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[[Datei:Gesta Theodorici - Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus (c 485 - c 580).jpg|mini|Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus Senator]]
 
'''Cassiodor''', lateinisch '''Cassiodorus''' (vollständiger Name ''Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus Senator'', kurz ''Cassiodorus Senator''; * um 485 in [[Squillace|Scylaceum]], [[Bruttium]]; † um [[580]] im [[Vivarium (Kloster)|Kloster Vivarium]] bei [[Scylaceum]]), war ein [[spätantike]]r römischer Staatsmann, Gelehrter und Schriftsteller.
 
== Leben ==
Cassiodor stammte aus einer alten und hochangesehenen Familie der [[Römischer Senat|senatorischen]] [[Nobilität|Reichsaristokratie]], die vor seiner Zeit bereits in den beiden Hauptstädten des [[Römisches Reich|Römischen Reiches]], [[Rom]] und [[Konstantinopel]], wichtige Amtsträger gestellt hatte. Die Familie, deren Ursprünge in der syrischen Provinz des Imperiums lagen und die es zu beträchtlichem Reichtum gebracht hatte, besaß später vor allem in Süditalien (bei [[Squillace]], [[Kalabrien]]) umfangreiche Ländereien. Der Urgroßvater, der Großvater und auch der Vater, die alle ebenfalls Cassiodorus hießen, bekleideten – wie später er selbst – hohe Staatsämter. Ein Fragment aus einem verlorenen Werk Cassiodors, das so genannte ''Anecdoton Holderi'',.<ref>[[Hermann Usener]]: ''Anecdoton Holderi. Ein Beitrag zur Geschichte Roms in ostgothischer Zeit.'' Bonn 1877 ([https://archive.org/details/anecdotonholder00unkngoog Online] bei [[archive.org]]).</ref> beschreibt in knapper Form seinen Werdegang.
 
Cassiodors Urgroßvater<ref>{{RE|III,2|1671||Cassiodorus 1|[[Ludo Moritz Hartmann]]|RE:Cassiodorus 1}}</ref> hatte sich um die Verteidigung der Küsten [[Sizilien]]s und [[Unteritalien]]s gegen die Kriegsflotten des in [[Karthago]] residierenden [[Vandalen]]königs [[Geiserich]] verdient gemacht. Der Großvater<ref>{{RE|III,2|1671||Cassiodorus 2|[[Ludo Moritz Hartmann]]|RE:Cassiodorus 2}}</ref> desselben Namens war ''[[Militärtribun|Tribuntribunus et notarius]]'' (eine Art Geheimsekretär) unter [[Valentinian III.]] gewesen; er hatte mit dem römischen Heermeister [[Flavius Aëtius|Aëtius]] zusammengearbeitet und war gemeinsam mit dessen Sohn Carpilio als Unterhändler zu [[Attila]] gesandt worden, als dieser Italien bedrohte. Cassiodors Großvater zog sich später nach [[Bruttium]] ins Privatleben zurück, wo die Familie ihre Ländereien besaß.<ref>{{RE|III,2|1671||Cassiodorus 2|[[Ludo Moritz Hartmann]]|RE:Cassiodorus 2}}</ref>
 
