„Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“ – Versionsunterschied

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[[Datei:DSM-5_&_DSM-IV-TR.jpg|mini|Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM), Englisch und darunter Französisch]]
Das '''Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders''' ('''DSM'''; {{enS}} für „diagnostischer und statistischer Leitfaden psychischer Störungen“) ist ein [[Klassifikation]]ssystem der [[Psychiatrie]]. Es spielt eine zentrale Rolle bei der Definition und Diagnostik von [[Psychische Erkrankungen|psychischen Erkrankungen]] eine zentrale Rolle.
 
Das DSM wird seit 1952 von der ''[[American Psychiatric Association|Amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft]]'' (APA) in den [[Vereinigte Staaten|USA]] herausgegeben. Heute ist das DSM international in der Forschung und in vielen Kliniken und Instituten gebräuchlich. Die aktuell gültige fünfte Auflage ([[DSM-5]]) wurde 2013 veröffentlicht und ein Jahr später ins Deutsche übersetzt.<ref name="psychiatry.org">{{Internetquelle |url=http://www.psychiatry.org/practice/dsm/dsm-history-of-the-manual |titel=DSM: History of the Manual |hrsg=American Psychiatric Association |datum=2014 |sprache=en |abruf=2014-11-03}}</ref> Auch in den USA ist jedoch auch die allgemeine Krankheiten umfassende [[Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme|ICD]] das offizielle psychiatrische Klassifikationssystem für psychische Erkrankungen, welches für die Abrechnung mit den Krankenversicherungen benutzt wird.
 
Die DSM-Klassifikation wird von Experten erarbeitet, um psychiatrische [[Diagnose]]n reproduzierbar und statistisch verwertbar zu gestalten. Sie stellt somiteine füreinheitliche alleSprache Forschermit und Behandler ein eindeutigeseindeutigem Vokabular bereit und einedient als [[Nomenklatur|einheitliche SpracheBenennungssystem]]<ref>{{Literatur bereit|Autor=James Neal Butcher |Titel=Klinische Psychologie |Auflage=13., DasAufl ermöglicht|Verlag=Addison-Wesley es|Datum=2009 z|ISBN=978-3-8273-7328-1 |Kapitel=1.1.1 Warum müssen wir psychische Störungen klassifizieren? |Seiten=8 |Online=https://www.google.de/books/edition/Klinische_Psychologie/Q3n73EptHTQC?hl=de&nbsp;Bgbpv=1}}</ref> für alle Forscher und Behandler. Vertretern einer [[Psychoanalyse|psychoanalytischen]], biologischen und [[Verhaltenstherapie|verhaltenstherapeutischen]] Ausrichtung, einigen sich so auf eine gemeinsame Beschreibung der verschiedenen Formen psychischen Krankseins zu einigentrotz Uneinigkeit über die Verursachung. Diese verbindende Fachsprache wird als großer Vorteil und Fortschritt gegenüber früheren Zeiten angesehen und hat nach allgemeiner Meinung zu verlässlicheren Diagnosen beigetragen.<ref name="Insel:1">{{InternetquelleLiteratur |autorAutor=ThomasRichard InselJ. |url=http://www.nimh.nih.gov/about/director/2013/transforming-diagnosis.shtmlMcNally |titelTitel=Director’sWas Blog:sind Transformingpsychische DiagnosisErkrankungen? |hrsgSammelwerk=[[NationalDie InstituteVielgestaltigkeit ofder Mental Health]]Psychosomatik |datumVerlag=2013-04-29Springer |abrufDatum=März 2017 |zitatISBN=The9783662541463 goal of this new manual, as with all previous editions, is to provide a common language for describing|Kapitel=Kapitel psychopathology2.2 WhileWarum DSM has been described as a “Bible” for the field, it is, at best, a dictionary, creating a set of labels and defining each. The strength of each of the editionswaren ofdie DSM hasbei beenaller “reliability”Fehlerhaftigkeit so eacherfolgreich? edition|Seiten=13 has ensured that clinicians use the same terms in the same ways. The weakness is its lack of validity.}}</ref><ref>Kapitel 9: ''Klassifikation psychischer Störungen''. In: [[Jürgen Margraf]], S. Schneider: [|Online=https://bookswww.google.de/books?id=gHNLDwAAQBAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false ''Lehrbuch der Verhaltenstherapie''.] Band 1. Springer 2018. ISBN 978-3-662-54911-7./edition/Die_Vielgestaltigkeit_der_Psychosomatik/6zy4DgAAQBAJ}}</ref>
 
