|totalitären]] Herrschaftsmerkmale wurde der Legalismus von späteren chinesischen Philosophen abgelehnt. Seine Gedanken blieben jedoch in der Politik des chinesischen Kaiserreichs und bis heute präsent: Nach Schell und Delury (2013) hat das „pragmatische“ legalistische Denken einen Anteil an den historischen Erfolgen und dem aktuellen Machtgewinn Chinas.<ref>{{Literatur| Autor=Orville Schell und John Delury| Titel=Wealth and Power: China's Long March to the Twenty-first Century| Verlag=Random House| Datum=2013| ISBN=9780679643470}}</ref>
== Begriff ==
Der Begriff der „Gesetzesschule“ ({{zh|c=法家|p=fǎ jiā| kurz=1}}) tauchte erstmals in der Zeit der Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) auf, ist also keine zeitgenössische Bezeichnung. Der Historiker [[Sima Qian]] 司馬遷 (ca. 145–90 v. Chr.) ordnete in seinem Werk [[Shiji]] die Philosophen Shang Yang, Shen Buhai und Han Fei der Lehre von „Leistung und Titeln“ ({{zh| c=刑名| p=xíng míng| kurz=1}}) zu, einem Synonym zu ''fǎ jiā''.<ref>Die Übersetzung folgt Pines (2018): „performance and title“, dieser beruft sich auf {{Literatur| Autor=Paul R. Goldin| Titel=Han Fei and the Han Feizi| Sammelwerk=Dao Companion to the Philosophy of Han Fei| Ort=Dordrecht| Verlag=Springer| Datum=2013| Seiten=1–21}}</ref> Der Ausdruck ''fǎ jiā'' selbst wurde erstmals bei Sima Tan 司馬談, dem Vater Sima Qians, nachgewiesen. Er verwendete ihn in einem Aufsatz über die sechs klassischen Denkschulen. Der kaiserliche Bibliothekar [[Liu Xiang (Autor)|Liu Xiang]] 劉向 (79 v. Chr.–8 n. Chr.) führte ''fǎ jiā'' als Kategorie für den Bibliothekskatalog ein.
In der neueren Forschung wird zum einen kritisch angemerkt, dass die Autoren der legalistischen Schriften sich selbst nicht einer solchen einheitlichen intellektuellen Strömung zugehörig gesehen hätten. Zum anderen sei der Begriff ''fǎ'' 法 sehr viel weiter gefasst als es die westliche Übersetzung „Recht“ wiedergeben könne: ''fǎ'' beinhalte auch „Methoden, Standards, unpersönliche Vorschriften“ und ähnliches.<ref>{{Literatur| Autor=Paul R. Goldin| Titel=Persistent misconceptions about Chinese ‘legalism’| Sammelwerk=Journal of Chinese Philosophy| Band=38 (1)| Datum=2011| Seiten=64–80}}</ref> Pines (2013) und Vogelsang (2017) verwenden daher die alternative Bezeichnung „politischer Realismus“ (''political realism'').
== Historischer Kontext ==
In der Geschichtsschreibung werden die Herrschaftsstrukturen des antiken China als „Staaten“ und „Dynastien“ dargestellt.
Die Kriege dieser Zeit Erste Einrichtungen wie Steuern, schriftliche Gesetze oder Militärwesen als == Bedeutende Texte ==
Von den zehn Texten, die der Han-zeitliche Bibliothekskatalog des Liu Xiang verzeichnet, sind nur zwei relativ vollständig und zwei weitere in Fragmenten überliefert.
Am besten erhalten sind die ''Schriften des [[Han Fei]]'' ({{zh|kurz=1|c=韓非子|p=Hán Fēizǐ}}). Die ''Schriften des Fürsten von Shang'' ({{zh|t=商君書|p=Shāng jūn shū|kurz=1}}) werden dem Philosophen [[Shang Yang]] ({{zh|c=商鞅|p=Shāng Yāng|kurz=1}}) zugeschrieben, der von 359 bis zu seinem Tod 338 v. Chr. als Beamter am Hof des Fürsten [[Xiao von Qin|Xiao]] von [[Qin (Staat)|Qin]] (reg. 361–338 v. Chr.) tätig war. Es enthält Sprichwörter, Aufsätze und Eingaben sowie am Hof der Qin-Fürsten gehaltene Reden. Thema ist die Schaffung und der Erhalt der gesellschaftlichen Ordnung auf der Grundlage streng einzuhaltender Gesetze, die für
Zwei weitere Texte aus dem kaiserlichen Katalog der Han sind nur aus längeren Zitaten einer kaiserlichen Enzyklopädie des 7. Jahrhunderts überliefert: ''Shēnzi'' 申子 wird [[Shen Buhai]] {{zh| c=申不害|p=Shēn Bùhài|kurz=1}} aus dem Staat [[Zheng (Staat)|Zheng]] zugeschrieben, der um die Mitte des 4. Jh. v. Chr. lebte. Dem Gelehrten [[Shen Dao]] {{zh| c=慎到|p=Shèn Dào|kurz=1}} (um 300 v. Chr.) wird als Autor des ''Shènzi'' 慎子 angesehen.
