Blades & Ballads
Von Bettina Bellmont
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Über dieses E-Book
Von einem Fluch gezeichnet, fristet Prinz Ciaran ein trostloses Dasein in einer kalten Burg am Rande des Königreiches. An seiner Seite bloß sein bester Freund und Barde Thim, der ihm als Einziger noch die Treue hält. Als eines Tages nicht nur ein verwunschenes Gänsemädchen, sondern auch die Häscher der Königin – Ciarans Schwester – in der Burg auftauchen, wird er allerdings aus seiner Lethargie gezerrt. Er soll der Schlüssel in einem Krieg sein, der seinen Tod bedeuten kann. Um diesem Schicksal zu entrinnen, flieht der Prinz in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, nicht ahnend, dass er damit in ein Abenteuer stolpert, wie er es in seinen kühnsten Träumen nicht erwartet hätte. Magie, Intrigen, Verschwörungen mit dem Feind und uralte Prophezeiungen sind jetzt die geringsten seiner Sorgen – vielmehr scheinen die Götter selbst die Finger im Spiel zu haben. Ob das der Stoff ist, aus dem Balladen komponiert werden? Oder eher Totengesänge für unfreiwillige Helden, die dazu bestimmt sind, ein neues Zeitalter einzuläuten?
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Buchvorschau
Blades & Ballads - Bettina Bellmont
Inhaltsverzeichnis
Titel
Informationen zum Buch
Impressum
Widmung
Landkarte
Kapitel 1 - Ein Sturm zieht auf
Kapitel 2 - Nächtlicher Besuch
Kapitel 3 - Die schwarze Kutsche
Kapitel 4 - Flucht nach vorn
Kapitel 5 - Anheuern für Anfänger
Kapitel 6 - Katz-und-Barde
Kapitel 7 - Die Gans in der Koje
Kapitel 8 - Vier Arten der Magie
Kapitel 9 - Barde über Bord
Kapitel 10 - Der Stoff für Balladen
Kapitel 11 - Feuer im Herzen
Kapitel 12 - Flammenmeer
Kapitel 13 - Gans sicher
Kapitel 14 - Das rote Auge
Kapitel 15 - Spur aus Gold
Kapitel 16 - Über die Grenze
Kapitel 17 - Reminiszenzen
Kapitel 18 - Feindliche Übernahme
Kapitel 19 - Die Mission
Kapitel 20 - Wüstenflüstern
Kapitel 21 - Voll im Element
Kapitel 22 - Verrat
Kapitel 23 - Schuld und Blut
Kapitel 24 - Das kleinere Übel
Kapitel 25 - Dem Tode geweiht
Kapitel 26 - Göttlicher Zorn
Kapitel 27 - Totentänze
Kapitel 28 - Flut der Freiheit
Kapitel 29 - Abbitte
Kapitel 30 - Im Aufwind
Kapitel 31 - Auf der falschen Seite
Kapitel 32 - Herz statt Pflicht
Kapitel 33 - Alte Wunden
Kapitel 34 - Durchtrennte Fäden
Kapitel 35 - Der Bruch
Kapitel 36 - Scherben
Kapitel 37 - Heilung
Kapitel 38 - Versöhnung
Epilog
Nachwort der Autorin
Glossar
Bettina Bellmont
Blades & Ballads
Fantasy
Blades & Ballads
Ein verfluchter Prinz, ein überengagierter Barde und eine Gans mit Gehirnerschütterung auf einer Mission gegen Piraten, Skelettkrieger und einen attraktiven Nekromanten – was kann da schon schiefgehen?
Von einem Fluch gezeichnet, fristet Prinz Ciaran ein trostloses Dasein in einer kalten Burg am Rande des Königreiches. An seiner Seite bloß sein bester Freund und Barde Thim, der ihm als Einziger noch die Treue hält. Als eines Tages nicht nur ein verwunschenes Gänsemädchen, sondern auch die Häscher der Königin – Ciarans Schwester – in der Burg auftauchen, wird er allerdings aus seiner Lethargie gezerrt. Er soll der Schlüssel in einem Krieg sein, der seinen Tod bedeuten kann. Um diesem Schicksal zu entrinnen, flieht der Prinz in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, nicht ahnend, dass er damit in ein Abenteuer stolpert, wie er es in seinen kühnsten Träumen nicht erwartet hätte. Magie, Intrigen, Verschwörungen mit dem Feind und uralte Prophezeiungen sind jetzt die geringsten seiner Sorgen – vielmehr scheinen die Götter selbst die Finger im Spiel zu haben. Ob das der Stoff ist, aus dem Balladen komponiert werden? Oder eher Totengesänge für unfreiwillige Helden, die dazu bestimmt sind, ein neues Zeitalter einzuläuten?
