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Nachdem bereits sein Vater<ref>{{RE|III,2|1671|1672|Cassiodorus 3|[[Ludo Moritz Hartmann]]|RE:Cassiodorus 3}}</ref> nacheinander [[Odoaker]] und dem Ostgotenkönig [[Theoderich der Große|Theoderich]] gedient hatte, wurde Cassiodor im Jahr 507 in unverhältnismäßig jungen Jahren zum ''[[quaestor sacri palatii]]'' im italischen [[Ostgoten]]reich ernannt. In dieser Funktion war er verantwortlich für die Abfassung der amtlichen Schreiben in stilisierter lateinischer Kanzleisprache. Er fungierte noch in anderen hohen Ämtern, so als ''[[corrector Lucaniae et Bruttiorum]]'' und als ''[[magister officiorum]]'' (523 bis 527). All diese spätrömischen Ämter waren, da die staatliche Infrastruktur Italiens intakt geblieben war, auch von den Ostgoten nach ihrer Eroberung Italiens (ab 489) beibehalten worden. Vereinzelt gab es Spannungen zwischen Goten und Römern. Cassiodor setzte sich dabei maßgeblich für die Aussöhnung zwischen beiden Gruppen ein. 514 war er zudem ''consul ordinarius''. Nach Theoderichs Tod 526 leitete Cassiodor unter der Regentschaft von dessen Tochter [[Amalasuntha]] die Zivilverwaltung Italiens als ''[[praefectus praetorio]]'' und ''[[patricius]] ''(533 bis 537). Nach den Thronwirren nach König [[Athalarich]]s Tod und dem Beginn der oströmischen Wiedereroberung Italiens (siehe [[Justinian I.|Justinian]] und [[Gotenkrieg (535–554)]]) zog er sich um 540 von den Staatsgeschäften zurück. Er hielt sich anschließend längere Zeit in [[Ravenna]] und [[Konstantinopel]] auf. Seinen mit Papst [[Agapitus I.|Agapit]] abgestimmten Plan, in Rom eine christliche theologische Hochschule zu gründen, wie die [[Schule von Nisibis]] im Osten,<ref>Vgl. Cassiodor, ''Institutiones divinarum et saecularium litterarum'' 1, praef. 1.</ref> konnte er (aufgrund der Kriegswirren Italien während des Gotenkriegs) nicht verwirklichen und ging zurück nach Süditalien.<ref>Siehe [[Jacques Paul Migne|Migne]], ''[[Patrologia Latina]]'' LXX, 1105 f.</ref>
 
552 erlosch das ostgotische Königtum, und 554 wurde Italien wieder der direkten kaiserlichen Herrschaft unterstellt. Als nahezu Siebzigjähriger gründete Cassiodor im selben Jahr auf seinen väterlichen Erbgütern am Strand des Meerbusens des heutigen Orts Squillace in Kalabrien das [[Kloster|klosterähnliche]] Bildungsinstitut<ref>[[Heinrich Schipperges]] †: ''Cassiodorus, Senator Flavius Magnus Aurelius.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 233 f.;, hier: S. 233.</ref> [[Vivarium (Kloster)|Vivarium]] (richtiger: ''Monasterium Vivariense'', wie es von Cassiodor selbst genannt wurde), das seinen Namen den zahlreichen Fischbecken verdankte, die dort in den Felsen ausgehöhlt worden waren. Vielfach wurde in der älteren Literatur angenommen, er sei selbst als Mönch in das Kloster eingetreten und dort [[Abt]] geworden. Diese Annahme stützt sich auf schriftliche Äußerungen Cassiodors, die zwar in diesem Sinne interpretierbar sind, jedoch keine sichere und eindeutige Schlussfolgerung zulassen. Er spricht wiederholt von seiner ''conversio'', die nach Beendigung seiner politischen Laufbahn eingetreten sei. Im Vorwort zu seinem großen Psalterkommentar heißt es: „Möge Gott uns die Gnade erweisen, dass wir den Acker unseres Herrn, unermüdlichen Zugtieren gleich, mit der Pflugschar der Observanz und der klösterlichen Übungen durchfurchen.“ Auch nennt er die Klosterbrüder mehrfach „meine Mönche“ (''monachi mei''). Außerdem ist bekannt, dass er es den Mönchen zur Pflicht gemacht hatte, von ihm selbst gesammelte Handschriften abzuschreiben, wodurch er zum Retter bedeutender Schriften und somit zum Vermittler zwischen Antike und Mittelalter wurde.<ref>Friedrich Bautz (Hrsg.): ''Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon.'' Band 1. Hamm 1996, Sp. 953–955.</ref> Demzufolge müsste er gegenüber den Mönchen weisungsberechtigt gewesen sein.
