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Von Köln nach Ouranopolis - Teil 2: Senioren  auf der Flucht
Von Köln nach Ouranopolis - Teil 2: Senioren  auf der Flucht
Von Köln nach Ouranopolis - Teil 2: Senioren  auf der Flucht
eBook342 Seiten5 Stunden

Von Köln nach Ouranopolis - Teil 2: Senioren auf der Flucht

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Über dieses E-Book

Zwei Kölner Senioren im Jahr 2127 in Not.
Die neue Onko-Regierung in Köln will alle alten Menschen ab 70 aus dem Straßenbild verschwinden lassen, weil sie zu kostenintensiv geworden sind. Die Zukunft gehört den Kindern und den jungen Menschen.
Daher sind sie jetzt auf der Flucht und auf der Suche nach einer neuen Heimat.
Ob die wohl in Ouranopolis in Griechenland ist?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum1. Apr. 2022
ISBN9783347922457
Von Köln nach Ouranopolis - Teil 2: Senioren  auf der Flucht
Autor

Karin Fruth

Guten Tag, ich heiße Karin Fruth und lebe seit vielen Jahren in Köln. Mein Mann war Archäologe und wir unternahmen gemeinsam viele Reisen mit dem VW-Bus durch Griechenland, Osteuropa und Tschechien. Mit viel Engagement organisierte ich mit TRAdeArt über 80 Kunstausstellungen in Deutschland und Athen für osteuropäische Künstler. Dabei lernte ich viel über ihr Leben in ihren Heimatländern kennen. Meine Bücher lassen sich nicht in ein festes Raster pressen, sie sind oft etwas sentimental, machmal etwas zu phantastisch, fast frei von Gewalt und Horror, aber sie haben immer ein happy end. Neuerdings kann man auch einen Beitrag über mich bei youtube sehen. https://www.youtube.com/watch?v=Bccj10ZHuko Karin Fruth Ich bin seit dem 27.07.2022 auch auf youtube zu sehen: https://youtu.be/Bccj10ZHuko Darin stelle ich mich und die griechischen Bücher vor. Weitere Videos folgen !

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    Buchvorschau

    Von Köln nach Ouranopolis - Teil 2 - Karin Fruth

    Köln im November 2089

    Endlich ist alles auf dem richtigen Weg. Die sich ewig zankende und schwächelnde Parteien-Demokratie wurde abgeschafft, sie funktionierte sowieso nicht mehr.

    Stattdessen entstand ein neues Gremium, das vom „Ältesten Onkokratenrat regiert wurde, einer kleinen Gruppe verdienter Banken- und Großindustriellen, deren Vorstand und Gründer Onko-Bewegung, Karl-Otto Onko, war. Er wurde am 18.01.2044 in Köln geboren, er erbte von seinen Eltern Gold- und Diamantgruben in Südafrika, er war Multimilliardär und großzügiger Mäzen zahlreicher Stiftungen. Er war der Gründer der „Onko-Partei, die Reform des neuen Weges.

    Sie kam völlig legal und demokratisch an die Macht. Onko erkannte schnell die große Gefahr der enorm steigenden Lasten der Renten- und Krankenversicherung einer überalterten Bevölkerung. Also wurde zügig die ohnehin nicht mehr funktionierende Demokratie durch die Onko-Reformpartei des neuen Weges ersetzt.

    In seiner Heimatstadt Köln gelang der Umbau auf Anhieb, weil Karl-Otto Onko sein gesamtes Vermögen der Staatspartei in einer Stiftung zur Verfügung stellte, der schnelle und unvermeidliche Umbau des kompletten Sozialstaates wurde innerhalb von nur acht Jahren vorbildlich und konsequent durchgesetzt.

    Mit schöner Regelmäßigkeit setzte sich seitdem überall in Deutschland die Onko-Einheitspartei durch und die Stadt Köln war zum „Leuchtturm" dieser neuen zukunftsweisenden Bewegung geworden.

    Die quälende Geißel des 20. Jahrhunderts, die Arbeitslosigkeit und die Sozialhilfe wurden abgeschafft, jeder Bürger hat ein Anrecht auf einen Arbeitsplatz, viele sind in staatlichen Programmen beschäftigt und erhalten ein angemessenes Bürgergeld dafür. Das bedeutet also Vollbeschäftigung für die ganze arbeitende Bevölkerung.