== Gesellschaftsmodell ==
Das Gesellschaftsmodell des Legalismus zielt auf eine grundlegende Veränderung des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systems: Jeder Untertan sollte Ackerbauer und Krieger in einer Person werden. Mithilfe solcher Kriegerbauern soll ein “reiches Land und [eine] starke Armee” ({{zh|t=富國強兵| p=Fùguó qiángbīng| kurz=1}}) entstehen, deren Ziel es ist, „alles unter dem Himmel“ ({{zh| t=天下| p=Tiānxià| b=unter dem Himmel; die Welt| kurz=1}}) zu vereinigen.
=== Menschenbild ===
Sowohl das ''Shang Jun Chu'' als auch das etwa 100 Jahre jüngere ''Han Feizi'' gehen von einem Urzustand der Menschheit aus, in welchem die Bevölkerungszahl gering und die natürlichen Ressourcen daher im Überfluss vorhanden gewesen seien:
{{Zitat
|Text=‹In den Zeiten von [[Shennong]] pflügten die Männer, um sich zu ernähren, und die Frauen woben, um sich zu kleiden.› Es herrschte Ordnung, ohne dass ein Regime von Strafen angewendet wurde; er herrschte souverän, ohne dass Waffen eingesetzt wurden.
|Autor=Shang Yang
|Quelle=Shang Jun Shu 18.1 (Übersetzung Vogelsang, 2017)}}
Je stärker die Bevölkerung wächst, desto knapper werden die natürlichen Ressourcen, und es setzt Wettbewerb ein. Um Frieden und Wohlstand zu erhalten, werden Normen nötig. Im Gegensatz zur Sichtweise des [[Konfuzius|Konfuzianismus]] halten die Legalisten es für vergeblich, durch Erziehung ideale Menschen herauszubilden. Sie sehen die menschliche Habgier als gegeben an und nutzen sie aus, um die Gesellschaft in die gewünschte soziale und politische Richtung zu lenken.
{{Zitat
|Text=Das Verlangen der Menschen nach Reichtum und Ansehen hört erst auf, wenn sich der Sargdeckel über ihnen schließt.
|Autor=Shang Yang
|Quelle=Shang Jun Shu 17.4 (Übersetzung Vogelsang, 2017, S. 208)}}
=== Motivation durch Lohn und Strafe ===
Das geeignete Mittel, Menschen im Sinne der Staatsräson zu manipulieren, sind Belohnungen und Strafen. Strafen sind schwer, Belohnungen eher gering und abgestuft, aber beiden gemeinsam ist, dass sie ohne Ansehen der Person oder früherer Verdienste zwangsläufig der Handlung folgen. Wenn schon für geringe Vergehen schwere Strafen drohten, werde das Volk es nicht wagen, das Gesetz zu brechen.
{{Zitat
|Text=Indem sie schwere Bußen verhängt und geringe Belohnungen gewährt, sorgt die Obrigkeit für das Volk, und das Volk geht für sie in den Tod. […] Wenn man bei der Anwendung von Strafen Leichtes schwer ahndet, dann wird Leichtes nicht entstehen und Schweres nicht aufkommen.