Die Autorin
Bettina Bellmont (1990) jongliert als Werbetexterin, Journalistin und Verlagsassistentin mit Worten. Ihre Leidenschaft gilt besonders den Buchstaben zwischen zwei Buchdeckeln. Die Autorin ist Mitglied beim Verein Schweizer Phantastikautor*innen und Co-Coach einer Fantasyschreibgruppe des Jungen Literaturlabors in Zürich. Die Ostschweizerin lebt zusammen mit ihrem Mann in einem noch katzenlosen Haushalt, singt im Dorfchor und stapelt Bücher für ihren Bookstagram-Channel.
www.sternensand-verlag.ch
1. Auflage, Juni 2024
© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2024
Umschlaggestaltung: Alexander Kopainski
Lektorat / Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Wolma Krefting
Karte: Bettina Bellmont
Satz: Sternensand Verlag GmbH
ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-321-9
ISBN (epub): 978-3-03896-322-6
Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Für Simon,
weil du mich jeden Tag
zum Lachen bringst.
Und für alle Thims,
die für jemanden die Sonne bedeuten.
Kapitel 1 - Ein Sturm zieht auf
Ciaran
Die Festung am äußersten Rand von Hinia kannte keine Sonnenstunden. Rauer Meerwind umtoste die Steinmauern, die Gischt der tobenden See nagte am Fundament und der Himmel lag grau und matt über den hohen Zinnen, als hätte die Gestirnsgöttin Helia ihren Schleier auf dem verlassenen Flecken Erde abgelegt und vergessen.
An jenem Tag vor über zwanzig Jahren, als Ciaran die schwarzen Tore von Helmhaim zum ersten Mal durchschritt, frierend, bis auf die Knochen durchnässt und von schrecklichem Heimweh geplagt, hatte er den Ort verflucht.
Jetzt waren die Mauern seine Rüstung, das Tosen der Wellen begleitete seine Schritte mit ihrer Melodie, und das dumpfe Kerzenlicht wies ihm den Weg.
Helmhaim war genauso vergessen und verflucht wie er – der verdorbene Prinz, der nie wieder zurückkehren durfte. Denn das war schlicht und ergreifend zu gefährlich für jene, die ihm am Herzen lagen. Er hatte nun sein eigenes Reich, seine eigene verdammte Burg.
Helmhaim.
Helmhaim war Ciaran.
Ciaran war Helmhaim.
In Gedanken versunken merkte er kaum, wie sich seine Hände um die Stuhllehne krallten.
Der Wind, der um seine Beine strich und zwischen die Stofflagen seiner dunklen Kutte glitt, war rauer als sonst. Das Klappern der Glasfenster im Thronsaal wurde merklich lauter. Das Meer brach sich krachend an den Felsen, warnender, drängender.
Ein Sturm zog auf. Mitten am grauen Tag.
Murrend schob Ciaran das halb gelesene Buch zur Seite, das er sich als Ausrede für sein Grübeln auf den Schoß gelegt hatte.
Wenn ein Sturm kam, benötigte er keine Rechtfertigung mehr, sich gleich in sein Turmzimmer zu verziehen und ins erlösende Nichts des Schlafes zu versinken.
Doch sein Aufpasser machte ihm auch dieses Mal einen Strich durch die Rechnung.
Ciaran war kaum aufgestanden, da schwang eine der hinteren Türen mit Nachdruck auf und der junge Barde Thim kam aufgeregt gestikulierend in den Thronsaal gestürmt. Die blonden Locken standen ihm windzerzaust vom Kopf ab, die Laute hatte er sich auf den Rücken gebunden, und das zerknitterte Hemd, das sich um seinen Bauch spannte, hing lose aus der Bundhose. In seinen Augen loderte wieder dieses unselige Feuer.
