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Geschichte des Zölibats
Geschichte des Zölibats
Geschichte des Zölibats
eBook312 Seiten3 Stunden

Geschichte des Zölibats

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Über dieses E-Book

Der Amtszölibat als Pflichtgesetz für Priester der katholischen Kirche ist eine Existenzfrage, nicht nur für die persönlich Betroffenen. Der katastrophale Priestermangel betrifft die Kirche insgesamt. Ist der Pflichtzölibat ein ehernes Gesetz oder ein historisches Relikt? Entstehung und Entwicklung des Zölibatsgesetzes sind für viele, die darüber hitzig und kontrovers diskutieren, weithin unbekannt. Angesichts vieler falscher oder schiefer Ansichten zur – zugegeben – komplizierten Geschichte des Zölibats vermittelt Georg Denzler ohne jeden Zorn, aber nicht ohne Eifer sachliche Information und nüchterne Beurteilung einer Geschichte, die mehrere Jahrhunderte umspannt.

Ein engagiertes und kompetentes Buch, dessen Autor am Ende gesteht: "Wenn ich der katholischen Kirche etwas Böses wünschen sollte, wäre es dies: dass sie die Zölibatsverpflichtung ihrer Priester unter allen Umständen und gegen alle Widerstände als eisernes Gesetz aufrechthält. Doch ich wünsche es nicht, und zwar im Interesse der Kirche Jesu Christi und aller Menschen, für die diese Kirche da sein soll."
SpracheDeutsch
HerausgeberVerlag Herder
Erscheinungsdatum18. März 2019
ISBN9783451816468
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    Buchvorschau

    Geschichte des Zölibats - Georg Denzler

    Georg Denzler

    Die Geschichte des Zölibats

    2. aktualisierte und erweiterte Auflage

    HERDER spektrum Band 6887

    Zweite aktualisierte und erweiterte Auflage

    © Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2016

    Alle Rechte vorbehalten

    www.herder.de

    Umschlaggestaltung: Verlag Herder

    Umschlagmotiv: © wikimedia commons ­ Le cardinal et la none,

    Egon Schiele

    Autorenfoto: Brigitte Würtz, München

    Satz: Arnold & Domnick, Leipzig

    E-Book-Konvertierung: Carsten Klein, Torgau

    ISBN (Print) 978-3-451-06887-4

    ISBN (E-Book) 978-3-451-81646-8

    Inhalt

    Auf ein Wort

    Vorwort zur 2. Auflage

    I. Priesterbild im Wandel

    II. Gesetzgebung zur Enthaltsamkeit und zum Zölibat

    1. Biblische Aussagen

    A. Altes Testament

    B. Neues Testament

    2. Kirchengeschichte

    A. Von der Zeit der Apostel bis zum 2. Laterankonzil (1139)

    B. Vom 2. Laterankonzil (1139) bis zur Gegenwart

    III. Innere und äußere Gründe für das Zölibatsgesetz

    1. Kultische Reinheit

    2. Asketische Reinheit

    3. Gesellschaftliches Prestige

    4. Ökonomisches Interesse

    5. Machtstreben

    6. Theologische Argumente

    A. Geschenk (charisma) von Gott

    B. Verbindung mit Jesus Christus

    C. Apostolisches Wirken für das Reich Gottes

    D. Jungfräulichkeit und Maria

    E. Engelgleiches Leben

    IV. Gegner des Zölibatsgesetzes

    V. Verwirklichung des Zölibatsgesetzes

    VI. Laisierung: Vom Priester zum Laien

    Einzeldispens vom Zölibatsgesetz

    Allgemeine Dispens vom Zölibatsgesetz

    Laisierungsverfahren

    Theologische Fragwürdigkeit der Laisierung

    Skandalöse Laisierungspraxis

    VII. Gegenwärtige Zölibatsdiskussion

    Zölibat als Gabe Gottes

    Zölibat als Menschenrechtsfrage

    Zölibat als Ursache für den Priestermangel

    Zölibat und Armut

    Zölibatsnorm und Realität

    Solidarität der Priester gefordert

    Wie lange noch Tanz um das „Goldene Kalb"?

    Bibliographie

    Über den Autor

    Auf ein Wort

    Jesus Christus:

    „Ich nenne euch nicht mehr Knechte ...

    Vielmehr habe ich euch Freunde genannt" (Joh 15,15)

    Ambrosius († 397), Bischof von Mailand:

    „Knechten gibt man Gebote, Freunden aber Räte.