|Autor=Shang Yang
|Quelle=Shang Jun Shu 4.4 (Übersetzung Vogelsang, 2017, S. 128)}}
Die Dienstgrade im Heer wurden in Gruppen zu je fünf Männern eingeteilt und durch einheitliche Abzeichen gekennzeichnet, die ihre Befehle als Einheit erhielten. Eine Regelverletzung, beispielsweise Desertion, durch einen der fünf führte zur Degradierung der anderen vier, es sei denn, sie könnten den Kopf eines Feindes vorweisen.<ref>{{Literatur| Autor=Kai Vogelsang| Titel=Shangjun shu. Schriften des Fürsten von Shang| Verlag=Kröner| Ort=Stuttgart| Datum=2017| ISBN=978-3-520-16801-6| Seiten=221}}</ref> Belohnungen waren an die Einhaltung konkreter Sollvorgaben gebunden. So musste eine Armee nach einer offenen Feldschlacht 2000 Köpfe feindlicher Soldaten vorweisen, nach Belagerung einer Siedlung 8000 Köpfe, um das Soll zu erfüllen. Detaillierte Vorschriften regeln die anschließende Belohnung des Heeres.<ref>{{Literatur| Autor=Kai Vogelsang| Titel=Shangjun shu. Schriften des Fürsten von Shang| Kapitel=19.4| Verlag=Kröner| Ort=Stuttgart| Datum=2017| ISBN=978-3-520-16801-6| Seiten=222}}</ref>
Belohnungen werden in Form von Rangstufen vergeben, die ihrem Inhaber wirtschaftliche, soziale oder rechtliche Privilegien verschaffen. Wie die Strafen erfolgen auch die Belohnungen nach standardisierten Regeln und ohne Ansehen der Person. Verdienstränge sind nur zum Teil vererbbar, beispielsweise kann die Ehefrau oder das Kind eines in der Schlacht Getöteten dessen Rang erben. Mit der Zeit wird so der Geburtsadel abgeschafft und durch eine [[Meritokratie]] ({{zh| t=尚賢| p=shàng xián| b=die Würdigen erheben| kurz=1}}) ersetzt. Archäologische Funde auf dem Gebiet des ehemaligen Staates Qin zeigen, dass die Einführung von Verdiensträngen sich zu einem bedeutenden Motivationsfaktor entwickelte und einen hohen Grad an [[Soziale Mobilität|sozialer Mobilität]] erzeugte, welche den größten Teil der Bevölkerung einschloss.<ref name="Pines 2018"/>
▲Die Lehren des ''fǎ jiā'' verbinden sich nicht mit einzelnen Autoren: Dem Philosophen [[Guan Zhong]] (gest. um 645 v. Chr.) wird das Werk ''Guanzi'' ({{zh| c=管子| Meister Guan| kurz=1}} zugeschrieben. Wahrscheinlich wurden seine Texte erst einige Jahrhunderte später zusammengefasst und gelten heute als heterogene Sammlung anonymer Autoren aus dem Umfeld der [[Jixia-Akademie]].
=== Indoktrination ===
▲Die ''Schriften des Fürsten von Shang'' ({{zh|t=商君書|p=Shāng jūn shū|kurz=1}}) werden dem Philosophen [[Shang Yang]] zugeschrieben, der von 359 bis zu seinem Tod 338 v. Chr. als Beamter am Hof des Fürsten [[Xiao von Qin|Xiao]] von [[Qin (Staat)|Qin]] (reg. 361–338 v. Chr.) tätig war. Es enthält Sprichwörter, Aufsätze und Eingaben sowie am Hof der Qin-Fürsten gehaltene Reden. Thema ist die Schaffung und der Erhalt der gesellschaftlichen Ordnung auf der Grundlage streng einzuhaltender Gesetze, die für ale Untertanen gleich gelten und in einem System von Belohnung und Strafe angewandt werden.<ref>{{Literatur| Autor= David R. Knechtges, Hsiang-Lin Shi| Hrsg=David R. Knechtges und Taiping Chang| Sammelwerk=Ancient and Early Medieval Chinese Literature: A Reference Guide, Part Two| Titel=''Shang jun shu'' 商君書| Ort=Leiden| Verlag=Brill| Datum=2014| ISBN=978-90-04-19240-9| Seiten=810–814}}</ref>
[[Datei:Killing the Scholars, Burning the Books.jpg|mini|[[Die Bücherverbrennung und das Begraben von Gelehrten bei lebendigem Leibe]], chinesisches Albenblatt, 18. Jh.]]