Nachdem bereits sein Vater<ref>{{RE|III,2|1671|1672|Cassiodorus 3|[[Ludo Moritz Hartmann]]|RE:Cassiodorus 3}}</ref> nacheinander [[Odoaker]] und dem Ostgotenkönig [[Theoderich der Große|Theoderich]] gedient hatte, wurde Cassiodor im Jahr 507 in unverhältnismäßig jungen Jahren zum ''[[quaestor sacri palatii]]'' im italischen [[OstgotenOstgotenreich]]reich ernannt. In dieser Funktion war er verantwortlich für die Abfassung der amtlichen Schreiben in stilisierter lateinischer Kanzleisprache. Er fungierte noch in anderen hohen Ämtern, so als ''[[corrector Lucaniae et Bruttiorum]]'' und als ''[[magister officiorum]]'' (523 bis 527). All diese spätrömischen Ämter waren, da die staatliche Infrastruktur Italiens intakt geblieben war, auch von den Ostgoten nach ihrer Eroberung Italiens (ab 489) beibehalten worden. Vereinzelt gab es Spannungen zwischen Goten und Römern. Cassiodor setzte sich dabei maßgeblich für die Aussöhnung zwischen beiden Gruppen ein. 514 war er zudem ''consul ordinarius''. Nach Theoderichs Tod 526 leitete Cassiodor unter der Regentschaft von dessen Tochter [[Amalasuntha]] die Zivilverwaltung Italiens als ''[[praefectus praetorio]]'' und ''[[patricius]] ''(533 bis 537). Nach den Thronwirren nach König [[Athalarich]]s Tod und dem Beginn der oströmischen Wiedereroberung Italiens (siehe [[Justinian I.|Justinian]] und [[Gotenkrieg (535–554)]]) zog er sich um 540 von den Staatsgeschäften zurück. Er hielt sich anschließend längere Zeit in [[Ravenna]] und [[Konstantinopel]] auf. Seinen mit Papst [[Agapitus I.|Agapit]] abgestimmten Plan, in Rom eine christliche theologische Hochschule zu gründen, wie die [[Schule von Nisibis]] im Osten,<ref>Vgl. Cassiodor, ''Institutiones divinarum et saecularium litterarum'' 1, praef. 1.</ref> konnte er (aufgrund– infolge der Kriegswirren in Italien während des Gotenkriegs) nicht verwirklichen und ging zurück nach Süditalien.<ref>Siehe [[Jacques Paul Migne|Migne]], ''[[Patrologia Latina]]'' LXX, 1105 f.</ref>
 
552 erlosch das ostgotische Königtum, und 554 wurde Italien wieder der direkten kaiserlichen Herrschaft unterstellt. Als nahezu Siebzigjähriger gründete Cassiodor im selben Jahr auf seinen väterlichen Erbgütern am Strand des Meerbusens des heutigen Orts Squillace in Kalabrien das [[Kloster|klosterähnliche]] Bildungsinstitut<ref>[[Heinrich Schipperges]]: ''Cassiodorus, Senator Flavius Magnus Aurelius.'' In: [[Werner E. Gerabek]], Bernhard D. Haage, [[Gundolf Keil]], Wolfgang Wegner (Hrsg.): ''Enzyklopädie Medizingeschichte.'' De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 233 f., hier: S. 233.</ref> und Kloster [[Vivarium (Kloster)|Vivarium]]. (richtiger:Das ''Monasterium Vivariense'', wie es von Cassiodor selbst genannt wurde), daserhielt seinen Namen von den zahlreichen Fischbecken verdankte, die dort in den Felsen ausgehöhlt und angelegt worden waren. Vielfach wurde in der älteren Literatur angenommen, er sei selbst als Mönch in das Kloster eingetreten und dort [[Abt]] geworden. Diese Annahme stützt sich auf schriftliche Äußerungen Cassiodors, die zwar in diesem Sinne interpretierbar sind, jedoch keine sichere und eindeutige Schlussfolgerung zulassen. Er spricht wiederholt von seiner ''conversio'', die nach Beendigung seiner politischen Laufbahn eingetreten sei. Im Vorwort zu seinem großen Psalterkommentar heißt es: „Möge Gott uns die Gnade erweisen, dass wir den Acker unseres Herrn, unermüdlichen Zugtieren gleich, mit der Pflugschar der Observanz und der klösterlichen Übungen durchfurchen.“ Auch nennt er die Klosterbrüder mehrfach „meine Mönche“ (''monachi mei''). Außerdem ist bekannt, dass er es den Mönchen zur Pflicht gemacht hatte, von ihm selbst gesammelte Handschriften abzuschreiben, wodurch er zum Retter bedeutender Schriften und somit zum Vermittler zwischen Antike und Mittelalter wurde.<ref>Friedrich Bautz (Hrsg.): ''Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon.'' Band 1. Hamm 1996, Sp. 953–955.</ref> Demzufolge müsste er gegenüber den Mönchen weisungsberechtigt gewesen sein.
 