    Wo Gebot, da waltet das Gesetz, wo der Rat, da waltet

    die Gnade" (Migne: PL 16,256)

    Noch eine Veröffentlichung zum leidigen Thema Zölibat! So höre ich Sie stöhnen, und ich sehe auch schon, wie Sie dieses Buch aus der Hand legen, weil Sie der Meinung sind, die sattsam bekannten Argumente pro und contra Zölibat, die Gedanken über Nutzen und Schaden der gesetzlichen Verpflichtung der Priester zur Ehelosigkeit seien längst schon bis zum Überdruß ausgetauscht. Neues gebe es nicht mehr zu erwarten. Und im Übrigen habe alles Argumentieren keinen Sinn, da es sich bei diesem Thema in erster Linie um ein kirchenpolitisches Problem handle, über das „Rom", gemeint ist vor allem der Papst, bekanntlich nicht mit sich reden lasse.

    Sollte es in der Tat noch so sein wie vor 900 Jahren, als selbst Bischöfe, die 1074 bei einer Synode in Erfurt gegen die von Papst Gregor VII. mit Entschiedenheit geforderte Enthaltsamkeit des Klerus opponierten, nach einem Bericht des Bamberger Mönchs Lampert von Hersfeld enttäuscht feststellen mußten, dass weder mit Gegengründen noch mit Bitten bei der römischen Kirchenautorität etwas auszurichten sei? Dann freilich bliebe uns nichts anderes übrig, als mit dem Dichter Dante Alighieri resigniert zu bekennen: „Laßt alle Hoffnung fahren".

    Resignation sei eine „Sünde gegen den Heiligen Geist", meinte der weltbekannte reformierte Theologe Karl Barth (†1968), „das glückselige Aber zur Resignation jedoch ein Zeichen von Hoffnung. Die biblische Mahnung „Hoffen gegen alle Hoffnung müßte in der Tat die Devise eines jeden Christen sein. Also will auch ich tausendmal lieber auf Hoffnung setzen, statt alle Hoffnung fahren zu lassen.

    Wenn ich der Einladung, die gegenwärtige Zölibatsdiskussion durch einen historischen Beitrag zu versachlichen, folgte und mich dazu entschloß, nach meiner zweiteiligen Publikation „Das Papsttum und der Amtszölibat" (1973-1975), wo die Päpste im Mittelpunkt stehen, diese Abhandlung zu verfassen, geschah es vor allem deshalb, weil Entstehung und Entwicklung des Zölibatsgesetzes doch nicht so bekannt sind, wie es den Anschein hat.

    Neben viel Unkenntnis, die sich beheben ließe, wird bei Erörterung der Zölibatsfrage häufig eine reichliche Portion Ideologie sichtbar, die leider nur schwer auszuräumen ist. Angesichts vieler falscher oder schiefer Ansichten zur – zugegeben – komplizierten Geschichte des Priesterzölibats tut Aufklärung immer noch not. Der Leser möge hier nicht eine anthropologische, systematisch-theologische oder pastoral-theologische Studie des Zölibatsproblems erwarten, sondern in erster Linie, wie es auch der Titel verspricht, eine historische Abhandlung des Zölibatsthemas.

    Bei der zu allen Zeiten, heute aber mit besonderer Dringlichkeit diskutierten gesetzlichen Ehelosigkeit der katholischen Priester geht es nicht um eine unbedeutende Sache, sondern um wirkliche Existenzprobleme: zunächst für die persönlich betroffenen Priester und Priesteramtskandidaten, dann aber auch für immer mehr Pfarrgemeinden. Nehmen wir also die Lage so ernst, wie sie wirklich ist, und bemühen wir uns um sachliche Information und nüchterne Beurteilung einer Geschichte, die mehrere Jahrhunderte umspannt.

    Der Historiker soll, einem alten Grundsatz folgend, „ohne Zorn und Eifer" (sine ira et studio) ans Werk gehen. Dieses Buch ist ohne jeden Zorn geschrieben, aber nicht ohne Eifer, und auch nicht ohne persönlichen Einsatz; denn diese beiden, Eifer und Einsatz, sind im Interesse des zu behandelnden Themas nicht bloß wünschenswert, sondern sogar notwendig.

    Für das Mitlesen der Korrekturfahnen danke ich sehr herzlich Max Blauberger (Bamberg) und Dr. Hans-Urs Wili (Bern).