»Meister! Meister! Ein Sturm kommt!«, sprach Thim das Offensichtliche aus und rauschte heran, als sei er dieser Orkan selbst.
»Das weiß ich längst, Thim«, seufzte Ciaran. Er ahnte, dass ihm der Troubadour vor lauter Übermut gar nicht zuhörte. Es spielte daher im Grunde keine Rolle, was er antwortete.
»Aber ein Sturm! Verstehst du nicht?«
Der Prinz stellte sich dumm und schwieg.
»Ein Sturm!« Thim breitete die Hände aus und formte einen Halbbogen in der Luft, so, als wollte er die ganze Welt umarmen. »Meister, das bedeutet, es ist endlich so weit.«
»Unsinn, Thim.« Ciaran strich sich durch das dunkle, viel zu lange Haar und schüttelte zur Unterstreichung seiner Worte den Kopf. »Es regnet einfach stärker. Mach dir keine Hoffnungen.«
Die Pupillen inmitten seiner blauen Iriden des Barden weiteten sich vor Aufregung.
»Bestimmt! Ich spüre es mit jeder Faser meines Körpers: Uns erwartet heute ein Abenteuer.« Er verschränkte die Arme vor der schmächtigen Brust und sah seinen Meister herausfordernd an, als warte er nur auf die nächste Erwiderung, um sie niederzuschmettern.
Ciaran seufzte erneut und knetete mit Daumen und Zeigefinger die Stirn über seinem linken Auge, wie immer, wenn die Dunkelheit in seinen Gedanken herannahte. Mit Nachdruck erklärte er: »Und ich spüre mit jeder Faser meines Körpers, dass ich mich jetzt ins Turmzimmer zwischen die warmen Laken verkriechen muss, den einzigen Kamin in diesem ganzen verfluchten Steinhaufen anfeuere und vom Rest des Sturms so viel mitbekomme wie Helia vom Leben einer Mikrobe.«
Thim warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu und schnaubte. »Das kann nicht dein Ernst sein. Denk nach, was nur alles Ufer gespült werden könnte. Versunkene Kisten, ein Schiffswrack, ja vielleicht sogar ein Sch…«
»Hör auf«, bat Ciaran halbherzig. Ihm fehlte schlicht die Kraft, um ernsthaft gegen die Abenteuerlust seines Gefährten anzukämpfen, der mit seinen vierundzwanzig Jahren voller Energie und Neugierde steckte. Obwohl der Prinz nur zwei Sommer früher geboren war, fühlte er sich in der Gegenwart von Thims jugendlichem Übermut wie ein Greis. »Du wirst wieder nichts finden.«
»Doch! Bestimmt!« Sein Freund klatschte in die Hände und sah ihn grinsend an. »Und du kommst dieses Mal mit.«
»Bestimmt nicht.« Ciaran krallte die Finger noch fester um die hölzernen Lehnen des Throns, bis die Knöchel kreidebleich unter seiner blassen Haut hervortraten.
Thim schien seine aufkeimende Wut nicht zu bemerken und plapperte weiter, der Prinz sah jedoch die Flammen der Kerzen im Thronsaal erzittern. Erschrocken biss sich Ciaran auf die trockenen Lippen, um die Beherrschung zu behalten.
»Natürlich habe ich bisher nichts gefunden!« Thim stemmte beleidigt die Hände in die Hüfte und blies seine geröteten Wangen auf. »Man benötigt nun mal mehr als ein Paar Augen, um Schätze zu entdecken, und mehr als ein Paar tatkräftige Hände, um ein Abenteuer zu bestehen.«
Zitternd erhob sich Ciaran und wollte an Thim vorbeigehen.
Er sollte die Gelegenheit von Thims ausschweifenden Reden nutzen, um genug Abstand zwischen sich und seinem Freund aufzubauen, damit er die bevorstehende Hetzjagd in den Turm mit entsprechendem Vorsprung meisterte.
Es endete immer so. Ciaran kam immer davon.
