Das Rätsel dieser Welt
Von Sri Aurobindo
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Rezensionen für Das Rätsel dieser Welt
1 Bewertung1 Rezension
- Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Wer nach Spiritualität sucht und manchmal an dem Wust an esoterischem Quatsch verzweifelt, dem tut sich mit diesem Büchlein ein echter Schatz und zuverlässiger spiritueller Kompass auf. Wenn man mal wieder verschluckt zu werden droht, von den diesseitigen Problemen, Ängsten, Zweifeln, Wünschen, dann funktioniert "Das Rätsel dieser Welt" so zuverlässig, wie eine Reset-Taste.
Buchvorschau
Das Rätsel dieser Welt - Sri Aurobindo
Kapitel 1
Eine weit größere Wahrheit
Ich meinte damit das Herabkommen des supramentalen Bewusstseins auf Erden; alle Wahrheiten unterhalb des Supramentals (selbst jene der höchsten spirituellen auf der mentalen Ebene, welche die höchste ist, die sich bislang manifestierte) sind teilweise oder relative Wahrheiten oder auf andere Weise ungenügend und nicht fähig, das Erdenleben umzuwandeln; sie können es bestenfalls modifizieren oder beeinflussen. Das Supramental ist das weite Wahrheits-Bewusstsein, von dem die alten Seher sprachen; es gelang zuweilen, es undeutlich wahrzunehmen, sei es als direkte Einwirkung oder als Druck, doch es wurde nicht in das Erdbewusstsein herabgebracht und dort gefestigt. Es daher herabzubringen, ist das Ziel unseres Yoga.
Es ist jedoch besser, keine unfruchtbaren intellektuellen Diskussionen zu beginnen. Das intellektuelle Mental kann sich nicht einmal vorstellen, was das Supramental ist; warum sollte man es über etwas diskutieren lassen, das es nicht kennt? Nicht durch Argumentation, sondern durch ununterbrochene Erfahrung, durch Wachsen des Bewusstseins, durch Weiten in das Licht vermag man jene höheren Bewusstseinsebenen über dem Verstand zu erreichen, von denen man dann zur Göttlichen Gnosis aufblicken kann. Diese Ebenen sind noch nicht das Supramental, doch sie können etwas von seinem Wissen empfangen.
Die vedischen Rishis erlangten das Supramental niemals für die Erde oder versuchten es vielleicht gar nicht. Sie versuchten, individuell die supramentale Ebene zu erreichen, doch sie brachten diese nicht herab, um sie zu einem dauernden Bestandteil des Erdbewusstseins zu machen. Es gibt sogar Verse in den Upanishaden, in denen angedeutet ist, dass es unmöglich sei, die Pforten der Sonne (Symbol des Supramentals) zu durchschreiten und dennoch den Erdkörper zu bewahren. Dieses Misslingen war der Grund, weshalb das spirituelle Streben Indiens im Mayavada gipfelte. Unser Yoga besteht aus einer doppelten Bewegung des Aufsteigens und des Herabkommens; man erhebt sich zu immer höheren Ebenen des Bewusstseins, doch zur gleichen Zeit bringt man ihre Macht nicht nur in Mental und Leben herab, sondern schließlich sogar in den Körper. Die höchste dieser Ebenen, diejenige, die unser Ziel ist, ist das Supramental. Erst wenn diese herabgebracht werden kann, ist eine göttliche Umwandlung im Erdbewusstsein möglich.
4. Mai 1930
Kapitel 2
Die höchsten Ebenen des Seins
Ich glaube nicht, dass zwischen einem System spirituellen und okkulten Wissens und einem anderen immer wechselseitige Verbindungen hergestellt werden können. Alle befassen sich mit dem gleichen Stoff, doch gibt es Unterschiede des Standpunktes, Unterschiede der Auffassung, Verschiedenheiten, was die mentale Vorstellung dessen anbelangt, was erkannt und erfahren wird, grundverschiedene pragmatische Ziele und unterschiedliche Wege, die abgesteckt und gebahnt sind und denen man folgt; die Systeme unterscheiden sich, jedes schafft sich sein eigenes Schema, seine eigene Technik.