    Breitbrunn am Ammersee, im November 1992

    Georg Denzler

    Vorwort zur 2. Auflage

    Wenn der Verlag Herder nach mehr als 20 Jahren eine 2. Auflage dieses Buches veranstaltet, geschieht dies, weil die Thematik des Buches unverändert aktuell ist. Die vom 2. Laterankonzil (1139) verordnete Verpflichtung des Klerus der römisch-lateinischen Kirche zur Ehelosigkeit war zu allen Zeiten umstritten, am heftigsten aber wird sie seit dem 2. Vatikanischen Konzil (1962-1965) und den Päpsten Paul VI., Johannes Paul II. und Benedikt XVI. abgelehnt. Der jetzige Papst Franziskus (seit 2013) zeigte sich vom Beginn seines Pontifikats an zu grundsätzlichen Reformen der Kirche entschlossen. Ob er auch an dem ehernen Gesetz des Priesterzölibats rütteln wird, muss erst noch die Zukunft zeigen.

    Kardinal Karl Lehmann, Bischof von Mainz und langjähriger Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, fragt sich in seinem neuesten Interview-Buch „Mit langem Atem, herausgegeben von Markus Schächter, ob es nicht „unterschiedliche Verwirklichungsmodelle von Priestertum geben könne. In diesem Zusammenhang meint er, dass man „angesichts der pastoralen Nöte bei uns einer offenen Diskussion darüber, ob es in der römisch-katholischen Kirche nur den zölibatären Priester geben müsse, nicht ausweichen dürfe. Es sei für ihn seit fast 50 Jahren „eine niederschmetternde Erfahrung, dass man über diese Frage nicht unbefangen und gelassen diskutieren kann. Genau dazu möchte die Neuauflage dieses Buches einen Beitrag leisten.

    Breitbrunn am Ammersee, im April 2016

    Georg Denzler

    I.

    Priesterbild im Wandel

    Bevor wir nach der Entstehung, Entwicklung und aktuellen Geltung der priesterlichen Ehelosigkeit fragen, soll der Wandel im Verständnis von Wesen und Aufgabe des Priesters skizziert werden. So sonderbar es klingen mag, ein Blick in die Geschichte zeigt bereits deutlich: Priesterbild und Priesterzölibat bedingen einander weithin.

    Das alttestamentliche Priestertum fand im Neuen Testament keine Fortsetzung. Mit dem Sühnetod Jesu Christi, des einzigen Hohenpriesters, war das Priestertum zu Ende gegangen. Der Begriff, den wir deutsch mit Priester (griech. presbyteros, d. h. Älterer) wiedergeben, bezeichnet im hebräischen kohen, im griechischen hiereus und im lateinischen sacerdos den aus dem profanen Bereich ausgesonderten und einem heiligen Stand angehörenden Kultbeauftragten, dessen Hauptaufgabe im Darbringen des Opfers besteht. Dieser Begriff bezieht sich aber im ganzen Neuen Testament nirgends auf die Apostel und ihre Mitarbeiter. „Kein einziger Apostel wird im Neuen Testament als Priester bezeichnet, von keinem Apostel spricht ein neutestamentlicher Text als von dem Leiter einer Herrenmahlfeier. Keinem Presbyter oder Episkopen wird eine besondere Vollmacht und Verantwortung für den Gemeindegottesdienst ausdrücklich zugesprochen."¹ Unter den Mitgliedern der Kirche als des neuen Gottesvolkes gab es anfangs keine wesentlichen Unterschiede. Sie alle zusammen waren das Volk (griech. laos), d. h. Laien. Die einzelnen Kirchengemeinden hatten zwar Vorsteher (Episkopen bzw. Presbyter) und Diener (Diakone) mit jeweils eigenen Aufgaben, aber keine Kultpriester wie in den Tempeln der Heiden oder im Jerusalemer Tempel. „Das Neue Testament kennt weder geweihte Personen noch eigene Kultorte, weder Opferhandlungen noch heilige Zeiten der Christen."² Noch fehlte also der Priester im kultisch-sacerdotalen Sinn.