    Ein moderner Staat kann nur dann funktionieren, wenn seine Kinder einen optimalen Start ins Leben haben. So entstand die Familien- und Kinderförderung „Onkind". Jede Familie kann nun dank des großzügig bemessenen Kindergeldes mindestens vier Kinder ohne finanzielle Probleme aufziehen. Überall im Land entstehen kinder- und familienfreundliche Wohneinheiten, vorbildliche staatliche Kinderkrippen, Kindergärten und Schulen. Das Personal, und ganz besonders die Lehrer werden optimal ausgebildet, nur die allerbesten dürfen in diesem Sektor arbeiten, denn für die Kleinen ist der Regierung nichts zu schade.

    Überall sieht man jetzt in der Stadt viele Onko-Polizisten in neuen dunkelblauen Uniformen und Baretten auf dem Kopf, die endlich durchgreifen und für Ordnung sorgen. Niemand muss mehr das Gefühl haben, Opfer einer kriminellen Tat zu werden.

    Die Stadt ist blitzblank sauber geworden und überall sorgen die Onko-Hostessen für einen problemlosen Ablauf aller Wünsche.

    Alle Bahnfahrten sind kostenlos und Frauen mit Kinderwagen werden bevorzugt zum Bahnsteig und auf ihren Sitzplatz gebracht und sogar ihre Koffer werden im Zug für eine angenehme Reise verstaut.

    Auch draußen, am früheren Taxistand, stehen jetzt viele schwarze komfortable Onko-Limousinen, die Fahrer warten einheitlich und adrett in ihren weißen Overalls gekleidet auf Kunden, alles ist neuerdings kostenlos für die Gemeinschaft der modernen Zivilisation geworden!

    Auch die Straßenbahnen sind sehr sauber und vorbildlich geworden und in jeder Bahn fährt ein Onko-Servicemann mit, der für Ordnung sorgt und den jungen Müttern mit den Kinderwagen beim Ein- und Aussteigen hilft. Man bekommt immer einen Sitzplatz, und vor allen Dingen, alle Fahrten sind kostenlos.

    Wer erinnert sich eigentlich noch an früher, als Millionen von Privatautos die Stadt verstopften und für schlechte Luft sorgten? Aus ökologischen Gründen wurde das Benzin abgeschafft, und die alternativen Kraftstoffe waren viel zu kostspielig geworden. Daraufhin ließen die Autobesitzer einfach ihre sinnlos gewordenen Autos stehen und sie mussten überall auf Staatskosten aufwändig ins osteuropäische Ausland entsorgt werden.

    Die Bevölkerung gewöhnte sich schnell an ein Leben ohne Individualverkehr, egal, ob man etwas transportieren, zum Amt oder zum Arzt muss, ein Anruf genügt, und die schwarzen Autos mit ihrem uniformierten Fahrer im weißen Overall sind immer verfügbar, freundlich und zuverlässig, zu allen Tag- und Nachtzeiten.

    Nun hört man überall wieder auf den Straßen fröhliches Kinderlachen, lärmende Schulkinder, adrette, oft sehr hübsche, blonde Teenies bevölkern die eleganten Eiscafés und die Straßenbahnen.

    Man konnte die schönen Erfolge und Fortschritte förmlich mit den Händen greifen. In den schönsten Lagen der City und Fußgänger-Zentren entstanden prächtig glitzernde Einkaufsmeilen. Beauty-Salons, HealthCare-Center und Sonnen- und Fitnessstudios ersetzten die veralteten Arztpraxen, Apotheken, und Massagepraxen. Nur der beste Service wird für den neuen perfekt gestylten modernen und gesundheitsbewussten Menschen angeboten.

    Die Kaufhäuser haben sich zu richtigen Erlebnisparks für die ganze Familie gemausert, wo stolze Eltern ihren hoffnungsvollen Nachwuchs ausführen. In der Kinder- und Jugendabteilung wartet perfekt geschultes Personal für die Beratung der umfangreichen Spiele- und Computerangeboten, und ohne eine komplette Kuscheltier-Etage kommt heutzutage kein modernes Kaufhaus mehr aus. Heutzutage ist jedermann an allen Tages- und Nachtzeiten sicher.

    Dieser hohe Standard gilt natürlich nur für die „entwickelten Stadtteile, einige andere wie Ehrenfeld, Kalk und Nippes waren nun fast entvölkert, denn wer wollte schon da leben? Natürlich niemand. Um diese verlassenen Stadtteile baute die Stadt Köln daraufhin einen umweltfreundlichen Schutzwall, und die so entstandenen „No-Go-Zonen existierten fortan nicht mehr auf den Stadtplänen, sie wurden einfach von der Bevölkerung vergessen.