Passagen seiner Werke lassen aber auch die Schlussfolgerung zu, dass er außerhalb des Klosters gewohnt haben dürfte. So unterscheidet er deutlich zwischen seiner Privatbibliothek und der Klosterbibliothek. In der neueren Forschung hat sich daher weitgehend die Auffassung durchgesetzt, Cassiodor sei nie Abt oder Mönch gewesen.<ref>Die Gründe für diese Annahme sind eingehend dargelegt bei André van de Vyver: ''Cassiodore et son œuvre.'' In: ''[[Speculum (Zeitschrift)|Speculum]].'' 6 (1931), S. 244–292, hier: S. 260–263. Seiner Auffassung folgen u. a. Vito A. Sirago: ''I Cassiodoro'', Soveria Mannelli 1983, S. 108f.; Rudolf Helm: ''Cassiodorus.''. In: ''[[Reallexikon für Antike und Christentum]]'' Bd. 2, Stuttgart 1954, Sp. 915–926, hier: Sp. 919–920; [[Åke Fridh]]: ''Cassiodor.''. In: ''[[Theologische Realenzyklopädie]]'', Bd. 7, 1981, S. 657–663, [http://books.google.de/books?id=unszemYxWQEC&pg=PA659 hier: 659]; Walter Eder: ''Cassiodorus.''. In: ''[[Der Neue Pauly]]'', Bd. 2, Stuttgart 1997, Sp. 1004–1007, hier: Sp. 1005; Wolfgang Bürsgens (Hrsg.): ''Cassiodor: Institutiones divinarum et saecularium litterarum.'', Freiburg i. Br. 2003, S. 20; Arnaldo Momigliano: ''Cassiodoro.''. In: ''[[Dizionario Biografico degli Italiani]].'' Bd. 21, 1978, S. 494–504, hier: S. 499; Charles Pietri, Luce Pietri (Hrsg.): ''Prosopographie chrétienne du Bas-Empire'', Teil 2: ''Prosopographie de l’Italie chrétienne (313–604)'', Bd. 1, Rom 1999, S. 407; Salvatore Pricoco: ''Spiritualità monastica e attività culturale nel cenobio di Vivarium.''. In: Sandro Leanza (Hrsg.): ''Flavio Magno Aurelio Cassiodoro.'', Soveria Mannelli 1986, S. 357–377, hier: 360S. 360 und 373. Gegenteiliger Auffassung war noch Hans Thiele: ''Cassiodor, seine Klostergründung Vivarium und sein Nachwirken im Mittelalter.''. In: ''Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige.''. Bd. 50 (1932), S. 378–419.</ref> Mit der Klostergründung, die sich an den monastischen Schriften des [[Johannes Cassianus]] orientierte, verfolgte Cassiodor offenbar das Ziel, dem lateinisch-[[weströmisch]]en Mönchtum eine ähnlich gut ausgearbeitete [[Christliche Theologie|theologische]] Grundlage zu geben, wie sie das oströmisch-griechische bereits besaß (siehe auch [[Schule von Nisibis]]) und bereitete damit die Basis für wissenschaftliche Tätigkeiten der Klöster, wie sie etwa aus dem Bestand ihrer Bibliotheken hervorgeht.
 