    Doch je weiter dieser jesuanische Ursprung aus den Augen verschwand, desto mehr erfuhren die kirchlichen Dienste eine Interpretation, welche dem Neuen Testament fremd ist. Ein qualitativ neuer Sprung erfolgte im 3. Jahrhundert: Man begann zwischen Priestern (jetzt nicht mehr im Sinn des früheren Presbyter!) und Laien klar zu unterscheiden. Auf diese Weise traten zwei Stände ins Leben, von denen der des „qualifizierten Amtsinhabers den des „gewöhnlichen Laien bald weit übertraf. Diesen Sachverhalt bringt der dem Neuen Testament selbst fremde Begriff Hierarchie (griech. hiera archä = heilige Herrschaft) zum Ausdruck. Während die ersten Christen mit dem Brotbrechen und Brotessen beim Gottesdienst noch ihre Distanz zum Opferkult und Priestertum in Jerusalem bekundeten, erlebte das Amt des Aufsehers (Episkopos) ebenso wie das des Ältesten (Presbyter) vom 3. Jahrhundert an eine spezifisch priesterliche (sacerdotale) Umdeutung, die sich auch auf die Lebensführung des (neuen) Priesters auswirken mußte. Diese neue Sicht erhielt im Hochmittelalter ein theologisches Fundament durch die scholastische Lehre, dass die Ordination (Priesterweihe) ein „unauslöschliches Siegel" (Charakter) einprägt, mit dem eine seinsmäßige Veränderung in der Person des Empfängers verbunden ist.

    Erste Spuren dieser höchst bedeutsamen Entwicklung finden sich schon in einem um das Jahr 96 verfassten Brief, der allein Klemens von Rom zugeschrieben wird, obwohl die Christengemeinden in Rom und in Korinth zu dieser Zeit noch kollegiale Leitungen besaßen. Diesem Schreiben ist zu entnehmen, dass die wichtigste Aufgabe des Vorstehers, wie schon beim alttestamentlichen Priester, in der Darbringung der Opfergaben besteht. In diesem Klemens-Brief haben wir übrigens das erste Zeugnis für einen kirchlichen Amtsträger in der Rolle des Opferpriesters. Unter diesem Aspekt verstärkte sich in der nächsten Zeit die Verbindung zwischen Synagoge und Kirche. „Hippolyt, Tertullian, Cyprian, die syrische Didaskalia, Origenes wenden alttestamentliche Titel und Kultvorschriften unmittelbar und ohne erkennbare Hemmungen auf Bischöfe, Presbyter, Diakone und ihren Dienst in der Kirche an."³ Die Erhöhung des kirchlichen Amtsträgers zum „sacerdos (anfangs Bezeichnung für jeden Priester, später nur noch für den Bischof) bewirkte eine Degradierung der übrigen Gemeindemitglieder, die fortan im betonten Gegensatz zu den Klerikern (d.h. Auserwählten) „Laien genannt werden. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass nur Inhaber des sacerdotalen Amtes zur Leitung der Gottesdienste befähigt und berechtigt sind. Mit dieser Differenzierung setzte nach Meinung des Neutestamentlers Paul Hoffmann eine verhängnisvolle Entwicklung ein; denn: „Die Idee eines von den übrigen Gemeindemitgliedern unterschiedenen Klerikerstandes, für den eine besondere ontologische Verfaßtheit kraft der Weihe (character indelebilis) und der alleinige Führungsanspruch oder eine heilsmittlerische Kompetenz postuliert wird, findet im Zeugnis des Neuen Testaments keine Stütze."⁴ Der Gemeindevorsteher wurde bis zu dieser Zeit unter Handauflegung und Gebet in sein Amt eingesetzt (ordiniert), jetzt empfängt er eine heilige Weihe, d. h. er wird geweiht (konsekriert) und damit für immer aus dem Bereich der Laien herausgenommen und gleichzeitig in die Welt des Heiligen eingegliedert.

    Bezeichnenderweise läßt sich um diese Zeit eine wachsende Zurückdrängung der Frauen erkennen, die ihren männlichen Geschlechtsgenossen bei der Verkündigung des Evangeliums und der Feier der Eucharistie in den anfänglichen Hausgemeinden bis dahin wohl nicht nachgestanden waren. Priesterinnen gab es bei den Griechen wie bei den Römern, bei den Kelten ebensowie bei den Germanen. Doch je höher der Mann im Zeichen des Patriarchats stieg, desto tiefer sank die Frau, bis sie schließlich, aus „Amt und Würden" verdrängt, den Männern, das heißt den männlichen Priestern, das Monopol in der Kirche überlassen mußte. Parallel dazu beobachten wir eine aus gnostisch-dualistischem Gedankengut erwachsene Geringschätzung des weiblichen Geschlechts, das, weil immer mehr auf der Seite des Bösen angesiedelt, dem männlichen Geschlecht als unheilvoll erscheinen mußte und deshalb so weit wie möglich ganz gemieden werden sollte. All dies führte dazu, dass die christlichen Gemeinden bald nur noch von Männern, mit Vorliebe von zölibatären Männern, geleitet werden durften.