    Vor dem grünen schönen Wall in der properen Innenstadt hat man gepflegte Beete mit kleinen Spazier- und Wanderwegen mit Bänken angelegt, auf denen im feinsten Sonntagsstaat stolze Eltern mit ihren Kindern flanieren können. Was schert sie, was auf der anderen Seite der Mauer gewesen war?

    Köln 2089 – ist jetzt eine vorbildlich geführte Stadt der Onkokratie mit einer Leuchtturm-Wirkung für ganz Europa.

    Ja, es war ein langer und steiniger Weg, aber er hat sich wirklich für alle gelohnt. Die glückliche Zeitenwende zur Onkokratie wurde endlich vorbildlich vollzogen.

    Die Flucht geht weiter - November 2089

    Und das geschah bisher:

    Marthe und der Wachmann Uwe sind auf der Flucht vor den Onko-Schergen, die sie beinahe erwischt hätten.

    Im Müllwagen gelingt ihnen gerade noch die Flucht, aber nun stehen sie vor der Zitadellenmauer am Eigelstein. Ein braver Wachhund zeigt ihnen den Weg hinaus auf die andere Seite.

    Zum Glück regnet es, außerdem ist es eine ziemlich finstere Gegend, in der niemand mehr unterwegs ist.

    „Ich muss mich bei dir festhalten, ich kann nicht mehr, keucht Marthe. „Können wir nicht eine Pause machen?

    „Jetzt lieber nicht. Komm Marthe, du darfst nicht aufgeben. Hak dich einfach bei mir ein, gleich da hinten können wir uns ausruhen. Nur noch bis da oben, dann geht es bergab."

    An der Straße stehen einige verfallene Häuser und an der linken Seite sehen sie die Befestigungsmauer der Zitadelle von der anderen Seite. Hier scheint alles zu schlafen, niemand ist draußen, gibt nur einen einzigen unbewachten Eingang hinter dem Krankenhaus.

    „Marthe, wir haben es geschafft, da ist der Eigelstein, der Hund hatte uns wirklich den richtigen Weg gezeigt. Da ist der Eigelstein, jetzt ist es nicht mehr weit."

    Hastig laufen sie am Rhein entlang weiter, da endlich kommt die Kirche von Sankt Kunibert in Sicht, hier können sie nach rechts abbiegen, direkt vor ihnen liegt das Marien-Krankenhaus, jetzt steht „Onko-Geburts- und Kinderhilfe" in grellen roten Neonbuchstaben über dem hellerleuchteten Eingang.

    „Komm hier entlang, eng an die Mauer, schnell, der Pförtner darf uns nicht sehen, die haben nämlich eine komplette Video-Überwachungsanlage. Erst hinter dem Krankenhaus beginnt die Zitadelle, erst da sind wir in Sicherheit, mach voran, du darfst nicht stehenbleiben."

    Das helle Neonlicht ist verschwunden, als sie um das Gebäude herumgeschlichen sind. Im Dämmerlicht erkennen sie das alte Straßenschild „Unter Krahnenbäumen, ach ja, da hinten gab es mal eine Musikhochschule, das Gebäude existiert ja immer noch.

    „Los Marthe, weiter geht’s , hier dürfen wir nicht stehen bleiben."

    Eilig gehen sie weiter, an der Mauer drücken sich ein paar Prostituierte herum, die hier draußen völlig ungestört ihrem Gewerbe nachgehen.

    Sie zucken bleiben plötzlich zusammen, direkt hinter ihnen hören sie ein seltsames Geräusch. Als sie sich erschrocken umdrehen, stehen sie direkt vor einem Rollstuhlfahrer.

    Hey, Jungs, wo wollt ihr denn hin mitten in der Nacht? flüstert der Fahrer kehlig.

    „Ulli, Mensch, du bist das, hast du mich aber erschreckt! Wo kommst du denn auf einmal her mitten in der Nacht? Warst du mal wieder bei deinen leichten Mädchen Du bist ein richtiger Teufelskerl, wie schaffst du das bloß?

    Pass bloß auf, dass dich die Schwarzen nicht erwischen und irgendwann mal einkassieren, dann ist es vorbei mit deinem Jöbchen." kichert Uwe belustigt.