== Werke und Bedeutung ==
[[Datei:Bamberg.Cassiodor Vivarium.jpg|mini|Cassiodor, ''Institutiones divinarum et saecularium litterarum'' in einer Handschrift des späten 8. &nbsp;Jahrhunderts. Bamberg, [[Staatsbibliothek Bamberg|Staatsbibliothek]], Ms. Patr. 61, fol. 29v]]
Am Ende der [[Spätantike]] waren erhebliche Teile der antiken lateinischen Literatur im Westen des ''Imperium Romanum'' [[Bücherverluste in der Spätantike|bereits verloren]]; gerade der Gotenkrieg ab 535, der Italien schwer verwüstet hatte, hatte hier noch einmal zu dramatischen Einbußen geführt. Als herausragende Leistung Cassiodors wird daher angesehen, dass er – neben [[Boëthius]] und [[Martianus Capella]]<ref>Siehe [[Dietrich Benner]] und [[Jürgen Oelkers]] (Hrsg.): '' Historisches Wörterbuch der Pädagogik'', Beltz Verlag, Weinheim/Basel 2004, S. 642 und Hermann Weimer: ''Geschichte der Pädagogik'', 3. Auflage, G. I. Göschen’sche Verlagshandlung, Leipzig 1910, S. 15.</ref> und in der Nachfolge von [[Quintus Aurelius Symmachus]] und [[Quintus Aurelius Memmius Symmachus]] – bedeutendes Schrifttum und Bildungsgut der Antike erhielt und dem lateinischen Westen des [[Frühmittelalter]]s vermittelte. In Kenntnis der Handschriften der antiken Literatur verfasste er mit seiner Schrift ''[[Institutiones divinarum et saecularium litterarum]]'' unter anderem einen Literaturführer, in dem er sowohl wissenschaftliche Schriften der Antike als auch Schriften der Kirchenväter und der Bibel empfiehlt, und eine Anleitung für das sorgfältige Abschreiben religiöser und ausdrücklich auch profaner Handschriften nach zuverlässigen Vorlagen und erklärte deren Vervielfältigung und Sammlung zur Aufgabe der Mönche. Die Abschriften wie deren Vorlagen ließ er archivieren und zu einer Bibliothek zusammenfassen. Daneben wurden auch Übersetzungen und Exzerpte angefertigt, was angesichts des zunehmenden Schwunds griechischer Bildung im lateinischsprachigen Westen eine entscheidende Voraussetzung für die Überlieferung griechischer Literatur im Abendland darstellte. Seine wichtigsten Schüler waren [[Bellator]], [[Mutianus Scholasticus]] und [[Epiphanios Scholastikos]], dessen auf den griechischen Kirchenhistorikern [[Sokrates Scholastikos]], [[Sozomenos]] und [[Theodoret]] basierende lateinische ''Historia ecclesiastica tripartita'' weite Verbreitung erlangte.
 
Am Ende der [[Spätantike]] warenhatte es unwiederbringliche [[Bücherverluste in der Spätantike|Bücherverluste]] gegeben, so dass erhebliche Teile der antiken lateinischen Literatur im Westen des ''Imperium Romanum'' [[Bücherverlusteverloren ingegangen derwaren. Spätantike|bereits verloren]]; geradeGerade der Gotenkrieg ab 535, der Italien schwer verwüstet hatteverwüstete, hatte hier noch einmal zu dramatischen Einbußen geführt. Als herausragende Leistung Cassiodors wird daher angesehen, dass er – neben [[Boëthius]] und [[Martianus Capella]]<ref>Siehe [[Dietrich Benner]] und [[Jürgen Oelkers]] (Hrsg.): '' Historisches Wörterbuch der Pädagogik'', Beltz Verlag, Weinheim/Basel 2004, S. 642 und Hermann Weimer: ''Geschichte der Pädagogik'', 3. Auflage, G. I. Göschen’sche Verlagshandlung, Leipzig 1910, S. 15.</ref> und in der Nachfolge von [[Quintus Aurelius Symmachus]] und [[Quintus Aurelius Memmius Symmachus]] – bedeutendes Schrifttum und Bildungsgut der Antike erhielt und dem lateinischen Westen des [[Frühmittelalter]]s vermittelte. In Kenntnis der Handschriften der antiken Literatur verfasste er mit seiner Schrift ''[[Institutiones divinarum et saecularium litterarum]]'' unter anderem einen Literaturführer, in dem er sowohl wissenschaftliche Schriften der Antike als auch Schriften der Kirchenväter und der Bibel empfiehlt, und eine Anleitung für das sorgfältige Abschreiben religiöser und ausdrücklich auch profaner Handschriften nach zuverlässigen Vorlagen und erklärte deren Vervielfältigung und Sammlung zur Aufgabe der Mönche. Die Abschriften wie deren Vorlagen ließ er archivieren und zu einer Bibliothek zusammenfassen. Daneben wurden auch Übersetzungen und Exzerpte angefertigt, was angesichts des zunehmenden Schwunds griechischer Bildung im lateinischsprachigen Westen eine entscheidende Voraussetzung für die Überlieferung griechischer Literatur im Abendland darstellte. Seine wichtigsten Schüler waren [[Bellator]], [[Mutianus Scholasticus]] und [[Epiphanios Scholastikos]], dessen auf den griechischen Kirchenhistorikern [[Sokrates Scholastikos]], [[Sozomenos]] und [[Theodoret]] basierende lateinische ''Historia ecclesiastica tripartita'' weite Verbreitung erlangte.
Cassiodor gilt zudem als Schöpfer des christlichen mittelalterlichen Lehrplans.<ref>[[Josef Dolch]]: ''Lehrplan des Abendlandes''. Ratingen 1959, S. 78</ref> Mit seinen ''Institutiones'' als einer Studienordnung schuf er eine der konstitutiven Voraussetzungen für die abendländische Schule. Die didaktische Absicht zielte auf ein Bewusstsein des systematischen Zusammenhangs in einer Synthese von heidnischer Wissenschaft und christlichem Glauben. Er rettete die klassischen Studien im ersten Lehrplan des Abendlandes ins Kloster. Die Institutiones erfuhren nach der Auflösung des Klosterseminars in dem neu entstandenen abendländischen Kulturraum eine konsekutive Überlieferung in verschiedene Erscheinungsformen der Schule.<ref>Siehe Günter Ludwig: ''Cassiodor. Über den Ursprung der abendländischen Schule.'' Frankfurt a.&nbsp;M. 1967, S. VII, 1, 4, 161-166.</ref>
 