    Das gewandelte priesterliche Amtsverständnis kann sich endgültig durchsetzen, „als seit der Zeit Konstantins der Klerus der christlichen Gemeinden durch die staatliche Privilegierung wie die heidnischen Priesterschaften Steuerfreiheit erhält, nach und nach den heidnischen Priesterschaften gleichgestellt und schließlich diesen vorgezogen wird".⁵ Von besonderer Bedeutung für unser Thema ist die Tatsache, dass diese Sakralisierung des Priesteramtes konkrete Auswirkungen auf das Leben der Priester zeitigte. Weil der heilige Dienst nur noch von „Geheiligten" (Konsekrierten) versehen werden durfte, erwartete man jetzt, dass diese Priester, ihrem heiligen Dienst entsprechend, auch ein heiliges Leben führten. Und Heiligkeit bedeutete zuerst Reinheit im Sinn sexueller Enthaltsamkeit, gleichgültig, ob in einer Ehe oder ohne Ehe. Der eingeschlagene Weg mündete schließlich in die Forderung dauernder Enthaltsamkeit nach dem Empfang der höheren Weihe.

    Provozierend auf die Lebensform des Priesters wirkten außerdem Denken und Leben der Asketen, die sich in der Kirche schon früh hoher Achtung erfreuen konnten. Der Kirchenhistoriker Ernst-Ludwig Grasmück dürfte recht haben mit der Feststellung, dass der Gedanke der Ehelosigkeit „ausschließlich über das Asketentum – ganz gleich, ob bei den Gebildeten neuplatonisch oder darüber hinaus anachoretisch bestimmt – in den Klerus" eingedrungen sei.

    Bei der Entfaltung dieses neuen Priesterverständnisses geriet allmählich ganz in Vergessenheit, dass nach dem neutestamentlichen Brief an die judenchristlichen Hebräer das alttestamentliche Priestertum ein für allemal beendet sein sollte und die Kirche keinen neuen Opferkult und folglich auch keine neuen Opferpriester mehr brauchte, weil Jesus Christus als der „eine erhabene Hohepriester" durch seinen Tod die ewige Erlösung für alle Zeiten bewirkt hat und als der einzige Fürsprecher für die Kirche bei Gott bis zum Ende der Zeiten eintritt (Hebr 4,14 – 5,10).

    Diese ursprüngliche Auffassung scheint sich im Mönchtum am längsten gehalten zu haben. Es ist ohnedies zweifelhaft, ob die Mönche zur Zeit des hl. Benedikt († ca. 547), des Gründers des nach ihm benannten Benediktinerordens, schon die Eucharistie oder hl. Messe gefeiert haben (falls ja, dann sicher nur an Sonn- und Festtagen). Benedikt selbst war kein Priester, und die meisten seiner Mönche auch nicht. „In der Zeit des heiligen Benedikt ermahnte man die Mönche, zwei Arten von Menschen aus dem Wege zu gehen: Bischöfen und Frauen, da ein Bischof den Versuch unternehmen würde, den Mönch zum Priester zu machen, und eine Frau würde es darauf anlegen, ihn zum Heiraten zu bringen."

    Die Theologen des 4. und 5. Jahrhunderts konzentrierten das „Heilige in zunehmendem Maß auf das Priesterliche, was zur Folge hatte, dass die Person des Priesters in einem Nimbus erstrahlte, der von seiner Weihe ausging. Vor allem Johannes Chrysostomus führte mit seinem Traktat „Über das Priestertum (386) die Sakralisierung des Klerus auf himmlische Höhe. „Was nämlich das Priestertum betrifft, lesen wir darin, „so wird es zwar auf Erden verwaltet, nimmt jedoch den Rang himmlischer Einrichtungen ein.⁸ Bei demselben Kirchenvater begegnet uns auch die völlig neue Auffassung von der Eucharistie als einem sakralen Opfer. Er sah das Opferblut auf dem Altar der Götter abgelöst durch das Blut Christi auf dem Opferaltar der Eucharistie. Und weil die Eucharistiefeier jetzt als ein wirklicher Opferritus verstanden und vollzogen wurde, erwartete man auch von den (Opfer-)Priestern als Dienern des Hohenpriesters Jesus Christus, der selbst unverheiratet geblieben war, ein sexuell enthaltsames Leben. So wandelte sich die allen Christen geltende Empfehlung des Apostels Paulus (vgl. S. 25) erst Jahrhunderte später zu einer speziellen Forderung an die Adresse aller Kleriker. Doch auch die Laien sollten als Teilnehmer an der Opferfeier nach Reinheit, vorrangig als geschlechtliche Beherrschung verstanden, streben.

