Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $9.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Romantic Thriller Viererband 1026
Romantic Thriller Viererband 1026
Romantic Thriller Viererband 1026
eBook421 Seiten5 Stunden

Romantic Thriller Viererband 1026

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Dieser Band enthält folgende Romane:
(399)


Im Banne der Puppe (Timothy Stahl)

Briefe aus der anderen Welt (Carol East)

Jessicas dunkles Geheimnis (Carol East)

Patricia Vanhelsing - Dunkle Priesterin (Alfred Bekker)







Vor langer Zeit

"Tod durch den Strang!"

Dreizehnmal war das Urteil, richterlich gefällt im Namen des Gesetzes und des Volkes, an eben diesem Galgen vollstreckt worden. Dreizehnmal hatte der Henker die Schlinge geknüpft und dreizehn Mörder gehängt. Kein einziger von ihnen hatte sein Verbrechen bereut, nicht einmal im Angesicht des Todes. Niemand zweifelte daran, dass ihre Seelen allesamt zur Hölle gefahren waren…

Bevor die vierzehnte Hinrichtung angesetzt wurde, schlug der Blitz ein in den Galgen und sprengte die klobige Konstruktion gleichsam. Die hölzernen Trümmer gingen in weitem Umkreis nieder, die meisten brennend, andere binnen eines Augenblicks schwarz verkohlt – und einige fast unversehrt.

Ganz gewiss waren die Überreste des Galgens zu nichts mehr gut. Wohl aber für manchen Zweck geeignet…

So nahm es seinen Lauf, das Unheil, und für lange Zeit kein Ende mehr.

Bis heute nicht.
SpracheDeutsch
HerausgeberCassiopeiaPress
Erscheinungsdatum3. Jan. 2025
ISBN9783753214665
Romantic Thriller Viererband 1026
Autor

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

Mehr von Alfred Bekker lesen

Ähnlich wie Romantic Thriller Viererband 1026

Ähnliche E-Books

Fantasy für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Romantic Thriller Viererband 1026

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Romantic Thriller Viererband 1026 - Alfred Bekker

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author /

    COVER A.PANADERO

    © dieser Ausgabe 2024 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    [email protected]

    Folge auf Facebook:

    https://www.facebook.com/alfred.bekker.758/

    Folge auf Twitter:

    https://twitter.com/BekkerAlfred

    Erfahre Neuigkeiten hier:

    https://alfred-bekker-autor.business.site/

    Zum Blog des Verlags!

    Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!

    https://cassiopeia.press

    Alles rund um Belletristik!

    Im Bann der Puppe

    Ein Romantic-Thriller von Timothy Stahl

    Der Umfang dieses Buchs entspricht 101 Taschenbuchseiten.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author

    © dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    [email protected]

    Folge auf Twitter:

    https://twitter.com/BekkerAlfred

    Zum Blog des Verlags geht es hier:

    https://cassiopeia.press

    Alles rund um Belletristik!

    Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!

    1

    Vor langer Zeit

    Tod durch den Strang!

    Dreizehnmal war das Urteil, richterlich gefällt im Namen des Gesetzes und des Volkes, an eben diesem Galgen vollstreckt worden. Dreizehnmal hatte der Henker die Schlinge geknüpft und dreizehn Mörder gehängt. Kein einziger von ihnen hatte sein Verbrechen bereut, nicht einmal im Angesicht des Todes. Niemand zweifelte daran, dass ihre Seelen allesamt zur Hölle gefahren waren…

    Bevor die vierzehnte Hinrichtung angesetzt wurde, schlug der Blitz ein in den Galgen und sprengte die klobige Konstruktion gleichsam. Die hölzernen Trümmer gingen in weitem Umkreis nieder, die meisten brennend, andere binnen eines Augenblicks schwarz verkohlt – und einige fast unversehrt.

    Ganz gewiss waren die Überreste des Galgens zu nichts mehr gut. Wohl aber für manchen Zweck geeignet…

    So nahm es seinen Lauf, das Unheil, und für lange Zeit kein Ende mehr.

    Bis heute nicht.

    2

    Heute

    Der Himmel zerbarst in tausend Scherben, donnernd, wie unter dem Hammerschlag eines zürnenden Gottes. Das Geäst eines monströsen und weißglühenden Baumes schien um schwarze Wolkenberge zu wuchern. Blitz und Donner lösten einander in rastloser Folge ab, und der Himmel hatte nicht einfach nur alle Schleusen geöffnet, nein, sie mussten schier geborsten sein unter der Gewalt dieser Wassermassen, die sturzbachartig niedergingen auf diesen kleinen Flecken Erde, etliche Meilen jenseits vom Rest der Welt.

    In Crimson Creek sprachen die Leute von einer neuen Sintflut an diesem Tag, da Reena Rystorm in der Stadt ankam, die ihre neue Heimat werden sollte.

