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Zweckbau für Ziegen
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eBook98 Seiten33 Minuten

Zweckbau für Ziegen

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Über dieses E-Book

Poesie als Dach über dem Kopf

Angelika Rainer schafft mit ihrer Lyrik ein Zuhause in der Schwerelosigkeit.
"Die Erde schwebt frei im Raum. Das muss man sich zuerst einmal vorstellen, dann ertragen können." Damit werden wir unentwegt konfrontiert. Und wir: haben Angst. Angst, runterzufallen. Aber was dagegen tun? Sind wir doch auf das Engste in ihr verwurzelt. Stets in der Abwägung, loszulassen und gleichzeitig: nicht loszulassen. Während der Wind die Steine aus der Erde reißt, die Sterne sich verirren, der Mond sich auf den Kopf stellt, die Arbeit eines ganzen Tages zu Frost wird, suchen wir. Nach etwas, das den Namen "Zuhause" verdient hat. Etwas, das uns die Angst nimmt. Ein Ort, an dem die Wände trocken bleiben, die Erinnerungen mehr als verlorene Notizen in alten Mänteln sind, wo der Schlaf nicht gestört wird, ängstliche Herzen sicher sind und Gefühl und Gedanke sich frei entfalten können.

Wie leben wir, wenn Regen durch die Wände des Idylls dringt, wenn das Idyll unverlässlich ist?
Ein Zweckbau also, oder ist es mehr? Oder brauchen wir gar nicht mehr? Keine Verzierungen, keine überflüssige Schönheit. Vielleicht sind einfache Worte genug. Vielleicht können wir uns auch ohne Floskeln an den Wänden entfalten, aufrechterhalten, festhalten. Basierend auf dem Entwurf eines Zweckbaus für Ziegen des Architekten Gion A. Caminada und der Angst der Menschen, von der Erde zu fallen, baut Angelika Rainer Silbe für Silbe und Vers für Vers an einem Unterschlupf für die Ewigkeit. Ähnlich den Formen und Linien der Natur, die sich ungefragt und unaufgefordert in unsere Haut eingravieren, am Firmament der Sprache rütteln, wirken die Gedichte von Angelika Rainer.
SpracheDeutsch
HerausgeberHaymon Verlag
Erscheinungsdatum22. Aug. 2023
ISBN9783709984123
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    Buchvorschau

    Zweckbau für Ziegen - Angelika Rainer

    DER ZWECKBAU

    ODER VOM DACH ÜBER DEM KOPF

    Der Schweizer Architekt Gion A. Caminada hat eine einfache, zweckmäßige Unterkunft für Ziegen – einen Zweckbau – entworfen.

    Ich habe diese Arbeit gesehen und zur gleichen Zeit über die Angst des Menschen, von der Erde zu fallen, gelesen.

    Muss er übers Feld gehen, wo der weite Himmel über seinem Haupte offen steht, so geräth er in unaussprechliche Angst, kriecht auf Umwegen unter Hecken und Bäumen fort und spannt, wo auch die fehlen, zum Notbehelf einen Regenschirm auf.

    Ich habe Angst, von der Erde zu fallen, wenn ich über ein freies Feld gehe, und frage mich, kann diese Angst, von der Erde zu fallen, mit meinem Besuch in Frankfurt zusammenhängen?

    Die Erde schwebt frei im Raum.

    Das muss man sich zuerst einmal vorstellen, dann ertragen können. Was sollen die Ängstlichen gegen die Angst unternehmen?

    Ein Zweckbau ist ein allein nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit errichteter Bau.

    Er ist ein Nutzbau, ein Gebäude für eine begrenzte Zeit.

    Der Zweckbau schützt wie die Hecke, der Baum, der Schirm vor dem fremden, dem neugierigen, dem beschämenden Blick.

    Ein Zweckbau ist weniger als ein Stall, aber mehr als die Welt ohne Dach über dem Kopf.

    Er kommt ohne Verzierungen aus, bietet keine zusätzliche oder überflüssige Schönheit an.

    Er ist Unterschlupf für eine Weile und für einen ungestörten, unbeschwerten Schlaf.

    Für diese Weile wird er zu einem idyllischen Ort, schützt er die Seele vor Wetter und Weite, vor dem lärmenden Rauschen der Bäche, der Zeit, vor dem freien Himmel in all seinen Farben.

    Von innen heraus, mit einem Dach über dem Kopf, lässt sich ein verstohlener Blick aus sicherer Stellung auf das freie Feld, auf die unbeschirmte, Angst einflößende Ebene hinaus wagen.

    Eine Behausung ermöglicht es, sich im Verborgenen, im Stillen aufzuhalten und zu entfalten.

    Eine Behausung lässt sich auch mit Worten errichten.

    Sätze schaffen ein Dach über dem Kopf.

    Damit die Stunde nicht ungeschehen verstreicht, arbeitet man ausgehend von nichts ins Nichts hinein.

    Ein Tag findet statt, es geschieht nichts Besonderes, aber etwas Eigenes, wenn es festgehalten wird.

    Es werden Ereignisse in verschiedenen Größen, Farben, Formen gesammelt.

    Nichts ist zu gering, alles ist gleich gültig, um ein schützendes Dach über dem Kopf zu schaffen.

    Ein Stein wird auf den anderen gesetzt, eine Zeile folgt auf die andere.

    Den Stunden wird Glanz verliehen, ein Stundenbüchlein entsteht.

    Langsam wird ein Leben zusammengetragen.

    Es wird eine Behausung geschaffen für den Rückblick,

    für die Veranlagung des Menschen, sich erinnern zu müssen,

    für die irrlichternde Seele, den unruhigen, hüpfenden Geist.

    Die Erinnerung schützt vor der Angst, sich blind in der Zeit zu verlieren. Auch sie ist eine Art Zweckbau.

    Sie ist für eine bestimmte Zeit gültig, wird gewandelt mit jeder neuen Erfahrung.

    Die Zeit wird in den Raum ausgebreitet, die Räume werden gefüllt mit Stimmen, Gerüchen, allerlei Käfern und anderem Getier, mit Erschütterungen

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