== Grundsätzliches ==
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* und atheoretisch
 
Psychische Erkrankungen werden darin also – der besseren Handhabung wegen – als Kategorien aufgefasst und nicht als Kontinuum mit fließenden Übergängen. [[Operationalisierung]] bedeutet, dass genaue, konkrete Kriterien existieren, die unbedingt zur Diagnose jeder Störung erfüllt sein müssen. Rein deskriptiv heißt, dass sich das DSM darauf beschränkt, die Symptomatik möglichst neutral zu beschreiben. Es ist auch weitgehend atheoretisch, da keine Spekulationen zu den [[Ätiologie (Medizin)|Ursachen]] oder Behandlungsempfehlungen enthalten sind.<ref>{{Literatur |Autor=Markus Jäger |Titel=Aktuelle psychiatrische Diagnostik: ein Leitfaden für das tägliche Arbeiten mit ICD und DSM |Auflage= |Verlag=Thieme |Ort= |Datum=2015 |ISBN=978-3-13-200531-0 |Kapitel=Kapitel 2.5 |Seiten=48 f |Online={{Google Buch| |BuchID=XjH8CAAAQBAJ| |Seite=48}}}}</ref>
 
Laut [[DSM-5]] ist eine psychische Störung „definiert als Syndrom, welches durch klinisch signifikante Störungen in den Kognitionen, in der Emotionsregulation und im Verhalten einer Person charakterisiert ist. Psychische Störungen sind typischerweise verbunden mit bedeutsamen Leiden oder Behinderung hinsichtlich sozialer oder berufs-/ausbildungsbezogener und anderer wichtiger Aktivitäten.“ Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass normale Trauer und sozial abweichendes Verhalten (im politischen, sexuellen oder religiösen Sinne) keine psychische Störung darstellt.<ref>{{Literatur |Hrsg=Peter Falkai, Hans-Ulrich Wittchen |Titel=Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen DSM-5 |Verlag=Hogrefe |Datum=2015 |ISBN=978-3-8017-2599-0 |Seiten=26–27}}</ref>
 
Eine Diagnose soll möglichst nützlich für die praktische klinische Arbeit sein, indem sie eine Prognose ermöglicht und die Behandlungsart vorgibt. Es ist aber zu betonen, dass eine Diagnose nicht immer gleich Behandlungsbedarf bedeutet. Ob dieser besteht, hängt auch vom [[Leidensdruck]] des Patienten, der Tragweite der Symptome und Wirkung oder Nebenwirkungen der Behandlung ab.<ref>Eva Asselmann: [{{Webarchiv|url=http://www2.ptk-hamburg.de/uploads/asselmann_dsm5.pdf |wayback=20190116134847 |text=''DSM-5 – Wesentliche Neuerungen und Implikationen für ICD-11''.] |archiv-bot=2023-12-12 00:36:59 InternetArchiveBot }} (Folie 5–6) Psychotherapeutenkammer Hamburg, 2014.</ref>
 