    Reena selbst wünschte sich, der Regen wäre tatsächlich mächtig genug, alles Übel wegzuspülen. Sie wünschte sich, dass diese Flut ihre düstere Vergangenheit ertränken könnte. Und jede böse Erinnerung daran…

    Vor vier Tagen hatte Reena Rystorms früheres Leben aufgehört. Vor vier Tagen hatten sie New York verlassen, das kleine Haus in Queens, in dem Reena für eine kurze Zeit glücklich und dann viel zu lange unglücklich gewesen war.

    Sie wünschte sich, es hätte anders geendet. Weniger drastisch, nicht so traurig. Nicht mit Zacharys Tod.

    Jetzt, nachdem es so geendet hatte, wünschte sich Reena, die Uhr zurückdrehen zu können. Sie hätte ihren Mann längst verlassen sollen, damals schon, als sie dahinter gekommen war, dass Zachary Rystorm sie belog und betrog und wie schlecht es seinetwegen um ihre Finanzen stand.

    Doch Zachary hatte Besserung gelobt und versprochen, fortan die Finger vom Glücksspiel und von anderen Frauen zu lassen.

    Er hatte seinen Schwur gebrochen und Reena immer dreistere Lügen aufgetischt.

    So hatte sie beispielsweise herausgefunden, dass er, der angeblich aufstrebende Schauspieler, nicht etwa auf kleinen Theaterbühnen im amerikanischen Hinterland gestanden, sondern meist an den Spieltischen und -automaten der Casinos in Las Vegas gesessen hatte, wenn er New York und seine Familie für ein paar Tage oder Wochen verließ.

    Er hatte in Pfandhäusern und schließlich bei Kredithaien zu Geld gemacht, was sich auch nur halbwegs hatte versilbern lassen. Und wenn er einmal gewann, dann hatte Zachary Rystorm meist gleich wieder alles aufs Spiel gesetzt, in der Hoffnung, seine Glückssträhne möge anhalten. Aber das hatte sie nie getan, kein einziges Mal.

    Nach Zacharys Tod waren Reena fast ausnahmslos Schulden geblieben, und es schien ihr selbst wie ein kleines Wunder, dass sie letztlich mit halbwegs heiler Haut aus dieser Misere herausgekommen war.

    Dennoch, sie hätte sich schon vor Zeiten von Zachary trennen sollen, wenn schon nicht um ihrer selbst willen, so doch Aspens wegen. Vielleicht hätte sie mich dann niemals weinen sehen, dachte Reena bitter, während sie ihre fünfjährige Tochter im Rückspiegel des Wagens betrachtete.

    Wann immer sie Aspen ansah, hatte Reena den Eindruck, Kinderbilder ihrer selbst zu sehen. Ihre Tochter war ihr so ähnlich, hatte das gleiche kupferfarbene Haar und diese tiefgrünen Augen, die Reenas Vater 'Nixenseen' genannt hatte. Dazu den ganz dezent bronzenen Teint, weil ein klein wenig Indianerblut in ihren Adern floss und der sowohl Aspen als auch ihr selbst diesen leicht exotischen Look verlieh, stand er doch im krassen Gegensatz zur blassen und bisweilen sommersprossigen Haut vieler Rothaariger.

    Der Anblick des Mädchens im Kindersitz ließ Reena lächeln, und sie beneidete Aspen um ihren tiefen Schlaf. Das Unwetter vermochte sie nicht zu wecken.

    Reena seufzte.

    Wann hatte sie selbst zum letzten Mal so fest geschlafen? Sie erinnerte sich nicht.

    Es musste Jahre her sein, in der Zeit wohl, da Zachary Rystorm noch nicht vom Spielteufel besessen und kein Schürzenjäger, sondern einfach nur der Mann ihres Herzens und ihrer Träume gewesen war –

    Vorbei! mahnte sich Reena im stillen, um ihre Gedanken daran zu hindern, noch tiefer in die Vergangenheit abzudriften. Schau nicht mehr zurück, nur noch nach vorn!

    Reena riss sich zusammen.

    Tatsächlich war es angeraten, nach vorn zu schauen.

    Die Scheibenwischer kämpften fast vergebens gegen den strömenden Regen, und die Sturmwolken verwandelten zudem noch den Tag in finstere Nacht. Die Sicht reichte gerade ein paar Meter über die Haube des altersschwachen Buick hinaus, und Reena tat gut daran, sich auf die Straße zu konzentrieren, anstatt über frühere Fehler und versäumte Gelegenheiten nachzugrübeln. Sonst konnte es leicht passieren, dass ihr neues Leben endete, noch ehe es recht angefangen hatte.

    Heute sollte es beginnen. Und hier sollte es beginnen.

    Crimson Creek

    Where Neighbors Are Friends – if we like them!

    Das Ortsschild tauchte am Fahrbahnrand aus den dichten Wasserschleiern auf, aber es entschwand Reenas Blick, bevor sie die darauf vermerkte Einwohnerzahl von Crimson Creek lesen konnte.