    „Das ist doch meine leichteste Übung. Und außerdem, meine Freundinnen helfen mir schon rauf und wieder runter. Ich bin doch nicht blöd, ich weiß doch genau Bescheid, was mir dann passiert, wenn die mich einkassieren. Die kriegen mich nicht, die nicht, häha, hähä!

    Mann, ihr stinkt aber ziemlich eklig, habt ihr etwa in der Mülltonne übernachtet? Igitt, Hans, du hast sogar noch Salatreste auf der Hose, wo hast du dich denn herumgetrieben, wo bist du bloß gewesen?"

    „Das ist eine lange Geschichte, wir mussten in einem Müllwagen abhauen, das ist doch kein Wunder, oder?" sagt Uwe und zupft sich auch am Ärmel irgendetwas grünes weg, es ist tatsächlich ein glitschiges Salatblatt, wie ekelhaft.

    „In einem Müllwagen? Bah, wirklich? Wie könnt ihr bloß! Haltet bloß Abstand, ihr elenden Stinker," ruft er und dreht sich angewidert um.

    „Und nun sind wir hier gelandet. Kannst du uns vielleicht ein paar Tipps geben? Was ist jetzt los in der Zitadelle am Eigelstein?"

    „Wo wollt ihr überhaupt hin?"

    Zu Willis Kneipe. Gibt es hier etwas Neues, was ich wissen müsste?

    Oh, nichts Besonderes, aber überleg dir gut, wen du da zu uns anschleppst.

    Da waren nämlich heute früh zwei schwarze Spione, und die fragten so ganz beiläufig nach dir, bei Willi, im Eigelstein-Eck. Wo du jetzt wärst, was du jetzt machst und so weiter, aber außer Chris war niemand da, und der hatte zum Glück nicht so viel intus, dass er sich verplappert hätte, der hat wirklich aufgepasst und denen nichts von dir erzählt. Außerdem weiß doch keiner von uns, wo du jetzt wohnst. Wo warst du denn die ganze Zeit?"

    „Was wollten die denn von mir? Was soll Chris denn schon über mich sagen können? Der Penner, der blöde Idiot. Meine Adresse werde ich nun erst recht geheim halten, die verrate ich niemandem, die kriegt keiner raus.

    Also Uli, du kannst mir einen Gefallen tun und schon mal vorflitzen und Willi und den anderen Bescheid sagen, dass wir zu zweit kommen und seine Hilfe brauchen? Dass wir ziemlich stinken und auch neue Klamotten brauchen. Fahr los, aber pass bloß auf. Wenn die dich kriegen, dann…. "

    „Also dann, ich sag Willi schon mal Bescheid und checke die Lage! Ihr könntet aber ruhig mal einen Schritt zulegen, hier ist es nicht ganz ungefährlich.

    Ach so, ihr wisst das neue Kennwort ja noch nicht. „Daisy kommt heute zu mir. Musst du dir gut merken, sonst lassen die dich nämlich nicht rein. Hören sie gerade noch und sein Rollstuhl verschwindet in der Dunkelheit genauso schnell und lautlos, wie er herangekommen war.

    „Oh Mann, so ein blödes Kennwort, das muss ich mir wirklich merken, wer hat sich sowas bloß ausgedacht? „Daisy kommt heute zu mir. So, Marthe, kommt mal weiter, sonst kommen wir ja nie mehr an. Warum ist es bloß so pissdunkel?

    „Parole? flüstert es plötzlich aus einem Treppenabgang neben der langen Mauer heraus. Sie zucken entsetzt zusammen, aber Uwe pfeift zweimal leise und flüstert dann: „Daisy kommt heute zu mir.

    „O.k." Der Schatten verschwindet wieder lautlos im Treppenabgang.

    „Wer war das, etwa eine Wache?" flüstert Marthe erschrocken.

    „Ja, klar, aber diese Wachen gehören zu unseren eigenen Leuten, die lassen keinen Fremden in die Zitadelle Eigelstein, besonders nicht nachts. Kommt mal weiter, hinter der Mauer ist es nicht mehr sehr weit."

    Sie stolpern im Düstern durch die Straße voller Schlaglöcher, draußen gibt es kaum Straßenlaternen, nur in wenigen Häusern ist Licht zu sehen. Ab und zu schleicht eine dunkle Gestalt an ihnen vorbei, guckt beiläufig, biegt ab und ist irgendwo wieder in der Dunkelheit verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt.