Cassiodor gilt zudem als Schöpfer des christlichen mittelalterlichen Lehrplans.[[Lehrplan]]s<ref>[[Josef Dolch]]: ''Lehrplan des Abendlandes''. Ratingen 1959, S. 78</ref> und sogar der mittelalterlichen [[Pädagogik]].<ref name="karolin" >Erna Patzelt: ''Die karolingische Renaissance. Beiträge zur Geschichte der Kultur des frühen Mittelalters.'' Ergänzt um ein Gesamtregister und einige Abbildungen. Zusammen mit Cyrille Vogel: ''La reforme culturelle sous Pépin le Bref et sous Charlemangen.'' 2. Auflage, Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1965, S. 54.</ref> Mit seinen ''Institutiones'' als einer Studienordnung schuf er eine der konstitutiven Voraussetzungen für die abendländische Schule. Die didaktische Absicht zielte auf ein Bewusstsein des systematischen Zusammenhangs in einer Synthese von heidnischer Wissenschaft und christlichem Glauben. Er rettete die klassischen Studien im ersten Lehrplan des Abendlandes ins Kloster. Die ''Institutiones'' erfuhren nach der Auflösung des Klosterseminars in dem neu entstandenen abendländischen Kulturraum eine konsekutive[[konsekutiv]]e Überlieferung in verschiedene Erscheinungsformen der Schule.<ref>Siehe Günter Ludwig: ''Cassiodor. Über den Ursprung der abendländischen Schule.'' Frankfurt a.&nbsp;M. 1967, S. VII, 1, 4, 161-166.</ref> Cassiodor betonte zudem die Notwendigkeit der Pflege der Medizin im [[Benediktiner]]orden.<ref>[[Paul Diepgen]], [[Heinz Goerke]]: ''[[Ludwig Aschoff|Aschoff]]/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.'' 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 17.</ref> Die Historikerin [[Erna Patzelt]] nennt für das sich anschließende 7. Jahrhundert das einflussreiche Wirken von [[Prudentius]] und [[Isidor von Sevilla]].<ref name="karolin" />
Cassiodor verfasste zahlreiche Schriften. Erhalten ist etwa eine knappe und wenig ergiebige Weltchronik (''Chronica'', siehe [[Chronik (Cassiodor)]]), die bis 519 reicht und besonders aufgrund der Konsularsdatierung von Bedeutung ist. Ebenfalls erhalten ist seine Sammlung ''[[Variae (epistulae)]]'', die 12 Bücher umfasst. Die Sammlung wurde wohl um 538 von Cassiodor angefertigt und enthält über 400 administrative Schreiben, die wichtige Einblicke in die Verwaltung des ostgotischen Königreichs erlaubt. Sie umfasst Briefe und Edikte der Ostgotenkönige in Italien, dazu Urkunden und Erlasse Cassiodors in seiner Funktion als ''praefectus praetorio''. Die Schreiben wurden in den meisten Fällen von Cassiodor in hochrhetorischem Stil ausgearbeitet und sind oft mit weit über den Anlass hinausgreifenden Exkursen ethischen oder kulturgeschichtlichen Inhalts angereichert.
 