    Etwas nahm Reena ganz plötzlich die Sicht!

    Wie von Geysiren ausgespien schoss flüssige Röte in die Höhe und schwappte dumpf gegen die Scheiben des Dodge.

    Gerade so, als sei Reena mitten hineingefahren in einen See aus schierem Blut.

    3

    Crimson Creek.

    Der Karmesin-Bach.

    Jenes Flüsschen, nach dem das Städtchen einst von den ersten Siedlern benannt worden war.

    Der Bach entsprang in den Red Rocks, der Bergkette westlich von Crimson Creek, und er hatte sich sein Bett über weite Teile in roten Fels gewaschen. Das Gestein färbte das Wasser, sodass man meinen konnte, der Bach führe statt dessen Blut.

    Der Dauerregen hatte den Crimson Creek vom idyllischen Bach zum reißenden Fluss gemacht und ihn stellenweise über seine Ufer treten lassen.

    Hier, auf Höhe des Ortsschilds hatten Schlamm und Wasser die Straße überspült und einen sumpfigen See gebildet, einen See wie aus halb geronnenem Blut. In dessen Mitte ein Buick Kombi stand, der vor zehn oder mehr Jahren zumindest noch einigermaßen neu gewesen sein mochte.

    In zähen Schlieren rann karmesinrotes Schlammwasser an den Scheiben des Wagens herab. Regen und Scheibenwischer halfen nach und wuschen das Glas schließlich halbwegs sauber.

    Reena Rystorm wusste um das rote Wasser des Crimson Creek. Schließlich war diese Besonderheit so ziemlich das einzige gewesen, was sie vor ihrer Abfahrt aus New York über ihr Ziel in Erfahrung hatte bringen können. Interessanteres schien es in und um Crimson Creek nicht zu geben, zumindest waren andere Informationen nirgendwo vermerkt gewesen, weder in der Bücherei noch im Internet.

    Reena wollte sich insgeheim auslachen, weil sie so erschrocken war, als sie – mit zu hohem Tempo, wie sie sich eingestand – in den flachen See, der die Straße verschlungen hatte, hineingefahren und das Wasser hochgespritzt war. Aber es hatte so… echt ausgesehen.

    Wirklich wie Blut.

    Und unbewusst fragte sich Reena, ob der Crimson Creek seinen Namen tatsächlich nur deshalb trug, weil er durch roten Fels floss, oder ob es da nicht noch eine ganz andere Geschichte gab –

    Mommy?

    Reena drehte sich nach ihrer Tochter um, fast dankbar dafür, dass Aspen aufgewacht war und sie aus ihrer Grübelei riss.

    Was gibt's, Schätzchen?

    Aspen rieb sich die Augen und schaute nach draußen. Zu sehen gab es nichts außer dem Regen, dessen Fäden sich wie zu silbrigen Schleiern verwoben, die der Wind hin- und herwallen ließ.

    Sind wir schon da?, fragte Aspen verwirrt.

    Noch nicht, antwortete Reena. Aber bald, mein Schatz.

    Warum bist du dann hier stehengeblieben?, fragte das Mädchen weiter.

    Es war – ach, nichts.

    Reena winkte ab.

    In ihrem Schrecken hatte sie gebremst und den Motor abgewürgt, jetzt versuchte sie ihn wieder zu starten. Die Maschine mahlte träge.

    Reena schloss die Augen und betete stumm darum, dass der Motor anspringen möge – und irgendjemand musste ihr Flehen wohl erhören. Der Buick setzte sich ruckelnd in Bewegung.

    Ein gutes Zeichen, dachte Reena und lächelte in vager Zuversicht.

    Wenn auch alles weitere so gut klappte, wenn sie nur ein bisschen Gottvertrauen brauchte, dann mochte ihr neues Leben vielleicht unter einem günstigeren Stern stehen als ihr früheres – andererseits, schlimmer konnte es kaum werden.

    Davon war Reena jedenfalls überzeugt.

    Bis sie das Haus sah.

    4

    Zachary Rystorm hatte Reena das Haus in Crimson Creek hinterlassen. Wahrscheinlich ohne es zu wissen oder sich noch daran zu erinnern.

    Sie – beziehungsweise Onkel Scoobert, der sich in seiner Eigenschaft als Anwalt und Reenas einziger noch lebender, wenn auch entfernter Verwandter um die Erbschaftsangelegenheit kümmerte – hatte die Besitzurkunde im Durcheinander von Zacharys Unterlagen gefunden.

    Es stand anzunehmen, dass er das Haus irgendwann einmal beim Zocken im stickigen Hinterzimmer irgendeiner Kneipe gewonnen hatte. Den Namen des Vorbesitzers, der im Vertrag genannt war, hatte Reena nie gehört, und vermutlich hatte auch Zack den Mann kaum näher gekannt.