Voraussetzung für das Funktionieren des legalistischen Gesellschaftsmodells ist, dass die Menschen ihre Ziele ausschließlich über den vom Gesetz vorgegebenen Standardweg erreichen dürfen: Der eigene Status lässt sich nur über militärische Verdienste verbessern und auf keinem anderen Weg. Missachtung der Militärregeln oder Verweigerung des Gehorsams führt zwangsläufig zu Strafe. Das Volk muss daher genau zu verstehen lernen, dass der einzige Weg zu Reichtum und Ehren über die Erfüllung militärischer Sollvorgaben führt. Der Begriff „Lehre“ ({{zh|t=教| p=jiào| b=Lehre| kurz=1}}) oder „einheitliche Anweisung“ bedeutet, dass das Volk begriffen hat, dass in der legalistischen Gesellschaftsordnung militärische Erfolge die ausschließliche Grundlage jeglicher sozio-ökonomischen und politischen Ordnung darstellen.<ref name="Pines 2018"/>
=== Staatsbeamte ===
In der [[Zeit der Frühlings- und Herbstannalen]] (722–453 v. Chr.) waren Staatsämter innerhalb der [[Aristokratie|aristokratischen]] Familien erblich. Im 5. Jahrhundert änderte sich die Lage: Nachdem die adeligen Sippen in den ständigen Kämpfen nahezu ausgerottet waren, boten sich Aufstiegschancen für Personen des niederen Adels ({{zh| t=士| p=shì| b=Dienstmannen, später: Gelehrte| kurz=1}}). In dieser Lage entstand der Begriff der „Auswahl der Würdigen“ ({{zh| t=尚賢| p=shàng xián| b=die Würdigen erheben| kurz=1}}).<ref>{{Literatur| Autor=Yuri Pines| Titel=Between merit and pedigree: Evolution of the concept of ‘Elevating the Worthy’ in pre-imperial China| Sammelwerk=The idea of political meritocracy: Confucian politics in contemporary context| Hrsg=Daniel Bell und Li Chenyang| Ort=Cambridge| Verlag=Cambridge University Press| Datum=2013| Seiten=161–202| DOI=10.1017/CBO9781139814850.009}}</ref> Üblicherweise wurde ein Kandidat auf Empfehlung einer einflussreichen Person dem Herrscher oder einem hohen Beamten vorgestellt, der dessen Wert ({{zh| t=賢| p=xián| kurz=1}}) beurteilte und den Kandidaten entsprechend beförderte. Die Legalisten lehnten dieses Vorgehen ab, da der solcherart Beförderte noch keine Verdienste ({{zh| t=功| p=gōng| kurz=1}}) erworben habe. Wenn der Herrscher nach eigenem Gutdünken über die Amtswürdigkeit entscheide, würden gleiche Verdienste nicht gleich belohnt, gleiche Vergehen nicht gleich bestraft und Unfrieden entstehe.<ref>{{Literatur| Autor=Eirik Lang Harris| Titel=The Shenzi fragments: A philosophical analysis and translation| Datum=2016| Ort=New York| Verlag=Columbia University Press| ISBN=9780231177665| Seiten=31–34}}</ref> Stattdessen solle die Leistung einer Person auf unterer Ebene in einem objektiven Prozess beurteilt werden und über eine Beförderung entscheiden. Diese Idee der Legalisten kennzeichnete das chinesische Verwaltungssystem während der gesamten Kaiserzeit.<ref name="Pines 2018"/>
=== Herrscher ===
In der
* Macht ({{zh|kurz=1|c=勢|p=shì| b=Macht, Stärke}}): Mit der Stellung des Herrschers, nicht mit seiner Person, verbindet sich die Macht im Staat.
* Methode ({{zh|kurz=1|c=術|p=shù| b=Technik, Kunst, Fertigkeit}}): Der Herrscher bedient sich einer bestimmten Methode, um seine Kontrolle über den Staat aufrechtzuerhalten.
* Gesetze ({{zh|kurz=1|c=法|p=fǎ}}): Regierung
Mit den anderen Denkschulen ihrer Zeit waren sich die Legalisten einig, dass nur ein starker [[Monarchie|Monarch]] Beständigkeit und Ordnung garantieren kann. Ein guter Herrscher zeichnet sich nicht durch seine persönlichen Eigenschaften aus, sondern durch seine Fähigkeit, seine Machtposition ({{zh| t=勢| p=shì| b=Macht, Stärke| kurz=1}}) zu erhalten. Nur dann bleibt die Befehlskette intakt, von der der Bestand des Staates abhängt. Ratgeber und Minister stellen unter diesen Bedingungen eher Konkurrenten um den Thron dar. Das ''Han Feizi'' rät sogar, einen Minister zu bestrafen, der erfolgreicher gehandelt hat als sein Auftrag lautete, um den Vorrang der kaiserlichen Autorität zu bekräftigen. Den Vordenkern des Legalismus war bewusst, dass in einer Meritokratie der Herrscher die einzige Person ist, die ihre Stellung nicht persönlichen Verdiensten verdankt, sondern der Geburt. Das ''Han Feizi'' rät dem Herrscher daher, seine Persönlichkeit möglichst weitgehend zu verbergen, um seine Autorität zu wahren und im Fall des Misslingens den Ministern die Schuld zuschieben zu können. Graham (1989) vergleicht aus heutiger Sicht die Funktion des obersten Herrschers mit der eines einfachen Computers – oder es herrschten eben die Minister.<ref name="Computerherrscher">{{Literatur| Autor=A. C. Graham 1989| Titel=Disputers of the Tao: Philosophical argument in Ancient China| Ort=La Salle| Verlag=Open Court| ISBN=9780812690880| Seiten=291}}, zitiert nach Pines, 2018</ref>
▲In der [[Regierung]] müssen vor allem [[Gesetz, Politik und Macht|drei Aspekte]] beachtet werden:
▲* Gesetze ({{zh|kurz=1|c=法|p=fǎ}}): Regierung benötigt Gesetze.