    Dann stehen sie vor einer riesigen Straßenschneise, das war früher mal die „Nord-Süd-Fahrt", jetzt rasen hier keine Autos mehr so wie früher vorbei, und Marthe denkt an die vielen bunten Autos und den brausenden Verkehr von damals, aber das ist alles schon lange vorbei. Private Autos gibt es ja nicht mehr.

    „Siehst du eine schwarze Karre? Nein, los, schnell rüber, kommt weiter. Hastig überqueren sie die breite Asphaltstraße und erreichen die Eigelstein-Seite. Sie gehen noch ein paar Schritte die Straße hoch, da entdecken sie eine schummerige Lichtwerbung, da ist die Kneipe „Eigelstein-Eck.

    In Willis Kneipe am Eigelstein

    „Los, Marthe, komm rein, wir haben es geschafft! ruft Uwe erleichtert, „Rein mit dir in die gute Stube!

    Als sie die knarrende Schwingtür aufstoßen, dringt ihnen ein Schwall von Zigarettendunst und Heizung entgegen, untermischt vom halberstickten Bass-Getöse der Musikbox.

    „N’ Abend, Willi, gibts was Neues?" fragt Uli laut und schaut sich vorsichtig um.

    Der Wirt guckt misstrauisch hinter seinem Tresen her, die Kneipe ist nicht sehr voll, hinten sitzen vier Personen und spielen Skat, an einem einzelnen Tisch sitzt eine alte Dame mit einem undefinierbaren Hund, sie gucken neugierig herüber und zwei stark geschminkte „Damen" stehen dösend mit einem Kaffee am Tresen.

    „Ja, ja, Uwe, hier war gerade mal wieder mal der Teufel los, wie üblich! knurrte Willi. „Da waren mal wieder zwei Schwarzfüße da, die suchten dich und die wollten mir ein Loch in den Bauch fragen.

    „Was wollen die denn jetzt noch von mir? Die haben doch schon mein ganzes Leben kaputtgemacht," sagt Uwe böse, und dann zu Marthe gewendet: „Setz dich erst mal hier an den Tisch, was willst du trinken?

    Und dann fragt er leise den Wirt: „Hast du denn nicht rausgekriegt, was die von mir wollten?"

    „Ja, die suchten dich mal wieder und fragten, ob du etwas gesehen hättest.

    Aber wen bringst du uns da mit angeschleppt? Hast du denn gar keine Angst, dass das eine Spionin ist? Kannst du der auch wirklich vertrauen? Hast du nicht schon genug Ärger gehabt, Uwe?" fragt Willi und poliert seelenruhig ein paar Gläser.

    „Mach dir mal keine Sorgen um die, ich weiß schon genau, was ich tu und wem ich vertrauen darf. Das ist Marthe, die habe ich gestern Abend unten am Rhein gefunden! Wir sind gestern und heute in unserer Siedlung in Deutz gewesen, und dann mussten wir heute Mittag mit dem Müllwagen abhauen!"

    „Soso, gefunden, so nennt man das heutzutage, aber ich kann mir bestimmt schon denken, was es wirklich gewesen war, es ist doch immer dasselbe, die machen Jagd auf Alte!

    Also los, setze dich mal hier hin. Was kriegst du? Ein Kölsch und einen Kabänes zum Aufwärmen? Gut, bringe ich dir sofort! Du kannst doch bar bezahlen, oder? Anschreiben tu ich nämlich nichts mehr, denn ich kenne dich nämlich noch gar nicht!"

    „Natürlich kann ich bar bezahlen, das ist doch kein Thema!" sagt Marthe laut und guckt den Wirt herausfordernd an. „ich bin doch kein Bettler, wenn ich im Moment zwar auch so aussehe! Ich kann alles sofort bezahlen!

    Und außerdem, kann man hier auch etwas essen? Ich habe nämlich ziemlichen Hunger."

    „Ein paar Mettbrötchen sind noch da, nimm sie dir ruhig, aber mehr ist im Moment nicht da!" sagt Willi gutmütig und schiebt ihr den ganzen Teller mit Mettbrötchen hin.

    Marthe wundert sich, dass sie trotz Rhondas Festmahl am Mittag schon wieder hungrig ist, dann trinkt sie ein Kölsch, ein zweites, und dazu genehmigt sie sich noch einen zweiten Kabänes.

    Endlich ist sie satt und erwartungsvoll guckt sie sich um, aber neben ihr sitzt niemand mehr, sogar die alte Dame mit dem Hündchen hat sich in eine andere Ecke verzogen.