 
Passagen seiner Werke lassen aber auch die Schlussfolgerung zu, dass er außerhalb des Klosters gewohnt haben dürfte. So unterscheidet er deutlich zwischen seiner Privatbibliothek und der Klosterbibliothek. In der neueren Forschung hat sich daher weitgehend die Auffassung durchgesetzt, Cassiodor sei nie Abt oder Mönch gewesen.<ref>Die Gründe für diese Annahme sind eingehend dargelegt bei André van de Vyver: ''Cassiodore et son œuvre.'' In: [[Speculum (Zeitschrift)|Speculum]] 6 (1931) 244–292, hier: S. 260–263. Seiner Auffassung folgen u. a. Vito A. Sirago: ''I Cassiodoro'', Soveria Mannelli 1983, S. 108f.; Rudolf Helm: ''Cassiodorus''. In: ''[[Reallexikon für Antike und Christentum]]'' Bd. 2, Stuttgart 1954, Sp. 915–926, hier: Sp. 919–920; [[Åke Fridh]]: ''Cassiodor''. In: [[Theologische Realenzyklopädie]], Bd. 7, 1981, S. 657–663, [http://books.google.de/books?id=unszemYxWQEC&pg=PA659 hier: 659]; Walter Eder: ''Cassiodorus''. In: [[Der Neue Pauly]] Bd. 2, Stuttgart 1997, Sp. 1004–1007, hier: 1005; Wolfgang Bürsgens (Hrsg.): ''Cassiodor: Institutiones divinarum et saecularium litterarum'', Freiburg i. Br. 2003, S. 20; Arnaldo Momigliano: ''Cassiodoro''. In: ''[[Dizionario Biografico degli Italiani]]'' Bd. 21, 1978, S. 494–504, hier: 499; Charles Pietri, Luce Pietri (Hrsg.): ''Prosopographie chrétienne du Bas-Empire'', Teil 2: ''Prosopographie de l’Italie chrétienne (313–604)'', Bd. 1, Rom 1999, S. 407; Salvatore Pricoco: ''Spiritualità monastica e attività culturale nel cenobio di Vivarium''. In: Sandro Leanza (Hrsg.): ''Flavio Magno Aurelio Cassiodoro'', Soveria Mannelli 1986, S. 357–377, hier: 360. 373. Gegenteiliger Auffassung war noch Hans Thiele: ''Cassiodor, seine Klostergründung Vivarium und sein Nachwirken im Mittelalter''. In: ''Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige''. Bd. 50 (1932), S. 378–419.</ref> Mit der Klostergründung, die sich an den monastischen Schriften des [[Johannes Cassianus]] orientierte, verfolgte Cassiodor offenbar das Ziel, dem lateinisch-[[weströmisch]]en Mönchtum eine ähnlich gut ausgearbeitete [[Christliche Theologie|theologische]] Grundlage zu geben, wie sie das oströmisch-griechische bereits besaß (siehe auch [[Schule von Nisibis]]) und bereitete damit die Basis für wissenschaftliche Tätigkeiten der Klöster, wie sie etwa aus dem Bestand ihrer Bibliotheken hervorgeht.