Das DSM wird oft als „Bibel der Psychiatrie“ bezeichnet, ist aber viel eher ein Wörterbuch. Denn letztlich stellt es nur eine Sammlung von Symptommustern dar, für die jeweils eine Namensetikette und eine Definition festgelegt wurde. Die große Stärke des DSM liegt in seiner hohen [[Reliabilität]], d.&nbsp;h., es stellt durch explizite Kriterien sicher, dass derselbe Patient möglichst überall dieselbe Diagnose bekommt. Seine Schwäche liegt jedoch in seiner geringen [[Validität]], da die bisher im DSM vorhandenen [[Syndrom]]e die tatsächliche klinische Realität nur sehr unzureichend abbilden. Die beschriebenen Symptomkomplexe (z.&nbsp;B. bei Depression) stellen lediglich vorläufige, hilfreiche Konstrukte für die klinische Praxis dar, sind aber noch keine Abgrenzungen im Sinne echter medizinischer Krankheiten ([[Nosologie|„nosologische Entitäten“]] als Ideal). Ebenfalls problematisch ist die rein symptombasierte Diagnostik, die keine objektiven [[Biomarker (Medizin)|Biomarker]] oder Labortests mit einbezieht. Auch die individuelle Lebenssituation oder der soziale Kontext der Symptome werden wenig berücksichtigt.<ref name="Insel">{{Internetquelle |autor=Thomas Insel |url=http://www.nimh.nih.gov/about/director/2013/transforming-diagnosis.shtml |titel=Director’s Blog: Transforming Diagnosis |hrsg=[[National Institute of Mental Health]] |datum=2013-04-29 |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20130529152509/http://www.nimh.nih.gov/about/director/2013/transforming-diagnosis.shtml |archiv-datum=2013-05-29 |archiv-bot=2022-10-23 13:54:29 InternetArchiveBot |abruf=2017-03 |zitat=The goal of this new manual, as with all previous editions, is to provide a common language for describing psychopathology. While DSM has been described as a “Bible” for the field, it is, at best, a dictionary, creating a set of labels and defining each. The strength of each of the editions of DSM has been “reliability” – each edition has ensured that clinicians use the same terms in the same ways. The weakness is its lack of validity.}}</ref>
 
== {{Anker|Bezug zum System ICD-10}} Bezug zur ICD-10 ==
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1968 erschien mit dem '''DSM-II''' die zweite Auflage. Sie hatte noch wenig Einfluss auf psychiatrische Lehre, Forschung und klinische Praxis. Als der bekannte Psychoanalytiker [[Irving Bieber]] gefragt wurde: „Hast du die schrecklichen Neuigkeiten gehört? Sie nehmen Homosexualität aus den zukünftigen Drucken von DSM-II heraus.“, antwortete er: „Was ist DSM-II?“<ref>[[Robert L. Spitzer]]: [http://www.hss.caltech.edu/~steve/dsm.pdf ''Values and Assumptions in the Development of DSM-III and DSM-III-R: An Insider’s Perspective and a Belated Response to Sadler, Hulgus, and Agich’s “On Values in Recent American Psychiatric Classification”''.] (PDF; 72&nbsp;kB) In: ''The Journal of Nervous and Mental Disease'', Vol. 189, Nr. 6, 2001, S. 351</ref>
 
Erst 1980 im '''DSM-III''' wurden die von der [[Weltgesundheitsorganisation|WHO]] geforderten genauen Definitionen der psychischen Störungen berücksichtigt. Die dritte Ausgabe stellte damit gerade wegen dieser konkreten expliziten Kriterien eine Revolution in der bisherigen Klassifizierung dar. Weitere Neuerungen waren die multiaxiale Einteilung (siehe unten) und die weitestgehendeweitgehende Loslösung von [[Ätiologie (Medizin)|ursachen]]- und theoriebezogener TerminologieFachsprache. Das DSM-III galt daher als „[[Paradigmenwechsel]]“ und löste eine massive Zunahme an Forschungsbemühungen aus.<ref name=":1" /> Die erste weithin angenommene DSM-Version wurde jene, die unter Leitung von [[Robert L. Spitzer]] erstellte Versionerstellt wurde die erste weithin angenommene. Später erschienen das DSM-III auch in anderen Sprachen; 1984 kam erstmals eine deutschsprachige Ausgabe heraus.
 
Schon 1987 erschien eine inhaltliche Überarbeitung dieser Auflage ('''DSM-III-R''') und bereits 1994 folgte unter der Leitung von [[Allen Frances]] das '''DSM-IV'''. Die Textrevision der vierten Auflage ('''DSM-IV-TR''') wurde 2000 veröffentlicht. Die deutsche Übersetzung davon kam dann 2003 heraus und dominierte über zehn Jahre die wissenschaftliche Diagnostik im deutschsprachigen Raum.
 