Cassiodor verfasste zahlreiche Schriften. Erhalten ist etwa eine knappe und wenig ergiebige Weltchronik (''Chronica'', siehe [[Chronik (Cassiodor)]]), die bis 519 reicht und besonders aufgrund der Konsularsdatierung von Bedeutung ist. Ebenfalls erhalten ist seine Sammlung ''[[Variae (epistulae)]]'', die 12zwölf Bücher umfasst. Die Sammlung wurde wohl um 538 von Cassiodor angefertigt und enthält über 400 administrative Schreiben, die wichtige Einblicke in die Verwaltung des ostgotischen Königreichs erlaubt. Sie umfasst Briefe und Edikte der Ostgotenkönige in Italien, dazu Urkunden und Erlasse Cassiodors in seiner Funktion als ''praefectus praetorio''. Die Schreiben wurden in den meisten Fällen von Cassiodor in hochrhetorischem Stil ausgearbeitet und sind oft mit weit über den Anlass hinausgreifenden Exkursen ethischen oder kulturgeschichtlichen Inhalts angereichert.
Cassiodors Werk ''Geschichte der Goten'' (''Historia Gothorum'') in 12 Büchern, das er im Auftrag König Theoderichs begonnen und unter [[Athalarich]] vollendet hatte, ist verloren gegangen.<ref>Vgl. allgemein Weißensteiner, ''Cassiodor/Jordanes als Geschichtsschreiber''.</ref> Es stand jedoch einige Tage lang [[Jordanes]] zur Verfügung (nach dessen eigener Aussage), der es als Quelle für sein zusammenfassendes Geschichtswerk ''[[Getica]]'' heranzog. Mit Jordanes’ Bezugnahme auf Cassiodors ''Geschichte der Goten'' sind seit langem Forschungsprobleme verbunden. So ist ungeklärt, inwieweit die von Jordanes angefertigte Kurzfassung letztendlich auf Cassiodors Werk beruht. In der modernen Forschung wird davon ausgegangen, dass die Urgeschichte der Goten von Jordanes idealisiert und teils mit fiktiven Elementen angereichert wurde.<ref>Siehe dazu ausführlich Christensen, ''Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths''.</ref>
 
Cassiodors Werk ''Geschichte der Goten'' (''Historia Gothorum'') in 12zwölf Büchern, das er im Auftrag König Theoderichs begonnen und unter [[Athalarich]] vollendet hatte, ist verloren gegangen.<ref>Vgl. allgemein Weißensteiner, ''Cassiodor/Jordanes als Geschichtsschreiber''.</ref> Es stand jedoch einige Tage lang [[Jordanes]] zur Verfügung (nach dessen eigener Aussage), der es als Quelle für sein zusammenfassendes Geschichtswerk ''[[Getica]]'' heranzog. Mit Jordanes’ Bezugnahme auf Cassiodors ''Geschichte der Goten'' sind seit langem Forschungsprobleme verbunden. So ist ungeklärt, inwieweit die von Jordanes angefertigte Kurzfassung letztendlich auf Cassiodors Werk beruht. In der modernen Forschung wird davon ausgegangen, dass die Urgeschichte der Goten von Jordanes idealisiert und teils mit fiktiven Elementen angereichert wurde.<ref>Siehe dazu ausführlich Christensen, ''Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths''.</ref>
 
In Anlehnung an die ''Enarrationes in Psalmos'' des Augustinus verfasste Cassiodor daneben sein im Mittelalter einflussreichstes Werk, eine theologische [[Exegese|Auslegung]] der [[Psalmen]], Anleitungen zum Studium der [[Bibel]] und grammatikalische Schriften. In seinem 93. Lebensjahr verfasste er als letzte Schrift ''De orthographia'', eine Zusammenstellung über lateinische Orthographie, die auf die Werke von acht Grammatikern zurückgreift. Die Schrift gilt als wertvoll, weil sie Auszüge aus verlorengegangenen Werken enthält. In das Einleitungskapitel dazu fügte er ein Verzeichnis seiner eigenen Schriften seit 540 ein.
 