    „Ich weiß ja, es klingt unhöflich, aber du stinkst zum Himmel, einige Gäste haben sich schon über dich beschwert. Kein Wunder, wenn du auch im Müllauto gesteckt hattest. Kommt mal mit nach hinten, du musst dich erst mal waschen und neue Klamotten brauchst du auch."

    „Ach ja, das wäre wunderschön. Aber Sie müssen das wirklich nicht umsonst für mich tun, ich kann Ihnen alles bezahlen. Ich bin wirklich kein Penner, sondern ein ganz normaler Mensch."

    „Papperlapapp, das weiß ich doch. Jetzt in dieser Zeit müssen wir doch alle zusammenhalten. He, Lothar, kannst du mich kurz vertreten? Ich bin gleich wieder da, ich muss nur die Stinkerdame mal gerade wegbringen. Du kannst dir ruhig was einschenken, kein Problem, du kennst dich ja aus.

    Los, dann komm mal mit ins Bad ,hier geht es die Treppe rauf in die Wohnung meiner Mutter. Wir dürfen aber kein Licht anmachen, Strom und Gas sind abgeschaltet, du kannst leider nur kalt duschen, aber ich kann dir ein paar Kerzen hinstellen. Gleich besorge ich dir noch Handtücher und Klamotten, ich glaube, dass ich sogar noch irgendwo Kleider von meiner Mutter habe, die sind zwar etwas altmodisch, aber die dürften dir wohl passen. Das dauert aber ein bisschen."

    „Vielen Dank, vielen Dank, stammelt Marte ergriffen, „ich werde…

    „Ja, ja, ist schon gut, ich geh mal vor, hier geht es die Treppe rauf, ich schließe mal auf. So, da ist es, also rein mit dir. Eine Sekunde, bleibt mal gerade auf dem Flur stehen, ich hole ein paar Kerzen aus dem Nebenzimmer, sonst siehst du ja gar nichts hier drinnen. Und die Klamotten lege ich dir gleich hinterher vor die Tür."

    Als er im Schlafzimmer draußen herumkramt, hält er erschrocken inne. „In was für einer Welt leben wir eigentlich? Du liebe Zeit, wenn die Onko-Regierung schon solche Omas verfolgen, wie soll das bloß noch weitergehen? Der Frau muss er einfach helfen, die darf doch nicht unter die Räder kommen….

    Er betritt entschlossen das Badezimmer, zündet die Kerzen an und klebt sie mit heißem Wachs auf das Waschbecken.

    „So, jetzt kannst du reinkommen, aber denk dran, die Kerzen hinterher alle auszumachen, sonst brennt es hier noch. Alles ist für dich da, Shampoo und Seife, schrubb dich richtig gut ab, du Stinker. Klamotten liegen im Schlafzimmer, hoffentlich passt dir etwas davon."

    „Danke, danke, ich tue mein Bestes. Mann, bin ich froh, diesen furchtbaren Gestank loszuwerden. Ach wie schön, endlich mal wieder sauber zu werden." ruft Marthe glücklich und zerrt sich augenblicklich ihre stinkenden Kleider vom Leib, die wirft sie einfach in die nächste Ecke.

    „Igitt, sogar meine Haare stinken fürchterlich nach Fisch. Oh, das Wasser ist ja wirklich eiskalt, aber da ist Seife und Shampoo, es muss auch so gehen," ruft Marthe bibbernd und tanzt unter dem Duschstrahl herum, dass es nur so spritzt.

    Nach dem Müllauto-Transport ist die Dusche wirklich notwendig! Schade, dass niemand ihr den Rücken schrubben kann.

    So, der Dreck ist jetzt endlich runter. Oh, da ist ein dickes Handtuch zum Abtrocknen. Ach, der gute Willi, das ist ein guter Mensch. Dankbar rubbelt sie sich ab, bis ihre Haut krebsrot geworden ist. Gott, bin ich froh, wieder sauber zu sein.

    Mit ein paar Schritten steht sie im Schlafzimmer. Neugierig steckt sie den Kopf aus der Tür. Mal gucken, was Willi mir da für Sachen rausgelegt hat.

    Meine dreckigen Klamotten lasse ich einfach auf dem Boden liegen, die kann man morgen bestimmt noch mal richtig durchwaschen oder lieber gleich entsorgen. Nur den Geldgürtel muss sie sich sofort wieder umschnallen.