»Heute nicht!« Thim stellte sich ihm in den Weg und packte seine Schultern mit beiden Händen. »Du haust heute nicht ab, Meister. Wir gehen gemeinsam auf ein Abenteuer.«
Abenteuer? Eher die dümmste Idee, die Thim je geritten hatte. Ciarans Zehen fühlten sich bereits taub an, als hätten sie sich mitsamt den triefend nassen Schuhen in einen Eisblock verwandelt. Und die dünne Kapuze schützte das Gesicht kaum vor der überschwappenden Gischt und dem beißenden Wind.
Ciaran schmeckte Salz auf seinen Lippen. Als seine Augen vor Kälte zu brennen begannen und er beinahe auf den nassen Stufen ausrutschte, die schlängelnd den Felsen entlang an den schmalen Uferstreifen hinunterführten, blieb er demonstrativ stehen.
Das hier war nicht nur dumm. Es war lebensgefährlich.
»Thim!«, schrie er gegen den Sturm an. »Kehren wir um. Das bringt doch nichts.«
Die schlaksige Silhouette seines Freundes hüpfte vor ihm die Stufen hinab und verschwand beinahe im dichter werdenden Grau des Regens.
Der Prinz nahm einen weiteren zaghaften Schritt, um den Barden nicht aus den Augen zu verlieren, doch ein Windstoß warf sich wie eine Wand gegen seinen mageren Körper. Seine Füße rutschten bedrohlich über die nassen Felsenstufen und drohten, unter ihm wegzugleiten. Im letzten Moment klammerte sich Ciaran an einem Vorsprung fest und zog den Umhang stärker um sich, der wild im Orkan flatterte wie die Flügel einer Fledermaus. Der Regen prasselte gegen sein Gesicht und erschwerte ihm das Atmen.
Mit letzter Kraft schrie er in den Sturm hinein: »Thim!«
Der Prinz bezweifelte, dass sein Freund ihn überhaupt hörte. Oder er ignorierte seine Rufe – wie immer, wenn das Abenteuer sein verlockendes Sirenenlied anstimmte und der Barde keinen klaren Gedanken mehr zu fassen schien.
Ihm blieben zwei Möglichkeiten. Er konnte zurück zur Festung und hoffen, dass Thim nicht von den Wellen erfasst, gegen den Stein geworfen und zerquetscht würde. Oder er folgte dem Irren weiterhin und sah zu, wie sie beide lebend aus dieser nassen Hölle herauskamen.
Die Versuchung war groß. Besonders, wenn er an das warme Kaminfeuer in seinem Turmzimmer dachte. Außer Thim war jedoch niemand mehr in Helmhaim. Niemand, der es länger mit Ciarans schlechter Laune aushielt. Seit er Blut an den Händen trug, hatte der Prinz sein Herz verschlossen und nicht mehr geöffnet. Es existierte nur eine einzige Person, die sich nicht darum scherte, wenn er sie grundlos anschrie, abwies oder anschwieg.
Und wenn er ausnahmsweise ehrlich zu sich selbst war, dann musste sich Ciaran eingestehen, dass er Thim mehr mochte als hasste.
»Verfluchter Barde!«, grummelte er daher und tapste unsicheren Schrittes weiter in die Tiefe.
Unter ihm toste hungrig das Meer.
Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, starrte er auf seine Füße, um ja nicht danebenzutreten und in der brodelnden Tiefe aus Wasser zu versinken.
Ein spitzer Schrei ließ ihn hochfahren. Panisch blickte Ciaran nach vorn, doch Thim schien unversehrt. Im Gegenteil: Er winkte aufgeregt und deutete zum Himmel hinauf.
Der Prinz hielt den Saum der Kapuze fest umklammert und blinzelte die Regentropfen aus seinen Wimpern, als er den Kopf hob.
Erneut brach ein Schrei durch das Brüllen des Sturms. Ein weißer Schemen jagte durch die Wolkendecke, taumelte von den Böen getrieben zur Seite und hinterließ eine Spur aus Federn, die wie Sternschnuppen herabregneten.
»Was ist das?«
Ciarans Stimme kam nicht gegen den Lärm und einen erneuten Schrei an.
Das weiße Flugobjekt krachte über ihnen gegen den Felsen.
Zu spät bemerkte der Prinz, dass er mitten in der Fallschneise stand. Etwas Kleines, Weiches traf ihn an der Brust und warf ihn zurück.