Im Mai 2013 erschien schließlich das '''DSM-5''', an dem seit 1999 gearbeitet wurde. Ab 2000 zeichnete [[Darrel A. Regier]] als Forschungsdirektor des APA verantwortlich für die Koordination der Vorbereitungsarbeiten, seit 2004 gab es eine eigene Website. Seit 2006 gab es eine Task Force unter Leitung von [[David J. Kupfer]], Darrel A. Regier fungierte als Stellvertreter. Seit 2007 trafen sich regelmäßig Arbeitsgruppen zu den verschiedenen diagnostischen Kategorien. Außerdem wurden die Forschungsergebnisse zahlreicher Konferenzen und Kongresse eingearbeitet.<ref>[https://www.psychiatry.org/psychiatrists/practice/dsm Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM–5)]</ref>
 
Das revidierte '''DSM-5-TR''' erschien 2022.<ref>{{Literatur |Autor=Michael B. First, Lamyaa H. Yousif, Diana E. Clarke, Philip S. Wang, Nitin Gogtay, Paul S. Appelbaum |Titel=DSM‐5‐TR: overview of what’s new and what’s changed |Sammelwerk=World Psychiatry |Band=21 |Nummer=2 |Datum=2022-06 |ISSN=1723-8617 |DOI=10.1002/wps.20989 |PMC=9077590 |PMID=35524596 |Seiten=218–219 |Online=https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/wps.20989 |Abruf=2023-06-17}}</ref>
 
{| class="wikitable"
! Version || Arbeitsbeginn || Englisch<br /> (USA) || Seiten<ref name="Seitenstatistik">{{Internetquelle |autor=Brutus |url=http://www.thecarlatreport.com/sites/default/files/The%20Diagnostic%20and%20Statistical%20Manual%20of%20Mental%20Disorders.pdf |titel=The Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM) By the Numbers |werk=The Carlat Report Psychiatry |datum=2011-03-29 |format=PDF |offline=1 |archiv-url=https://web.archive.org/web/20150102154731/http://www.thecarlatreport.com/sites/default/files/The%20Diagnostic%20and%20Statistical%20Manual%20of%20Mental%20Disorders.pdf |archiv-datum=2015-01-02 |archiv-bot=2022-10-23 13:54:29 InternetArchiveBot |abruf=2017-03-07}}</ref> || Diagnosen<ref name="Seitenstatistik" /><ref>James Davies: [https://books.google.de/books?id=KAwvbt9ydLEC&printsec=frontcover&dq=James+Davies:+Cracked:+Why+Psychiatry+is+Doing+More+Harm+Than+Good,+Icon+Books,+London+2013&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=snippet&q=374&f=false ''Cracked: Why Psychiatry is Doing More Harm Than Good''.] Icon Books, London 2013.</ref> || Deutsch || Französisch
|-
| ''US-Volkszählung'' || || ''1840'' || || ''1'' || – || –
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| DSM-III || 1974 || 1980 || 494|| 265 || 1984 || 1983
|-
| DSM-IIIRIII-R (''Revision'') || || 1987 || 567 || 292 || 1989 || 1989
|-
| DSM-IV || 1988 || 1994 || 886 || 297 || 1996 || 1997
|-
| DSM-IVTRIV-TR (''TextRevisionText Revision'') || || 2000 || 943 || 297 || 2003 || 2003
|-
| [[DSM-5]] || 1999 || 2013 || 947
| 374
| 2014 || 2015
|-
|DSM-5-TR (''Text Revision'')
|
|2022
|1050
|
|
|
|}
 