    Wie auch immer, Vertrag und Urkunde waren legal, und so wurde Reena wenigstens einmal zur Nutznießerin der Spielbesessenheit ihres Mannes.

    Das Haus in Crimson Creek gehörte jetzt rechtmäßig ihr, und somit hatten sie und Aspen wenigstens ein Dach über dem Kopf. Das Häuschen in Queens hatte sie nämlich verkaufen müssen, um den Schuldenberg abzutragen, den Zachary angehäuft und hinterlassen hatte.

    Geblieben waren Reena neben ein paar Möbeln, die sie mit einer Spedition nach Crimson Creek geschickt hatte, der alte Buick und ein paar Habseligkeiten, die problemlos in den Kofferraum des Kombis passten.

    So war sie mit Aspen nach Crimson Creek aufgebrochen, um neu anzufangen, im Herzen wenigstens den Keim von Hoffnung, dass sie es irgendwie schaffen würde – aber dieser Keim erstarb beinahe spürbar in ihrer Brust, als Reena nach einer kleinen Odyssee durch die menschenleeren Straßen der Stadt das Haus endlich fand.

    Sie wollte sich einreden, dass es nur am Regen und am düsteren Zwielicht lag. Aber sie wusste, dass das Haus selbst in strahlendem Sonnenschein einen heruntergekommenen Eindruck machen würde, und dass es genauso unheimlich und abweisend aussehen würde wie jetzt.

    Zwischen der Fotografie des Hauses, die den Unterlagen beigelegen hatte, und dem tatsächlichen Anblick klafften Welten – oder Jahre jedenfalls; deren zwanzig, schätzte Reena, eher mehr als weniger.

    Auf dem Bild waren die Holzfassade des zweistöckigen Hauses weißgetüncht und der Garten gepflegt gewesen. Gardinen hatten sich in den offenen Fenster gebauscht, und darunter hatten Blumenkästen gehangen, in denen die Farbenpracht eines Regenbogens blühte. Die verspielten Giebel und Türmchen auf dem Dach des Hauses wirkten wie eine kleine, märchenhafte Stadt für sich.

    Heute war die Farbe von der Fassade abgeblättert, und darunter war ein schmutziges Grau zum Vorschein gekommen, das sich kaum vom Regen und Zwielicht unterschied. Deswegen wirkte das Haus seltsam konturlos, beinahe so, als würde es seine Größe fortwährend verändern oder sich hin und her bewegen.

    Die Fenster waren dunkle Löcher, links und rechts hingen so schiefe wie farblose Läden. Der Garten war verwildert, und zwischen den Giebeln und Türmchen auf dem Dach nisteten Schatten, die im Sturm wogten wie rußgeschwärzte Geister.

    Reena glaubte nicht länger, dass Zachary das Haus vergessen hatte. Wahrscheinlich hatte er durchaus versucht, es loszuschlagen, nur hatte er wohl keinen Dummen gefunden, der auch nur einen Dollar für diese alte Bude zu zahlen bereit gewesen war.

    Ist es nicht wunderschön?, hörte Reena da die Stimme ihrer Tochter vom Rücksitz her.

    Sie drehte sich nach Aspen um. Was?, fragte sie verwirrt.

    Aspen lächelte, strahlte geradezu. Das Haus. Sieht es nicht aus wie ein Schloss?

    Reena verbiss sich die Antwort, die ihr auf der Zunge lag: Ja, wie ein verdammtes Spukschloss! Statt dessen rettete sie sich in ein halbherziges Sicher, Schätzchen..

    Regen und Wind fauchten in den Wagen und ließen Reena erschrocken auffahren. Sie hatte sich wieder dem Haus zugewandt und nicht gemerkt, dass Aspen sich aus ihrem Kindersitz befreit und die Fondtür des Buick geöffnet hatte.

    Bleib hier!, rief Reena automatisch.

    Wieso?, gab das Mädchen zurück. Hier ist es nass und igitt! Lass uns reingehen. Komm schon! Und ohne eine Antwort ihrer Mutter abzuwarten, lief Aspen los.

    Notgedrungen vergaß Reena die Idee, die ihr eben noch durch den Kopf gegangen war: im Wagen sitzen zu bleiben und einfach weiterzufahren, irgendwohin. Nur nicht aussteigen und versuchen, in diesem Haus zu wohnen, geschweige denn, darin ein neues Leben anfangen zu wollen.

    Jetzt allerdings konnte sie nicht anders. Reena musste aussteigen.

    Durch den strömenden Regen folgte sie ihrer Tochter. Auf halbem Wege zum Haus war sie schon völlig durchnässt. Der zerrende Wind und das kniehohe Gestrüpp des Gartens hinderten sie im Vorankommen.