In Anlehnung an die ''Enarrationes in Psalmos'' des Augustinus verfasste Cassiodor daneben sein im Mittelalter einflussreichstes Werk, eine theologische [[Exegese|Auslegung]] der [[Psalmen]], Anleitungen zum Studium der [[Bibel]] und grammatikalische Schriften. In seinem 93. Lebensjahr verfasste er als letzte Schrift ''De orthographia'', eine Zusammenstellung über lateinische Orthographie, die auf die Werke von acht Grammatikern zurückgreift. Die Schrift gilt als wertvoll, weil sie Auszüge aus verlorengegangenen Werken enthält. In das Einleitungskapitel dazu fügte er ein Verzeichnis seiner eigenen Schriften seit 540 ein.
Seine Schrift ''De artibus ac disciplinis liberalium litterarum'' (Buch II seiner ''Institutiones'') enthält mit ''Institutiones musicae'' eine wichtige Quelle zur mittelalterlichen Musiktheorie.
 
Am 23. Juli 2021 schloss das Erzbistum Catanzaro-Squillace den am 7. Februar 2020 eingeleiteten Informativprozess für eine Seligsprechung Cassiodors auf diözesaner Ebene ab.<ref>{{Internetquelle |url=http://newsaints.faithweb.com/year/12th_century.htm#Cassiodorus |titel=Pre-13th Century |abruf=2023-06-17}}</ref>
== Werkliste (Auszug) ==
 
== Werkliste (Auszug) ==
* ''[[Chronik (Cassiodor)|Chronica]]''
* ''Historia Gothorum'' (nicht erhalten, als Quelle benutzt von [[Jordanes]] für sein Werk ''Getica'')
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== Ausgaben und Übersetzungen ==
Eintrag in ''[[Clavis Historicorum Antiquitatis Posterioris]] (CHAP)''.<ref>[https://www.late-antique-historiography.ugent.be/database/authors/343 Database: Clavis Historicorum Antiquitatis Posterioris (CHAP) / Late Antique Historiography]</ref>
 
* {{MGH|AuctAnt|12}}
* ''Cassiodori senatoris chronica.''. In: {{MGH|AuctAnt|11|109|161}}
* Lieve Van Hoof, Peter Van Nuffelen (Hrsg./Übers.): ''The Fragmentary Latin Histories of Late Antiquity (AD 300–620). Edition, Translation and Commentary.'' Cambridge University Press, Cambridge 2020, S. 194ff.
* Michael Shane Bjornlie (Hrsg.): ''Cassiodorus. The Variae. The Complete Translation.'' University of California Press, Oakland 2019.
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== Literatur ==
 