== {{Anker|Multiaxiale Einteilung}}Multiaxiale Einteilung ==
Im DSM-III und DSM-IV (also von 1980 bis 2013) wurden früher psychiatrische Diagnosen inauf fünf so genannten Achsen unterteiltvergeben. Ziel davon war die umfassende Beurteilung des Patienten im Sinne des [[Biopsychosoziale Medizin|biopsychosozialen Modells]]. Damals gehörte zuZu einer vollständigen Diagnose gehörte die Angabe des Zustandes auf jeder dieser fünf Achsen, wobei die Angabe auch „keine“ oder eine mehrfache sein konnte:<ref name=":0">{{Literatur |Titel=Das multiaxiale System des DSM IV |Hrsg=[[Hans-Ulrich Wittchen]] u.&nbsp;a. |Titel=Das multiaxiale System des DSM IV |Sammelwerk=Klinische Psychologie & Psychotherapie |Verlag=Springer |Datum=2011 |ISBN=9783642130175978-3-642-13017-5 |Kapitel=Kapitel 2.5.1 |Seiten=44 |Online={{Google Buch| |BuchID=BbgoBAAAQBAJ| |Seite=44}}}}</ref>
 
* Achse I: Klinische Störungen und andere klinisch relevante Probleme (Alle psychischen Störungen, Zustände und sonstigen Probleme; Beispiele: [[Schizophrenie]], Störungen der Impulskontrolle etc.).
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* Achse V: Globale Beurteilung des Funktionsniveaus anhand der [[Global Assessment of Functioning|GAF-Skala]].
 
AufIm einzelnen2013 dieser Achsen konnte die Angabe auch „keine“ oder eine mehrfache sein. Im aktuellenveröffentlichten [[DSM-5]] werden jedoch keine Achsen mehr verwendet.
 
== Kritik ==
Es wird kritisiert, dass das DSM [[symptom]]orientierte, [[Reduktionismus|reduktionistische]] [[Systematischer Fehler|Fehler]] aufweise. Außerdem wird moniert, dass die Autoren des DSM nicht unabhängig seien, weil sie finanziell von der [[Pharmaindustrie]] unterstützt würden. So stellte sich 2008 heraus, dass mehr als die Hälfte der Autoren zusätzliche Einkünfte von der Pharmaindustrie erhielten, z.&nbsp;B. Vergütungen für Vorträge oder Wirksamkeits&#xAD;studien. Dies könnte die Objektivität der Wissenschaftler bei der Definition psychiatrischer Erkrankungen getrübt haben. Aus diesem Grund wurden die Autoren des 2013 erschienenen DSM-5 dazu verpflichtet, zusätzliche Einkünfte von Seiten der Pharmaindustrie offenzulegen. Diese durften während der Erstellung des neuen DSM-5 nicht mehr als 10.000&nbsp;[[US-Dollar]] pro Jahr betragen.<ref>{{Webarchiv |url=httphttps://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=32287 |wayback=20090407004953 |text=''Psychiatrie: Häufige Interessenkonflikte der DSM-V-Autoren''. |wayback=20090407004953 |archiv-bot=2019-09-01 05:11:16 InternetArchiveBot }} In: ''[[Deutsches Ärzteblatt|aerzteblatt.de]]'', 7.&nbsp;Mai 2008. Abgerufen am 4.&nbsp;Februar 2016.</ref>
 
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass das Entscheidungsgremium der [[American Psychiatric Association]] aus einer Gruppe von 160 Personen bestehe, die lediglich durch ihren Aufstieg in den Gremien der Vereinigung legitimiert sei. Es fehlten Transparenz, wissenschaftliche Kontrolle und Kritik.<ref>[[Jörg Blech]]: ''Die Psychofalle. Wie die Seelenindustrie uns zu Patienten macht.'' Fischer 2014, S. 21.</ref>
 