    Es schien ihr ewig zu dauern, bis sie endlich die wenigen Stufen zu der Veranda hochlaufen konnte und unter deren Dach zumindest dem Regen halbwegs entkam. Die Klauen des Sturms freilich reichten auch hier mit unverminderter Kraft hin.

    Aspen?

    Wo war ihre Tochter? Angst sprang Reena an, einem wilden Tier gleich, das sich aus der Dunkelheit jenseits der Eingangstür auf sie stürzte.

    Kein Grund zur Sorge, mahnte sie sich. Aspen ist schon reingegangen, und du würdest gut daran tun, ihr zu folgen. Wie es da drinnen auch aussehen mag, es dürfte zumindest trocken sein.

    Dennoch zögerte Reena, den entscheidenden Schritt über die Schwelle zu tun. Und als sie ihn endlich getan hatte und einen weiteren noch dazu, schrie sie auf!

    Ein donnerndes Krachen. Das Scheppern und Klirren von Glas. Dann Ruhe.

    Ein gequältes Lachen entrang sich Reenas Kehle.

    Der Wind, nur der Wind, beruhigte sie sich. Der Sturm hatte die Haustür zugeworfen.

    Aspen? Reena wollte rufen, aber ihre Stimme zitterte und klang zaghaft und leise.

    Jeder Quadratzoll des Hauses schien in Bewegung. Überall ächzte und knarrte es. Der Sturm schien wie mit unsichtbaren Händen an jedem Balken zu rütteln, als wolle er das Haus abreißen.

    Keine üble Idee, dachte Reena, vielleicht sogar die beste…

    Aspen? Diesmal kam ihr der Ruf lauter über die Lippen. Und diesmal erhielt sie Antwort.

    Mommy!

    Wo bist du, Aspen? Komm zu mir, schnell.

    Trippelnde Schritte klangen auf, und im Dunkeln war es Reena unmöglich zu sagen, aus welcher Richtung sie kamen. Aspen stand urplötzlich neben ihr, wie von der Finsternis ausgespuckt.

    Rasch fasste Reena nach dem Mädchen und zog es an sich. Du kannst doch nicht einfach –

    Wieder krachte und schepperte es. Diesmal erzitterte spürbar der Boden unter Reena. Und diesmal erschrak sie noch heftiger als zuvor. Weil der Sturm, der durch die wieder aufgesprengte Tür hereinfuhr, ihr wie mit Riesenfäusten in den Rücken drosch.

    Mommy?

    Was, Liebling? Reena versuchte sich der Tür zu nähern, um sie wieder zu schließen. Vielleicht fand sie irgendetwas, das sie davor schieben konnte. Der Schlüssel befand sich noch im Wagen, und sie hatte keine Lust, noch einmal durch den Regen zu laufen, um ihn zu holen.

    Da ist jemand, sagte Aspen.

    Reena hielt inne. Wo?

    Sie sah sich um und zur Tür hinaus in den immer dunkler werdenden Tag, sah aber niemanden, nicht einmal einen Schatten oder eine Bewegung, die auf eine Person hingedeutet hätten.

    Trotzdem zweifelte Reena nicht daran, dass ihre Tochter recht hatte. Aspen hatte ein… nun, ein besonderes Gespür, wohl das, was man einen 'siebten Sinn' nannte; Reena hatte sich stets geweigert, es anders, konkreter zu benennen.

    Das Mädchen wusste bisweilen um Dinge, bevor sie geschahen oder jemand anderes sie wahrnahm. Nichts Großes freilich; Aspen war nicht in der Lage, irgendwelche Ereignisse zu weissagen, nein. Aber wenn beispielsweise das Telefon klingelte, wusste Aspen meist, wer der Anrufer war, noch bevor sie den Hörer abnahm.

    Sie selbst schien sich dieses Talentes nicht wirklich bewusst zu sein, sie fasste das Ganze als Spiel auf, indem sie etwa meinte: Wetten, dass das Onkel Scoobert ist?, und wenn dann tatsächlich Scoobert Fairchild am anderen Ende der Leitung war, grinste Aspen so entzückend wie triumphierend.

    Reena war nie näher auf diese Sache eingegangen. Aus Angst, dass die 'falschen Leute' auf Aspens besonderes Talent aufmerksam werden könnten. Diese Befürchtung mochte zwar barer Unsinn sein, aber Vorsicht schien ihr besser als Heilen, und außerdem hörte, sah und las man ja so viel über geheime Forschungen von Geheimdiensten…

    Wie auch immer, wenn Aspen meinte, da sei jemand, dann mochte das durchaus so sein.

    Wo denn?, hakte Reena nach und wandte sich nach ihrer Tochter um.

    Da, sagte das Mädchen nur und wies mit ausgestrecktem Finger an ihrer Mutter vorbei zur Tür.

    Reena ruckte herum – und fuhr mit einem leisen Aufschrei zurück!

    Im Türrahmen, eben noch leer, stand eine Gestalt, pechschwarz und ohne Gesicht.