    Sie zieht sich ziemlich altmodische Unterwäsche an, dicke Wollstrümpfe und darüber ein geblümtes Wollkleid. Das sind ja richtige Oma-Klamotten, für das erste muss es gehen, später wird sie sich dann ihre eigenen Jeans wieder waschen können. Dafür ist alles jetzt schön warm.

    Gerade, als sie die Kerzen löscht, hört sie ein Klopfen an der Tür, gleichzeitig knirscht der Schlüssel im Schloss. Das wird wohl Willi sein. Die Tür öffnet sich leise und Willis dicker Kopf schiebt sich um die Ecke.

    „Na, du Dreckspatz, bist du endlich sauber geworden? Ja, ich rieche es schon, so, jetzt siehst du schon ein viel besser aus. Lasst die Kerzen ruhig brennen, Uwe muss ja auch noch sauber werden.

    Im Schlafzimmer steht ein Waschkorb, da kannst du deine alten Klamotten reinwerfen, sonst stinken sie hier alles voll. So, dann komm mal mit, ich wollte dich nämlich gerade zum Abendessen abholen kommen."

    Abendessen, mein Gott, richtiges Abendessen, was für ein wunderbares Wort. Was gibt es denn gutes?

    „Jo, bloß Schnitzel mit Fritten," brummt Willi verlegen. Diese Marthe erinnert ihn plötzlich fatal an seine Mutter, außerdem hat sie fast genauso die gleiche Stimme.

    Er schluckt, denn jetzt merkt er erst, wie sehr er seine Mama vermisst hatte. „Hier entlang, am großen Ecktisch habe ich für dich gedeckt, alles wird kalt, wenn ihr du dich nicht beeilst. Uwe hat schon gegessen."

    „Ach, Willi, du bist so gut zu uns. Danke für alles. Ich habe schon wieder einen Bärenhunger und könnte ein ganzes Schwein aufessen."

    Gemütlich lässt sie sich am Ecktisch nieder, spachtelt die schon etwas kalten Fritten und das ziemlich heiße Schnitzel mit Ketchup. Im Nu hat sie ihre Portionen verputzt und Willi spendiert ihr zum Nachtisch eine Runde Schokoladenpudding aus dem Becher.

    „Na, bist du auch richtig sattgeworden? Wartet mal, jetzt gibt es noch ein Kölsch und zur Verdauung einen Kabänes und dann bist du zufrieden, oder?"

    „Klar Willi, vielen Dank, das Essen war genau das richtige für meinen Hunger. Morgen werde ich dir alles bezahlen."

    „Quatsch mit Soße, bleib ruhig noch ein bisschen hier sitzen. Gleich werfe ich die ganze Bagage raus, und dann haben wir genug Zeit, über alles zu reden. Also bis gleich."

    „Mach dir keine Sorgen, bring mir ruhig noch was zu trinken, ich komme schon allein zurecht."

    Willi verzieht sich hinter die Theke und endlich findet Marthe Zeit und Muße, sich ein bisschen umzusehen.

    In der Kneipe ist es inzwischen voll geworden, die Gäste hocken im Zigarettenqualm an ihren Holztischen und trinken ein Kölsch nach dem anderen. Einige stehen dichtgedrängt an der Theke oder lehnen an der gelbgetünchten Wand, die Willi in einem Anfall von verschönerndem Ehrgeiz mit Märchenmotiven dekoriert hatte.

    Am Nebentisch kauert ein Trupp Arbeiter mit schmierigen Pudelmützen über den Stierschädeln, ihre Overalls sind über und über mit Öl und Lack besudelt, vor ihnen stehen Kölschgläser und Teller mit riesigen Koteletts.

    Von der Theke dringt das schrille Gelächter zweier Transvestiten, bebrillt und dürr der eine, feist und beweglich der andere.

    Drei bärtige Männer sitzen am Tisch daneben schlürften Ouzo aus milchigen Gläsern und teilten sich eine kommunistische Zeitung, neben Hammer und Sichel steht die Überschrift „Saloniki" fett in griechischen Buchstaben.

    Etwas weiter entfernt sitzt eine alte Frau, unter dem Tisch hat sie ihre gelbe, muskulöse Dogge an einem Heizungsrohr festgebunden. Zufrieden, winzig und geizig schlürft sie in kleinen Schlucken ihren mit viel Zucker gesüßten Tee, und dieses Teetässchen scheint einfach nie leer zu werden.