Verschiedene weitere Kritikpunkte sind:
* '''Zuverlässigkeit der Diagnose:''' Nach [[Henrik Walter]] könne die Erforschung psychischer Krankheiten nur dann Fortschritte machen, wenn die Diagnosen dieser Erkrankungen auch zuverlässig ausfielen. [[Thomas R. Insel]], damaliger Leiter des [[National Institute of Mental Health]], erklärte im Jahre 2013, dass das NIMH keine Forschungsarbeiten mehr unterstütze, wenn sie alleinig die Kriterien des DSM anwenden würden. Nach seiner Aussage gruppieren sich die Definitionen des DSM um klinische Symptome, und vernachlässigen andere, für die Diagnose nützliche Datenquellen wie das [[Genom|Erbgut]], [[bildgebende Verfahren]], physiologische Umstände und kognitive Leistungen.<ref>{{Internetquelle |autor=Christopher Lane |url=https://www.psychologytoday.com/us/blog/side-effects/201305/the-nimh-withdraws-support-dsm-5 |titel=The NIMH Withdraws Support for DSM-5 |werk=Psychology Today |datum=2013-05-04 |zugriffabruf=2019-12-22|autor=Christopher Lane}}</ref> Versuche zeigten, dass gerade eine häufige Erkrankung – die unipolare Depression (major depressive disorder, MDD) – nur mit einer Übereinstimmung von [[Cohens Kappa|Kappa]] = 0.28 diagnostiziert wurde. Die am zuverlässigste diagnostizierte Krankheit war ''major neurocognitive disorder'' ([[Demenz]]), mit einem Kappa-Wert von 0.78.<ref>{{Internetquelle |titelautor=TheFreedman, InitialLewis Fieldet Trialsal. of DSM-5: New Blooms and Old Thorns|url=https://ajp.psychiatryonline.org/doi/full/10.1176/appi.ajp.2012.12091189 |autortitel=Freedman,The LewisInitial etField Trials of DSM-5: New Blooms and Old Thorns al.|werk=American Journal of Psychiatry |datum=2013-01-01 |zugriffabruf=2019-12-22}}</ref>
* '''Mangelnde Berücksichtigung der Ursachen:''' Das DSM fokussiere auf die Symptome psychischer Erkrankungen, und nicht auf die darunter liegenden Ursachen. Es ordne also die Krankheiten fast ausschließlich nach klinischen Mustern. So wurde das DSM mit einem Vogel-[[Bestimmungsbuch]] verglichen, welches für seinen Zweck zwar angemessen sei, aber auch nicht den Anspruch erhebe, die Vogelwelt nach ökologischen Gesichtspunkten zu ordnen.<ref>{{Internetquelle|autor=Paul R. McHugh|werk=JAMA|titel=: ''Striving for Coherence: Psychiatry'sPsychiatry’s Efforts Over Classification|datum=2005-05-25|zugriff=2019-12-22|url=https''. In://www ''JAMA'', 25.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/ Mai 2005; PMID 15914753}}.</ref> Dieser Umstand erschwert allerdings die Erforschung der Ursachen von psychischen Erkrankungen, insbesondere wenn es um erbliche Faktoren geht. Von [[Evolutionspsychologie|evolutionspsychologischer]] Seite wird kritisiert, dass das DSM gar nicht zwischen echten kognitiven Fehlleistungen und den Folgen von psychologischen Anpassungen unterscheide.
* '''Willkürliche Abgrenzungen:''' Dem DSM wird vorgeworfen, die Grenzen zwischen Diagnosen oder einer Diagnose und dem psychischen Normalzustand willkürlich zu setzen. So etwa müsse ein Patient eine bestimmte Anzahl Kriterien erfüllen, ohne Rücksicht auf das tatsächliche Ausmaß des Leidens. Auch nehme das Handbuch wenig Rücksicht darauf, ob es sich bei einer Beschwerde um einen krankhaften geistigen Prozess handle, oder um eine normale psychologische Reaktion auf ungünstige äußere Umstände (z.&nbsp;B. Trauer).<ref>{{Internetquelle |autor=Wakefield, Schmitz et al. |url=https://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/fullarticle/210022 |titel=Extending the Bereavment Exclusion for Major Depression to Other Losses |werk=Archives of General Psychiatry|url=https://jamanetwork.com/journals/jamapsychiatry/fullarticle/210022 |datum=2007-04 |zugriffabruf=2019-12-22}}</ref> Ebenso könne die Anzahl der vom Patienten gezeigten Symptome von mehreren sozialen wie individuellen Faktoren beeinflusst sein, was zu falsch-negativen wie auch falsch-positiven Diagnosen führe.
* '''Fehlerhafte Berücksichtigung kultureller Umstände:''' Kritiker wie [[Carl Bell]] erklären, dass das DSM die kulturelle und ethnische [[Diversität (Soziologie)|Diversität]] der Menschen nicht genügend respektiere. Mit der Einführung der 4. Auflage wurden zwar kulturell bedingte Faktoren berücksichtigt, aber wie der Anthropologe und Psychiater [[Arthur Kleinman]] feststellt, jedoch aber nur bei psychischen Störungen bzw. Konzepten, die mit ausseraußer-amerikanischen bzw. ausseraußer-europäischen Kulturen verbunden sind. Inwiefern die europäisch-amerikanisch geprägte Kultur sich auf die Diagnose psychischer Erkrankungen auswirkt, werde vom Handbuch ignoriert.<ref>{{Internetquelle|titel=Triumph or Pyrrhic Victory? The Inclusion of Culture in DSM-IV|autor=Arthur Kleinman |url=https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.3109/10673229709030563 |titel=Triumph or Pyrrhic Victory? The Inclusion of Culture in DSM-IV |werk=Harvard Review of Psychiatry |datum=2009-07-03 |zugriffabruf=2019-12-22}}</ref> [[Robert L. Spitzer]] kritisiertkritisierte, dass der EinschlußEinschluss kultureller Faktoren ausschließlich politisch und nicht wissenschaftlich motiviert gewesen sei, und dass psychiatrische Diagnosen in jedem Kulturkreis gleichermaßen gültig sein müssten. Die Mehrheit der Psychiater gehe davon aus, dass kulturelle Faktoren entweder irrelevant seien, oder dass die Kultur des Patienten nur spezifische Symptom-Präsentationen beeinflusse.<ref>{{Internetquelle |autor=Widiger &, Sankis |url=https://www.annualreviews.org/doi/full/10.1146/annurev.psych.51.1.377#_i7 |titel=Adult Psychopathology: Issues and Controversies |werk=Annual Review of Psychology |datum=2000-02 |zugriffabruf=2019-12-22|url=https://www.annualreviews.org/doi/full/10.1146/annurev.psych.51.1.377#_i7}}</ref>
 