    5

    Der Eindruck täuschte.

    Der Fremde wirkte lediglich im Gegenlicht eines Blitzes schwarz und gesichtslos. Als das grelle Licht erlosch und Reenas Augen sich ein wenig erholt hatten, vermochte sie sehr wohl Details auszumachen.

    Unheimlich blieb die Gestalt dennoch. Nicht nur, weil sie wie aus dem Nichts gekommen schien.

    Der Fremde trug einen knöchellangen Mantel, von dem der Regen troff. Langes Haar, klatschnass, floss ihm gleichsam bis über die Schultern, und auch aus dem dichten Vollbart, der wenig von seinem Gesicht sehen ließ und ihm bis zur Brust hinabreichte, rann die Nässe.

    Wer – ?, setzte Reena endlich an, doch eine knappe Handbewegung des anderen ließ sie verstummen.

    Gehen Sie.

    Seine Stimme klang dumpf, und er sprach auf eine Art leise, als fürchte er, sie könnten belauscht werden.

    Wie bitte?, erwiderte Reena. Ich –

    Sie sollen gehen. Bleiben Sie nicht hier.

    Aber warum – ? Reena trat unbewusst einen Schritt vor. Der Fremde wich um die gleiche Distanz zurück.

    Dieser… Ort, sagte er dann, ist nicht gut. Nicht für Sie und nicht für – , er sah an Reena vorbei und irgendetwas veränderte sich in seinem Blick, – Ihr Kind.

    Was reden Sie denn da?, wollte Reena wissen. Ihr Tonfall wurde ungehalten. Sie folgte mit ihrem Blick dem des Fremden, schaute über die Schulter zurück in Richtung ihrer Tochter – oder vielmehr dorthin, wo Aspen eben noch gestanden hatte…

    …jetzt war sie verschwunden!

    Wo ist sie?

    Reena drehte sich wieder nach dem unheimlichen Besucher um, genau in dem Moment, da ein weiterer Blitz den Himmel in Weißglut tauchte. Geblendet schloss Reena die Augen, und als sie die Lider wieder hob, sah sie nichts. Niemanden.

    Der Fremde war verschwunden.

    So rasch und überraschend wie er gekommen war.

    So plötzlich und spurlos wie –

    Aspen?

    Diesmal erhielt Reena keine Antwort. Nicht von ihrer Tochter.

    Nur der Sturm heulte unvermindert und ließ das Haus wispern. Wie mit Gespensterstimmen.

    6

    Aspen?

    Ja?

    Du kannst mich hören?

    Ja…

    Aspen… Ein hübscher Name. Für ein hübsches Mädchen.

    Du kannst mich sehen?

    Ja. – Möchtest du mich sehen?

    Wo bist du?

    Komm… Komm zu mir.

    Aspen ging. Ohne zu zögern lief sie ins Dunkel, das mit jedem Schritt weit genug vor ihr zurückwich, dass sie sehen konnte, wohin sie ging. Und sie wusste, wohin sie zu gehen hatte. Die Stimme führte sie.

    Die Stimme… Sie klang wie die eines Jungen. Wenn auch ein wenig heiser, als brüte der Junge eine handfeste Erkältung aus. Und schrill war sie zu dem noch, wie die Stimme von jemandem, der nie richtig sprach, sondern stets nur schrie oder schreien musste, um sich Gehör zu verschaffen.

    Vielleicht hielt sich der Junge hier im Haus versteckt, vielleicht hatte er auch nur Zuflucht vor dem Sturm gesucht, der ihn beim Spielen draußen überrascht haben mochte.

    Aspen lächelte, und ihre Augen glänzten.

    Es musste toll sein, draußen im Garten zu spielen. Er musste hundert Verstecke bieten und tausend Geheimnisse bergen.

    Aspen klatschte begeistert in die Hände bei dieser Vorstellung. Vielleicht würde ja der Junge draußen mit ihr spielen, wenn der Regen vorbei war – aber erst einmal musste sie ihn finden.

    Hierher. Komm.

    Die Stimme kam von oben. Aspen stand am Fuß der Treppe, die in den zweiten Stock hinaufging. Sie endete dort droben im Dunkeln, als führe sie ins Nichts.

    Du brauchst keine Angst zu haben, Aspen.

    Hab' ich auch gar nicht, gab sie trotzig zurück und stieg die Stufen hoch.

    Am Ende der Treppe lag ein Gang, der sich nach beiden Seiten fortsetzte. Links und rechts gingen Türen ab.

    Hier entlang, wisperte es von links.

    Aspen ging, langsam.

    Komm doch raus, bat sie. Bitte, meine Mommy wird böse, wenn ich –

    Du musst zu mir kommen, Aspen. Du musst mir – helfen.

    Wobei?

    Ich sitze in der Falle. Du musst mich befreien.

    Aspen ging ein wenig schneller, und Sorge klang in ihrem Ton, als sie fragte: Oh, hast du dir wehgetan?