Hastig krallte er sich mit einer Hand an den Stufen fest und hielt mit der anderen das weiche Etwas an sich geklammert. Es kreischte und quiekte gequält.
»Meister! Meister!« Thim kam keuchend herangestürmt. Die Aufregung in seiner Stimme übertönte die Sorge um Ciaran. »Alles in Ordnung?«
Der Angesprochene nickte abwesend und versuchte, das Lebewesen in seinen Armen zu beruhigen. Weiße Federn stoben in sein Gesichtsfeld und etwas Hartes pickte nach seinen Fingern. »Halt still!«, schrie er das Ding an. »Du tust uns beiden weh.«
Frustriert gab er auf und drückte das Federknäuel kurzerhand in Thims Hände.
»Eine Gans!«, rief dieser staunend. »Was macht die denn mitten im Sturm?«
Unter Thims sanften Fingern beruhigte sich das Tier tatsächlich und ließ träge den Kopf hängen, sodass auch Ciaran die braunen Gänseaugen und den langen Hals inmitten der Federn ausmachen konnte.
»Sie hat sich einen Flügel gebrochen, die Arme. Und oh … ihr Kopf! Sie muss sich an den Felsen den Kopf angeschlagen haben«, diagnostizierte Thim mitleidig.
Ciara schüttelte derweil die letzten Federn aus seinem triefend nassen Mantel und beschloss, dass er für heute ausreichend Abenteuer erlebt hatte.
Thim schien da ganz anderer Meinung zu sein. Er blühte gerade erst auf. »Das arme Ding! Wir müssen sie verarzten. Woher die Gans wohl kommt? Von der anderen Seite des Ozeans?«
»Sei nicht albern, Thim«, korrigierte ihn Ciaran ungeduldig, während er zum Aufstieg ansetzte. »Das ist eine Hausgans. Die fliegt nicht übers Meer.«
»Und wenn sie eine verzauberte Prinzessin ist? Vielleicht kommt sie aus Islirith?«
Als Antwort seufzte Ciaran nur. Er hatte Thim – bei Helias Schleier! – oft genug gesagt, dass er den Namen dieses dreckigen Magierstaates nie mehr hören wollte. Schließlich war es die Furcht vor Isliriths Magie, die Ciaran überhaupt hierher nach Helmhaim verbannt hatte. Oder besser gesagt: die Furcht vor der Magie, die in Ciaran schlummern konnte.
Er spürte die alte Wut in sich aufflackern und biss sich erneut auf die Lippen.
Welch dummer Aberglaube. Welch Irrsinn, der ihn seines Throns, seiner Familie und seines Lebens beraubt hatte. Und dennoch: Ciaran hatte gelernt, sein Schicksal zu akzeptieren. Die Gefahr, die von ihm ausgehen konnte, war zu groß für Hinia, zu riskant für die sichere und friedliche Herrschaft seiner Schwester, Menefer Whitehart. Sie war die herrliche Königin unter Helias Gestirnen, die Mächtige, die Ordnende.
Er war bloß der vergessene Bruder mit dem verfluchten roten Auge. Ein Kind, das mit dem Zeichen Isliriths, der Iris in einer Farbe der Magie, geboren worden war.
Instinktiv fuhr er mit der Hand über seine linke Gesichtshälfte und presste den Handballen auf das Lid.
Wie oft hatte er sich gewünscht, nur mit seinen normal dunkelbraun gefärbten Iriden das Licht der Welt erblickt zu haben. Die Götter hatten sich allerdings einen Scherz erlaubt und Ciaran verflucht. Er versuchte zwar, die Iris im Schatten seiner langen Strähnen zu verbergen, doch das Rot leuchtete immer wie von einem inneren Feuer erfüllt hervor.
Ungeduldig unterbrach er Thims Geplapper. »Es reicht jetzt. Das Abenteuer endet hier. Und die Gans kommt in den Topf.«
Sein bester Freund starrte ihn entrüstet an. Zuerst dachte Ciaran, er würde sich vehement für die Fortführung des Abenteuers einsetzen, aber den Troubadour beschäftigte ganz was anderes.