* José M. Alonso-Núñez, Joachim Gruber: ''Cassiodor(us).'' In: ''[[Lexikon des Mittelalters]].'' Band 2. Artemis, München/Zürich 1983, ISBN 3-7608-8902-6, Sp. 1551–1554.
* Michael Shane Bjornlie: ''Politics and Tradition Between Rome, Ravenna and Constantinople. A Study of Cassiodorus and the Variae, 527–554.'' Cambridge University Press, Cambridge 2013.
* Steffen Boßhammer: ''Wege zum Frieden im nachrömisch-gotischen Italien. Programmatik und Praxis gesellschaftlicher Kohärenz in den Variae Cassidors.'' De Gruyter, Berlin/Boston 2021.
* Arne Søby Christensen: ''Cassiodorus, Jordanes and the History of the Goths. Studies in a Migration Myth.'' Museum Tusculanum Press, Kopenhagen 2002.
* {{TRE|7|657|663|Cassiodor|[[Åke Fridh]]}}
* Brigitte Englisch: ''Die [[Sieben Freie Künste|Artes liberales]] im frühen Mittelalter (5.–9. Jh.). Das Quadrivium und der Komputus als Indikatoren für Kontinuität und Erneuerung der exakten Wissenschaften zwischen Antike und Mittelalter'' (= ''Sudhoffs Archiv. Beihefte.'' Heft 33). Stuttgart 1994.
* Gerda Heydemann: ''Cassiodors Psalmenkommentar. Exegese, Politik und die christliche Neuordnung der römischen Welt.'' Franz Steiner, Stuttgart 2024.
* [[Georg Jenal]]: ''(Flavius) Magnus Cassiodorus Senator.'' In: [[Wolfram Ax]] (Hrsg.): ''Lateinische Lehrer Europas. Fünfzehn Portraits von Varro bis Erasmus von Rotterdam.'' Böhlau, Köln 2005, ISBN 3-412-14505-X, S. 217–246
* Christina Kakridi: ''Cassiodors Variae.'' Saur, München 2005, ISBN 3-598-77835-X.
* [[Günter Ludwig (Pädagoge)|Günter Ludwig]]: ''Cassiodor. Über den Ursprung der abendländischen Schule.'' Akademische Verlagsgesellschaft, Frankfurt a.am M.Main 1967.
* Pierfrancesco Porena: ''De Ravenne à Constantinople: les deux vies de Cassiodore''. In: ''Revue des Études Tardo-antiques'' 9 (2021), S. 57–81.
* {{DBI|Verfasser=[[Arnaldo Momigliano]]|ID=cassiodoro_(Dizionario-Biografico)/|Lemma=Cassiodoro|Band=21|SeiteVon=494|SeiteBis=504|Kommentar=|kurz=}}
* James J. O’Donnell: ''Cassiodorus.'' Berkeley 1979 ([http://www9.georgetown.edu/faculty/jod/texts/cassbook/toc.html online]).
* Johannes Weißensteiner: ''Cassiodor / Jordanes als Geschichtsschreiber.'' In: [[Anton Scharer]], [[Georg Scheibelreiter]] (Hrsg.): ''Historiographie im frühen Mittelalter.'' Wien 1994, S. 308–325 ([https://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/z/zsn2da5410238.pdf Digitalisat]).
 
== Weblinks ==
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* {{DNB-Portal|118519514}}
* {{DDB|Person|118519514}}
Eintrag* in ''[[Clavis Historicorum Antiquitatis Posterioris]] (CHAP)''.<ref>[https://www.late-antique-historiography.ugent.be/database/authors/343 Database:Eintrag] in ''[[Clavis Historicorum Antiquitatis Posterioris]] (CHAP) / Late Antique Historiography]</ref>''
* [http://opac.regesta-imperii.de/lang_de/suche.php?thes=Cassiodor+%28490c-583c%29 Veröffentlichungen zu Cassiodor] im Opac der [[Regesta Imperii]]
;Werke
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* Die Briefe Cassiodors: [http://www.gutenberg.org/ebooks/18590 engl. Übersetzung und Zusammenfassung der '''Variae''', ed. Thomas Hodgkin 1886]; alternativ: [http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k731112 PDF]
;Sekundärliteratur
* James J. O’Donnell: {{Webarchiv | url=http://ccat.sas.upenn.edu/jod/cassiodorus.html | wayback=20090603085529 | text=Website}}
* ''Theologische Realenzyklopädie'' (Gerhard Krause und Gerhard Müller, Hrsg.). De Gruyter, Berlin/ New York 1981, Band 7, S. 657–663 ([http://books.google.de/books?id=unszemYxWQEC&pg=PA657 eingeschränkte Vorschau])
 
== Anmerkungen ==
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[[Kategorie:Autor]]
[[Kategorie:Literatur (Latein)]]
[[Kategorie:Römischer Konsul (Römische KaiserzeitSpätantike)]]
[[Kategorie:Gelehrter (Spätantike)]]
[[Kategorie:Magister officiorum]]
[[Kategorie:Patricius (Westrom)]]
[[Kategorie:Ostgotenreich (Italien)]]
[[Kategorie:Enzyklopädist]]
[[Kategorie:Sachliteratur]]
[[Kategorie:Eröffneter Seligsprechungsprozess]]
[[Kategorie:Person (Kalabrien)]]
[[Kategorie:Römer]]