    Ja. Ja, es tut weh, hier eingesperrt zu sein. Ich musste lange warten, viel zu lange, auf jemanden wie dich. – Geh durch diese Tür.

    Aspen blieb stehen. Sie wusste, welche Tür gemeint war, wusste es ganz einfach und öffnete sie.

    Dahinter schraubte sich eine weitere Treppe in die Höhe, schmal und düster. Von oben drang die Ahnung von Licht herab. Dort mochte es ein Fenster geben, in einem der kleinen Türme, die Aspen von draußen gesehen hatte.

    Die Stufen knarrten selbst unter Aspens Leichtgewicht. Instinktiv hielt sie sich an ihrem Rand, bis die letzte hinter ihr lag.

    Die Treppe mündete in ein rundes Zimmer mit hohen Wänden. Unter der Decke gab es schmale Luken, durch die graues Zwielicht hereinfiel. Überall stapelten sich Kisten und alle möglichen Dinge, die jemand vor langer Zeit hier abgestellt und dann vergessen haben musste.

    Aspen glaubte sich in einer versteckten Schatzkammer. Aber bevor sie sich daran machen konnte, die Schätze zu entdecken, musste sie dem Jungen helfen. Es schien ihr wie ein geheimer Pakt, der galt, ohne je ausgesprochen worden zu sein.

    Ich bin hier, rief sie halblaut ins Dämmer.

    Und ich bin hier.

    Wo? Aspen sah sich nach allen Seiten um. Nirgends rührte sich etwas. Ich kann dich nicht sehen.

    Sie lauschte. Und nicht hören, ergänzte sie dann.

    Such mich. Hol mich.

    Aspen schluckte. Sag mal… du bist doch nicht etwa ein Geist oder so was?, fragte sie dann. Ich meine, weil ich dich nicht sehen kann…

    Nein, ein Geist bin ich nicht. Ich bin nur…, der unsichtbare Junge zögerte kurz, …aus ganz besonderem Holz.

    Und dann kicherte er und lachte schließlich. So kalt, dass Aspen fror.

    7

    Aspen?!

    Im Zwielicht lief Reena den Flur hinab. Sie stolperte hie und da, geriet ins Straucheln, weil hier ein Dielenbrett lose war und dort etwas im Wege stand, Kisten und Schachteln.

    Die offenbar weittragende Akustik des Hauses erweckte den Eindruck, die Wände würden flüstern. Ein Zischeln und Wispern war um Reena her, wie von Geistern, die unter den feuchten Tapeten, in Nischen und Ecken und im Dunkeln hausten.

    Aber es war Aspens Stimme, die Reena da hörte, von irgendwoher und nur ganz leise.

    Das hätte Reena eigentlich beruhigen sollen. Aber die Wirkung blieb aus.

    Denn sie hörte noch eine zweite Stimme. Eine fremde, und sie sprach mit Aspen. Worüber, das konnte Reena nicht verstehen, nicht einmal der Tonfall der beiden ließ entsprechende Schlüsse zu. Reena vermochte nicht einmal zu sagen, ob es die Stimme eines Mannes oder einer Frau war, möglicherweise auch die eines anderen Kindes. Die Wände und Winkel des Hauses verzerrten jeden Laut in solchem Maße, dass selbst Aspens Stimme fast fremd klang.

    Reena dachte an den unheimlichen Kerl, der ihr vorhin seine Aufwartung gemacht hatte. Natürlich dachte sie an ihn, die ganze Zeit über.

    War er es, dessen Stimme sie außer Aspens noch hörte?

    Die bloße Vorstellung, ihr Kind könnte mit diesem merkwürdigen Mann irgendwo allein sein, fuhr Reena wie eine Nadel aus Eis in die Brust und trieb sie zu noch größerer Eile – mit dem Ergebnis, dass sie ein weiteres Mal stolperte und diesmal wirklich fast stürzte, hätte sie nicht am Geländer der nach oben führenden Treppe eben noch Halt gefunden.

    Abermals rief Reena den Namen ihrer Tochter und: Wo bist du? Komm zu mir, sofort!

    Gegen das spinnwebenbehangene Geländer gestützt, vernahm Reena ein Kichern, das ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Der Laut war beinah schmerzhaft schrill. Und er kam von oben.

    Reena stürmte die Treppe empor. Ihr Blick flog hin und her und fing sich schließlich an einer spaltbreit offenen Tür. Im Halbdunkel sah es aus, als liege dahinter nichts als ein pechschwarzes Loch.

    Erst als Reena die Tür aufzog, gewahrte sie das unangenehm graue Licht, das von oben kam. Wie etwas Zähes floss es über die Stufen einer engen Wendeltreppe herab.