[[Mao Zedong]] verfasste als Student einen Aufsatz über Shang Yang und stellte die anti-konfuzianische Politik des Qin-Staats als Vorbild für die anti-konfuzianische Politik seiner späten Lebensjahre dar.<ref
=== Rechtsstaatlichkeit chinesischer Prägung ===
▲== Legalistische Traditionen im heutigen chinesischen Rechtssystem ==
1997 führte der damalige Präsident [[Jiang Zemin]] den
▲[[Mao Zedong]] verfasste als Student einen Aufsatz über Shang Yang und stellte die anti-konfuzianische Politik des Qin-Staats als Vorbild für die anti-konfuzianische Politik seiner späten Lebensjahre dar.<ref>{{Internetquelle| autor=Yuri Pines |url=https://plato.stanford.edu/entries/chinese-legalism/#EpiLegChiHis |titel=Legalism in Chinese history |werk=The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Winter 2014 Edition) |abruf=2022-02-13}}</ref>
=== Sozialkredit-System ===
▲1997 führte der damalige Präsident [[Jiang Zemin]] den Begriff Begriff ''Fǎzhì'' ({{zh| c=法治| b=Rechtsstaatlichkeit| kurz=1}}) offiziell ein. Nach einer von der [[Stiftung Wissenschaft und Politik]] 2021 veröffentlichten Studie werde im aktuellen „Fünfjahresplan über den Aufbau von Rechtsstaatlichkeit (2020–2025)“ die Idee eines eigenständigen chinesischen Rechtssystems erkennbar. Im Jahr 2035 solle diese „Sozialistische Rechtsstaatlichkeit chinesischer Prägung“ verwirklicht sein. Nach marxistischer Rechtstradition sei dieser Begriff nicht im Sinne des westlichen „[[Rule of Law]]“ zu übersetzen, sondern eher als „Herrschaft durch das Instrument Recht“. Bei der Erschaffung eines eigenen chinesischen Rechtssystems bediene sich die kommunistische Partei Chinas auch traditioneller chinesischer Rechtsvorstellungen wie beispielsweise der „legalistischen Rechtstradition“.<ref>{{Internetquelle| autor=Moritz Rudolf |url=https://www.swp-berlin.org/publikation/china-xi-jinpings-rechtsstaatskonzept |titel=Xi Jinpings »Rechtsstaatskonzept«. Neue Substanz im Systemkonflikt mit China |werk=SWP Aktuell |datum=2021-04-01 |abruf=2022-02-13}}</ref>
Schon 1989 fiel Graham die Ähnlichkeit eines Herrschers, der legalistischen Grundsätzen folgt, mit einem Computer auf.<ref name="Computerherrscher"/> Das von den Legalisten entwickelte System standardisierter Belohnungen und Strafen ähnelt in seiner mathematischen Mechanik aus heutiger Sicht einem Computeralgorithmus. Das über 2000 Jahre alte System zur Manipulation von Menschen im Sinne der Staatsräson wird deshalb von manchen westlichen Autoren als intellektuelle Grundlage des [[Sozialkredit-System]]s ({{zh|c=社会信用体系|p=shèhuì xìnyòng tǐxì| kurz=1}}) der heutigen Volksrepublik China angesehen.<ref>{{Literatur| Autor=Samuel J. Parsons| Titel=Legalism and the social credit system| Sammelwerk=China Story Yearbook: China Dreams| Hrsg=Jane Golley, Linda Jaivin, Ben Hillman und Sharon Strange| Datum=2020| Verlag=The Australian National University Press| Ort=Canberra| Online=https://press-files.anu.edu.au/downloads/press/n6614/pdf/02A_chapter_forum.pdf| Abruf=2022-02-16}}</ref>
== Literatur ==
|