    Am Ecktisch neben den Toiletten sitzt breit, schwer und grinsend ein Möchtegern-Zuhälter. Neben ihm kauert ganz verschüchtert eine wunderzarte winzig kleine Asiatin mit exotischem Gesichtsschnitt, die er gerade allen Anwesenden als neuestes „Pferdchen" vorgestellt hatte.

    Alles grölt, lacht, und einer versucht sogar, das Mädchen plump anzupacken. Aber es weicht immer wieder verlegen den schmutzigen Pranken aus. Der Zuhälter hat seine schwarze Pudelhündin am Tischbein angeleint, deren heiseres, nervöses Jaulen in dem ganzen Getöse untergeht.

    Dies ist wohl ein ganz normaler Abend im Eigelstein-Eck. Verfrorene Huren vom nahegelegenen Straßenstrich pausieren mit einem Kaffeetässchen zwischen zwei Kunden am Tresen, dazu noch Arbeitslose und Schieber, obskure Musiker, Maler und erschöpfte Taxifahrer, Buddhistinnen, Hafenarbeiter und Studenten.

    Sie alle kommen, um sich etwas aufzuwärmen, um zu feiern und zu vergessen, um sich zu betrinken, bevor Traurigkeit und Einsamkeit jeden von ihnen später wieder in Beschlag nehmen würde.

    Endlich ist auch Uwe sauber geworden und bringt eine Wolke Wohlgerüche mit an ihren Tisch. „Setz dich Uwe, wir haben dir ein Schnitzelchen übriggelassen, die Pommes waren sowieso schon kalt geworden. Hier ist ja echt was los. Ich war schon seit Ewigkeiten in keiner Kneipe mehr."

    „Nichts für ungut, Kumpel, danke für das Schnitzel. So, ich muss jetzt noch mal weg, du kannst ja bei Willi bleiben, ich habe schon alles mit ihm besprochen, hier bist du erst mal in Sicherheit! Ich komme morgen mal wieder nach dir gucken. Gute Nacht."

    „Uwe, mach es gut, ich danke dir so sehr für alles," sagt Marthe und will ihm gerade die Hand drücken, aber Uwe hat sich aber schon unwirsch umgedreht, seine speckige Mütze aufgesetzt und sich die uralte Lederjacke übergeworfen. Mit ein paar Schritten ist er durch die Tür verschwunden.

    „Mensch, wenn ich den nicht gehabt hätte," murmelt Marthe und guckt sich erschrocken um, ob ihr auch keiner zugehört hat.

    „Hallo Leute, ich gebe einen aus, denn ich habe heut meinen Glückstag. Ich habe nämlich die Branche gewechselt und jetzt hab ich was richtig Solides:

    Ich habe letzte Woche in ein Flugticket nach Bangkok investiert und dort mein neues Pferdchen aufgegabelt, da hinten am Tisch, das ist Sengfeng. Guck mal, was die Puppe Eindruck schindet, und diese Investition soll sich endlich mal auszahlen. Und darum gebe ich euch jetzt eine Runde aus!"

    „Mann Kaufhold, eh, wie hast du das denn geschafft, dass die ausgerechnet mit dir einfach so von Bangkok mitkommt? Hast du der die Ehe versprochen oder was?"

    „Heiraten, spinnst du. Ich habe der einen tollen Sekretärinnen-Job in Köln angeboten, das war natürlich eine faustdicke Lüge. Und stell dir mal vor, nach vier Wochen Urlaub kam sie einfach mit nach Deutschland, ohne Visum und heute Mittag sind wir mit dem Flieger angekommen, alles total easy, ganz ohne Probleme beim Zoll.

    Die hat sogar in der Zwischenzeit richtiges Deutsch gelernt, aber jetzt faselt die andauernd von einem sauberen Büro mit Topfpflanzen auf der Fensterbank. Die träumt glatt von einer tollen Zukunft mit einer eigenen Wohnung, und dass sie bald ihren kleinen Geschwistern in Bangkok viel Geld schicken würde. Das geht mir eben gerade ziemlich auf die Nerven."

    „Mann, so eine tolle Frau, meinst du, die könnte ich mir auch mal…"

    „Klar, aber nur, wenn du genug Kohle hinblättern kannst.

    Aber zuerst muss ich ihr in ziemlich schmucklosen Worten klar machen, dass sie den ganzen Sekretärinnen-Quatsch vergessen kann.

    Die soll sie sich erst mal amortisieren, denn der Flug war ja auch nicht gerade billig. Die muss doch kapieren, dass ein paar deutsche Freier viel mehr

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