    Und dort oben, am Ende der Treppe musste Aspen sein. Von dort hörte Reena ihre Stimme – und diese andere, die jetzt plötzlich anders klang als eben noch…

    Reena stieg die Treppe hinauf. Aspens kleine Fußspuren zeichneten sich im Staub auf den Stufen ab. Nur ihre.

    Die Stiege mündete in einen kleinen, runden Raum, ein Turmzimmer.

    Wer immer die Kisten und all den Schrott hier heraufgeschafft hatte, musste ein Idiot gewesen sein, ging es Reena durch den Kopf. Aus welchem vernünftigen Grund sollte sich jemand die Mühe machen, diesen Müll die enge Treppe hinaufzuschleppen – nur, um ihn irgendwann wieder hinabtragen zu müssen?

    Der Grund fiel Reena noch im selben Augenblick ein: Weil sie diejenige war, die dieses Zimmer (wie auch den Rest des Hauses) würde entrümpeln müssen. Wer immer das Zeug hergebracht hatte, es brauchte ihn nicht länger zu kümmern, was daraus wurde und wer sich damit abplagen würde –

    Reena wunderte sich über zweierlei in einem einzigen Gedanken: Zum einen stellte sie fest, dass sie unbewusst wohl schon beschlossen hatte, hier zu bleiben. Denn warum sonst würde sie sich Gedanken über eine Entrümpelung des Hauses machen? Und zum anderen – sie hatte Aspen gesucht, in fast panischer Hast, und jetzt, da sie ihre Tochter endlich gefunden hatte, sagte sie kein Wort, stellte das Mädchen weder zur Rede noch schloss sie es in die Arme. Nein, sie stand hier, auf der letzten Treppenstufe, sah sich um und stöhnte innerlich jetzt schon der Plackerei wegen, die es bedeuten würde, all diese Kisten und Sachen aus dem Haus zu schaffen.

    Das war… seltsam. So seltsam wie das Gefühl, diese belanglosen Gedanken würden ihr eingeflüstert, von –

    Weiter kam Reena nicht. Die Überlegungen verliefen im Nichts, lösten sich auf, kaum dass Reena sich ihrer wirklich bewusst geworden war. Tatsächlich meinte sie, etwas wie einen Ruck zu verspüren, mit dem die Wirklichkeit wieder einrastete, mit dem sie selbst zurückfand auf den Boden der Realität.

    Staub stieg ihr in die Nase und feuchter Modergeruch. Hie und da nahm sie im schattenhaften Licht huschende Bewegungen wahr, von Spinnen und anderem Kleingetier, das Reißaus nahm vor den Eindringlingen, die die jahrzehntelange Ruhe dieses Hauses störten.

    Aspen hockte am Boden, zwischen zwei Kistenstapeln auf der anderen Seite des Zimmers. Sie wandte ihrer Mutter den Rücken zu, und sie sprach immer noch. Immer noch allerdings so leise, dass Reena kein Wort verstand.

    Und immer noch war da diese andere Stimme, die Reena aber auf einmal nicht mehr so anders vorkam wie vorhin. Vielmehr unterschied sie sich kaum noch von Aspens…

    Sie trat hinter ihre Tochter, ließ sich auf die Knie nieder und fasste nach den Schultern des Mädchens.

    Was tust du hier? Ich habe nach dir gerufen. Hast du mich denn nicht gehört?

    Doch, Mommy, antwortete Aspen und drehte sich im Sitzen um.

    Reena konnte einen leisen Aufschrei mit Mühe verhindern, aber sie prallte doch erschreckt zurück.

    Aspen schien ihre Reaktion nicht zu bemerken, oder sie überging sie einfach. Wahrscheinlich war letzteres der Fall, denn das Augenmerk des Mädchens war einzig auf das konzentriert, was sie in der Armbeuge hielt.

    Eine Puppe.

    Keine gewöhnliche Puppe jedoch, sondern eine von der Art, wie Bauchredner sie gebrauchten, wenn sie ihr Talent für Bühnenauftritte nutzten.

    Reena hatte diese Puppen stets abscheulich gefunden.

    Und hässlich.

    Diese hier, die Aspen im Arm hielt und von der sie die Augen nicht ließ, war mehr noch.

    Sie war … unheimlich hässlich.

    8

    Er sagt, dass er mein Freund ist, behauptete Aspen, ohne den Blick von der Bauchrednerpuppe abzuwenden.

    So, machte Reena, sagt er das?

    Es kostete sie Überwindung, ihren Abscheu nicht offen zu zeigen.

    Die Puppe musste alt sein, uralt vielleicht. An ihren Kleidern, die irgendwann einmal einem Anzug mit Schwalbenschwanz nachgeschneidert worden waren, hatten sich im Laufe vieler Jahre ganze Generationen von Motten gütlich getan. Löcher so groß wie Daumenkuppen klafften in dem Stoff, und er roch nach Ungeziefer.

    Aber das eigentlich Abstoßende an der Puppe war ihr Gesicht.

    Eine

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1