Im alten indischen System gibt es nur ein trinitarisches Höchstes, Sachchidananda. Oder aber, wenn du von der oberen Hemisphäre als der höchsten sprichst, sind es drei, die Sat-Ebene, die Chit-Ebene, die Ananda-Ebene. Das Supramental könnte man als eine vierte hinzufügen, da es sich auf den drei anderen gründet und zur oberen Hemisphäre gehört. Die indischen Systeme unterscheiden nicht zwischen zwei grundverschiedenen Mächten und Ebenen des Bewusstseins, nämlich derjenigen, die wir das Obermental nennen und der anderen, dem wahren Supramental oder der Göttlichen Gnosis. Das ist der Grund des Irrtums bezüglich der Maya (die Kraft des Obermentals oder vidya-avidya) und warum sie diese für die höchste schöpferische Macht ansahen. Indem sie derart bei etwas haltmachten, was nur ein halbes Licht war, verloren sie das Geheimnis der Umwandlung; Vaishnava- und Tantra-Yoga suchten tastend danach, es wiederzufinden, und befanden sich manchmal am Rande des Erfolgs. Für die übrigen Systeme hingegen war dieser Irrtum - das ist jedenfalls meine Meinung - der Hemmschuh für alle Versuche, die dynamische göttliche Wahrheit zu entdecken; ich kenne kein System, das nicht glaubte, sobald sich der Glanz des Obermentals herabsenkte, dass dies die wahre Erleuchtung, die Gnosis sei; das Ergebnis war, dass sie dort entweder haltmachten und nicht weiterkamen oder aber zu der Schlussfolgerung gelangten, dass auch dieser Glanz nur Maya oder lila sei und dass es allein Eines zu tun galt, nämlich darüber hinaus zu gelangen in das unbewegliche, untätige Schweigen des Höchsten.
Vielleicht ist das, was mit den Höchsten gemeint sein könnte, eher die drei Fundamente der gegenwärtigen Schöpfung. Im indischen Denksystem sind es Ishvara, Shakti und Jiva oder auch Sachchidananda, Maya, Jiva. In unserem System, das versucht, über die gegenwärtige Manifestation hinauszugelangen, könnten jene sehr wohl als gegeben angenommen und vom Standpunkt der Bewusstseinsebenen betrachtet werden; die drei obersten, also Ananda (mit Sat und Chit, die darauf beruhen) sowie das Supramental und Obermental wären in diesem Fall die drei Höchsten. Das Obermental befindet sich am Gipfel der niederen Hemisphäre, und du musst hindurch und über das Obermental hinaus, wenn du das Supramental erreichen willst; über dem und jenseits des Supramentals befinden sich dann die Welten von Sachchidananda.
Du sprichst von der Kluft unterhalb des Obermentals. Doch ist dort wirklich eine Kluft vorhanden, - gibt es irgendeine andere Kluft als menschliche Unbewusstheit? In der Reihenfolge der Bewusstseinsebenen oder -stufen gibt es nirgendwo eine wirkliche Kluft, es sind immer Verbindungsstufen vorhanden, und man kann Schritt für Schritt aufsteigen. Zwischen dem Obermental und dem menschlichen Mental gibt es eine Anzahl von immer lichthafteren Abstufungen; da diese dem menschlichen Mental jedoch überbewusst sind (außer einer oder zwei der untersten, von denen es direkte Berührungen erhält), neigt es dazu, sie als eine Art höheres Unbewusstes zu betrachten. Daher spricht eine der Upanishaden von dem Ishvara-Bewusstsein als susupti, tiefem Schlaf, da der Mensch meist nur im Samadhi-Zustand darin eintreten kann, solange er nicht versucht, sein Wachbewusstsein in einen höheren Zustand zu erheben.
Tatsächlich gibt es zwei Systeme, die gleichzeitig im