»Du herzloser Mörder! Die Gans wird nicht gegessen.«
»Warum nicht? Sie ist mir ja offensichtlich direkt in die Arme geflogen. Also entscheide ich, was mit ihr geschieht.«
»Wir haben gar keine Köchin mehr! Warum hast du sie bloß entlassen, nur weil sie dir drei Mahlzeiten pro Tag aufgedrängt hat?«
Tatsächlich war es das mitleidige Funkeln in den Augen der Alten gewesen, das seine Wut hatte auflodern lassen. Es war zu gefährlich geworden, die Köchin zu behalten. Seinem Freund gegenüber würde er das jedoch nie zugeben.
Der Barde hatte dennoch recht. Ohne Köchin gab es keinen Gänsebraten. Ciaran kam ins Grübeln. Das war tatsächlich ein Problem.
Thim schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. »Ich kann nicht kochen. Und ich werde ihr ganz bestimmt nichts antun. Das arme Ding.«
Die Gans quakte matt und hob den Kopf eine Handbreit, ehe dieser erschöpft nach unten plumpste.
»Die Gans landet im Kochtopf. Punkt«, beschloss der Prinz müde und trat den Rückweg an. Der Sturm im Rücken blies ihn beinahe von selbst die Stufen hoch.
Im Grunde war ihm nicht sonderlich nach Gänsebraten. So wie ihm nie sonderlich nach großen Banketten und Gelagen gewesen war. Aber eine laut schnatternde, gackernde Gans in den steinernen Hallen von Helmhaim konnte er noch viel weniger ertragen. Und genau das würde geschehen, wenn er Thim freie Hand ließ. Am Ende würde der Troubadour dem Tier einen Namen geben und es in die Familie aufnehmen.
»Ich nenne dich Hazel«, verkündete Thim in just diesem Moment stolz und streckte die Gans in Ciarans Richtung. »Siehst du, das ist der griesgrämige Onkel und ich bin jetzt dein Papa. Du musst dir also keine Sorgen machen.«
»Thim!«
»Was denn?«, fragte er unschuldig. »Du kannst das mit dem Kochtopf doch nicht ernst meinen. Sie ist verletzt und benötigt unsere Hilfe. Komm, wir singen ihr ein Lied, bis wir sicher im Trocknen sind.«
»Bei Helia, lass Gnade walten!«, betete der Prinz und zog sich demonstrativ die verrutschte Kapuze über die Ohren.
Doch Thim ignorierte seinen Hilferuf und stimmte voller Inbrunst eine Melodie an.
Ciaran wandte sich beim ersten Ton um und eilte nach oben, ohne sich weiter darauf zu konzentrieren, nicht zu fallen. Hauptsache, er kam hier schnell weg.
Thims Krächzen verfolgte ihn und übertönte selbst das Tosen des Sturms. »Haselnussbraune Augen, weißes Gefiederkleid. Oh Hazel, oh Hazel, du Engel, du fremde Schönheit.«
Der Rückweg fühlte sich auf einmal doppelt so weit an.
»Weit übers Meer gereist, aus dem fernen Lande der Magie, oh Hazel, oh Hazel, kommst du gar aus einer anderen Galaxie?«
»Helia!«, flehte Ciaran erneut und hielt sich hilfesuchend am Türklopfer fest, sobald er die Mauern Helmhaims erreichte.
Thim stimmte schon die dritte Strophe an. Der Prinz war sich sicher, dass darauf ein weitaus grausameres Zwischenspiel folgen würde, ehe sein Freund überhaupt zum ersten Refrain kam. Doch der Göttin sei Dank hießen ihn die klammen und vor allem stillen Gänge von Helmhaim willkommen, bevor er sich der Tortur weiter aussetzen musste.
Wie zuvor von Ciaran vermutet, flüchtete er nun tatsächlich durch die Hallen und leeren Zimmer bis zum Turm hinauf. Die hölzerne Wendeltreppe ächzte unter seinen Schritten, obwohl er nicht annähernd an die stattliche Statur seines Vaters herankam. Im Gegenteil. Würden die Spiegel entlang der Treppe noch hängen, sähe Ciaran darin vermutlich bloß eine schattenhafte Gestalt mit tiefen Augenhöhlen und knochigen, schmalen Wangen hochhuschen.