    Papst Gregor der Große (590-604) schritt auf dem so vorgezeichneten Weg weiter. In einem Brief an Kaiser Mauricius offenbarte er allerdings ein allzu wörtliches Verständnis der Bibel, wenn er feststellt, „in den Heiligen Schriften werden die Priester manchmal ‚Götter‘, manchmal ,Engel‘ genannt"⁹, um daraus die unvergleichlich hohe Würde des Priesters abzuleiten. Am liebsten hätte er aus den verheirateten Priestern zölibatäre Mönche gemacht, wie er selbst einer gewesen ist.

    Diese Zielsetzung wurde im 11. und 12. Jahrhundert von dem monastisch ausgerichteten Papsttum energisch verfolgt. „Wunsch und Wille Gregors VII., die Priester der Kirche nach dem asketischen Ideal der Mönche zu prägen, führen zu einem veränderten Priesterbild ... Aus dem Presbyter ist der Priester der katholischen Kirche geworden, der das heilige Opfer darbringt."¹⁰ Doch die Mehrzahl des Klerus, mehr weltlich als geistlich gesinnt, war zu dieser Zeit nach Meinung der Kirchenreformer zwei Hauptübeln verfallen: der Simonie (Kauf geistlicher Ämter) und dem Nikolaitismus (Unzucht, wozu auch die Ehe der Priester gerechnet wurde). Das Ziel hieß letztlich: enthaltsame und darum ehelose ­Priester. Fast alle Päpste dieses Jahrhunderts, von Leo IX. (1049-1054) bis Urban II. (1088-1099), förderten die vita communis der Kanonikerbewegung, weil sich vom Gemeinschaftsleben der „Welt"-Priester eine bessere Erfüllung der Kontinenzpflicht erhoffen ließ. Diese Kanoniker lebten wie Mönche, jedoch ohne Armut, Keuschheit und Gehorsam zu geloben, und erwarben sich in der praktischen Seelsorge große Verdienste.

    Die scholastische Theologie im Hochmittelalter brachte die Sakralisierung des Priesters mit der Definierung des Sakramentsbegriffs und im Zusammenhang damit der Doktrin vom „unauslöschlichen Merkmal (character indelebilis), das bei der Taufe und der Priesterweihe eingeprägt wird, zu einem krönenden Abschluß. Der Priester galt demnach als geweiht „auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks (Hebr 5,6) und konnte nie mehr ein Laie werden.

    Zur Abwehr der von den Reformatoren ausgehenden Angriffe gegen ein Priestertum, das zu dieser Zeit einseitig am Meßopfer ausgerichtet war, betonte das Konzil von Trient (1545-1563) die enge Verknüpfung von Opfer und Priestertum. Folglich erschien dieser gegenreformatorischen Theologie der Priester vornehmlich als Opferpriester, während das Predigtamt, die Verkündigung des Evangeliums, in den Hintergrund geriet. Leo Zirker formulierte diesen Sachverhalt prägnant: „Das kirchliche Amt wird ausschließlich auf den priesterlichen Ordo gegründet, der seinerseits kultisch sacerdotal verengt gesehen wird."¹¹ Nach dem Priesterbild, das in den Reformdekreten des Trienter Konzils auf- scheint, unterscheiden sich Priester und Mönch hinsichtlich ihres liturgischen Dienstes und ihrer Spiritualität (Breviergebet, Ehelosigkeit) nur wenig voneinander.