== Siehe auch ==
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|Ort=
|Datum=2003
|ISBN=978-3-8017-1660-80}}
* {{Literatur
|Hrsg=[[Henning Saß]], Isabel Houben
|Titel=Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen
|Nummer=DSM-IV
Zeile 116 ⟶ 127:
|Ort=Göttingen
|Datum=1996
|ISBN=978-3-8017-0810-81}}
* {{Literatur
|Hrsg=Hans-Ulrich Wittchen
Zeile 124 ⟶ 135:
|Ort=Weinheim
|Datum=1989
|ISBN=978-3-407-86108-57}}
* {{Literatur
|Hrsg=Karl Koehler, [[Henning Saß]]
|Titel=Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen
|Nummer=DSM III
Zeile 132 ⟶ 143:
|Ort=Weinheim
|Datum=1984
|ISBN=978-3-407-86104-74}}
'''Falldarstellungen:'''
* {{Literatur
Zeile 140 ⟶ 151:
|Verlag=Hogrefe
|Datum=2000
|ISBN=978-3-8017-0916-7}}
* [[Robert L. Spitzer]] (Hrsg.): ''DSM-III-R-Falldarstellungen''. Beltz Verlag, 1991, ISBN 978-3-407-86112-25.
 
== Weblinks ==
* [https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/files/BMBF_Seele_aus_der_Balance_barrierefrei_17082010.pdf ''Langer Weg zur gemeinsamen Sprache – Die Klassifikation psychischer Störungen''.] (PDF; 2,7&nbsp;MB) Broschüre des [[Bundesministerium für Bildung und Forschung|BMBF]], (2011), S. 15.
* [https://www.psychiatry.org/psychiatrists/practice/dsm Offizielle Seite zur Entwicklung des DSM-5]
* [http://www.psychiatrictimes.com/DSM-5 DSM-5.] Topic Center from the ''Psychiatric Times: DSM-5]''.
 
== Einzelnachweise ==