Der Prinz war inzwischen mehr Geist als Fleisch.
Gut, dass er die Spiegel abgehängt hatte, um sich selbst nicht mehr sehen zu müssen.
Erleichtert schloss er die Tür zum Turmzimmer hinter sich.
Thims Gesang verstummte in den Tiefen des Gemäuers.
Endlich Ruhe. Endlich.
Ciarans Hände zitterten leicht, als er den nassen Mantel achtlos auf einen Sessel fallen ließ und zum Kamin schlurfte. Die Glut war längst erstickt und es benötigte einige Anläufe, bis er das Feuer erneut entfachen konnte.
Er gewöhnte sich allmählich daran, die kleinen Handgriffe selbst zu tätigen, jetzt, da die Kammerdiener und Zofen einer nach dem anderen das Handtuch geworfen hatten.
Kein Wunder, er war grausam zu ihnen gewesen, damit sie ihn in Ruhe ließen.
Allerdings sollte er Thim bald dazu zwingen, die Wäsche zu reinigen. Ihre Schränke quollen über mit dreckigen Kleidern und Laken.
Ciaran stellte die tropfenden Stiefel neben das Feuer, ging vorbei an den Vorhängen, die er seit Tagen nicht mehr geöffnet hatte, und verkroch sich unter – wie er fand – doch einigermaßen akzeptabel sauberer Bettwäsche. Er wollte nur noch schlafen.
Kapitel 2 - Nächtlicher Besuch
Ciaran
Eine wohlige Wärme breitete sich in seinen klammen Gliedern aus. Schlaftrunken gähnte Ciaran und kuschelte sich zurück in die weichen Laken und an den Körper, der sich warm an seinen Bauch presste.
Allmählich dämmerte sein Bewusstsein aus dem erlösenden Nichts des Schlafes hervor.
Der Wind nagte noch an den Fensterläden und heulte durch die Festung. Allmählich ließ der Regen nach und brachte sein monotones Wiegenlied zum Verstummen.
Jetzt war das Knistern des Feuers das Einzige, was Ciaran zurück in den Schlaf lullen konnte. Wie ein Ertrinkender an einer Rettungsleine hielt er sich am Geräusch fest und versuchte, sich davon ins Land der Träume tragen zu lassen.
Es nützte nichts. Im Gegenteil erschien ihm das Prasseln und Knacken nur immer lauter und aggressiver, fressender, böswilliger, je mehr er sich darauf konzentrierte.
Leichte Panik wallte in ihm auf, die das Feuer mit einem knisternden Fauchen quittierte.
Ciaran schoss vom Bett hoch, doch das Gewicht auf seinem Bauch drückte sich gegen ihn.
Mit einem erstickten Schrei auf den Lippen sah er an sich hinunter und erkannte zuerst nicht viel mehr als braunes Haar, das sich über seine bleiche Haut ergoss. Dann hob sich der Schopf, etwas murrte, und ein Paar dunkler Haselnussaugen starrte ihm orientierungslos entgegen.
»Was ist los?«, murmelte die nackte Frau in Ciarans Bett.
Nun löste sich der Schrei endgültig aus der Kehle des Prinzen, während er fluchtartig aus dem Bett ans andere Ende des Zimmers sprang, die Hände abwehrend von sich gestreckt.
Bei Helia! Das Band um seine Kutte hatte sich im Schlaf gelöst und soeben rutschte ihm der Stoff ohne Vorwarnung von den Hüften.
Ciaran duckte sich in Alarmstellung und schnappte hastig ein Laken vom Bett, das er sich schützend vor die Leibesmitte hielt.
Die hübsche Unbekannte musterte ihn mit einem irritierten Blick, ehe die Erkenntnis mit einem Leuchten in ihre Augen trat.
»Oh!«, hauchte sie und sah an sich herunter.
»Oh! Aha!«, bejahte Ciaran fordernd.
»Oh! Ich … haben wir?«
»Bei Helia, nein!«
Heiß stieg ihm die Scham ins Gesicht. Hinter ihm glühte das Kaminfeuer, das mehr und mehr außer Rand und Band geriet und nach seinem Laken lechzte.