    Zu welcher Übersteigerung eine solche Blickverengung führen kann, beweist der auf Anregung desselben Konzils erarbeitete und von Papst Pius V. im Jahr 1566 für die ganze Kirche publizierte Catechismus Romanus. Darin werden Bischöfe und Priester in den Himmel erhoben, wenn sie „Gottes Dolmetscher und Botschafter, ja noch mehr: „mit Recht nicht nur Engel, sondern auch Götter genannt werden, weil sie des unsterblichen Gottes Kraft und Hoheit bei uns vertreten.¹² Diese Aussage stellt nach Karl Lehmann „eine bedauerliche und angesichts der Verbreitung des Katechismus nicht folgenlose Lehräußerung dar, die man heute unbeschadet des sonstigen Rangs dieses Reformwerks als Verirrung bezeichnen muß."¹³

    Das tridentinische Priesterideal bestimmte jedoch die Auffassung vom Priester auf Jahrhunderte. Der Geistliche wurde jetzt vollends zu einer Person, die sich von den anderen Gläubigen unterscheidet, äußerlich sichtbar in der Standeskleidung, in speziellen Standesrechten und in einem besonders aufgrund des Zölibats distanzierten Leben. Dieses sakralisierte Priesteramt wirkte nicht allein auf das Selbstverständnis des Priesters, es erzeugte gleichzeitig im Kirchenvolk einen hohen Respekt vor dem Wesen und Wirken des Geistlichen. Joseph-Marie de Maistre (+ 1821), ein katholischer Laie aus Savoyen, fordert in seinem Buch „Du Pape, das ihn als flammenden Vorkämpfer eines souveränen, unfehlbaren Papsttums ausweist, priesterliche Männer, „welche in jeder Beziehung höher stehen als andere, höher auch als die Priester aller anderen Religionen. Die Ehelosigkeit spielt dabei eine ganz entscheidende Rolle: „Jeder verehelichte Priester wird unter seine Würde herabsinken. Das unbestreitbare Übergewicht der katholischen Geistlichkeit ist einzig in dem Zölibatsgesetze gegründet... Der erhabene Adel der katholischen Geistlichkeit beruht ganz und gar auf dem Zölibat. Schließlich bricht er in einen Jubelruf auf jene Päpste aus, die für die Ehelosigkeit der Geistlichen gestritten haben: „Heil und ewige Ehre Gregor VII. und seinen Nachfolgern, die das Priestertum gegen alle Sophismen der Natur, des Beispiels und der Ketzerei unversehrt erhalten haben.¹⁴

    Das 2. Vatikanische Konzil (1962-1965) betrachtete den Priester zwar nicht mehr einseitig als Kultdiener, hielt aber doch, aufs Ganze gesehen, am tridentinischen Priesterideal fest und verursachte dadurch bei manchem Priester eine Identitätskrise. Andererseits verdanken wir dieser großen Kirchenversammlung doch eine längst fällige Aufwertung des Weltlichen und der Laien, so dass das „Sakrale und das „Priesterliche ihre frühere Vorzugsstellung weitgehend verloren haben und der Priester seinen Platz wieder, wie in den Anfangszeiten der Kirche, inmitten der Gemeinde einnimmt.

    Papst Paul VI. (1963-1978) registrierte den Wandel im Selbstverständnis vieler Priester mit großer Besorgnis. Bei einer Ansprache an den Klerus seiner Diözese Rom im Jahre 1972 wertete er das „beseligende Opfer im Zölibat als Folge innigster Verbundenheit mit Jesus Christus. Über den Priester selbst wagte er die leicht mißverständliche Aussage: „er ist auf andere Weise Christus.¹⁵ Solchen und ähnlichen Gedanken begegnen wir häufig in Äußerungen des seit 1978 bis 2005 regierenden Papstes Johannes Paul II. Charakteristisch für seine Auffassung vom Priester sind Begriffe wie „besondere Berufung, „freie Erwählung, „besondere persönliche Gemeinschaft mit Jesus Christus, „Handeln in der Person Jesu Christi und „besondere Teilhabe am Amt Jesu Christi". Doch viele Theologen und Priester, namentlich jüngere, wollen von einer derartigen Quasi-Identifizierung nichts mehr wissen.

    Der katholische Journalist Josef Othmar Zöller hat das Priesterbild mit goldenem Heiligenschein schon 1969 in seinem heute noch lesenswerten Buch „Abschied von Hochwürden ins Museum verwiesen. Der Zölibat sei „ein wesentliches Moment für das Prestige und das Selbstbewußtsein der katholischen Priester gewesen, konstatiert Zöller, „ein

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