Die Fremde brachte nur ein weiteres »Oh« heraus und bedeckte sich errötend. Erst als Ciaran keine Anstalten machte, etwas zu erwidern, begann sie vorsichtig: »W… wo bin ich hier? Und wer seid Ihr?«
Der Prinz lachte empört auf. »Das fragt Ihr? Ihr seid in meinem Bett aufgetaucht. Nicht umgekehrt.«
»Ich …«
Mehr hörte Ciaran nicht mehr, denn das Feuer erfasste sein Laken und fraß sich über den Boden ins Zimmer hinein. Fluchend warf er den Stoff von sich und griff instinktiv nach dem nassen Mantel, der auf dem Sessel liegend vor sich hin tropfte.
»Meister!« Gerade in dem Moment öffnete Thim schnaufend die Tür und der Windstoß fachte die Flammen an. Sie wuchsen zu enormer Höhe und türmten sich vor Ciaran auf.
»Eeeek!«, kreischte Thim.
»Ahhh!«, schrie die fremde Schönheit.
»Scheiße!«, fluchte Ciaran und ließ nun auch den Mantel achtlos fallen.
Der Zuber! Ja, genau. Thim hatte das alte Badewasser bestimmt nicht geleert.
Ciaran rannte auf das Becken zu und packte dabei den Troubadour am Hemdsärmel, um ihn mit sich in Sicherheit zu ziehen.
Sein Freund wehrte sich. »Meine Laute!«, rief er aus und hechtete in die Flammen.
Der Prinz vergeudete keinen weiteren Atemzug, stieß mit dem rechten Bein, so fest er konnte, gegen den Beckenrand und kippte den Inhalt auf den getäfelten Boden. Zischend und schäumend ergoss sich das Wasser über das Feuer. Und mit einem Schlag war alles ruhig.
Nur ein bis zu den Knien mit Seifenwasser besprenkelter Thim hob wimmernd ein angekohltes Stück Holz in die Höhe. »Meine Laute!«
Am liebsten hätte Ciaran gelacht. Wie absurd! Doch auf den Schrecken folgte Wut. »Was macht das Ding überhaupt in meinem Zimmer? Was macht die …«, er deutete verärgert zur Frau, die sich kein bisschen aus seinem Bett bewegt hatte, »hier!«
»Oh.« Der Barde ließ den Mund offen stehen und blinzelte verwirrt.
»Nicht du auch noch, Thim!«
»Die lag da bislang nicht, als ich die Laute zum Trocknen vorbeibrachte, ich schwör’s!«, verteidigte sich der Troubadour.
Ciaran seufzte und strich sich erschöpft mit dem Zeigefinger über die linke Augenbraue.
»Du weißt also nicht, wie eine Fremde mitten in einem Sturm so mir nichts, dir nichts durch die verschlossenen Tore, an dir vorbei, ins höchste Turmzimmer geschlichen ist?«
»Nein! Aber … oh!«
»Jetzt hört endlich mit diesen Ohs auf!«, forderte Ciaran laut. »Entweder erzählt ihr mir sofort, was hier gespielt wird oder ihr beide fliegt raus.«
Thim lächelte gequält und versuchte, die Lage wie üblich mit einem Witz zu entschärfen. »Du kannst mich nicht entlassen, Meister. Das hast du schon dreiundzwanzigeinhalb Mal getan. Und ich bin immer noch da!«
»Einhalb? Ernsthaft?« Der Prinz runzelte die Stirn.
Nach Verzeihung heischend breitete Thim die Arme aus und erinnerte ihn mit wispelnder Stimme: »Das verkohlte Wildbret gestern Abend?«
Ciaran grummelte: »Ah, ja. Das arme Schwein. Von uns kann schließlich niemand kochen.«
»Eben.«
Ein Räuspern. Die Unbekannte druckste auf dem Bett herum. »Wenn ich etwas einwenden darf …«
»Ja?«, maulte Ciaran unleidlich.
»Ich kann kochen.«
Thim frohlockte: »Helias Gnade!«
»Also, denke ich.« Sie wich dem feurigen Blick des Prinzen aus und strich sich eine lose Strähne ihrer braunen Haare hinters Ohr. »Ich kann mich